ÖSTERREICH-UNGARNS LETZTER KRIEG 1914-1918
HERAUSGEGEBEN VOM ÖSTERREICHISCHEN BUNDESMINISTERIUM FÜR LANDESVERTEIDIGUNG UND VOM KRIEGSARCHIV
FÜNFTER BAND
ZWEITER TEIL
VERLAG DER MILITÄRWISSENSCHAFTLICHEN MITTEILUNGEN
WIEN
DIE EREIGNISSE VON AUGUST BIS ZUR JAHRESWENDE
UNTER DER LEITUNG VON EDMUND GLAISE-HORSTENAU
BEARBEITET VON
JOSEF BRAUNER, EDUARD CZEGKA, WALTHER HEYDENDORFF, RUDOLF KISZLING, CARL KLUMPNER UND ERNST WISSHAUPT
MIT 35 BEILAGEN
VERLAG DER MILITÄRWISSENSCHAFTLICHEN MITTEILUNGEN
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, Vorbehalten Copyright 1930
by Verlag der Militärwissenschaftlichen Mitteilungen in Wien Einbandzeichnung von Rudolf Junk in Wien
Druck: Augustinus-Druckerei, Klosterneuburg
Mit dem vorliegenden fünften Bande des Werkes „ÖsterreichUngarns letzter Krieg 1914—1918“, der die Begebenheiten von August bis zur Jahreswende 1916 enthält, findet die Schilderung dieses außerordentlich ereignisreichen Kriegsjahres ihren Abschluß. In Stoffgliederung und Aufbau hat die Schriftleitung an ihren bisherigen Richtlinien festgehalten.
In die Verfassung der Abschnitte haben sich die Mitarbeiter wie folgt geteilt:
„Die Weltlage im Sommer 1916“ vom Generalstaatsarchivar, Obst. a. D. Dr. h.c. Glaise-Hor stenau;
„Die Südwestfront in der ersten Hälfte August 1916“ vom Obst. d. BH. Brauner (Die sechste Isonzoschlacht) und vom Mjr. d. R. Heyden dorff (Die Ereignisse in Tirol);
„Das Ringen im Osten von Ende Juli bis Ende August 1916“ vom Generalstaatsarchivar Dr. h. c. Glaise-Horstenau (Bildung der Hindenburg-Front), Staatsarchivar, Mjr. a.D. Dr. Czegka (Ereignisse in Wolhynien) und Mjr. d. BH. Wisshaupt (Begebenheiten in Ostgalizien) ;
„Der Feldzug in Siebenbürgen“ vom Hofrat, Obst. a. D. K i s z li n g, mit einem Beitrag über die Entlastungsoffensive des Orientheeres Sarrails vom Obstlt. d. BH. Klumpner;
„Die Offensive der Russen im Herbst 1916“ vom Staatsarchivar Dr. Czegka und vom Mjr. Wisshaupt;
„Die Eroberung der Walachei“ vom Hofrat K i s z 1 i n g mit den Beiträgen „Die Deckung der Ostflanke Siebenbürgens“ und „Gegenoffensiven zugunsten der Rumänen“ vom Staatsarchivar Dr. Czegka (russische Front) und Obstlt. K 1 u m p n e r (mazedonische Front);
„Die Herbstschlachten gegen die Italiener“ vom Mjr. d. R. Heydendorff, hiebei angefügt ein Aufsatz über die Kämpfe in Albanien vom Obstlt. Klumpner;
„Politik und Krieg um die Jahreswende 1916 17“ vom Generalstaatsarchivar Dr. h.c. Glaise-Horstenau.
Wie bisher haben sich um das Zustandekommen des vorliegenden Bandes noch bemüht: GO. d. R. Sarkotic-Lovcen, Gen. d. R. Ing. Ratzenhofer, GM. d. R. Spannocc h i, Generalstaatsarchivar Univ.-Prof. Dr. Bittner, Hofrat d. R., Obst. a. D. Ehnl, Hofrat d. R., Rtm. a. D. Sacken, Wirkl. Amtsrat Obstlt. a. D. Martinec und Wirkl. Amtsrat Mjr. a. D. Pi bl; neu trat hinzu als Übersetzer rumänischer Kriegswerke Obst. d. R. Reiner. Gen. Ratzenhofer hat sich überdies als Verlagsleiter um die Fortführung des Kriegswerkes besondere Verdienste erworben.
Die Schriftleitung sieht es schließlich als ihre Pflicht an, die Förderung des Werkes durch den gewesenen Bundesminister für Landesverteidigung GO. Schönburg-Hartenstein, durch seinen Nachfolger Bundeskanzler Dr. Schuschnigg, den Staatssekretär für Landesverteidigung GdI. Zehner und durch den ersten Sektionschef GdK. Brantner nachdrücklich hervorzuheben.
Den Beziehern des Werkes, von denen zahlreiche ehemalige höhere Führer bei Durchsicht der Entwürfe wertvolle Hilfe geleistet haben, sei für ihre Treue, die sie in wirtschaftlich schwerer Zeit dem Kriegswerke gehalten haben, neuerlich der wärmste Dank gesagt.
Wien, im Dezember 1934.
Der Leiter der kriegsgeschicht- Der Direktor des Kriegsarchivs
liehen Abteilung des Kriegsarchivs Dr. h. c. GLAISE-HORSTENAU
KISZLING
Seite
Vorwort zum V. Band..................... V
Verzeichnis der Abkürzungen...................XVII
Die Kriegsschauplätze zu Land und zur See..........................3
Die politische Lage bei Freund und Feind............................9
Die Mittelmächte bis zum Sommer 1916..........................9
Die Entente..............................................15
Die Südwestfront in der ersten Hälfte August 1916
Die sechste Isonzoschlacht (4. bis 16. August)............21
Vorbereitungen der Italiener zum neuerlichen Angriff am Isonzo ... 21
Die Lage an der Südwestfront um die Juli-August-Wende 1916 . . 21
Die Entwicklung des italienischen Operationsplanes für das Jahr 1916 23
Der Aufmarsch und das Kräfteaufgebot der Italiener......27
Die Kräfteverteilung und die Ausgestaltung des Kampfraumes der
k.u.k. 5. Armee..................................30
Der Verlust des Görzer Brückenkopfes..........................38
Die Einleitungskämpfe am 4. und 5. August.........38
Der Überfall auf den Görzer Brückenkopf..........39
Gegenangriffe im Brückenkopf von Görz..........44
Das ungleiche Ringen um den Görzer Brückenkopf am 7. August . . 47
Die Räumung des Görzer Brückenkopfes..........51
Die Schlacht auf der Karsthochfläche von Doberdó (6. bis 8. August) . . 55
Der Angriff des italienischen XI. Korps auf den Mt. S. Michele am
6. August ......................................55
Das letzte Ringen um den Mt. S. Michele am 7. und 8. August ... 59
Die Krise der Schlacht...................62
Ungünstige Lage am Isonzo bei Görz am 8. August und Beziehen der
zweiten Stellung östlich von der Stadt.........62
Der Entschluß zur Räumung der Karsthochfläche von Doberdó . . 67
Der Plan Cadornas für die Fortsetzung des Angriffes über den Isonzo 70
Die „versäumte Gelegenheit“ zum Durchbruch der öst.-ung. Front. . 71
Die Ereignisse auf der Karsthochfläche am 9. August......75
Die k.u.k. 5. Armee nach dem Beziehen der zweiten Stellung ... 77
Seite
Die zweite Phase der Schlacht (10. bis 16. August).........79
Das Vorfühlen des Feindes gegen die neue Verteidigungsfront am
10. August ...................79
Erkundungsvorstöße gegen die neuen Stellungen der k.u.k. 5. Armee
am 11. August....................................83
Die Überwindung der Schlachtenkrise am 14. August......92
Der letzte Großkampftag der sechsten Isonzoschlacht......97
Das letzte Ringen auf der Karsthochfläche und der Ausklang der
sechsten Isonzoschlacht...............100
Rückblick auf die sechste Isonzoschlacht..........102
Die Ereignisse in Tirol im August 1916...............108
Tirol wird zur Nebenfront.................108
Die Fortsetzung der italienischen Fleimstaloffensive im August 1916 . . 110
Das Ringen im Osten von Ende Juli bis Ende August
Die Bildung der Hindenburgfront.................117
Die Schlacht bei Kowel....................122
Angriffe der Armee Lesch (28. Juli bis 3. August).........122
Der Ansturm der Armeen Bezobrazow und Kaledin (28. Juli bis 3. August) 128
Zurückweichen der Verbündeten aus dem Stochodknie......128
Die Verteidigung des Stochodoberlaufes...........133
Rückschlag bei der Armee Tersztyánszky..........137
Brussilows Angriffe gegen Lemberg und Stanislau...........145
Der Ausklang der Schlacht bei Brody (28. Juli bis 3. August).....145
Vorstöße Sacharows gegen die Armeegruppe Marwitz......145
Der Rückzug der Armee Böhm-Ermolli nach der Schlacht bei Brody
(28. Juli bis 3. August)...............146
Die Schlacht nördlich und südlich vom Dniester (28. Juli bis 3. August) . 149
Der Entlastungsangriff der Armee Pflanzer-Baltin in den f Karpathen
(28. Juli bis 4. August).................154
Maßnahmen Brussilows zur Fortsetzung der Offensive (4. August) . . . 157
Der Ausgang der Schlacht bei Kowel................160
Die letzten Tage der Schlacht (8. bis 12. August).........165
Der Angriff der Armeen Lesch und Bezobrazow auf die Armeegruppe
Bernhardi.......................165
Russische Vorstöße gegen Mitte und Südflügel der Heeresgruppe
Linsingen......................169
Fortführung der russischen Angriffe gegen Lemberg und Stanislau.....173
Die Schlacht bei Zalosce (4. bis 8. August)............173
Kämpfe der Armee Pflanzer-Baltin in den Karpathen (5. bis 8. August) . 178
Seite
Die Schlacht bei Stanislau (7. bis 10. August)...........181
Durchbruch der Russen bei Tłumacz und am Dniester......181
Begleitstoß der Armee Schtscherbatschew..........185
Neue russische Angriffe über den oberen Sereth (9. bis 13. August) . . . 187
Auswirkungen der Schlacht bei Stanislau (11. bis 13. August).....189
Rückzug der 3. Armee hinter die Bystrzyca Sołotwińska.....189
Rückzug der Armeen Bothmer und Böhm-Ermolli.......191
Regelung der Angriffsziele durch die Stawka...........196
Nachdrängen der Russen in Ostgalizien und wechselvolle Kämpfe in den
Karpathen (13. bis 17. August)..............198
Stillstand in Wolhynien................202
Führermaßnahmen bei Freund und Feind............204
Die Ostfront bis zur Kriegserklärung Rumäniens (18. bis 27. August) . . 206
Ereignisse bei der Heeresgruppe Linsingen..........206
Kämpfe in Ostgalizien und um den Karpathenkamm (18. bis 27. August) 212
Rückblick auf die Augustkämpfe im Osten............216
Der Feldzug in Siebenbürgen
Rumäniens Eintritt in den Weltkrieg................223
Rumäniens Politik bis Ende August 1916............223
Bündnisvertrag und Militärkonvention zwischen Rumänien und der
Entente ....................228
Das rumänische Heer...................230
Der rumänische Operationsplan................232
Die Gegenmaßnahmen der verbündeten Mittelmächte........237
Der Operationsplan und seine Wandlungen..........237
Die militärischen Vorbereitungen Österreich-Ungarns gegen Rumänien 241
Beistellung von öst.-ung. Streitkräften und von Kriegsgerät für Bulgarien 244
Der Einbruch der Rumänen in Siebenbürgen.............245
Einbruch der rumänischen 2. Armee............249
Die Gefechte südlich von Hermannstadt...........252
Die Kämpfe bei Petrosény und bei Orsova..........254
Die Gegenmaßnahmen der Mittelmächte.............257
Führerentschlüsse und -befehle bis zum 5. September......257
Falkenhayns Rücktritt und die Schaffung der Obersten Kriegsleitung 262
Die ersten Ereignisse in der Dobrudscha (1. bis 9. September).....271
Die Kriegserklärung Bulgariens..............271
Die Eroberung von Turtukai und ihre Folgen (1. bis 6. September ' . 273
Die Ereignisse in Siebenbürgen vom 5. bis zum 13. September.....278
Seite
Vordringen der rumänischen 11. ID. gegen das Hátszeger Becken
(5. bis 11. September)...............278
Die Begebenheiten bei Hermannstadt und nordwestlich von Kronstadt
zwischen dem 5. und dem 13. September.........279
Fortsetzung der Offensive der rumänischen Nordarmee (5. bis 11.
September)...................280
Führerentschlüsse in Siebenbürgen zwischen dem 10. und dem 13.
September ...................283
Der rumänische Kriegsschauplatz vom 14. bis zum 19. September .... 288
Übergang der rumänischen 2. Armee über den Alt.......288
Die Rückeroberung des Petrosényer Kohlenreviers (14. bis 19. September) ....................290
Der Rückzug der Rumänen und der Russen in der Dobrudscha
(10. bis 19. September)...............291
Führerentschlüsse für den Osten um die Mitte des Monats September 293
Vertreibung der Rumänen aus Siebenbürgen.............298
Die Schlacht bei Hermannstadt................298
Der Operationsplan Falkenhayns.............298
Der Aufmarsch zur Schlacht (22. bis 25. September)......301
Die zwei ersten Schlachttage (26. und 27. September)......304
Entsatzversuch der rumänischen 2. Armee (27. bis 29. September) . 307
Der Sieg über das rumänische I. Korps (28. und 29. September) . . 309
Die anderen Frontabschnitte in Siebenbürgen während der Schlacht
bei Hermannstadt (25. bis 28. September)........311
Von Hermannstadt bis über den Geisterwald...........314
Einleitung der Vorrückung der deutschen 9. Armee (29. September
bis 1. Oktober)..................314
Der Vormarsch zu beiden Seiten des Altflusses........321
Die Schlacht am Geisterwald (5. Oktober)..........326
Donauübergang der Rumänen bei Flämända (1. bis 4. Oktober) .... 328
Die Rückeroberung des östlichen Siebenbürgens (6. bis 14. Oktober) . . 333
Maßnahmen der Führung und Kämpfe am 6. Oktober......333
Die Schlacht bei Kronstadt (7. bis 9. Oktober).........337
Die Armee Arz und der rechte Flügel der Armee Falkenhayn bis
9. Oktober ...................344
Falkenhayns Durchbruchsversuche aus Südostsiebenbürgen .... 347
Die Entlastungsoffensive des Orientheeres Sarrails (12. September bis Mitte
Oktober)......................352
Betrachtungen......................354
Die Offensive der Russen im Herbst 1916
Brussilows Ansturm um die Monatswende August-September.......361
Änderungen im Angriffsplan der Stawka............361
Seite
Das Ringen in Ostgalizien nördlich vom Dniester.........372
Einbruch der Russen am Südflügel der Armee Bothmer (31. August
bis 3. September).................372
Kämpfe bei Zborów (31. August bis 5. September).......375
Kämpfe bei der Heeresgruppe Linsingen.............376
Die letzten Tage vor dem Angriff der Russen (28. bis 30. August) . 376
Die erste Abwehrschlacht bei Szelwow-Swiniuchy (31. August bis
3. September)..................379
Unterbleiben des Angriffes der russischen Westfront..........383
Eingreifen der Stawka...................385
Die Schlacht in den Waldkarpathen............387
Erste Schlacht an der Narajówka.............392
Vorsorgen des Heeresgruppenkommandos Erzherzog Karl zur Abwehr
neuer russischer Anstürme..............395
Die Geschehnisse bei der Heeresgruppe Linsingen.......397
Die zweite Abwehrschlacht bei Szelwow-Swiniuchy (16. bis 23. September) 401 Die Erstürmung des russischen Brückenkopfes Zarecze am 18. September 410 Kämpfe bei Perepelniki und die zweite Schlacht an der Narajówka (16. .bis
24. September)....................412
Die Schlacht in den Waldkarpathen vom 16. bis 24. September.....416
Maßnahmen der beiderseitigen Führung für den nächsten Großkampf
(23. bis 30. September).................424
Die letzte Generaloffensive Brussilows...............431
Die Abwehrschlacht bei Korytnica-Zaturcy (1. bis Mitte Oktober) . . . 431
Neue Anstürme der Russen gegen die Armee Böhm-Ermolli und Bothmer
(30. September bis Mitte Oktober).............438
Stillstand der russischen Offensive in den Waldkarpathen von Ende
September bis Mitte Oktober.............443
Die Eroberung der Walachei
Kriegslage Mitte Oktober 1916 und Führerentschlüsse........449
Die russische Front in der zweiten Oktoberhälfte.........457
Die letzte Schlacht in Wolhynien...............457
Der Ausklang der Brussilow-Offensive in Ostgalizien.......461
Die Kämpfe an der Siebenbürger Ostfront von Mitte Oktober bis Anfang
November .....................467
Die Gefechte am Nordflügel der Armee Arz (14. bis 24. Oktober) . 468
Vorstoß des k.u.k. VI. Korps im Trotuęu- und im Uztal (14. bis
31. Oktober).................... 471
Seite
Die Kämpfe am Ojtozpaß in der zweiten Oktoberhälfte.....474
Zuführen von Verstärkungen zur Armee Arz.........477
Die Durchbruchsversuche in den Kronstädter Pässen (14. Oktober bis
2. November) ....................480
Die Durchbruchskämpfe auf beiden Altufern (16. Oktober bis 2. November) 484
Der Durchbruch durch das Vulkangebirge............491
Angriffsvorbereitungen der Verbündeten und rumänische Abwehrmaßnahmen ...................491
Die Durchbruchskämpfe vom 23. Oktober bis 5. November .... 493
Die Ereignisse bei Orsova in der zweiten Oktoberhälfte.....499
Die Eroberung von Constanta und von Cernavoda.........500
Führungsmaßnahmen der Verbündeten für den Einbruch in die Walachei 502
Die Deckung der Ostflanke Siebenbürgens..............504
Angriff der Rumänen gegen den Ojtozabschnitt (10. bis 16. November) 515 Abwehrvorsorgen gegen den nächsten Russenansturm (Bis 27. November) 518
Das Eindringen in die Kleine Walachei...............523
Die Schlacht bei Tärgu Jiu (15. bis 17. November).........531
Die Verfolgung bis Craiova (18. bis 21. November).........535
Die Gruppe Krafft in der dritten Novemberwoche.........539
Die Kämpfe in den Kronstädter Pässen vom 3. bis 21. November .... 542
Von Craiova bis Bukarest....................545
Das Überschreiten des Alt und der Donau durch die Verbündeten . . . 545
Begebenheiten bei der 9. Armee am 22. und 23. November .... 545
Führerentschlüsse bei Freund und Feind...........547
Der Stromübergang der Donauarmee (23. bis 25. November) . . . 549
Die Ereignisse am Alt am 24. und 25. November........553
Die Schlacht am Argesu...................554
Einleitende Maßnahmen der feindlichen und der eigenen hohen Führung 554 Die Heeresbewegungen in der Walachei zwischen dem 26. und dem
29. November..................557
Der rumänische Gegenangriff auf die Armee Kosch.......562
Das entscheidende Eingreifen der Armee Falkenhayn......565
Die Einnahme von Bukarest und von Ploesci...........568
Die Gefangennahme des rumänischen Cernadetachements .... 573
Entlastungsoffensiven zugunsten der Rumänen.............575
Die russisch-rumänische Gegenoffensive.............575
Der Angriff der Armee Letschitzki und der rumänischen Nordarmee gegen
die Ostgrenze Siebenbürgens (28. November bis Mitte Dezember) . . 576
Angriffe der Russen gegen die k.u.k. 7. Armee (28. November bis
Ende Dezember).................585
Die stehende Ostfront bis zur Jahreswende............590
Die mazedonische Front von Mitte Oktober bis Ende 1916......594
Seite
Von Bukarest bis an den Sereth..................596
Die Verfolgung bis nach Buzeu (7. bis 14. Dezember)........596
Die Weihnachtsschlachten bei Romnicu-Särat und im ßerecker Gebirge . . 603
Vorbereitungen bei Freund und Feind...........603
Die Schlacht bei Romnicu-Särat (22. bis 28. Dezember).....607
Der Angriff des XXXIX. Reservekorps im Ojtoztale (26. Dezember
1916 bis 5. Jänner 1917)..............612
Die Eroberung von Bräila und Focęani (29. Dezember 1916 bis 8. Jänner 1917) 615
Ausklang......................620
Betrachtungen über den Feldzug in der Walachei.........623
Die Herbstschlachten gegen die Italiener
Die siebente Isonzoschlacht (14. bis 17. September)...........631
Die neue Abwehrfront der k.u.k. 5. Armee............631
Vorbereitungen der Italiener zur Fortführung der Offensive auf dem Karst 633 Beurteilung der allgemeinen Lage anfangs September. Gegenüberstellung
der Stärken.....................635
Die Karstschlacht.....................638
Einleitung und Großangriffe am 14. und 15. September.....638
Fortsetzung der italienischen Angriffe am 16. und 17. September . . 644
Ergebnisse der siebenten Isonzoschlacht.............649
Die achte Isonzoschlacht (9. bis 12. Oktober).............650
Angriffsvorbereitungen der Italiener und Abwehrmaßnahmen der Armee
Boroevic......................650
Die allgemeine Lage im Küstenlande zu Anfang Oktober und die
beiderseitigen Kräfteverhältnisse...........654
Die Schlacht.......................656
Ergebnisse der achten Isonzoschlacht...........662
Die neunte Isonzoschlacht (31. Oktober bis 4. November).........663
Die Abwehrkrise bei der Armee Boroevic............663
Vorbereitungen der Italiener und Kräftevergleich.........666
Die neunte Karstschlacht..................668
Der Einbruch der Italiener am 1. und 2. November 1916.....668
Der Ausgang der Schlacht und ihre Ergebnisse........675
Rückblick auf die Herbstschlachten und der Kleinkrieg bis zum Jahresende 679
Die Kämpfe in Tirol und in Kärnten bis zum Jahresende........684
Fortsetzung der italienischen Angriffe gegen die Südostfront Tirols . . 684
Der Fleimstalabschnitt im September und Oktober.......684
Die Septemberkämpfe um den Pasubio und die Sprengung des Cimone 689
Die Pasubioschlacht vom 9. bis zum 20. Oktober........693
Herbst und Winteranbruch in den Tiroler Bergen.........698
Die Ereignisse an der Kärntnerfront bis zum Ende des Jahres 1916 . . 701
Die Kämpfe in Albanien während des zweiten Halbjahres 1916......703
Politik und Krieg an der Jahreswende 1916/17
Seite
Rückblick auf die Sommer- und Herbstkämpfe..........709
Die Friedensschritte des Vierbundes und des Präsidenten Wilson .... 715
Der Tod des Kaisers Franz Joseph und der Thronwechsel......719
Nachträge zum Vierten Band...................725
Personenverzeichnis und Verzeichnis der öst.-ung. und der verbündeten Truppenverbände
Personenverzeichnis......................729
Verzeichnis der öst.-ung. Truppenverbände..............737
Verzeichnis der deutschen Truppenverbände.............743
Verzeichnis der bulgarischen Truppenverbände............746
Verzeichnis der türkischen Truppenverbände.............746
Ergänzungen und Berichtigungen zu den ersten fünf Bänden
747
Beilage
Lage am 6. August 1916. Beginn der sechsten Isonzoschlacht.......1
Die Lage am 6. August abends und die eigenen Anordnungen (Skizze 1) . . . 2
Die Lage bei Görz am 8. August 1916 mittags (Skizze 2).........2
Die Schlacht auf der Karsthochfläche vom 6. bis zum 9. August 1916 (Skizze 3) 2
Stellungsverlauf zwischen Canale und dem Meer. Die Gruppierung der Italiener
zum Angriff auf die 2. Stellung der k.u.k. 5. Armee (Skizze 4).....2
Die Lage bei Görz am 12. August 1916 (Skizze 5)...........2
Die Fleimstalfront. 24. August 1916 (Skizze 6).............2
Lage an der Isonzofront am 17. August 1916. Ende der sechsten Isonzoschlacht 3
Die Schlacht bei Kowel vom 28. Juli bis 7. August 1916..........4
Die Lage der Heeresgruppe Linsingen vom 8. bis 27. August 1916......4
Die Kämpfe am oberen Sereth vom 4. bis 14. August 1916.........5
Die Schlacht bei Stanislau vom 27. Juli bis 14. August 1916........5
Die Kämpfe in den Karpathen vom 3. bis 26. August 1916........5
Rumänischer Kriegsschauplatz...................6
Kriegsgliederungen für die Monate August und September 1916......7
Laufbild der Eisenbahn-Truppentransporte von August bis Ende Dezember 1916 8
Lage in Siebenbürgen am 27. August 1916 abends und in der Dobrudscha am
1. September früh.....................9
Einbruch der Rumänen in Siebenbürgen. 27. August bis 4. September 1916 ... 10
Die Kämpfe in der Dobrudscha vom 1. bis 19. September 1916.......11
Ereignisse in der Dobrudscha vom 19. Oktober bis 11. November 1916 .... 11
Donauübergang der Rumänen bei Flämanda. Lage am 1. Oktober 1916 .... 11
Ereignisse in Siebenbürgen zwischen 5. und 19. September 1916.......12
Die Schlacht bei Hermannstadt. 26. bis 29. September 1916.........13
Ereignisse in Siebenbürgen vom 1. bis 5. Oktober 1916.........14
Die Ereignisse in Siebenbürgen vom 6. bis 14. Oktober 1916........15
Die Schlacht bei Kronstadt vom 7. bis 9. Oktober 1916..........15
Ansichten vom rumänischen Kriegsschauplatz.............16
Ereignisse an der mazedonischen und an der albanischen Front von August
bis Mitte Dezember 1916...................17
Die Schlacht in den Waldkarpathen vom 28. August bis 30. September 1916 . . 18
Die Kämpfe bei der Armee Bothmer vom 31. August bis 6. September 1916 . . 19
Die Kämpfe an der Narajówka vom 7. September bis 6. Oktober 1916 .... 19
Die Kämpfe bei Zborów—Perepelniki—Zarków vom 31. August bis 6. Oktober 1916 19
Lage der Heeresgruppe Linsingen am 31. August 1916..........20
Lage der Heeresgruppe Linsingen am 16. September 1916.........20
Kriegsgliederung der k.u.k. 4. Armee am 31. August 1916........20
Beilage
Die Ostfront zwischen Pripiatj und Dreiländerecke im Oktober 1916. Lage am
1. Oktober und Truppenverschiebung im Laufe dieses Monates.....21
Die Durchbruchskämpfe an der Siebenbürger Südgrenze von Mitte Oktober bis
Anfang November 1916...................23
Durchbruchskämpfe im Rotenturmpaß. 16. Oktober bis 2. November 1916
(Skizze 2)......................23
Der Durchbruch durch das Vulkangebirge (Skizze 3)........23
Vereinfachte Kriegsgliederung für den Anfang November 1916.......24
Die Siebenbürger Ostfront vom 3. bis 27. November 1916 (Skizze 1).....25
Abwehrkämpfe der k.u.k. 7. Armee vom 28. November bis Ende Dezember 1916
(Skizze 3)........................25
Die Schlacht bei Tärgu Jiu vom 11. bis 17. November 1916 (Skizze 1) .... 26
Die Kämpfe zu beiden Seiten vom Alt vom 3. bis 21. November 1916 (Skizze 2) 26
Die Kämpfe in den Kronstädter Pässen vom 3. bis 21. November 1916 (Skizze 4) 26
Das Überschreiten des Alt und der Donau durch die Verbündeten (Skizze 1) . . 27
Die Schlacht am Argeęu und die Einnahme von Bukarest (Skizze 2).....27
Das Eisenbahntrajekt Ruščuk—Giurgevo...............27
Die Verfolgung bis nach Buzeu. 7. bis 14. Dezember 1916 (Skizze 1) .... 28
Die Eroberung von Bräila und von Focsani (Skizze 2)..........28
Angriffsplan des Heeresfrontkommandos Erzherzog Joseph (Skizze 3) .... 28
Die Ostfront südlich vom Pripiatj am 12. Jänner 1917..........29
Lage der Mittelmächte in Europa Mitte Jänner 1917 (Nebenskizze) ... 29
Lage im Küstenlande vor Beginn der siebenten Isonzoschlacht (14. September 1916) 30
Lage im Küstenlande nach der neunten Isonzoschlacht (11. November 1916) . . 30
Die siebente Isonzoschlacht. Lage am 14. September 1916 (Skizze 1).....31
Die achte Isonzoschlacht. Lage am 10. Oktober 1916 (Skizze 2).......31
Die neunte Isonzoschlacht. Lage am 31. Oktober 1916 (Skizze 3)......31
Die Lage auf den Hochflächen am 1. November 1916..........32
Die Lage auf dem Pasubio am 9. und 18. Oktober 1916..........32
Die beiden Pasubio-Platten (Nebenskizze).............32
Die Verluste des Südflügels der 5. Armee. September-November 1916.....33
Der Orient im November 1916..................34
Zeittafel der Feldzüge und der wichtigsten Schlachten des Kriegsjahres 1916 . . 35
AOK. —- Armeeoberkommando ArtKmdt., ArtKmdo. = Artilleriekommandant (-kommando) Baon. = Bataillon BersR. = Bersaglieriregiment BkBaon., BkKomp. — Brückenbataillon (-kompagnie) BregD., VardD. = Bregalnica- ^Vardar-; Division Bt. = Batterie d. = deutsch D., Div. = Division Det. = Detachement DivGen. = Divisionsgeneral (rum.) Dionskav. = Divisionskavallerie DOHL. = Deutsche Oberste Heeresleitung DonD. I (II), DrinD., MorD., ŠumD., TimD. = Donau- (Drina-, Morava-, Sumadia-, Timok-)division I. /'II.) Aufgebotes DR., HR., UR. = Dragoner- Husaren-, Ulanen-) regiment ER. = Eisenbahnregiment F = Feld FABrig. = Feldartilleriebrigade FHR., FHD., FHBt. — Feldhaubitzregiment (-division, -batterie) finn. = finnisch FJB. = Feldjägerbataillon FKR., FKD., FKBt. = Feldkanonenregiment (-division, -batterie) Fl\V., FlWZug = Flammenwerfer (-zug) FlakBt., Flakzug = Fliegerabwehrkanonenbatterie (-zug) Flakn. = Fliegerabwehrkanone FliegKomp., FliegAbtlg. — Fliegerkompagnie (-abteilung [deutsch]) Frw. = Freiwilligen FsAR., FsABaon., FsAKomp., FsADet. = Festungsartillerieregiment (-bataillon, -kompagnie, -detachement) Gb = Gebirgs GbAR. = Gebirgsartillerieregiment GbBrig. =. Gebirgsbrigade |
GbSchR. Gebirgsschützenregiment GdA., GdI., GdK. = General der Artillerie (Infanterie, Kavallerie) GendR.. GendBaon., GendSchwd. = Gendarmerieregiment (-bataillon, -schwadron) GID., GKD., GKosD. = Gardeinfanterie-(-kavallerie-, -kosaken-) division ''deutsch, russ.) GLt. = Generalleutnant deutsch, ital., russ.) GrzJBaon., GrzJKomp. = Grenzjägerbataillon (-kompagnie) GrzSchutzKomp. = Grenzschutzkompagnie GW., GWZug = Granatwerfer (-zug) H - - - Honvéd HaBrig. = Halbbrigade Hb =Haubitze HHR., HHD. — Honvédhusarenregiment (-division) HID., HIBrig., HIR. = Honvédinfanterie-division (-brigádě, -regiment) HochgbKomp. — Hochgebirgskompagnie ID., IBrig., IR., IBaon. = Infanteriedivision (-brigádě, -regiment, -bataillon) IGesch. = Infanteriegeschütz IPKomp. = Infanteriepionierkompagnie kauk. = kaukasisch • KavSchR., KavSchD. - Kavallerieschützenregiment (-division) KD.,KBrig. = Kavalleriedivision (-brigade) KJR. = Regiment der Tiroler Kaiserjäger Kmdo. = Kommando Kn = Kanone komb. KD. = kombinierte Kavalleriedivision komb. KosD. = kombinierte Kosakendivision KosD. = Kosakendivision KSchD., KSchBrig., KSchR., KSchArtKmdo. = Kaiserschützendivision (-brigade, -regiment, -artilleriekommando) Kub. = Kuban L = Landwehr |
LD., LBrig. — Landwehrdivision ^-bri-gade) LdgBt. — Landungsbatterie Lst — Landsturm LstSAbt. Landsturmsappeurabteilung LstEtBaon. = Landsturmetappenbataillon LstHusBrig., LstHusR., LstHusD. = Landsturmhusarenbrigade (-regiment, -division) MaBaon., MaKomp., MaSchwd. = Marschbataillon (-kompagnie, -schwadron) MG., MGAbtlg., MGKomp. = Maschinengewehr (-abteilung, -kompagnie [deutsch]) Ms = Mörser MW., MWAbtlg., AlWKomp. = Minenwerfer (-abteilung, -kompagnie [deutsch]) PB. = Pionierbataillon Pos = Positions R — Reserve RD. = Reservedivision (deutsch), Reichswehrdivision (russisch) RdfBrig., RdfBaon. = Radfahrerbrigade (-bataillon) RFHR., RHFHR. = Reserve- (-honvéd-) feldhaubitzregiment |
RFKR., RHFKR., RFKD. = Reserve-(-honvéd-) feldkanonenregiment (-division) RIBrig., RIR. = Reserveinfanteriebrigade (-regiment) (öst., deutsch) rt.AD. = reitende Artilleriedivision rt.DSchD. = reitende Dalmatiner Schützendivision rt.SchR. = reitendes Schützenregiment rt.TKSchD. = reitende Tiroler Kaiserschützendivision rum. rumänisch SB. = Sappeurbataillon SchD., SchBrig. = Schützendivision (-brigádě) (öst., russ.) SchR., SchBaon. = Schützenregiment (-bataillon) Schwd. = Schwadron sFAR., sHFAR. = schweres (Honvéd-) Feldartillerieregiment sFHD = schwere Feldhaubitzdivision sHbBt. = schwere Haubitzbatterie sib. = sibirisch. Stawka = Russische Oberste Heeresleitung StSchAbtlg. = Standschützenabteilung techn.IKomp. = technische Infanteriekompagnie |
Bei den Truppen sind die 1918 gültigen Bezeichnungen angewendet.
DIE WELTLAGE IM SOMMER 1916
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Die Kriegsschauplätze zu Land und zur See
Als der Hochsommer 1916 das zweite Kriegsjahr vollendete, fand er die Mittelmächte in der bisher krisenvollsten Zeit des Weltkrieges. Noch im Frühjahr war es ihnen geglückt, der Kriegführung das Gesetz aufzuerlegen. Lang ehe der Bund der Feinde dazu kam, seine gewaltige Überlegenheit an Mann und Mittel in die Waagschale zu werfen, fuhr das deutsche Schwert bei Verdun, das öst.-ung. bei Asiago in das dicht-maschige Netz der feindlichen Stellungen. Aber mit zunehmender Jahreszeit wandte sich das Blatt. Der deutsche Angriff bei Verdun lief sich fest. Die Verteidigung der Feste hatte den Franzosen 360.000 Mann an Toten und Verwundeten gekostet; aber auch der Angreifer hatte in der „Hölle von Verdun“ fast ebensoviel eingebüßt. Die siegreiche Behauptung der Maasfeste steigerte das Selbstbewußtsein des Franzosenheeres ganz gewaltig, indes der Deutsche an Leib und Seele verwundet aus der Schlacht zurückkam. Der Kampf auf dem Glacis von Verdun flackerte bis zum Jahresende weiter. Er loderte als verzehrende Flamme.
In Südtirol war am 15. Mai die Lawine der Offensive losgebrochen. Sie stürzte in einem Zuge über die ersten italienischen Stellungen, über Panzerwerke und Batterien hinweg. Eine Woche nach Beginn der Schlacht standen die Streiter des Erzherzog-Thronfolgers auf den Felshöhen oberhalb von Asiago. Ende des Monats konnte die öst.-ung. Heeresleitung neben der Gefangennahme von 30.000 Italienern und neben gewaltiger Beute die Eroberung der befestigten Plätze Arsiero und Asiago > melden. Aber dann gipfelte auch hier der Angriff, und dem Feinde, der unter dem ersten Eindruck der Niederlage die Räumung Friauls erwogen hatte, bot sich Gelegenheit, zahlreiche Verstärkungen von der Isonzo-front in die vicentinischen Berge zu werfen und dort den schon stark wankenden Widerstand aufs neue zu stützen. Der Arm des Angreifers hätte, um ganze Arbeit zu leisten, wohl nochmals zum Schlage ausholen müssen. Daran wurde er aber durch die schwere Niederlage gehindert, die die Kameraden an der Nordostfront durch die zu neuer Tat erwachten Russen erlitten hatten.
Getreu seinem Versprechen hatte der Zar schon im Frühjahr, als das Schicksal Verduns an einem Faden zu hängen schien, vier Korps zwischen dem Narocz- und dem Wiszniew-See gegen die Stellungen des
GFM. v. Hindenburg vorgetrieben. Der Vorstoß war „in Blut und Sumpf*1 erstickt. Auch die große Offensive, die zu unternehmen Rußland zugesichert hatte, sollte nördlich vom Pripiatj angesetzt werden. Da kamen die Hilferufe des Königs von Italien. Auf Befehl des Zaren ballte der Führer der russischen Südwestfront, GdK. Brussilow, entlang seinen Linien einige starke Stoßgruppen zusammen, die — den Verteidiger keineswegs überraschend — am 4. Juni zum Angriff schritten. Am Nordflügel der 700 km langen Angriffsfront Brussilows, in Wolhynien, glückte den Russen schon am zweiten Schlachttag ein tiefer Einbruch in die öst.-ung. Linien. Am 8. mußte Łuck preisgegeben werden und südwestlich der Stadt klaffte eine Lücke von 15 km Breite. Zwei Tage später gesellte sich am Südflügel der Front, bei Okna am Dniester, der Katastrophe von Łuck eine zweite bei, die in militärischer Hinsicht zunächst nicht so tief griff wie jene, dafür aber politisch umso schwerer ins Gewicht fiel, da sie sich auf österreichischem Boden, vor den Toren Ungarns und in der unmittelbaren Nachbarschaft Rumäniens ereignete. Binnen einer Woche hatten die öst.-ung. Streitkräfte an der Ostfront über
300.000 Mann eingebüßt, deren größter Teil in Gefangenschaft geraten war. Der Russe gab nun, abgesehen von ein paar Vorstößen bei Barano-wicze, seine Angriffspläne nördlich vom Pripiatj auf und warf alle verfügbaren Kräfte in die Front Brussilows, die in den nächsten Wochen immer wieder, einmal da, einmal dort, in gewaltigen Angriffswogen gegen die stark brüchig gewordenen Linien des Verteidigers heranbrandeten.
Diese zu Zeiten fast unerträgliche Hochspannung nötigte den k.u.k. Generalstab vor allem, seine italienischen Hoffnungen bis auf weiteres zu begraben. Am 24. Juni abends, am 60. Jahrestage der Schlacht bei Custoza, lösten sich bei Arsiero und Asiago die öst.-ung. Truppen vom Feinde los, um völlig unbemerkt in eine 10 km dahinter liegende Stellung zurückzuschwenken. Aber nur ein geringer Teil der dadurch frei gewordenen Divisionen konnte dem Nordosten zugute kommen. Die Heeresleitung mußte vor allem bedacht sein, die Abwehrkraft der zugunsten der Tiroler Offensive geschwächten Isonzofront wieder zu heben. Dabei war nicht viel Zeit za verlieren. Denn der feindliche Feldherr, GLt. conte Cadorna, nahm schon Mitte Juni den Gedanken an eine Offensive im Karstgebiete wieder auf.
So blieb gleich nach Łuck nichts anderes übrig, als sich an den Bundesgenossen um Hilfe zu wenden. Diese Hilfe wurde im menschenmöglichsten Ausmaße gewährt, und zwar auch noch dann, als nach dem Emporbranden der Sommeschlacht das deutsche Heer schon selbst in
Die Mittelmächte in die Abwehr gedrängt
schwerstem Abwehrringen keuchte. Die Ententefeldherren hatten sich durch Verdun nicht verleiten lassen, auf diesen Angriff zu verzichten, wenn sie ihrem Sturmblock auch nur die Hälfte der ursprünglich vorgesehenen Breite zu geben vermochten. Nach einem óJ^Tage währenden Trommelfeuer brachen am 1. Juli Franzosen und Briten unter den Generalen Fayolle und Sir Douglas Haig rittlings der Somme vor. Die Franzosen fügten ihren Gegnern in den folgenden Tagen eine nicht unempfindliche, schwere Opfer heischende Schlappe bei. Der Angriff kam aber bald vor der deutschen Abwehr zum Stehen und als der August zur Neige ging, war es den Franzosen noch immer nicht geglückt, ihr erstes größeres Kampfziel, die zerschossene Stadt Péronne, zu gewinnen. Ebenso sollten die Briten trotz der größten Anstrengungen halben Weges vor Bapaume, das ihnen zum Ziel gesetzt war, liegen bleiben. Aber der Druck lastete doch wochenlang zentnerschwer auf dem deutschen Westheer. Im Westen, Südwesten und Osten war die Kriegführung der Mittelmächte in Fessel geschlagen, und in den siebenbürgischen Alpen drohte ein neuer, begehrlicher und wohlgerüsteter Feind, das Rumänien des Hohenzollers Ferdinand, mit dem Einbruch in ein fast wehrlos sich dehnendes Land!
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Auch die Außenposten der großen Festung, zu der die Mittelmächte immer mehr wurden, bereiteten manche Sorge. Die bulgarisch-deutsche Front an der griechischen Grenze konnte sich wohl einer gewissen Ruhe hingeben. Bulgarien rüstete im Sommer zu einigen Unternehmen, die lediglich die Verbesserung der Abwehr zum Ziele hatten. Ein Drittel der bulgarischen Heeresmacht mußte jedoch in der Heimat zurückgehalten werden, um gegen einen Überfall des schon sehr unsicher gewordenen Rumäniens gewappnet zu sein.
In Kleinasien sah sich die Türkei genötigt, ihren Verteidigungskrieg ausschließlich auf eigenem Boden zu führen1). Günstige Botschaft hatte der Frühling aus der Wiege der Menschheit, dem Zweistromland, gebracht (Bd. III, S. 581). Die Türken hatten am 26. April, nachdem eine Woche zuvor ihr alter Lehrmeister und Führer, GFM. Freih. v. der Goltz, dem Fleckfieber erlegen war, den englischen GM. Townshend gezwungen, in Kut el Amara (Ktesiphon) mit 13.000 Mann die Waffen zu strecken. Entsatzversuche eines britischen Korps, das den Tigris heraufgerückt war, waren mißglückt. Ebenso hatte das russische Expeditionskorps des GM. Fürst Baratow, das im Winter vom Kaspisee aus in Persien eingedrungen war, nordöstlich von Bagdad in den Grenzpässen
:) Liman v. Sanders, Fünf Jahre Türkei Berlin 1919 . 155.
Halt machen müssen, die es in weiterer Folge wieder zu räumen sich, genötigt sah. Deutsches Bemühen, Persien zum Aufstand gegen England zu bewegen, blieb allerdings erfolglos. Anfangs August lieferte der Schah Ahmed Kadjar sich und sein Land durch einen Vertrag völlig den Alliierten aus.
In Armenien hatte der Großfürst Nikolai Nikolajewitsch mitten im Winter einen überraschenden Vormarsch angetreten. Er warf die türkische Armee aus ihren schütter besetzten Stellungen und nahm am 16. Februar Erzerum, am 2. März Bitlis, am 18. April Trapezunt, am 25. Juli Erzin-ghian. Inzwischen hatte sich der türkische Vizegeneralissimus Enver Pascha endlich entschlossen, eine der drei untätig in Thrazien stehenden Armeen dem Großfürsten entgegenzuwerfen. Aber die langen und unvollkommenen Verbindungen hinderten den rechtzeitigen Einsatz. Wohl gelang es den Türken, am 18. August Bitlis zurückzuerobern und von da aus die Russen unter so starken Druck zu stellen, daß sie den weiteren Vormarsch gegen Westen aufgaben. Aber ein völliges Zurückwerfen des Feindes kam vorläufig nicht mehr in Betracht.
Die Briten im Zweistromland mußten für das Jahr 1916 auf eine Wiederaufnahme der Kriegshandlungen verzichten; sie waren um so eifriger am Werk, das Unternehmen für das nächste Frühjahr vorzubereiten. Unterdessen dehnten sie ihr Besetzungsgebiet in Persien aus. Auch in Arabien gewann ihre Geltung von Monat zu Monat. Am Suezkanal scheiterte anfangs August ein deutsch-türkischer Angriff unter Dschemal Pascha auf die schon am Ostufer angelegten britischen Stellungen. Der Gedanke, die Briten an dieser empfindlichsten Stelle zu treffen, mußte für immer aufgegeben werden. Die Teilerfolge, die das ottomanische Kaisertum am Tigris und später auch gegen die Russen errungen hatte, konnten nicht darüber hinwegtäuschen, daß die allgemeine Lage recht bedenklich geworden war.
* Diese starke Spannung hatte aber die türkische Heeresleitung nicht daran gehindert, in vorbildlicher Erfüllung ihrer Bündnispflichten ein Armeekorps nach Galizien zu entsenden. Wie überall erwiesen sich die türkischen Kämpfer auch hier als hervorragende Soldaten von einer unübertrefflichen Tapferkeit und Kaltblütigkeit.
Von den Kolonien Deutschlands hatte als vorletzte Kamerun im Februar vor den Franzosen und Briten die Waffen strecken müssen. Nur Deutschostafrika hielt sich noch den ganzen Sommer über. Aber bis Mitte September mußte sich der tapfere Verteidiger Obst. v. Lettow-Vorbeck, dessen Truppenstärke sich in den besten Zeiten auf 3000 Deutsche
Die Außenposten des Vierbundes
und 11.000 Einheimische belief, vor dem umfassenden Angriff britischindischer, belgischer und südafrikanischer Streitkräfte, denen sich später auch Portugiesen anschlossen, in den südlichsten Teil der Kolonie zurückziehen x).
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Das Schicksal der deutschen Kolonien war die unausbleibliche Folge der gewaltigen Überlegenheit der Entente, zumal Großbritanniens, zur See. Im Lager des Vierbundes mußten sich die öst.-ung. und die türkische Flotte völlig auf den Schutz der heimischen Küsten beschränken. Nach der Eroberung Montenegros und Nordalbaniens erweiterte sich das dem Schutze der k.u.k. Kriegsmarine zufallende Gebiet ganz erheblich2). Die Führer der im Mittelmeer operierenden feindlichen Flotten hielten dennoch einen Ausfall der öst.-ung. Flotte für denkbar. Sie zogen daher ihre Geschwader um Korfu und um Malta zusammen, konnten aber doch nicht hindern, daß deutsche und öst.-ung. U-Boote im Mittelmeer und in der Adria ergiebige Streifungen unternahmen.
Im Jahre 1915 hatte Deutschland zum ersten Male versucht, der britischen Seeherrschaft und damit auch der Hungerblockade durch die Unterseebootwaffe beizukommen. Es hatte hiezu die Gewässer um Großbritannien und Irland zum Kriegsgebiet erklärt. Wohl war nur jedes in diesem auftretende feindliche Kauffahrteischiff der Zerstörung ausgesetzt, doch wurde bei dem Mißbrauch, den England mit den neutralen Flaggen trieb, auch die neutrale Schiffahrt vor dem Betreten des Blockadebereiches gewarnt. Als Deutschland den U-Boot-Handelskrieg eröffnete, besaß es kaum 30 Tauchboote. Dennoch war der Erfolg bedeutend, zumal die Neutralen vielfach abgeschreckt wurden, sich in das Kriegsgebiet zu wagen. Da wurde am 7. Mai 1915 der mit 5400 Kisten Munition beladene britische Passagierdampfer „Lusitania“ in den Grund gebohrt, wobei etwa hundert nordamerikanische Bürger, darunter Frauen und Kinder, ums Leben kamen. Dem daraufhin ausbrechenden diplomatischen Konflikt mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, Woodrow Wilson, folgte ein zweiter, als im August mit dem Dampfer „Arabic“ neuerlich Amerikaner das Leben einbüßten. Da die Auseinandersetzungen mit Amerika letzten Endes darauf hinausliefen, ob Deutschland den Krieg mit der Union in Kauf nehmen wolle oder nicht, alles aber dagegen sprach, ließ die Reichsleitung den verschärften U-Bootkrieg auf
J) v. Lettow-Vorbeck, Meine Erinnerungen aus Ostafrika (Leipzig 1920), 138 ff.
2) Kriegsarchiv /Marinearchiv), Österreich-Ungarns Seekrieg 1914—1918 (Wien 1929/31), 324.
die Formen des Kreuzerkrieges zurückführen, um bald darauf die U-Boote überhaupt aus den britischen Gewässern abzuziehen.
Im Jahre 1916 sah die Welt zum ersten- und zugleich zum letztenmal in diesem Kriege die größten Flotten ihre Kräfte auf hoher See messen. Wenn die Reichsmarineleitung zu Kriegsbeginn gehofft hatte, das Mißverhältnis zwischen ihrer und der britischen Kriegsmarine durch den kleinen Krieg zu bessern, so erkannte sie schon im ersten Kriegs-wintei das Unzulängliche dieses Verfahrens. Aber ein wirklicher Wandel trat doch erst im Jänner 1916 mit der Berufung des Vizeadmirals Scheer an die Spitze der deutschen Hochseeflotte ein *). Er forderte am 31. Mai 1916 durch die Ausfahrt seiner Geschwader in das Skagerrak die auf der Reede von Skapa Flow liegende britische Hochseeflotte unter dem Admiral Jellicoe zum Kampfe heraus. Die Vorhut der Briten wich vor der deutschen Aufklärungsflotte gegen Nordwesten zurück und zog die deutschen Hauptkräfte nach, indes die englischen Großkampfschiffe unter dem Schutze der Abenddämmerung dem Gegner den Rückzug in die deutsche Bucht zu verlegen trachteten. Vizeadmiral Scheer aber schlug sich gegen Mitternacht unter rücksichtslosem Einsatz der Schlachtkreuzer und der Torpedoboote nach Süden durch und erreichte tags darauf unbehelligt die Heimatküste. Von 37 britischen Großkampfschiffen und 105 leichteren Einheiten gingen 1 Großkampfschiff, 3 Schlachtkreuzer, 4 Panzerkreuzer, 2 kleine Kreuzer und 13 Zerstörer auf den Grund. Die Deutschen büßten von ihren 21 Schlachtschiffen und ihren 72 leichten Einheiten einen Schlachtkreuzer, ein älteres Panzerschiff, vier kleine Kreuzer und fünf Torpedoboote ein. Der taktische und moralische Erfolg war unzweifelhaft auf deutscher Seite. Die deutsche Hochseeflotte hatte nach zweijähriger, ihr aufgezwungener Untätigkeit einen überzeugenden Beweis ihrer technischen und moralischen Vorzüge geliefert. Aber ebenso eindrucksvoll war am Skagerrak die durch nichts auszugleichende materielle Überlegenheit der britischen Seestreitkräfte über die deutschen zutage getreten. Daher betonte unmittelbar nach der Schlacht Vizeadmiral Scheer, daß England im offenen Kampfe zur See nie und nimmer zum Frieden zu zwingen sein werde, sondern einzig und allein durch den rücksichtslosen Einsatz der deutschen U-Boote im Wirtschaftskrieg. Er berührte damit eine Frage, die gerade in den letzten Monaten die führenden Männer Deutschlands wieder besonders beschäftigt hatte. Auf Drängen der militärischen und maritimen Behörden war im Februar 1916 zum zweitenmal der verschärfte Tauchbootkrieg gegen bewaffnete Han-x) Scheer, Deutschlands Hochseeflotte im Weltkrieg (Berlin 1920), 147.
Die Folgen der Blockade {)
delsschiffe aufgenommen worden. Nachdem aber am 24. März mit dem unbewaffneten Passagierdampfer „Sussex“ wieder Amerikaner einem deutschen U-Bootangriff zum Opfer gefallen waren und Wilson abermals in schärfster Form Verwahrung eingelegt hatte, mußte Deutschland neuerlich, wollte es mit der Union nicht in Krieg geraten, seine Tauchboote zu der für den Kreuzerkrieg vorgesehenen Kampfweise zurückkehren lassen. Im Zusammenhang mit diesen Vorgängen trat der Großadmiral v. Tirpitz von der Leitung des Reichsmarineamtes zurück.
Die politische Lage bei Freund und Feind
Die Mittelmächte bis zum Sommer 1916
Zum Verständnis der Lage, in der sich die Mittelmächte im Sommer 1916 befanden, ist auch ein Blick auf die politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung nicht zu vermeiden.
Im Deutschen Reiche hatten sich im August 1914 alle Parteien und Klassen, die Sozialdemokraten mitinbegriffen, unter der Parole des Kaisers zusammengeschlossen: „Ich kenne keine Parteien, ich kenne nur noch Deutsche.“ Der Opfermut, mit dem die Nation in Feld und Heimat alle Bürden des Krieges trug, ließ den philosophischen Reichskanzler Dr. v. Bethmann-Hollweg das Dichterwort ergreifen, daß sich des Volkes ärmster Sohn auch als sein getreuester erweise. Zu den schweren Verlusten, die das Heer, ohne die Entscheidung erringen zu können, schon in den ersten Kriegsmonaten erlitten hatte, trat bald die Sorge um des Lebens Notdurft und ob der wirtschaftlichen Fortführung des Krieges. Die Kriegskosten wurden bis in den Sommer 1916 fast ganz durch öffentliche Anleihen aufgebracht. Dagegen machte sich die Abschnürung Deutschlands von der Weltwirtschaft vom ersten Tage an bitter fühlbar. Die Einfuhr von Rohstoffen aus Feindesland riß sofort ab; auch der Handel der Neutralen mit Deutschland wurde von der Entente so weit als möglich unterbunden. Die Reichsleitung ließ im Innern eine weitgehende Plan- und Zwangswirtschaft eintreten. Daneben betätigten sich deutscher Erfindergeist und technisches Können in der Erzeugung mannigfaltiger „Ersatzstoffe“ für Ernährungsmittel wie für Kriegsbedürfnisse. Nur auf diese Weise wurde es dem gemeinsam mit seinen Verbündeten von aller Welt abgeschnittenen deutschen Volke möglich, bei schärfster Ausnützung des in der Heimat Vorhandenen, die
Kampfkräfte zu erhalten und die Kampfmittel zu vervielfachen. Doch machte sich der Mangel am Nötigsten schon im Jahre 1916 außerordentlich fühlbar. Er sollte im darauffolgenden „Kohlrübenwinter“ zu Entbehrungen führen, die sozial tiefgreifend rückwirken mußten.
Die mit dem Kriege zusammenhängenden grundlegenden Fragen hatten den Burgfrieden zwischen den Parteien längst zerstört und das Reichsvolk innerlich in verschiedene Lager gespalten, deren Gegnerschaft durch die wirtschaftliche Not zusehends verstärkt wurde. Durch den Schützengraben der Gleichheit in Pflicht und Opfer bewußt geworden, strebten breite Schichten immer stärker auch nach gleichen Rechten im Staate und in der Gesellschaft: nach größerem Anteil an der Regierung, nach Hebung des Einflusses der Volksvertretung, nach Einführung des allgemeinen Wahlrechtes in Preußen, nach Abbau des Kriegsregiments, nach Besserung der wirtschaftlichen Lage. Auf dem Gebiete der eigentlichen Kriegführung war es vor allem die Frage des uneingeschränkten U-Bootkrieges, die die deutsche Öffentlichkeit nicht zur Ruhe kommen ließ. Am tiefsten allerdings wurde die deutsche Seele durch die Kriegszielfrage aufgewühlt, die spätestens seit den ersten Kriegsweihnachten nicht mehr aus dem Meinungsstreit der Parteien ausschied. Den Anhängern des „größeren Deutschlands“, die sich — von den Gegnern als ,,Siegfriedler“ geschmäht — aus den Kreisen der Schwerindustrie, des Grundbesitzes und der konservativen Intelligenz, aber auch aus anderen Schichten ergänzten, standen die „Verzichtfriedler“ gegenüber, die, meist in den Reihen der späteren „Mehrheitsparteien“ stehend, einen Eroberungskrieg bekämpften, für den Verteidigungskrieg jedoch im Sinne der Erklärungen vom August 1914 eintraten und einem „Versöhnungsfrieden“ das Wort redeten. Neben diesen beiden Richtungen, zwischen denen geraume Zeit der größere Teil des deutschen Volkes hin- und herschwankte, begann sich schon im Jahre 1915 eine dritte bemerkbar zu machen, deren Träger, die spätere „Unabhängige sozialdemokratische Partei“ (U.S. P.), jedem „imperialistischen Kriege“ Fehde ansagten, revolutionäre Ziele verfolgten und in der Schweiz (Zimmerwald, Kienthal) im Vereine mit Gesinnungsgenossen aus feindlichen und neutralen Ländern die Wiedererrichtung der zu Kriegsbeginn vernichteten „Internationale“ betrieben. Die revolutionärsten Elemente dieser Richtung schlossen sich unter Karl Liebknecht, dem Verfasser der „Spartakusbriefe“, als Spartakisten zusammen, die sich am l.Mai 1916 schon auf offener Straße bemerkbar machten. Die „Unabhängigen“ waren im Reichstag schwach vertreten, gewannen aber, wie die verschiedenen Friedens- und Hungeraufmärsche des dritten Kriegssommers bewiesen, in den Massen immer mehr an Boden.
Erzeugten in dem national einheitlichen Industriereich Deutschland die Kriegsnöte vor allem soziale Spannungen, so überwogen in dem Völkerreiche an der Donau die Auswirkungen des Krieges naturgemäß auf nationalem Gebiete.
Wohl hatte es bei Kriegsausbruch, wenn auch die Wellen der Begeisterung nicht überall so hoch gegangen waren wie in Deutschland, den Anschein gehabt, als sollte Bismarck mit dem bekannten Worte Recht behalten: „Lasset nur den Kaiser FJIn den Sattel steigen, und die Söhne aller Völker seines Reiches werden ihm willig Gefolgschaft leisten.“ Die Leistungen der Armee waren denn auch weit über den Sommer 1916 hinaus trotz alles Mißgeschicks, das zeitweilig über sie hereinbrach, so groß, daß man ihrer nur mit scheuem Erstaunen gedenken kann. Aber doch zeigte es sich schon einige Monate nach Kriegsausbruch, daß der von Bethmann-Hollweg in einer unglücklichen Eingebung als Entscheidungskampf zwischen Germanen- und Slawentum vorausgesagte Krieg *) mit der Zeit zu einer wahrlich nicht geringen Belastungsprobe für das Donaureich werden konnte. Die Vorfälle in den von den Ruthenen und den Serben bewohnten Aufmarschräumen des Heeres, die auf mancherlei Einverständnis mit dem blutsverwandten Feinde schließen ließen; die Bewegung, die das Nahen der Russen im Herbst 1914 in den böhmischen Landen auslöste2), die Erfahrungen, die im darauffolgenden Winter die Armee mit der jungen Mannschaft slawischer und romanischer Zunge machte (Bd. II, S. 27 ff.), sprachen, mochte es sich auch vielfach um Einzelfälle handeln, mitunter doch eine beredte Sprache. Wohl rechnete in den ersten Kriegsjahren auch dort, wo die nationale Unzufriedenheit zu Hause war, nur ein vergleichsweise kleiner Bruchteil der Intellektuellen von Anbeginn mit dem Zerfall des Reiches; wohl wurde die Zertrümmerung des geschichtlich gewordenen Staatsverbandes, der den einzelnen Völkerschaften zwar nicht volle nationale Entfaltung, aber reiches wirtschaftliches und kulturelles Gedeihen gewährt hatte, von der überwiegenden Mehrheit kaum gewünscht; desgleichen gab diese überwiegende Mehrheit im Felde noch vielfach
x) Der Ausspruch kam in einer Rede vor, die der Reichskanzler am 7. April 1913 hielt (F r i e d j u n g, Das Zeitalter des Imperialismus 1884—1914 [Berlin 1922], III, 273 f.).
2) Glaise-Horstenau, Die Katastrophe — Die Zertrümmerung Österreich-Ungarns und das Werden der Nachfolgestaaten (Wien 1929), 63 ff.
dem Kaiser, was des Kaisers war. Aber darüber hinaus befaßte die slawischen und auch die romanischen Volksteile bis in die Massen hinein doch die Frage: Was mag der Sieg der Mittelmächte bringen? Immer wieder zeichneten sich vom Horizonte die gleichen Bilder ab: Verewigung der verhaßten dualistischen Staatsform, der Vorherrschaft der Magyaren in Ungarn, der deutschen Führerschaft diesseits der Leitha; Schaffung eines „Mitteleuropas“, wie es von Naumann und Friedjung angepriesen wurde oder gar eines von Hamburg bis Bagdad reichenden Imperiums unter preußisch-deutscher Hegemonie! Aussichten solcher Art konnten die Deutschösterreicher begeistern, die in ihrer Verwirklichung eine andere Erfüllung ihrer 1848 er Hoffnungen erblicken mochten, eine Gut-machung des nationalen Unglücks von 1866. Sie machten aber selbst die maßvollsten Vertreter der „Nationalitäten“ nachdenklich. Die Ententepropaganda hatte leichtes Spiel. Sie wurde wirksamst unterstützt von den Emigrantenkolonien, deren geistiger Führer schon Ende 1915 unbestritten der Tscheche Masaryk geworden war.
Über die Einwirkung dieser Strömungen auf die Wehrmacht und das Bemühen der Heeresleitung, ihnen im Bereiche der Armee beizukommen, soll in anderem Zusammenhange gesprochen werden. Die Ausdehnung der Militärgerichtsbarkeit auf gewisse, in der Heimat begangene Delikte (Bd. II, S. 29) bot auch die Möglichkeit, verschiedene Militärprozesse gegen ruthenische, südslawische und tschechische Politiker abzuführen. Am meisten machte von sich das Verfahren gegen den tschechischen Politiker Kramař reden, der im Sommer 1915 auf Verlangen der Heeresleitung verhaftet und, nachdem mehrere frühere Minister zu seinen Gunsten ausgesagt hatten, im Juni 1916 zum Tode verurteilt, jedoch zunächst zu 15 Jahren Kerker begnadigt wurde.
In den 1915 zum erstenmal amtlich „Österreich“1) genannten, „im Reichsrate vertretenen Königreichen und Ländern“ hatte mit Kriegsbeginn das politische Leben so gut wie aufgehört. Der Ministerpräsident Graf Stürgkh hatte im August 1914 aus Sorge vor kriegsfeindlichen Kundgebungen das Parlament nicht einberufen und seither mit dem der Regierung außerordentliche Vollmachten gewährenden Paragraph 14 der Verfassung regiert. Die öffentliche Meinung stand unter dem Drucke scharfer Zensur- und Polizeimaßnahmen; zahlreiche Ausnahmsverfügungen beengten die staatsbürgerlichen Rechte. Dieser Kurs blieb selbst in konservativen Kreisen nicht unbekrittelt. Aber Stürgkh verhielt sich gegen alle Vorschläge zur Wiederbelebung der parlamentarischen Arbeit dauernd ablehnend 1). Er wurde wegen dieses Verhaltens am 21. Oktober 1916 durch den radikalen Sozialisten Friedrich Adler, einen Sohn des Sozialistenführers Dr. Viktor Adler, in einer Wiener Gaststätte erschossen.
Ungarn wußte sich gegenüber dem absolutistisch regierten Österreich das Bild eines einheitlichen, von einem starken Nationalbewußtsein getragenen, streng parlamentarisch verwalteten Staates zu geben. Allerdings bot die Volksvertretung weder sozial noch national ein richtiges Abbild der im Lande herrschenden Kräfteverhältnisse. Aber die geschickte Taktik des Ministerpräsidenten Tisza und sein fanatischer Glaube an die Sendung seiner Nation sowie der Einfluß seiner starken Persönlichkeit auf den Kaiser und auf die Außenpolitik des Reiches täuschten zusammen mit dem wohlabgewogenen Spiel zwischen Mehrheit und Opposition über jene Mängel hinweg und verschafften Ungarn ein beträchtliches Übergewicht über den Schwesterstaat Österreich. Dieses Übergewicht wurde noch gestärkt durch die wirtschaftliche Lage Ungarns, das sich gleich nach Kriegsausbruch, entgegen allen Verträgen, von Österreich abschloß und im Jahre 1916 vergleichsweise noch im Überfluß lebte, indes die österreichischen Gebirgs- und Industriegegenden schon empfindlich darbten.
Bei der überragenden Stellung Ungarns und der Altersbeharrlichkeit des Kaisers und Königs Franz Joseph war schon im Frieden an eine Abänderung der den „Nationalitäten“ so verhaßten dualistischen Staatsform nicht mehr zu denken gewesen. Daran änderte sich auch nichts, als die im Kriege auftauchenden Gebietsfragen das Thema neuerlich zur Erörterung stellten. So widersetzte sich Tisza von Anfang an den zumal seit der Niederwerfung Serbiens und Montenegros wieder häufiger aufgeworfenen und durch Conrad warm vertretenen Vorschlägen, das südslawische Problem, an dem sich der Krieg entzündet hatte, nun endlich dadurch zu lösen, daß man die Serben, Kroaten und Slowenen im Rahmen des Habsburgerreiches zu einem dritten, Österreich und Ungarn gleichgestellten Staate zusammenfasse. Nach Tiszas Auffassung hatte sich die Monarchie mit der Gewinnung des Lovcen und einiger Brückenköpfe südlich der Save und Donau zu begnügen, indes sich Bulgarien in Ostserbien und Mazedonien nach Belieben schadlos halten mochte.
J) Glaise-Horstenau, Katastrophe, 66 ff.
Was dann noch vom serbischen Königreiche übrig blieb, sollte ein eingeengtes, möglichst von den Mittelmächten abhängiges Sonderleben führen. Soweit der Anschluß der Slowenen an ein habsburgisches Süd-slawien in Betracht kam, fand der ungarische Ministerpräsident Verbündete unter den Deutschen Österreichs, die für ihre Minderheiten und für die Verbindung mit Triest fürchteten.
Nicht ganz so ablehnend verhielt sich Tisza in der polnischen Frage, die gleich zu Ausbruch des Weltkrieges für alle Kriegführenden zu einem der schwierigsten Probleme geworden war. Während Rußland unter dem Drucke der westlichen Demokratien einem womöglich durch Galizien und Posen vergrößerten Königreiche Polen weitgehende Selbstverwaltung zusichern mußte, sah sich die Donaumonarchie, um Galizien und die Treue der österreichischen Polen nicht aufs Spiel zu setzen, genötigt, die „austropolnische Lösung“ in ihr Friedensprogramm aufzunehmen. Tisza und die Magyaren stimmten unter der Bedingung zu, daß Polen nicht im „trialistischen“ Sinne einverleibt, sondern mit weitgehender Selbständigkeit den österreichischen Ländern angeschlossen werde („subdualistische“ Lösung). Dagegen hatte Deutschland von Anbeginn nur widerwillig den polnischen Plänen seines Verbündeten zugestimmt. Es benützte im Sommer 1916 die schwierige Lage, in die die Donaumonarchie durch die Ereignisse im Osten geraten war, um eine ihm genehmere Lösung durchzusetzen. Das Ergebnis sollte das „Polenmanifest“ vom 5. November 1916 sein, über das noch zu sprechen sein wird.
Im engen Zusammenspiel mit diesen Fragen wurde auch der Gedanke, dem habsburgischen Völkerreich durch inneren Umbau eine größere Tragfähigkeit nach außen zu verleihen, trotz des Widerstandes der Ungarn und trotz der Einschränkung freien Meinungsaustausches seit Kriegsbeginn immer wieder zur Erörterung gestellt. Die Hemmnisse, zu bestimmten Grundsätzen für das Reformwerk zu gelangen, erwiesen sich freilich stets aufs neue unbezwinglich groß. Überall klafften unüberbrückbare Gegensätze. Wenn die Tschechen bei ihren Wünschen für die böhmischen Länder Österreichs das „historische Staatsrecht“ geltend machten und damit die Vorherrschaft über die drei Millionen in diesen Ländern ansässiger Deutschen beanspruchten, so beriefen sie sich bei ihrem Streben, die ungarische Slowakei zu erwerben, unbekümmert um das gleichfalls historische Staatsrecht der Stefanskrone auf das Selbstbestimmungsrecht der Nationen in den Grenzen ihrer Siedlung. Wenn die Deutschen für Böhmen dringend die Kreiseinteilung verlangten und von der Erfüllung dieses Wunsches ihre Mitarbeit an der Regierung ab-
Die Westmächte und der Krieg
hängig machten, so lehnten sie eine solche Reform für die südslawischen Gebiete Zisleithaniens entschieden ab im Hinblick auf die Gefahren, die daraus der über diese Länder ausgebreiteten deutschen Ober- und Mittelschichte drohen mochten. Fanden sich Deutsche und Polen immerhin bedingungsweise, wenn auch mit sehr verschiedenen Zielen, in der Forderung nach einer Sonderstellung Galiziens, so liefen die Slawen „Westösterreichs“ gegen solche Pläne umso heftiger Sturm, da sie — aus ihrem Blickfelde nicht zu Unrecht — in einer etwaigen Verwirklichung dieser Pläne eine Stärkung der deutschen Stellung erblickten. Über alldem lastete die durch den 1867er Ausgleich geschaffene Zweistaatlichkeit des Reiches, ohne deren Überwindung an eine wirklich ersprießliche Umbauarbeit nicht zu denken war.
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Die Entente
Auf dem Gebiete der Außenpolitik hatte es sich der Minister des Äußern, Baron Burián, von Anbeginn zur Richtschnur genommen, „immer an den Frieden zu denken“ und auch Bethmann-Holl weg bestätigt in seinen Erinnerungen1), daß auf Seite der Mittelmächte seit Beginn des Jahres 1915 „dauernd festzustellen versucht wurde, ob sich Friedensbesprechungen anknüpfen ließen“. Alle Fühler waren aber wenigstens in den ersten zwei Kriegsjahren ergebnislos ausgestreckt worden. Frankreich beharrte nicht nur darauf, Elsaß-Lothringen zurückzugewinnen, sondern dehnte seine Kriegsziele auch auf das linke Rheinufer und auf den türkischen Besitz in Syrien aus; es geriet zudem von Monat zu Monat mehr in die wirtschaftliche Abhängigkeit von Großbritannien. In Italien war die Kriegsstimmung von Haus aus nicht so stark wie jenseits der Seealpen und das Ausbleiben eines Kriegserfolges am Isonzo tat ein übriges, die Begeisterung immer wieder zu dämpfen. Wirtschaftliche und soziale Schwierigkeiten häuften sich mit zunehmender Kriegsdauer. Dennoch gelang es den Regierungen auch hier immer wieder, die Lage zu meistern. Nachdem das Kabinett Salandra im Juni 1916 unter dem Eindruck der öst.-ung. Offensive gestürzt worden war, bildete Boselli ein Ministerium auf breiterer Grundlage. Baron Sonnino, der Außenminister geblieben war, ließ weder Freund noch Feind im Unklaren darüber, daß er schon wegen der Gefahr eines Umsturzes im Innern eine vorzeitige
a) Burián, Drei Jahre aus der Zeit meiner Amtsführung im Kriege (Berlin 1923), 130. — Bethmann-Hollvveg, Erinnerungen und Betrachtungen (Berlin 1921), II, 54.
Beendigung des Krieges nie und nimmer durch einen Verzicht auf die im Londoner Vertrag (Bd. II, S. 283) anerkannten nationalen Aspirationen zu erkaufen vermöchte. Zudem war Italien wirtschaftlich von England noch abhängiger als Frankreich.
England aber war mehr noch als seine Alliierten entschlossen, den einmal aufgenommenen Kampf so lange fortzuführen, bis es Deutschlands Weltgeltung vernichtet und durch den Erwerb deutscher Kolonien und türkischen Gebietes seine eigene Weltstellung in erheblichem Ausmaße gestärkt hätte. Mit geringen Ausnahmen hatte sich die gesamte britische Öffentlichkeit vorbehaltlos auf die Kriegsführung eingestellt. Entgegen allem Herkommen waren im Mai 1915 nach dem Scheiternder ersten Dardanellenangriffe Führer der Opposition in das Kabinett Asquith eingetreten. Dieses warf am 24. April 1916 den Aufstand der irischen Separatisten in Dublin mit Waffengewalt nieder und erstreckte am 25. Mai 1916 die zu Jahresbeginn eingeführte Wehrpflicht der Unverheirateten auf die Allgemeinheit ohne Ausnahme. Auch die Dominions gingen in der Kriegspolitik des Mutterlandes mit überwältigender Mehrheit mit, wofür ihnen freilich größere Selbständigkeit und größerer Einfluß auf die Verwaltung des Gesamtimperiums zugestanden werden mußten. Als unmittelbarste und gefährlichste Bedrohung empfand Großbritannien die Anwesenheit der Deutschen auf dem belgischen Glacis und an der Kanalküste, vor den Toren von Dünkirchen und Calais.
Dem unablässigen Drucke Englands war es zuzuschreiben, wenn am 23. Februar 1916 das längst zur britischen Kolonie gewordene Portugal auf 37 in den Tejo geflüchteten deutschen Schiffen die portugiesische Flagge hissen ließ und so die Mittelmächte zur Kriegserklärung zwang. Allerdings sollte es noch geraume Zeit dauern, ehe portugiesische Bataillone an der Westfront auftauchten. Die Zahl der Neutralen in Europa war wieder um einen vermindert worden. Nur mehr Spanien, Holland, die Schweiz und die drei nordischen Reiche hielten sich noch vom Kriege fern. In Griechenland führte der König Konstantin einen verzweifelten Kampf gegen das Bemühen Frankreichs und Englands, die Hellenen in das Weltringen hineinzureißen. Aber die Westmächte, die am 21. Juni die Demobilisierung des griechischen Heeres erzwangen, mußten über kurz oder lang um so mehr den Sieg davontragen, als sie auch unter den Parteien des Landes starke Bundesgenossen wußten.
Die wundeste Stelle der Entente bildete schon zu Beginn des dritten Kriegsjahres zweifellos der russische Koloß. Wohl hatten sich auch hier zu Kriegsbeginn alle Parteien — unter Vorbehalt auch die Sozialisten
Rußlands Kriegspolitik
verschiedener Färbung — für die Politik der Regierung erklärt. Aber die Einheit der politischen Front überdauerte kaum den ersten Kriegswinter. Dann — zumal aber nach den schweren Niederlagen des Jahres 1915 und der dadurch hervorgerufenen heillosen Verwirrung im Ver-pflegs- und Eisenbahnwesen — begannen sich aus der Vielheit der Parteien und Strömungen die drei großen Gruppen abzuheben, die der weiteren Entwicklung im Zarenreiche ihren Stempel aufdrückten. Auf der Linken hatten sich die Sozialisten schon im Frühjahr 1915 schärfstens gegen die Fortführung des Krieges ausgesprochen. Sie arbeiteten von da an auf Umsturz und Revolution hin, zettelten zahlreiche Streiks an und gewannen zusehends in der Arbeiterschaft an Boden. Auch die Armee blieb schon nicht unberührt, obgleich die Regierung sich zunächst noch durch schärfsten Druck zu wehren suchte. Gegen solchen Druck lehnte sich nun aber auch der unter der Führung Mil juko ws aus den liberalen Parteien gebildete Dumablock der Mitte auf. Dieser trat für die Gewährung demokratischer Freiheiten und den Übergang zu einer parlamentarischen Monarchie ein, bildete aber dagegen bei seinem betont nationalistischen Einschlag die stärkste Stütze der von den Westmächten betriebenen Kriegspolitik. Auch dieser Gruppe fehlte es in der Armee, und zwar vor allem im Offizierskorps, nicht an Anhang. Von der konservativen, antidemokratischen Rechten blieb nur ein Teil der auf Sieg und Landerwerb eingestellten, allianzfreundlichen Politik treu. Ein anderer Teil begann zu fürchten, daß die Fortführung des Krieges schließlich den Sturz der Dynastie und die Revolution bringen werde, und arbeitete mehr oder minder zielbewußt auf den Frieden hin, der bei dem starken Kriegswillen der Alliierten nur ein Sonderfriede hätte werden können. Die öffentliche Meinung gewöhnte sich bald daran, in der mystisch veranlagten Zarin Alexandra Feodorowna und in dem seltsamen Mönch Rasputin die maßgebenden Vorkämpfer dieser Bewegung zu erblicken. Auch Stürmer, seit Februar 1916 Ministerpräsident, seit Juni überdies Nachfolger Sasonows im Außenamt, galt sowohl bei der Entente wie bei den Mittelmächten als Anhänger eines Sonderfriedens. Zum anderen sah sich aber auch Rußland von Monat zu Monat wirtschaftlich enger mit den Westmächten verkettet, und der Zar selbst gab dem Gedanken an einen Sonderfrieden kaum je ernstlich Raum. Ihm widerstrebte ein Bruch mit den Alliierten. Überdies fühlte er sich durch das „Gelöbnis von 1812“ gebunden, das er zu Kriegsbeginn abgelegt hatte und das ihm verbot, einen Frieden zu schließen, ehe der Feind den von ihm besetzten russischen Boden herausgegeben hatte. Die Aussicht, daß dies freiwillig geschehen könnte, wurde mit zunehmender Kriegsdauer immer geringer. Für Deutschland war es nicht leicht, einen Verzicht auf die von Volksgenossen durchsetzten Ostseeprovinzen zu erwägen, für Österreich-Ungarn noch schwerer, einer Rückgabe Polens an das Zarenreich aus freien Stücken zuzustimmen.
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Völlig ihre eigenen Wege gingen als Bundesgenossen im fernen Osten die Japaner. Sie betrachteten ihre Mitwirkung an den Kriegshandlungen der Alliierten mit der Einnahme von Tsingtau im allgemeinen für beendet und begnügten sich von da an mit der Beistellung von Artillerieinstruktoren für die Russen und mit einer im großen Ausmaße betriebenen Lieferung von Kriegsgerät, die ihren zu Kriegsbeginn noch recht ungünstigen Finanzen ausnehmend zustatten kam. Um so eifriger waren sie bestrebt, die politische und wirtschaftliche Durchdringung Chinas zu betreiben. In einem am 25. Mai 1915 abgeschlossenen Vertrage mußte China dem Inselreich weitgehende Zugeständnisse im Nordosten und Osten des Reiches machen. Die Duldung dieser Ausdehnungsbestrebungen ließ sich England durch den Beitritt Japans zum Vertrag gegen den Sonderfrieden (Bd. I, S. 284), Rußland durch die Zusicherung weitgehender Bevorzugung bei den japanischen Kriegslieferungen erkaufen; zuletzt mußte auch Frankreich gute Miene zur asiatischen Politik Japans machen. In China sprach sich die Militärpartei immer lauter für einen Eintritt in den Krieg an der Seite der Entente aus; sie hoffte, so am ehesten die Vormundschaft Japans wieder abschütteln zu können. Großbritannien unterstützte diese Pläne, stieß dabei aber auf den entschiedenen Widerstand Tokios, wo man einer Bewaffnung von vierhundert Millionen Chinesen durchaus abgeneigt war.
Nach allem waren die durch den Krieg aufgeworfenen Probleme so rettungslos verstrickt, daß alle in seinen Strom hineingerissenen Staaten und Völker immer wieder zum Schwerte Zuflucht nahmen, das den schiei unlösbar gewordenen gordischen Knoten durchschlagen sollte.
DIE SÜDWESTFRONT IN DER ERSTEN HÄLFTE AUGUST 1916
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(4. bis 16. August)
Vorbereitungen der Italiener zum neuerlichen Angriff am Isonzo
Die Lage, an der Südwestfront um die Jidi-Angust-W ende 1916
Als die Tiroler Heeresgruppe Mitte Juni ihr siegreiches Vordringen gegen die letzte Stellung der italienischen Gebirgsfront zwischen der Etsch und der Brenta abbrechen mußte, um einige Divisionen an die Ostfront zur Abwehr der heranbrandenden Massen Brussilows abzugeben, war die Freiheit des Handelns auch an der Südwestfront an den Feind verloren gegangen. Damit war der auf den Verteidigern der Ausfallstore gegen die venetianische Tiefebene lastende Druck aufgehoben, und GLt. conte Cadorna konnte jetzt zuversichtlich hoffen, mit den hier in Eile zusammengerafften etwa dreihundertfünfzig Bataillonen bald wieder Herr der vor kurzem noch recht schwierigen Lage zu werden.
Doch schon kurze Zeit nach Beginn der nun einsetzenden zwar heftigen, aber fast ergebnislosen und sehr verlustreichen Gegenstöße hatte die italienische Führung erkannt, daß es ihr kaum gelingen werde, die öst.-ung. Truppen aus der gewählten Linie, in die alle Schlüsselpunkte für eine spätere Wiederholung des Angriffes einbezogen waren, bis in die ursprüngliche Ausgangsstellung auf den Südtiroler Hochflächen zurückzuwerfen. Cadorna wollte aber den starken seelischen Aufschwung, den das Heer und das Volk Italiens durch die geglückte Abwehr des feindlichen Einbruches auf italienischen Boden und dank der erfolgreichen Entlastung durch das Eingreifen der Russen im Osten gewonnen hatten, nicht ungenutzt lassen1). Er entschloß sich, die aussichtslosen Gebirgskämpfe so bald wie möglich abzubrechen und die Hauptkräfte seines Heeres wieder nach jenem Gebiet zu führen, das unverändert das Ziel aller italienischen Kriegsführung geblieben war: an die Straße nach Triest. Bestärkt in diesem Entschluß durch das weitere Fortschreiten der Armeen Brussilows und in Kenntnis des unmittelbar bevorstehenden C a p e 11 o, Note di guerra (Mailand 1921, 1, 279.
großen Angriffes der Verbündeten gegen die deutsche Westfront ließ der italienische Feldherr noch im Juni die Vorbereitungen für die Bereitstellung und Verlegung seiner Streitkräfte zum überraschenden Schlage am Isonzo unter peinlicher Geheimhaltung aller notwendigen Maßnahmen beginnen.
So lange in Südtirol und auf der Hochfläche von Asiago noch gekämpft wurde, durfte die durch Truppenabgaben sehr geschwächte k.u.k. 5. Armee ohne Sorge sein, da ein gleichzeitiger ernster Angriff der Italiener an der Gebirgsfront und im Küstenland nicht zu gewärtigen war. Zu Anfang Juli flauten aber die feindlichen Gegenangriffe an der Front der Heeresgruppe Erzherzog Eugen ab; sie wurden um die Mitte des Monates ganz eingestellt. Nur im oberen Fleimstale flackerte der Kampf gegen eine hier eingebrochene italienische Gruppe fort. In allen anderen Abschnitten im Südwesten war, abgesehen von örtlichen Unternehmungen, nunmehr Ruhe eingetreten. Sie führte jedoch keine Erleichterung, sondern einen Zustand gespanntester Ungewißheit herbei, der für die öst.-ung. Führung um so bedenklicher wurde, als die Kriegslage in Galizien und in der Bukowina sowie die Haltung Rumäniens zu einer weiteren Schwächung der Südwestfront nötigen konnten. Da auch im Westen die in den ersten Julitagen begonnene englischfranzösische Angriffsschlacht an der Somme ihrem Höhepunkt zustrebte, war kaum anzunehmen, daß die italienische Heeresleitung, die übrigens durch die Abmachungen von Chantilly zur Mitwirkung an dem gemeinsamen Generalangriff gegen die Mittelmächte verpflichtet war, dem Ringen ihrer Partner im Osten und Westen untätig Zusehen werde. Gleich nach dem Verhallen des Kampflärms in den Bergen sprachen manche Anzeichen und Beobachtungen an der Tiroler Front sowie verschiedene Nachrichten für den Beginn einer Umgruppierung der italienischen Kräfte in der Richtung gegen den Isonzo. Die öst.-ung. Heeresleitung rechnete mit einem Angriff im Küstenlande erst für die Mitte des Monates August und wies die Heeresgruppe Erzherzog Eugen am 26. Juli an, eine Division für eine schnelle Verschiebung als Reserve nahe der Bahn bereitzuhalten. Im großen und ganzen aber hielt die Ruhe an der Front der 5. Armee fast bis zum Monatsende an und mochte bei der drückenden militärpolitischen Lage der Monarchie den begreiflichen Wunsch entstehen lassen, daß der Kampf auf den Hochflächen der Vicentinischen Alpen die Schlagkraft des Feindes für längere Zeit lahmgelegt habe. Allein diese trügerische Hoffnung sollte sich nicht erfüllen; denn im italienischen Hauptquartier hatte man die zunehmende
Bedrängnis Österreich-Ungarns aufmerksam verfolgt. Günstiger denn je war diesmal die Lage für Italien. Jetzt schien der Augenblick gekommen zu sein, die mehrfache Überlegenheit an Streitern und Kampfmitteln überraschend in der wirksamsten Stoßrichtung über Görz und auf der Karsthochfläche neuerlich zur Geltung zu bringen und so einen weithin sichtbaren Erfolg zu erringen, dessen Auswirkungen auch auf die Haltung Rumäniens einen bestimmenden Einfluß gewinnen mochten.
Die Entwicklung des italienischen Operationsplanes für das Jahr 1916
Seit dem Ausklang der schweren, verlustreichen Herbstschlachten des Jahres 1915 war die italienische Heeresleitung unausgesetzt bemüht, neue Grundlagen für eine erfolgreiche Wiederholung ihres feststehenden Feldzugsplanes am Isonzo zu schaffen. Mit größter Willenskraft war es ihr in den Wintermonaten gelungen, die durch schwere Verluste und Mißerfolge erschütterte Manneszucht und den gesunkenen soldatischen Geist der Truppen zu heben, insbesondere auch die fehlende Zuversicht und das Selbstvertrauen der Führer zu stärken '). Die Ausbildung sämtlicher Einheiten des Heeres wurde nach neuen Richtlinien und Vorschriften, die sich ebenso auf die eigenen wie auf französische Kriegserfahrungen stützten, gründlich durchgeführt2). Schließlich konnte im Dezember 1915 der großzügige Ausbau des italienischen Heeres in Angriff genommen und im großen bis Ende Juni 1916 abgeschlossen werden (siehe Bd. IV, 149 ff.). Mit diesen Maßnahmen hatte die Kriegsmacht Italiens im Hochsommer eine Stärke erreicht, die jene des ersten Kriegsjahres an Kämpfern um mehr als ein Drittel, an Maschinengewehren, an mittleren und schweren Geschützen und an Minenwerfern aber um ein Vielfaches übertraf3).
Schon im Februar hatte das italienische Oberkommando seinen Unterführern den Entschluß bekanntgegeben, die Hauptkraft des Heeres in einem noch zu bestimmenden Zeitpunkte an der küstenländischen Front neuerlich zum Angriff einzusetzen. Aber erst am 14. März, gerade als die ohne bestimmten Plan durchgeführten und verhältnismäßig harmlosen Teilangriffe in der fünften Isonzoschlacht gipfelten, erließ
Cadorna die Richtlinien für die künftige Angriffsschlacht2), die am 16. April noch dahin ergänzt wurden, daß trotz der drohenden Gefahren an der Südtiroler Front der Plan nicht geändert werde.
Cadornas Absicht war, gemäß dem Übereinkommen in der zweiten Hälfte des Monats Juni gleichzeitig mit den verbündeten Franzosen, Engländern und Russen den Kampf am Isonzo wieder aufzunehmen. Dieser Operationsplan hatte vorgesehen, im Wege eines direkten Angriffes den Görzer Brückenkopf zu nehmen und den Gegner auf das Ostufer des Isonzo zu werfen sowie sich auf ähnliche Weise durch Wegnehmen der beherrschenden Stellung Mt. S. Michele—S. Martino der Hochfläche von Doberdö zu bemächtigen. Weitere Ziele waren nicht gesetzt. Bei Monfalcone, bei Plava und bei Tolmein waren nur Ablenkungsvorstöße und Unternehmungen zur Bindung des Gegners geplant. Eingehende Weisungen für den Einsatz und die Verwendung aller Streitkräfte, besonders der Artillerie und der Minenwerfer, ergänzten diese Anordnungen der Heeresleitung.
Die Vorbereitungen für diesen Angriffsplan waren im besten Gange, als durch das Losbrechen des öst.-ung. Angriffes aus Südtirol alle weiteren Maßnahmen zur Schlacht am Isonzo auf noch unbestimmte Zeit verschoben werden mußten.
Nachdem die Gefahr eines öst.-ung. Durchbruches aus Südtirol um die Mitte Juni vorüber war und die italienischen Streitkräfte an der Gebirgsfront westlich der Brenta ihre Gegenstöße begonnen hatten, gab Cadorna am 26. Juni auf eine Anfrage des 3. Armeekmdos. für die nächste Zeit bekannt, daß seine „Hauptabsicht“ nicht geändert worden sei, und daß bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit wieder am Isonzo zum Angriff geschritten werde. Nur sei wegen des Munitionsverbrauches und der Truppenabnützung während der anhaltenden Kämpfe im Gebirge eine Verminderung der Breite des Angriffsraumes notwendig, und man werde sich auf eine Verbesserung der italienischen Front auf dem rechten Isonzoufer durch die Besitznahme des Brückenkopfes von Görz beschränken müssen2). Als das einzige Mittel hiezu hielt der italienische Feldherr in seinem Schreiben an den Kommandanten der 3. Armee, GLt. duca d'Aosta, „die Vereinigung einer imposanten Artilleriemasse aller Kaliber auf schmälstem Frontraum“ für notwendig; „denn nur durch die
x) Cadorna, La guerra, I, 264.
2) Zingales, I precedenti della battaglia di Gorizia (Rassegna dell’ Esercito Italiano, Jänner-Feberheft 1925, 14). — V e n t u r i, La Conquista del Sabotino. 6. Agosto 1916 (Finalborgo 1925;, 78.
Steigerung der Gesamtgewichtsmenge der abgeschossenen Projektile könne man Herr einer klug vorbereiteten Verteidigung werden“1).
Bis Ende Juni hatte sich indessen die Lage an der Gebirgsfront so weit gefestigt, daß die italienische Heeresleitung einen baldigen Beginn des Losschlagens bei Görz für möglich hielt Der 3. Armee wurde zunächst befohlen, die Angriffsvorbereitungen gegen den Görzer Brückenkopf und den Mt. S. Michele abzuschließen und Artilleriestellungen für den Einsatz einer großen Zahl erst unmittelbar vor der Schlacht von der Gebirgsfront heranzuführender Batterien zu ermitteln und einzurichten. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, daß die Heeresleitung nach dem endgültigen Abschluß der Kämpfe zwischen der Etsch und der Brenta die freiwerdenden Kräfte der 1. Armee und die in ihrem Bereiche angesammelten starken Reserven — zusammen etwa 10 bis 11 Divisionen mit vielen schweren Batterien und Minenwerfern — zu gegebener Zeit in einer bis ins kleinste bereits vorbereiteten Massenbewegung überraschend an den Isonzo verlegen werde, worauf der Angriff sofort zu beginnen hätte.
Der Schlag war sonach als mächtiger strategischer Überfall gegen den Brückenkopf von Görz gedacht, für dessen Gelingen die Erwägung sprechen konnte, daß die öst.-ung. Befehlsstellen nach dem Abschluß der verlustreichen mehrmonatigen Gebirgskämpfe nicht so bald einen neuen großen Angriff erwarten und auch keine Zeit zu wirksamen Gegenmaßnahmen haben würden. Denn die streng geheim vorbereitete Verlegung der italienischen Streitkräfte konnte vor dem Gegner wenigstens im Anfänge verborgen gehalten werden; war sie ihm doch bekannt geworden, so mußte das Heranbringen von Reserven von der Tiroler an die küstenländische Front weitaus mehr Zeit als die Verschiebungen der italienischen Kräfte erfordern2).
Die Einrichtung des Kampfgeländes und der Bereitstellungsräume für die Aufnahme der Angriffstruppen war vom Jänner bis zum Juli mit größter Sorgfalt durchgeführt worden. Schon im Dezember 1915
1) Cadorna, La guerra, I, 267.
2) Die Entfernung von Bassano, bzw. Verona nach Cormons betrug nur 150, bzw. 240 km in der Ebene, während öst.-ung. Reserven auch auf der kürzesten, großenteils eingeleisigen Gebirgsbahn hinter der k.u.k. Front zwischen Trient und Dörnberg 500 km, zwischen Trient und Podmelec 380 km zurückzulegen hatten. Diese Bahn lag bei Toblach überdies unter feindlichem Feuer und brauchte für kleine Kräfte die doppelte Transportzeit. Bei Verschiebungen größerer Kräfte mußte über den Brenner und die Tauernbahn ausgewichen werden, wodurch die Möglichkeit rascherer Umgruppierungen feindlicher Kräfte noch mehr ins Auge springt.
hatte das Oberkommando das planmäßige Heranarbeiten gegen die öst.-ung. Abwehranlagen befohlen !), um eine Ausgangslage mit besonders günstigen Bedingungen für den künftigen Angriff zu gewinnen. Mit Nachdruck war die Führung aller Grade dieser Forderung nachgekommen und hatte damit den Kämpfen an der Isonzofront das Gepräge des Sappen- und Minenkrieges gegeben. Um die Heranführung und Unterbringung der Truppen und des Gerätes ohne Verluste durchführen zu können, wurden tiefe, zum Teil sogar eingedeckte Verbin-dungs- und Laufgräben sowie schußsichere Unterstände und Kavernen in großer Zahl nicht nur in den vordersten Linien, sondern auch bis weit nach hinten für die Reserven und die Bedienungsmannschaft der Geschütze und Minenwerfer geschaffen2). Gleichzeitig wurde die genaue Erkundung der öst.-ung. Verteidigungsanlagen betrieben, besonders der Befestigungen des Brückenkopfes bei Görz, die als „Muster ihrer Art“ bezeichnet wurden.
Zur Verschleierung der Angriffsabsichten am Isonzo und um die Überraschung wirksamer zu gestalten, ließ die Heeresleitung Gerüchte über Truppen Verschiebungen in die Val Lagarina für einen Vorstoß auf Rovereto und über große Angriffsvorbereitungen im Abschnitt Sugana-tal—Cadore verbreiten. In den Fassaner Alpen entwickelten sich am 21. Juli tatsächlich größere Kampfhandlungen, und Cadorna begab sich selbst am 30. Juli nach Feltre, veranlaßte hier eine auffallende Zusammenkunft mit dem Ministerpräsidenten und führte bis zum 3. August Erkundungen im Primör durch.
Trotz der umfassenden und äußerst gründlichen Vorbereitungen kann aus den dargelegten Absichten geschlossen werden, daß die italienische Führung durch den Angriff am Isonzo nicht die Entscheidung herbeizuführen suchte, sondern zunächst bloß einen engumgrenzten Teilerfolg anstrebte. Die bescheidenen Ziele standen jedoch im Mißverhältnis zu den aufgebotenen Kräften. Die Zertrümmerung der feldmäßigen Verteidigungsanlagen des Gegners durch ein ungeheures Aufgebot an Geschützen und an Minenwerfern mit nachfolgenden Stirnangriffen vielfach überlegener Sturmkolonnen sollte die Wegnahme des Görzer Brückenkopfes und des Mt. S. Michele ermöglichen. Dieser Leitgedanke des Operationsplanes zeigt aber auch deutlich die Absicht, die moralischen Kräfte der Angreifer durch die brutale Wucht des Materials zu ersetzen.
x) V e n t u r i, 47.
2) T o s t i, La guerra Italo-Austriaca, 1915—1918 ' Mailand 1927' , 172 f. -
Z i n g a I e s, Gorizia, 10 f.
Der Aufmarsch und das Kräfteaufgebot der Italiener Hiezu Beilage 1
Noch während Teile der italienischen 1. Armee und die Divisionen der Armeegruppe des Gen. Mambretti gegen unsere neuen Gebirgs-stellungen anstürmten, waren alle Maßnahmen für den Aufmarsch der Streitkräfte gegen die Front am Isonzo beendet worden. Schon seit Ende Juni waren Verschiebungen einzelner früher verfügbarer Divisionen vorangegangen» So gelangten anfangs Juli die 24. ID. von der 1. Armee zum VI. Korps in die Front der 3. Armee, die 19. und die 47. ID. von der 5. Armee ebenfalls zur Armee Aosta x). In den ersten Julitagen wurde die italienische 5. (Reserve-)Armee im Raume Padua—Bassano aufgelöst; ihre Truppen wurden der Heeresleitung unmittelbar unterstellt. Gleichzeitig ließ Cadorna die ursprüngliche Einteilung der Armeen am Isonzo wiederherstellen. Die 2. Armee, deren Bereich vom Rombon bis südlich von Zagora' reichte, übernahm GLt. Settimio Piacentini, der bisherige Kommandant der 5. Armee.
Als am 20. Juli der letzte Versuch der Italiener zur Wiedergewinnung der im Mai verlorenen Stellungen gescheitert war, brach Cadorna den Kampf an der Gebirgsfront endgültig ab und bestimmte den 4. August als Stichtag für den Beginn des Angriffes am Isonzo. Die an der Tiroler Front nunmehr freigewordenen Kräfte hatten binnen acht Tagen mit Ausnützung der Höchstleistung aller Bahnen und Kraftfahrzeuge in den Raum Cormons—Palmanova—Cervignano zu gelangen und in den schon vorbestimmten Räumen die Gruppierung zum Angriff unverzüglich anzunehmen.
Dementsprechend war die Versammlung der zur 3. Armee abzugebenden Infanterie- und Artillerieverbände im Raume Padua—Castel-franco—Vicenza—Bassano bis zum 26. Juli durchgeführt worden
Am 27. Juli begannen die Massentransporte, die musterhaft vorbereitet und reibungslos durchgeführt wurden. In den ersten vier Tagen gingen die nicht im Divisionsverband stehenden 58 mittleren und schweren Batterien sowie 22 Minenwerferbatterien an den Isonzo ab2). Ihnen folgten vom 31. Juli bis zum 4. August zunächst das VIII. Korps mit der
') Die 19. ID. kam vorübergehend zum VI. Korps, die 47. ID. zunächst in den Raum um Cividale.
2) Ministero d e 11 a g u e r r a, Le Medaglie ďoro Rom 1926'., II, 52. gibt an: 74 schwere, 127 mittlere Geschütze, 200 Minenwerfer.
43. und der 48. ID., dann das XXVI. Korps mit der 23. und der 46. ID. zur 3. Armee in den Raum um Cormons nach1).
Somit waren der 3. Armee bis zum Beginn der Einleitungskämpfe am 4. August sieben Divisionen, die meisten zu je drei Brigaden, zugeschoben worden; sie zählte mit der ihr zugewiesenen 49. ID., die bisher als Heeresreserve in der Ebene westlich von der Karsthochfläche gestanden war, sechzehn Infanteriedivisionen und eine zu Fuß formierte Kavalleriedivision. Kurz nach Beginn der Schlacht war bis zum 7. August von der Heeresreserve noch die 34. ID. eingetroffen; sie bildete mit der am 10. von der 1. Armee zugeschobenen 10. ID. das XIV. Korps, das nebst der 3. KD. von der aufgelösten 5. Armee gleichfalls der
3. Armee unterstellt wurde. Schließlich langten zwischen dem 11. und dem 17. August von der 1. Armee noch das XXIV. Korps mit der 4. und der 33. ID. und mehrere kleinere Einheiten am Isonzo ein.
Insgesamt waren von der 1. und der ehemaligen 5. Armee zehn Infanteriedivisionen mit etwa 24 Brigaden und eine Kavalleriedivision in den Bereich der 3. Armee verschoben worden2). '
Der Abschnitt der italienischen 3. Armee, die den Angriff durchzuführen hatte, reichte von der adriatischen Küste bis zu den Steilhängen des Mt. Sabotino südlich von Zagora. Der allgemeine Zug der Stellungen war seit den Herbstschlachten des Jahres 1915 nahezu unverändert geblieben und ist der Beilage 1 zu entnehmen. Die vordersten Linien lagen, zumal an den Brennpunkten der früheren Kämpfe, einander sehr nahe gegenüber und hatten stellenweise ein gemeinsames Hindernis. An der nur 31km langen Armeefront standen vom rechten zum linken Flügel folgende Truppen:
das VII. Korps vom Meere bis zum Mt. dei sei Busi A 118 mit der 14. und der 16. ID., dann der 1. KD. zu Fuß (31 Bataillone, 24 Schwadronen, 148 leichte, 60 mittlere und schwere Geschütze, 9 Minenwerferbatterien) ;
das VIII. Korps anschließend bis zur Höhe -<J>- 164 mit der 31. ID. und einer kombinierten Gruppe (17 Bataillone, 79 leichte, 14 mittlere und schwere Geschütze, 8 Minenwerferbatterien);
Beide Korps von der aufgelösten 5. Armee.
2) S e g a t o, L’Italia nella guerra mondiale (Mailand 1927), I, 254, gibt an, daß in 23 Tagen 6825 Offiziere, 296.000 Mann, 57.134 Pferde und Tragtiere und 9810 Fuhrwerke in 61.380 Eisenbahnwagen an den Isonzo befördert wurden. Dieser Bahnaufmarsch über kurze Strecken entsprach nach der Tagesintensität im Eintreffen und nach den Transportmengen etwa dem Aufmarsch der verbündeten Mittelmächte zur Offensive bei Gorlice im Jahre 1915.
das XI. Korps im Abschnitte S. Martino—Mt. S. Michele mit der 21. und der 22. ID. in erster Linie, mit der 23. ID. als Reserve (42 Bataillone, 137 leichte, 60 mittlere und schwere Geschütze, 20 Minenwerferbatterien) ;
das VI. Korps im Abschnitte des Görzer Brückenkopfes mit der 12., der 11., der 24. und der 45. ID. in erster Linie, mit der 43. und der 47. ID. als Reserve (73 Bataillone, 261 leichte, 210 mittlere und schwere Geschütze, 40 Minenwerferbatterien).
Als Armeereserve standen dem GLt. Aosta weitere vier Divisionen zur Verfügung (19., 46., 48. und 49. ID.), die im Raume Cormons— Palmanova—Cervignano versammelt wurden. Zu Beginn der Schlacht am 4. August war die 3. Armee mit 203 Bataillonen, 24 Schwadronen, 750 leichten, 340 mittleren und schweren Geschützen, 77 leichten und schweren Minenwerferbatterien zum Angriff bereit1).
Die italienische 2. Armee umfaßte den gleichen Bereich wie vor der vorübergehenden Angliederung ihrer Truppen an die Armee Aosta im Mai. Den rechten Flügel bildete das II. Korps mit der kombinierten
3. ID. im Brückenkopf von Plava (Abschnittskmdo. Plava) und der
4. KD. zu Fuß zwischen Plava und Ronzina. Hier schloß das verstärkte IV. Korps an, das mit der 7. und der 8. ID. vor dem Brückenkopf von Tolmein und auf den Höhen westlich von diesem Orte stand; zwei Alpinigruppen hielten den Westrand des Krnstockes besetzt, und eine kombinierte Gruppe (Abschnittskmdo. Saga) sperrte die Zugänge zum Flitscher Becken in der Linie Slatenikbach—Ostrand von Flitsch—Westhang des Rombon.
Insgesamt zählte die 2. Armee 3 Infanteriedivisionen, 1 kombinierte Gruppe, 2 Alpinigruppen und 1 zu Fuß formierte Kavalleriedivision mit
*•) Die Zahlenangaben dieses Kapitels sind zum Teile dem Aufsatz von Zin-g a 1 e s, Gorizia, entnommen. Diese Angaben scheinen jedoch, soweit sie die Artillerie betreffen, zu niedrig errechnet zu sein, denn andere italienische Werke bringen wesentlich höhere Geschützsummen. So gibt unter anderen Cadorna, La guerra, I, 277, dessen Angaben den im amtlichen italienischen Kriegswerk zu erwartenden Darstellungen noch am ehesten nahekommen dürften, die Stärke der Artillerie der
3. Armee mit 728 leichten, 467 mittleren und 56 schweren, zusammen 1251 Geschützen, 640 leichten, 134 schweren, zusammen 774 Minenwerfern an. Nach T o s t i. 170 f., hatte die 3. Armee 1288 Geschütze und 462 Minenwerfer. Nach G e 1 o s o, Le Battaglie di Gorizia e della Bainsizza (Rom 1929), 22 f., zählte die 3. Armee 690 leichte, 515 mittlere, 55 schwere, zusammen 1268 Geschütze, 636 leichte, 132 schwere, zusammen 768 Minenwerfer. C a p e 11 o, I, 302, erwähnt schließlich, daß „der ungeheure Aufmarsch von über 2000 Geschützen beendet war .
62 Bataillonen, 24 Schwadronen, 344 leichten, 229 mittleren und schweren Geschützen.
Es standen somit am 4. August an der ganzen Isonzofront rund 20 zum Teil verstärkte Infanteriedivisionen, 2 Alpinigruppen und 2 Kavalleriedivisionen zu Fuß, insgesamt etwa 270 Bataillone, 48 Schwadronen, 1100 leichte, 570 mittlere und schwere Geschütze.
Die Kräfteverteilung und die Ausgestaltung des Kampfraumes der
k. u. h. 5. Armee
Der Umschwung der Lage an der italienischen Front, der durch die Ereignisse im Osten verursacht worden war, hatte die öst.-ung. Heeresleitung bewogen, der geschwächten Armee des GO. v. Boroevic anfangs Juli zwei Divisionen von der Tiroler Heeresgruppe zuzuführen, als man die ersten Anzeichen des wiederbeginnenden Interesses der Italiener für diesen Kampfraum erkannt hatte. Aber die neu aufsteigenden Gefahren im Osten der Monarchie erforderten weitgehende Sicherungen auf Kosten aller anderen Fronten. Nur kurz durfte sich die k.u.k. 5. Armee des eben eingelangten Kraftzuschusses erfreuen. Schon nach wenigen Tagen mußte sie die in allen Isonzoschlachten sehr bewährte 187. LstlBrig. zur Stützung der 10. Armee nach Kärnten senden, und unmittelbar darauf wurde auch die kampferprobte 106. LstlD. auf den nordöstlichen Kriegsschauplatz abberufen.
Damit fiel die Kampfkraft der Isonzoverteidiger Ende Juli auf einen Tiefstand, der gegenüber jenem zur Zeit der Frühsommerkämpfe in Tirol noch viel bedenklicher war, da jetzt fast alle Kräfte und Mittel des Reiches nach dem Osten strömten, während hinter der in unheimlicher Ruhe versunkenen feindlichen Front im Südwesten manches Rätsel einer Lösung harrte.
Als Notbehelf zur Hebung der arg zusammengeschmolzenen Stände hatte die Heeresleitung der 5. Armee 41 außerplanmäßige Marschkompagnien von der Heeresgruppe in Tirol zugewiesen; sie reichten kaum hin, um die auf dem Karst eingesetzten Divisionen kampfkräftig zu erhalten. Da mit einer weiteren Kräftevermehrung nicht gerechnet werden konnte, mußte sich das 5. Armeekmdo. durch eine entsprechende Gruppierung helfen, um gegen unvorhergesehene Ereignisse gewappnet zu sein. Noch im Juli waren die k. k. Landsturminfanterieregimenter 11 und 27, die ihre Feuerprobe in den blutigen Kämpfen zu Anfang des
Monats glänzend bestanden hatten und über regelmäßige Ersätze verfügten, unter dem 24. LstGbBrigKmdo. zusammengefaßt und bis auf weiteres auf dem Südflügel der Armee eingesetzt worden. Das FJB. 2 und die k. k. Landsturminfanteriebataillone 37 und 75, die gleichfalls fortlaufende Ersätze erhielten, wurden mit den k. k. Landsturminfanteriebataillonen 6, IV/39 und 83 zur 121. LstlBrig. beim XVI. Korps vereint.
Am 1. August bildete demnach den Abschnitt I das XV. Korps mit der 50. ID. vom Krn A 2245 bis zum Isonzo westlich von Tolmein, südlich anschließend die l.ID. im Brückenkopf von Tolmein und am Ostufer des Flusses bis Auzza (auf 25 km Frontlänge 19 Bataillone und 28 mobile Batterien). Den Abschnitt II hielt das XVI. Korps mit der 62. ID. von Auzza bis zum Mt. Santo sowie mit der 58. ID. (drei Brigaden) im Brückenkopf von Görz und längs des Ostufers des Isonzo bis zur Wippachmündung (auf 35 km Frontlänge 32 Bataillone und 36 mobile Batterien). Den Abschnitt lila besetzte das VII. Korps mit der 20. HID. von der Wippach bis zum Südrand von S. Martino und mit der 17. ID. anschließend bis einschließlich der Höhe Mt. dei sei Busi A 118 (auf 9 km Frontlänge 27 Bataillone und 29 mobile Batterien). Den Abschnitt Illb bildete die durch die 24. LstGbBrig. verstärkte 9. ID. auf dem Karstrande bei Vermegliano bis einschließlich Duino und die ihr unterstellte 59. IBrig. (der 43.SchD.) als Abschnittsreserve hinter dem Südflügel (auf 13 km Frontlänge 22 Bataillone und 23 mobile Batterien). Als Armeereserve verblieben dem GO. Boroevic bloß die 6 Bataillone der 86. SchBrig. und das 43. SchDKmdo., die auf der Hochfläche von Comen belassen wurden.
Anfangs August verfügte das 5. Armeekmdo. an der Front zwischen dem Krn und dem Meere also nur über 8 Divisionen mit 106 Bataillonen (davon ein Drittel Landsturmtruppen), zusammen 102.400 Feuergewehre, 440 leichte, 144 mittlere und schwere Geschütze, 220 leichte, 113 mittlere und schwere Minenwerfer1).
Der angreifenden italienischen 3. Armee mit mindestens 203 Bataillonen und 1250 Geschützen standen am 4. August im gleichen Frontabschnitte der k.u.k. 5. Armee nur 78 Bataillone (einschließlich der Armeereserve) mit 384 Geschützen gegenüber.
Für die planmäßige Verstärkung der Verteidigungsanlagen war seit
*) Einschließlich der Artillerie in den beiden Küstenabschnitten von Triest und Fiume war die Gesamtgeschützanzahl der 5. Armee gegenüber dem Stande vom Ende des Mai etwas größer und zählte mit allen Positions-, Flugzeugabwehr- und sonstigen Geschützen 491 leichte, 131 mittlere und 16 schwere Rohre.
dem Winter das Möglichste geschehen. Die dürftigen Schützendeckungen, Steinriegel und Sandsackmauern vom Jahre 1915 konnten bis zum Sommer zu richtigen Kampfstellungen ausgebaut werden. Freilich waren in manchen Abschnitten die Güte und die Erfahrung der Truppen, die Nähe des Feindes, die Bodenbeschaffenheit und der häufige Wechsel der Besatzungen auf die Arbeiten von Einfluß, so daß trotz anerkennenswerten Fleißes und aller Mühen auch anfangs August noch immer nicht von einer durchlaufend gleichartigen, allen Anforderungen entsprechenden Stellung gesprochen werden konnte. Wie schon immer war es um die Karsthochfläche, wo der ungünstige Verlauf der zumeist im Kampfe gewonnenen vordersten Linien mühevolle Berichtigungen und Schutzmaßnahmen gegen das an vielen Stellen empfindliche Flanken- und Rückenfeuer erforderte, am schlechtesten bestellt. Durch Vorschieben einzelner Stellungsteile einerseits, durch Abschneiden vorspringender Winkel andererseits, entstand nach und nach eine zweite Linie, die als Aufnahmsstellung für die im Falle eines feindlichen Einbruches aus der Hauptkampflinie geworfene Besatzung dienen konnte, und von der aus die nächsten Reserven Gegenstöße zu führen hatten. Mit den zu den Unterständen und Kavernen nach hinten in die Dolinen führenden und durch Sandsackmauern oder Steinriegel geschützten Verbindungswegen, die hier die Laufgräben ersetzen mußten, entstanden die Anfänge einer mehr in die Tiefe gegliederten ersten Verteidigungsstellung.
Zur Charakteristik des Kampfraumes, wie er sich vor der sechsten Isonzoschlacht darstellte, schreibt GM. Anton Ritt. v. Pitreich, damals Chef der Operationsabteilung beim 5. Armeekmdo., unter anderem folgendes1): „Nach wie vor wurde aber noch das Hauptaugenmerk auf die möglichste Ausgestaltung des eigentlichen Kampfgrabens gerichtet. Da Freund und Feind meist auf die allernächste Entfernung einander gegenüberlagen, wurde es notwendig, das Schwergewicht auf die frontale Feuerabgabe der stark besetzten vordersten Widerstandslinie zu verlegen, die in Zwischenräumen von 50 bis höchstens 100 m mit Flankierungsanlagen für Maschinengewehre reich versehen war. Größte Mühe kostete es, den Kampfgraben in das schwer zu bearbeitende Karstgestein zu versenken. Mit der Zeit waren aber doch die früher üblichen Gesteinsriegel größtenteils verschwunden oder in mindestens doppelreihige Sandsackbrustwehren verwandelt. Auch von Schutzschilden wurde reichlich Gebrauch gemacht. Da der Karstboden die Anlage von Unterständen (Fuchslöchern) zum Schutz gegen die Witterungseinflüsse und die Schrapnell-x) Aus einem noch unveröffentlichten Manuskript über den Krieg am Isonzo.
Wirkung nahezu völlig ausschloß, konnte die Herstellung von splittersicheren Eindeckungen — meist aus Wellblechen oder mit Dachpappe überzogenen Brettern — trotz aller Gefahren, die sie boten, nicht vermieden werden; auch Drahtschutzgeflechte gegen Handgranaten waren üblich. Hier war es meist schwer, zwischen den begreiflichen Wünschen der Besatzung und den Geboten der Vernunft einen entsprechenden Ausgleich zu treffen. Auf die Anordnung zahlreicher Traversen wurde ein besonderes Gewicht gelegt; in der Regel wurde auf einen halben Schwarm eine Traverse gerechnet. Endlich bot auch die Herstellung der Hindernisanlage manche Schwierigkeit, da es zumeist nicht möglich war, die Hindernisse entsprechend zu verankern. Nur die immer wieder zu erneuernde Masse des Materials (spanische Reiter und mit Drahtgeflechten versehene Fußangeln) gewährte den notwendigen Schutz.“
„Diese Charakteristik betrifft in erster Linie die Stellung auf der Hochfläche von Doberdö, den schwierigsten Teil der ganzen Befestigungsanlage. Die Befestigung der anderen Frontteile war wesentlich vollständiger. Namentlich der Görzer, aber auch der Tolmeiner Brückenkopf konnten sich geradezu als Meisterwerke neuzeitlicher Feldbefestigungskunst sehen lassen. Dort war es auch möglich, für die Bequemlichkeit der Truppe besser vorzusorgen. Viel war dabei auch der geschickten Auswertung der vorhandenen elektrischen Kraft zu danken. Vor allem ändern wertvoll für den Betrieb von Gesteinsbohranlagen, erleichterte sie auch in Form von Beleuchtungs-, Lüftungs- und Beheizungsanlagen das schwere Los der Truppe. Hier legten die landsturmpflichtigen Zivilingenieure manche Proben ihrer Tüchtigkeit und Verwendbarkeit ab.“ „Die ungeheure räumliche Ausdehnung im schwerst zu behandelnden Gestein brachte es aber mit sich, daß die verfügbare Arbeitskraft nur für die möglichste Erhöhung der Widerstandskraft der ersten Stellung knapp ausreichte. Dem Streben der höheren Führung, durch Anlage hinterer Linien für eine nachhaltige Sicherung der Isonzofront im weiteren Sinne Sorge zu tragen, konnte nur in ganz geringem Maße entsprochen werden, dies um so mehr, als auch die notwendige Herstellung von Verbindungen im Rücken der kämpfenden Armee viel Zeit und Kraft in Anspruch nahm. Es sei in diesem Belange besonders auch auf das ausgedehnte, unwegsame, wasserarme Gebiet der Hochflächen von Bainsizza, Lom und Kal hingewiesen.“
„Daher mußte vor allem daran geschritten werden, für diese Gegend erst Zugangs- und Zuschubmöglichkeiten zu schaffen. Auch in dieser Hinsicht wurde während des Winters und Frühjahrs einiges gev 3
schafft; die Hauptarbeit wurde hiebei durch russische Kriegsgefangene geleistet, die innerhalb des gefährdeten Raumes der Kampffront nicht verwendet werden konnten. Sehr viel war aber mit den rund 20.000 Kriegsgefangenen, die der Armee zu diesem Zwecke insgesamt zur Verfügung standen, in dem ausgedehnten Etappengebiete der Armee auch nicht zu leisten. Immer drängte eine Arbeit die andere, eine unaufschiebliche Dringlichkeit lief der anderen den Rang ab.“
„Ähnliches galt für die gleichfalls sehr beschränkte Zahl von etwa
20.000 eigenen Arbeitskräften, deren Masse beim eigentlichen Stellungsbau einzusetzen war. Es waren daher um diese Zeit erst sehr bescheidene Ansätze zu hinteren Verteidigungsanlagen wahrzunehmen. Meist waren sie hauptsächlich auf dem Papier vorhanden, damit die Vorgesetzten Kommanden beruhigt wurden. Suchte man die vielgerühmte zweite und dritte Stellung im Gelände, so war nicht viel davon zu finden. Hier von oben her schärfer einzugreifen, war auch nicht zweckmäßig, da es stets Verdacht erregte, ein überwiegendes Interesse für ,hinten4 zu bekunden, und da auch nicht die Verantwortung übernommen werden konnte, der immer noch sehr ausgestaltungsbedürftigen ersten Stellung namhaftere Arbeitskräfte zu entziehen.“
„Nur dank der günstigen Bodenbeschaffenheit konnte das Wippach-tal mit einer fünf Kilometer hinter dem Görzer Brückenkopf durchlaufenden zweiten Widerstandslinie ausgestaltet werden. Ohne noch eine Tiefengliederung aufzuweisen, verlief diese vom Mt. S. Gabriele über Sv. Katarina, Grazigna, auf dem Höhenrande unmittelbar östlich der Stadt Görz, über S. Marco, am östlichen Ufer der Vertojbica zur Wippach und suchte auf deren linkem Ufer über S. Grado di Merna Anschluß an den Nordhang der Hochfläche von Comen. Hier war ein mit einem durchlaufenden Hindernis versehener Kampfgraben fertiggestellt. Sein Anschluß im Norden über den Mt. Santo und die Höhe -<>-652 gegen Plava, im Süden gegen die Befestigungen der Karsthochfläche, ließ aber noch viel — um nicht zu sagen alles — zu wünschen übrig.“
„Auf der Hochfläche von Doberdö hatte man eine zur Not verteidigungsfähige Abriegelung von S. Martino in geradewegs südlicher Richtung über Marcottini zum Debeli vrh geschaffen. Dahinter war mit der Anlage einer durchlaufenden Kampflinie am Ostrande des Vallone-grabens begonnen worden, die im Süden über A 208 zur Höhe -Ą-144 das Brestovicatal absperren und sich bei Höhe -<>- 77 nächst der Südbahn an die erste Stellung anlehnen sollte. Diese Linie hatte den Nachteil, daß der Westrand des Vallone den Ostrand überhöhte. Diese vorgenannten drei Linien besaßen erst einen sehr geringen Grad von Verteidigungsfähigkeit; von weiteren Verteidigungsanlagen im Rücken der Armee konnte kaum die Rede sein. Zur Anlage und Ausgestaltung dieser Befestigungsarbeiten waren vornehmlich nur Marschformationen herangezogen worden, für die diese Arbeit eine gute Schulung war. Die vorhandenen technischen Truppen — insgesamt 36 Kompagnien und 15 Gesteinsbohrzüge — arbeiteten nur in der ersten Stellung. Am meisten Zeit und Mühe nahmen, in dem begreiflichen Bestreben, möglichst für alle Karstverteidiger bombensichere Unterstände zu schaffen, die Kavernenbauten in Anspruch. In dieser Hinsicht hatte man namhafte Fortschritte gemacht; grauenvoll genug war es, das nackte Leben in diesen unterirdischen Verließen und feuchten Höhlen zu fristen. Daraus erklärt sich auch die hohe Zahl der Kranken, die die Reihen des VII. Korps ständig in unliebsamer Weise schwächten. Nahezu ein ganzes Buch könnte damit ausgefüllt werden, um alle Improvisationskünste aufzuzählen, die im Laufe der Zeiten angewendet wurden, um das Leben dieser unfreiwilligen Höhlenbewohner erträglich zu gestalten. Keine noch so große Unbill vermochte jedoch den Geist jener herrlichen Truppen zu trüben, die damals dort ihr Leben einsetzten zur Erhaltung ihres gemeinsamen Vaterlandes. Im stolzen Siegergefühl der durchgekämpften Schlachten und in Würdigung dessen, was nun zur Ausgestaltung der Front geschehen war, sah man trotz der relativen Schwäche der Besatzung mit Zuversicht den künftigen Ereignissen entgegen.“
Der Schlachtplan des italienischen 3. Armeekommandos und die
Maßnahmen zur Verschleierung seiner Absichten
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Mit der Anlage und Durchführung des Hauptangriffes am Isonzo, für den die italienische Heeresleitung nur die großen Richtlinien und die Anordnungen für den Aufmarsch der Verstärkungen festgelegt hatte, wurde der Kommandant der 3. Armee als der tüchtigste und fähigste der italienischen Armeeführer beauftragt.
Nach dem Schlachtplan des GLt. Aosta sollte der Angriff am 4. August durch einen ablenkenden Flankenstoß des verstärkten VII. Korps gegen den schon im Juli angegriffenen Südflügel der k.u.k. 5. Armee im Abschnitte Selz—Monfalcone eingeleitet werden. Die Wiederaufnahme des Kampfes in diesem Raume war nicht auffallend und konnte als Fortsetzung des früheren Unternehmens aufgefaßt werden. Absicht und
Zweck dieser Maßnahmen waren jedoch, sowohl die Aufmerksamkeit des Gegners als auch dessen etwa vorhandene Reserven vom wirklichen Einbruchsraum abzulenken.
Den Hauptangriff hatten am 6. August zwei mächtige Kampfgruppen durchzuführen. Die eine, das italienische VI. Korps unter dem GLt. Capello, mit vier dicht zusammengeschlossenen Divisionen in der Front und zwei Divisionen dahinter als Reserven, hatte mit dem Nordflügel in dem schmalen Raum Mt. Sabotino—Höhe -<>188, mit dem Südflügel gegen die Podgora vorzustoßen, um die Front des Görzer Brückenkopfes zu durchbrechen und zunächst bis an den Fluß vorzudringen. Im Zwischenräume von Oslavija bis zum Orte Grafenberg sollte eine Verbindungsgruppe die gegnerische Besatzung auf den Höhen von Pevma niederhalten. Über die Eroberung des Görzer Brückenkopfes hinaus hatten zunächst weder GLt. Cadorna noch der Führer der 3. Armee ihre Ziele abgesteckt.
Die zweite Kampfgruppe, das drei Divisionen starke XI. Korps, hatte gleichzeitig den Mt. S. Michele zu nehmen, der als südlicher Eckpfeiler des Görzer Brückenkopfes angesehen wurde. Das XIII. Korps, in der Mitte des Karstabschnittes, sollte sich bereithalten, um in den Kampf je nach Bedarf einzugreifen1).
Die italienische 2. Armee hatte nördlich vom Mt. Sabotino nur Nebenaufgaben. Sie sollte den Gegner hindern, Kräfte an die angegriffenen Frontabschnitte zu verschieben. Da ihre Truppen nach Ansicht der Heeresleitung für einen Angriff nicht ausreichten, um einen entsprechend starken Druck auf die öst.-ung. Linien nördlich vom Mt. Sabotino auszuüben, hatte sie zu Beginn des Hauptangriffes durch eine starke Beschießung der Stellungen und der hinteren Räume bei Tolmein die Vorbereitung zu einer größeren Kampfhandlung vorzutäuschen.
Obwohl die Verschiebung von sieben italienischen Brigaden im Laufe des Monats Juli von der Tiroler Front gegen den Isonzo nicht unbemerkt geblieben war (S. 22), rechnete die öst.-ung. Heeresleitung nicht vor Mitte August mit einem entscheidungsuchenden Angriff der Italiener. Man hatte bei den führenden Stellen die Einbußen des Feindes während der fast zweimonatigen Gebirgskämpfe sowie deren Auswirkungen wohl überschätzt und glaubte, daß der Feind seine ursprünglichen Angriffspläne in der Richtung über Görz und auf den Karst erst wieder aufnehmen werde, sobald das kaum mehr abwendbar erscheinende Eingreifen Rumäniens erfolgt sein werde.
Tosti, 171.
In der Tat zeigte die Lage vor der Armee Boroevic keine wesentlichen Veränderungen. Es konnten auch keine auffälligen Vorbereitungen für eine große Angriffsschlacht, wie etwa das Einschießen neuer Batterien, ein erhöhter Bahn- oder Kraftwagenverkehr und ähnliche Maßnahmen im Rücken des Feindes beobachtet werden. Die Gefechtstätigkeit hielt sich in den gewöhnlichen Grenzen des Stellungskrieges und nur die feindliche Lufterkundung war um ein Geringes lebhafter geworden. Bedenklicher war, daß seit dem 25. Juli eine Reihe von Funkstationen höherer italienischer Befehlsstellen im Raume Padua—Vicenza—Bassano ihre Sendungen unterbrochen hatte, und daß die Luftaufklärung am 27. Juli größere Truppen- und Kolonnenbewegungen im Raume Bassano—Feltre—Treviso melden konnte.
Die Unsicherheit der Lage war damit zu erklären, daß die italienische Heeresleitung bis ins kleinste gehende Vorsorgen getroffen hatte, um ihre Pläne möglichst lange geheim zu halten. Vor allem wurden die größeren Bewegungen, Märsche und Transporte zumeist während der Dunkelheit durchgeführt. Infolge der ausgezeichneten Vorbereitungen 1) entging unserer Beobachtung die gerade in den Tagen um die Monatswende durchgeführte wesentliche Verstärkung der italienischen Artillerie und der Minenwerfer vor dem Görzer Brückenkopf und in der Ebene westlich vom Mt. S. Michele (S. 27).
Daß die verdächtige Ruhe an der Front beim Verteidiger kein Mißtrauen erweckt hatte, war nicht zuletzt auch dem Ausbleiben der zahlreichen italienischen Überläufer zuzuschreiben, die sonst immer das sicherste Anzeichen für den nahen Beginn einer großen Angriffsschlacht gewesen waren.
Da der Feind in der Lage war, seine vordersten Angriffstruppen an den wichtigsten Punkten im Durchschnitt nicht weiter als auf Sturmentfernung vor den beabsichtigten Einbruchsräumen, gegen Artillerie-und Minenwerferfeuer gesichert, bereit zu stellen, bestand für ihn die Möglichkeit, den Verteidiger zu überraschen. Dieser Vorteil nebst der außergewöhnlich günstigen allgemeinen Lage und die starke Überlegenheit an Streitkräften ließen einen Überfall verlockend und aussichtsreich erscheinen. War erst der Anfangserfolg errungen, auf den der Plan aufgebaut war, so konnten später weiterreichende Ziele verfolgt werden. Die eigentliche Losung für den Angriff hieß „Görz“, aber man wollte,
!) Ausgiebige Tarnung aller Verkehrswege hinter der Front bis weit nach hinten, Besprengen der Straßen zur Verhinderung der Staubentwicklung, Fliegerdisziplin der Truppen bei allen Bewegungen, u. dgl. (C a p e 11 o, I, 298).
eingedenk der früheren Schlachten, diesen Namen vorzeitig nicht allzulaut betonen, und setzte zum Ziel des Angriffes zunächst lediglich die Eroberung des Brückenkopfes.
Der Verlust des Görzer Brückenkopfes Hiezu Beilage 2 Die Einleitungskämpfe am 4. und 5. August
Seit dem 2. August hatte sich zwar die bisher nur gegen den Görzer Brückenkopf und die Karststellungen gerichtete mäßige feindliche Artillerietätigkeit auf die ganze Front der k.u.k. 5. Armee ausgedehnt, ohne jedoch die gewohnte Stärke zu übersteigen. Der Verkehr hinter der italienischen Front hatte etwas zugenommen, schien sich aber, ohne eine bestimmte Richtung erkennen zu lassen, hauptsächlich auf Troßbewegungen zu beschränken. Noch hielt die verhältnismäßige Ruhe an der küstenländischen Front im allgemeinen an.
Da eröffnete die italienische Artillerie am 4. August um 10h vorm. gegen den ganzen Südteil der Hochfläche von Doberdó ein äußerst lebhaftes Geschütz- und Minenwerferfeuer, das sich gegen den Raum östlich von Selz, den Mt. Cosich und den Monfalconerücken zeitweise bis zum Trommelfeuer steigerte. Es hatte den Anschein, als ob der Feind die vier Wochen früher vergeblich gebliebenen Bemühungen in diesem Abschnitt wiederholen wollte. Um 2h nachm. schritt die Infanterie der beiden verstärkten Divisionen des VII. Korps zum Angriff. Das vorzüglich geleitete Abwehrfeuer der westlich von der Hermadahöhe aufgestellten Batterien der 43. FABrig. und jenes der flankierend wirkenden Marineartilleriegruppe bei Duino zwang die Sturmsäulen der Italiener zu Boden. Erst als der Feind den Angriff durch Teile von sieben Regimentern auf breiter Front wiederholte, fielen gegen 6h nachm. einige Gräben bei Selz und auf dem Monfalconerücken in seine Hand. Nach wechselvollen Kämpfen, in denen sich das ostgalizische IR. 80 tapfer schlug, mußte der Feind am Abend unter erheblichen Verlusten und bei Zurücklassung von 230 Gefangenen und 2 Maschinengewehren die Stellungen der k.u.k. 60. IBrig. vollständig räumen1). Während der dann ziemlich ruhig verlaufenden Nacht stellte der Kommandant des
x) Die Verluste der 60. IBrig. betrugen an diesem Tage 120 Tote, 470 Verwundete und 120 Vermißte.
Abschnittes IIIb, FML. Edl. v. Schenk, in Erwartung neuer Vorstöße, seine Abschnittsreserve, die 59. IBrig., im westlichen Teile ihres weitausgedehnten Unterkunftsbereiches bei Jamiano und Brestovica bereit. Nördlich von dem angegriffenen Abschnitt bis über Görz hinaus verhielt sich die feindliche Infanterie an diesem Tage ruhig. Gegen Mitternacht auf den 5. August wurde auf dem Grojnarücken westlich von Al Ponte durch Sappeure der k.u.k. 58. ID. eine Mine gesprengt und durch den nachfolgenden Ausfall einer kleinen Abteilung des k. u.LstlR. 2 ein italienischer Minengang samt etlichen Sappen zerstört.
Der 5. August brachte endlich eine Klärung der gespannten Lage. Die nachts eingebrachten Gefangenen hatten ausgesagt, daß ein mächtiger Angriff der Italiener unmittelbar bevorstünde. Aber auch eine Reihe anderer untrüglicher Anzeichen deutete darauf hin. Schon das am Vormittage gegen den Nordteil der Hochfläche von Doberdö gerichtete Artilleriefeuer machte den unzweideutigen Eindruck des planmäßigen Einschießens durch eine große Zahl bisher nicht bekannter neuer Batterien. Vom Mittag bis in die Nacht wurden der am Tage zuvor angegriffene südliche Rand des Karstes und die Hügelstellungen östlich von Monfalcone, der Mt. S. Michele, insbesonders aber der Görzer Brückenkopf, die Brücken und die Stadt selbst zumeist aus schweren Kalibern beschossen. Es entstanden dadurch große Brände und beträchtliche Bauschäden sowie Verluste auch unter der Zivilbevölkerung. Auffallend waren die starken Truppenbewegungen in der Isonzoebene hinter der feindlichen Front und der erhöhte Bahnverkehr auf den Strecken von Casarsa gegen Udine und Cormons. Abends unternahm je ein italienisches Bataillon bei der Wegkote 111 und an der Straße Selz—Doberdö Erkundungsvorstöße, die aber leicht abgewiesen wurden.
In der Erkenntnis, daß es nun doch einen voraussichtlich schweren Kampf durchzufechten gelte, erbat GO. Boroevic in Teschen eine bescheidene Vermehrung der schweren Artillerie und bezeichnete als dringendsten Bedarf zwei schwere Mörser-und drei schwere Feldhaubitzbatterien.
Der Überfall auf den Görzer Brückenkopf
Die Nacht auf den 6. August war ziemlich ruhig, aber in höchster Spannung verlaufen. Ein hochsommerlich klarer Sonntagsmorgen brach an. Da setzte mit einem Schlage um 6h45 früh an der ganzen Front von Tolmein bis zur Küste das italienische Artillerie- und Minenwerferfeuer mit äußerster Heftigkeit ein. Nach kurzer Zeit versanken die Höhen vom Mt. Sabotino bis zur Ebene bei Lucinico und die Stadt Görz mit ihren Vororten zwischen Salcano und St. Andrä in Qualm und Staub. Von den Beobachtungspunkten auf den Hügeln, die das Becken von Görz im Osten umschließen, sah man bald nichts mehr als eine ungeheure graubraune Rauchwand, aus der ununterbrochener Donner grollte und Blitze zuckten von dem Einschlagen und Bersten unzähliger Granaten und Minen. Gleichzeitig zogen hoch in der Luft heulend und gurgelnd die schweren Geschoße der italienischen Fernkampfbatterien ihre Bahnen, um dann weit hinter der Kampffront die höheren Kommandostellen und die Verbindungen zu lähmen, den Verkehr auf den Anmarschwegen zur Front zu stören und Verwirrung in die mit Reserven und Versorgungsstellen belegten Ortschaften und Lager zu tragen.
Die Gruppierung der Kräfte im Abschnitte der 58. ID. am 6. August früh zeigt die Skizze 1 der Beilage 2. Vom Isonzo quer über den Mt. Sabotino bis Oslavija verteidigten dreieinhalb Bataillone der 4. GbBrig. die Stellungen auf dem Nordflügel des Brückenkopfes, drei Bataillone der k. k. 121. LstlBrig.1) den Mittelabschnitt von Oslavija über die waldigen Höhen von Pevma bis zur Höhe westlich von Grafenberg. Die
5. GbBrig. stand mit drei Bataillonen auf der Podgora und in der Brückenschanze bei Lucinico, mit zwei Bataillonen den Isonzo entlang bis zur Wippachmündung. Sieben Bataillone der 58. ID. waren als Reserven in den Ortschaften der Wippachsenke zurückgehalten. Nahezu die Hälfte dieser Truppen bestand aus noch nicht schlachterprobten Landsturmbataillonen. Die Besatzung des Brückenkopfes selbst bildeten drei Schützen-, ein Marsch- und fünf Landsturmbataillone. Diese ungünstige Truppen Verteilung erklärt sich daraus, daß die 58. ID. für die Offensive aus Südtirol eine Heeresbrigade und von ihren beiden Gebirgsbrigaden überdies noch vier vollwertige Heeresbataillone für den als besonders wichtig erachteten Abschnitt Plava—Zagora an die 62. ID. hatte abgeben müssen. Dafür waren von dieser fünf Landsturmbataillone als Besatzung für weniger gefährdete Teile dem Abschnitte der 58. ID. zugeteilt worden Von den vier Heeresbataillonen der 62. ID. standen allerdings zwei in Reserve hinter dem Südflügel dieser Division, um gegebenenfalls rasch auch im Brückenkopf eingreifen zu können. Dazu kommt, daß die 58. ID. einschließlich aller Positionsgeschütze nur über 87 Geschütze mit sehr wenig Munition verfügte.
*) Diese drei Bataillone (k. u. LstIBaone. I und II/2, III,/31) gehörten organisationsgemäß in den Verband der k. u. 209. LstlBrig. der 62. ID.
Gegen diese 181/2 Bataillone und 87 Geschütze der 58. ID., die unter dem Befehle des GM. Erwin Zeidler den Görzer Abschnitt seit Beginn des Krieges ruhmvoll verteidigte, trat nun das italienische VI. Korps mit seinen sechs zum Teil verstärkten Divisionen, unterstützt durch eine Artilleriemasse von etwa 500 Geschützen und 400 Minenwerfern, zum Angriff an. Eine mindestens vierfache Übermacht an Bataillonen, eine fast sechsfache Übermacht an Geschützen, die Minenwerfer nicht gerechnet, die sich an den Brennpunkten des Kampfes in ein groteskes Mißverhältnis steigerte, sollte den Erfolg sichern. Hiezu kam noch, daß der Feind über die Lage im Brückenkopf in allen Einzelheiten genauestens unterrichtet war. Am 13. Juli waren drei Offiziersanwärter aus Dalmatien vom Mt. Sabotino zum Feinde übergelaufen, die ziemlich wertvolle Angaben über ihren Abschnitt zu machen vermochten. In der Nacht auf den 1. August waren abermals zwei italienische und ein tschechischer Offiziersanwärter zum Feinde desertiert. Sie lieferten dort einen Plan über die Verteidigungsanlagen auf der Podgora aus, berichteten über die Stärke und Zusammensetzung der Besatzung des Brückenkopfes, den Mangel an Reserven, die Kommandostandpunkte und gaben dem Feinde wichtige Ajihaltspunkte über jene Fehler, die er sich in den bisherigen Schlachten hatte zuschulden kommen lassen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß dieser planmäßig vorbereitete Verrat den Beginn des Angriffes beschleunigt hatte, da der Feind seine Kenntnisse ausnützen wollte, ehe Verstärkungen herangekommen waren. Er ermöglichte es dem Feinde aber auch, jenen vollendet durchdachten Feuerplan zu entwerfen, dem jetzt in wenigen Stunden manch wichtiger Kernpunkt der Verteidigung zum Opfer fiel.
Das vielstündige schwere Feuer hatte die Kampfgräben der ersten und der zweiten Linie bereits größtenteils eingeebnet und alle Verbindungen seit vielen Stunden unterbrochen, als um die Mittagsstunde die feindliche Artillerie ihre Zerstörungsarbeit zum Trommelfeuer gegen die Einbruchstellen auf dem Mt. Sabotino und auf der Podgora verdichtete. Durch dieses wurden noch die letzten Hindernisse in den Boden hineingestampft, die im gewachsenen Felsen ausgesprengten und betonierten Maschinengewehrstände zertrümmert, die Kaverneneingänge verlegt, die Posten getötet, verwundet oder verschüttet. Die Stellungen des Görzer Brückenkopfes waren nur mehr ein vollständig zerschossener, wirrer, in Rauch und Staub gehüllter Trümmerhaufen. Da traten um 4h nachm. die Sturmsäulen des italienischen VI. Korps an der ganzen Front des Brückenkopfes gleichzeitig zum Angriff an.
Die erste Angriffsstaffel Capellos x) begann, in drei Gruppen gegliedert, schon vorzugehen, als besonders genau schießende Batterien und Minenwerfer das Feuer auf die vorderste öst.-ung. Linie noch fortsetzten und sogar verstärkten, so daß der Verteidiger, durch den dichten Rauch und Staub behindert, die vorstürmenden Wellen des Feindes und das Verlegen des Feuers der Masse der italienischen Batterien auf die zweite Linie gar nicht wahrnahm. Auf dem Nordflügel des VI. Korps griff eine Stoßgruppe von drei italienischen Brigaden der 45. ID. (22 Bataillone) den Mt. Sabotino an, den ein Bataillon kroatischer Dalmatiner des SchR. 37 verteidigte. Die Dalmatiner wurden überrascht und von den Massen der Italiener überrannt. Der Feind blieb aber nicht wie in den früheren Schlachten nach dem Eindringen in der ersten Linie liegen, sondern rückte alsogleich auf dem Rücken des Mt. Sabotino in der Richtung auf S. Valentino—S. Mauro vor. Ins nahe Isonzotal gegen die Übergänge bei Salcano herabzustoßen, hatte er aber nicht gewagt. Diese Ereignisse spielten sich so rasch ab, daß die Reserven des Verteidigers nicht mehr Zeit fanden, sich aus den Kavernen, deren feind-wärtige Ausgänge verschüttet waren, herauszuarbeiten. Auf diese Weise geriet zahlreiche Mannschaft in Gefangenschaft2).
Zur selben Zeit wie auf dem Mt. Sabotino stürmte die rechte Flügelgruppe des italienischen VI. Korps, es waren 18 Bataillone der 11. und der 12. ID., gegen den Südteil des Brückenkopfes vor. Auf dem Hauptrücken der Podgora, beiderseits der Höhe A 240, schlugen zwei Bataillone des heldenmütigen SchR. 23 die allseits anbrandende Sturmflut der Italiener zurück. Auch in der Brückenschanze bei Lucinico vermochte die Besatzung die hinteren Linien gegen zahlreiche übermächtige Angriffe der italienischen 12. ID. zu behaupten. Hingegen konnte der Feind sich knapp nördlich davon auf dem Kamm des Kalvarienberges bei der Kote 184 einnisten. Das beabsichtigte Einschwenken feindlicher Gruppen gegen den Osthang der Podgora vermochten die Verteidiger aber zu vereiteln. Kritisch wurde die Lage auf dem von italienischen Massen umbrandeten südlichen Stützpfeiler des Brückenkopfes, als eine Brigade der 11. ID., die im Tale zwischen der Podgora und den Höhen von Pevma vorgestoßen war, den Südflügel der 121. LstlBrig. zwischen Al Ponte und den Höhen westlich von Grafenberg durchbrochen und
*'j Capello, I, 295 f.
2) Gen. Venturi, der ehemalige Kommandant der 45. ID., gibt in seinem Werk 130 f.) die Zahl der Gefangenen mit 1200 Mann an. Die Verluste seiner Division betrugen 116 Tote. 853 Verwundete und 217 Vermißte, zusammen 1186 Mann.
sich auf dem nördlichen Abhange der Podgora bei -d- 206 und A 157 festgesetzt hatte. In kurzer Zeit erreichten einige italienische Abteilungen das hier auf nur 300 bis 500 m hinter der vordersten Kampflinie liegende Isonzoufer, wobei Patrouillen über die Brücken von Al Ponte und Grafenberg sogar auf das Ostufer, kleinere nach Süden vordringende Gruppen in den Ort Podgora und damit in den Rücken des SchR. 23 gelangten.
Die Mittelgruppe des italienischen VI. Korps, acht Bataillone der 24. ID., konnte den tapferen Widerstand der Besatzung im Abschnitte Piumicatal—Höhe 188—Oslavija nicht brechen und blieb vor unseren
Stellungen liegen. Dagegen vermochten etwa zwei Bataillone der Italiener auf dem Südteil des Kirchenrückens einzudringen und, durch eine in der Richtung auf Pevma verlaufende Schlucht vorstoßend, diesen Ort und den Isonzo zu erreichen.
Bis zum Abend gewann das 58. IDKmdo. das aus der Skizze 1 der Beilage 2 ersichtliche Bild über die Lage im Brückenkopf. Die Divisionen Capellos hatten die Befestigungen an drei Stellen durchbrochen. Auf dem Mt. Sabotino war die 45. ID. bis zur Linie S. Valentino— S. Mauro vorgedrungen. Reste der Besatzung kämpften noch an den Kavernenausgängen hinter der feindlichen Front; an den steilen Felshängen oberhalb von Salcano hatten sich hier eingesetzte Reserven angeklammert. In einer Kaverne verteidigte sich eine Gruppe noch bis zum 8. August; sie wurde schließlich vom Feinde ausgeräuchert und gefangen. Die Talsperre in der Isonzoschlucht hielt stand. Zwischen dem Piumicatale und Oslavija behaupteten zwei Bataillone der 4. GbBrig., Egerländer Landsturm und Dalmatiner Schützen, unverändert ihre Stellungen, obwohl der Feind sie rechts aus der Richtung S. Mauro und links von Pevma in Flanken und Rücken schwer bedrohte.
In ähnlich gefährdeter Lage hielt das tapfere k. u. LstlR. 2 auf den Höhen westlich von Pevma stand, trotzdem sie von dem am Isonzo bei Pevma und südlich von Al Ponte stehenden Feind fast eingeschlossen waren. In den schwierigsten Verhältnissen befand sich die Gruppe, die unter dem Kommandanten des SchR. 23, Obst. Noe, auf der Höhe A 240 bisher allen Angriffen widerstanden hatte, nun aber durch den Einbruch des Feindes in den Ort Podgora von allen Seiten, auch im Rücken, umfaßt war. Nur durch eine schmale Lücke in der feindlichen Umzingelung konnte noch die Verbindung mit der Besatzung der Brückenschanze aufrecht erhalten werden.
Die Lage der 58. ID. war sehr ernst, aber noch nicht hoffnungslos.
Ihre Führer gaben den Gedanken noch nicht auf, den Brückenkopf weiter zu behaupten, wenn es nur gelang, den eingedrungenen Feind, wie bisher noch immer, zurückzuwerfen. Der Stellungskrieg am Isonzo hatte wiederholt gelehrt, daß unhaltbar scheinende taktische Lagen wiederhergestellt und ganz unwahrscheinlich verlaufende Fronten behauptet werden konnten, wenn eine tapfere Besatzung bei kaltblütiger Führung so lange ausharrte, bis Unterstützungen eintrafen.
Gegenangriffe im Brückenkopf von Görz Hiezu Skizze 1 der Beilage 2
Noch am 6. August vormittags hatte GO. Boroevic an alle Abschnittskommandanten einen Befehl gerichtet, in dem er unter Hinweis auf die allgemeine Lage die Notwendigkeit betonte, die über ein Jahr zähe verteidigten Stellungen auch weiterhin zu behaupten. Als am Abende nach dem schweren ersten Schlachttage die Lage an der Front halbwegs klargestellt war, wurde es den Unterführern zur besonderen Pflicht gemacht, „auch diesmal keinen Schritt zu weichen und eventuell Verlorenes durch Gegenangriff wiederzugewinnen“.
Diesen Gedanken entsprangen auch die nächsten Maßnahmen des 58. IDKommandos. Die im Wippachtale stehenden Reserven — sieben Bataillone — waren nach dem Abessen gegen die Front zu in Marsch gesetzt worden. Da alle Annäherungswege, die Ortschaften im Görzer Becken und im Wippachtale, die Stadt und die Isonzobrücken andauernd unter schwerem Feuer lagen, war an einen Gegenangriff vor Einbruch der Dunkelheit nicht zu denken.
Auf die ersten Nachrichten von dem Eindringen der Italiener in den Brückenkopf hatten die in Görz zur Hand befindlichen schwachen Kräfte l) zur Sicherung der Stadt und der Übergänge das Ostufer des Isonzo im Abschnitte gegenüber von Pevma bis gegenüber von Podgora besetzt und von feindlichen Patrouillen gesäubert; gleichzeitig wurde die Räumung der Stadt von den Zivilbehörden, den Etappeneinrichtungen und den Verpflegsvorräten angeordnet.
Das XVI. Korpskmdo., das selbst über keine Reserven verfügte,
^ !) Die zur Vorbereitung der Brückensprengung befohlene 4. Komp. des PB. 7, eine Kompagnie der 121. LstlBrig., zweieinhalb Marschkompagnien des SchR. 37 und die 7. Kompagnie des SB. 9.
wies bis zum Abend von den hinter dem Südflügel der 62. ID. bereitgestellten Reserven der 58. ID. je ein Bataillon nach Salcano (111/69) und zur Militärschießstätte östlich von Görz (11/22) zu.
Indessen waren auch die Reserven der 58. ID. aus dem Wippachtale bei Görz eingetroffen. Bis zum Einbruch der Dunkelheit tobte das feindliche Artillerie- und Minenwerferfeuer gegen die in Qualm gehüllten Stellungen weiter. Auch die Standorte des Divisions- und der Brigadekommandos in der Stadt standen andauernd unter schwerstem Feuer. Wenn ein Windstoß die Rauchschwaden für wenige Augenblicke hob, blinkten die Hilferufe der Podgoraverteidiger zur Stadt herab.
Trotz der überragenden Bedeutung, die eine Rückgewinnung des Mt. Sabotino für das weitere Schicksal des Brückenkopfes haben mußte, war es nicht möglich, die Hauptkraft der zur Verfügung stehenden Reserven sofort nur diesem einen Zweck dienstbar zu machen. Zur Sicherung des wider den Mt. Sabotino angesetzten Gegenangriffes in der linken Flanke mußte ein beträchtlicher Teil der ohnehin sehr bescheidenen Kräfte zu der vor allem notwendigen Säuberung des Isonzo-ufers von Pevma bis Podgora verwendet werden. Insbesondere erforderte die Lage der Besatzung auf dem südlichen Eckpfeiler des Brückenkopfes ein rasches Eingreifen.
Mit den bis zum Abend herangeführten Reserven und Verstärkungen — zusammen neun Bataillonen — beabsichtigte Obst. Adalbert v. Dáni, der in Vertretung des beurlaubten GM. Zeidler das Divisionskommando führte, die drei sackartig gegen den Isonzo vorspringenden Frontteile der Italiener abzuschnüren.
Noch während der Nacht und am 7. August in den Morgenstunden wurde die Vertreibung der Italiener aus dem Einbruchsraume Al Ponte— Grafenberg—Ort Podgora mit Erfolg durchgeführt. Für den Gegenangriff von Norden wurden der k. k. 121. LstlBrig. sechs Kompagnien (k. k. Landsturminfanteriebataillon IV/39 und je eine Kompagnie des Bataillons III/ 69 und des SchR.23) zugewiesen. Gleichzeitig sollte von Süden die 5. GbBrig. mit den Bataillonen VII/22, II und 34 III/SchR. 23 die Säuberung des Ortes Podgora und des Einbruchsraumes auf dem südlichen Teil der Podgora durchführen.
Da ein Vorgehen über die Brücken zwischen Al Ponte und Podgora wegen des starken italienischen Maschinengewehrfeuers nicht möglich und der Feind bereits bis zum Südrande des Ortes vorgedrungen war, sollte sich ein Teil der Gegenangriffsgruppe der 5. GbBrig. in der Dunkelheit über die Eisenbahn- und Straßenbrücke am Westufer sammeln und von dort aus den Angriff durchführen, um den Anschluß an die Gruppe des Obst. Noe auf der Podgora gewinnen zu können.
Dem Zusammenwirken der angesetzten Kräfte der beiden Brigaden stellten sich mancherlei Hindernisse entgegen. In schwerstem Ringen, das bis zum Vormittag des 7. August dauerte, und in dem sich insbesondere das k. k. Landsturminfanteriebataillon IV/39 auszeichnete, gelang es, den Nordteil der Podgorahöhe und den Ort Podgora wiederzugewinnen, wobei von den hier bis an den Isonzo vorgedrungenen Ita-liern etwa 2000 Mann gefangen genommen wurden1).
Im Abschnitte von Pevma hatte bis zum Abend das k. u. LstlR. 2 durch Gegenangriffe aus eigener Kraft den Feind von Pevma zurückgedrängt und im ganzen Abschnitt die ursprünglichen Stellungen wiedergewonnen, ausgenommen auf dem rechten Flügel, wo der Kampf um den Kirchenrücken noch nicht abgeschlossen war. Erst gegen Mitternacht auf den 7. war der ganze Abschnitt wieder im Besitz der Verteidiger; 800 Italiener waren in Gefangenschaft geraten, darunter drei Bataillonskommandanten. Mehrere Maschinengewehre wurden erbeutet.
Dem 4. GbBrigKmdo. standen für die Wiedergewinnung des Mt. Sabotino vierdreiviertel Bataillone (II/SchR. 37, 11/22, FJB. 2, 74III/69, k. k. LstlBaon. 83) zur Verfügung. Der Gegenangriff wurde mit anderthalb Bataillonen über die Eisenbahnbrücke bei Salcano, mit der Hauptkraft — da der Feind schon bis an den Seilsteg bei S. Mauro vorgedrungen war — über die Behelfsbrücke östlich von Pevma angesetzt. Da diese die ganze Nacht unter dem Artilleriefeuer des Feindes stand und auch noch von den der 121. LstlBrig. zugewiesenen Reserven benützt werden mußte, so fiel der Gegenangriff schon in den anbrechenden Tag und stieß bereits auf starke feindliche Kräfte; die Artillerie aber konnte ihn wegen Munitionsmangels nicht unterstützen. Um 8h vorm. gelang es den Italienern, die Höhe -<>-188 zu nehmen, von wo sie nunmehr gegen die westliche Flanke der Gegenangriffsgruppe der
4. GbBrig. vorgingen. Nordöstlich dieser Einbruchsstelle war das im Piumicatal noch immer ausharrende k. k. Landsturminfanteriebataillon 6 von rechts und links in Gefahr, abgeschnitten zu werden, und mußte seine ruhmvoll gehaltenen Stellungen preisgeben. Auch der rechte Flügel des Abschnittes von Oslavija mußte zurückgebogen werden; man war ge-
vj Einem gefangenen italienischen Stabsoffizier wurden Aufzeichnungen abgenommen, aus denen hervorging, daß der Feind auf Grund der von den Überläufern gemachten Aussagen über viele Einzelheiten der Verteidigung im Brückenköpfe unterrichtet war.
zwungen, die für den Gegenangriff bestimmten Kräfte dafür zu verwenden, um eine neue Front vom Rücken südlich von Oslavija über -c>-165 an der Straße und auf dem Rücken 138 bis zur Einmündung des Piumica-baches zu bilden. Das Bataillon 11/22, das auf dem linken Flügel der Gegenangriffsgruppe bis zum Steilhang des Mt. Sabotino oberhalb S. Mauro vorgestürmt war, wurde abgeschnitten und nach tapferster Gegenwehr gefangen. An die Fortführung des Angriffes gegen die stets anwachsenden italienischen Truppen war mit den zusammengeschmolzenen Kräften und bei dem völligen Mangel an Artilleriemunition nun nicht mehr zu denken. Immer neue feindliche Massen wurden in den Kampf geworfen. Auch das über Salcano zum Angriff angesetzte Bataillon (II SchR. 37) konnte über das östliche Eck des Mt. Sabotino nicht Vordringen.
Das ungleiche Ringen um den Görzer Brückenkopf am 7. August
Noch am 6. August hatte das XVI. Korpskmdo. die ausgebildeten Marschformationen — etwa 3800 Feuergewehre — in ihren Ausbildungslagern alarmiert und mit einem Teile nach Tivoli, östlich von Görz, mit dem Rest nach Haidenschaft in Marsch gesetzt, wo sie am
7. nachmittags eintrafen. Vom 5. Armeekmdo. erhielt das Korpskmdo. gleichfalls noch am 6. das Verfügungsrecht über das bei Comen stehende SchR. 22 der Armeereserve eingeräumt; dieses wurde in der Nacht auf den 7. nach Batuje vorgezogen, wo es am Morgen eintraf.
Mit den am 7. vormittags abgeschlossenen Gegenangriffen war die Lage auf dem Südflügel des Brückenkopfes notdürftig hergestellt, aber mangels jeglicher Reserven noch keine Gewähr geboten, daß die Truppen neuerlichen Massenangriffen der Italiener standhalten könnten. Noch weit ungünstiger gestaltete sich allerdings die Lage im nördlichen Teile des Brückenkopfes, wo der enge Raum zwischen den mühsam gehaltenen Stellungen und dem Flusse sowie die steilen Hänge eine Versammlung und Bereitstellung von Reserven in Sicht des auf dem nahen Mt. Sabotino stehenden Feindes fast ausschlossen. Jetzt traten die Fehler deutlich zu Tage, die bei der Anlage der Stellungen zu Beginn des Krieges unter dem Druck der Zeit und des Mangels an Kräften begangen worden waren. Die geringe Tiefe des Brückenkopfes stellte dessen weitere Behauptung nach dem Falle des Mt. Sabotino unter allen Umständen in Frage.
Diese Lage fand GM. Erwin Zeidler vor, als er am 7. in den Morgenstunden, von einem kurzen Urlaub zurückberufen, in Görz eintraf.
Noch hoffte er auch diesmal, wie schon in den früheren schweren Schlachten, die seinem Bollwerk drohende Gefahr bannen zu können; aber alle Reserven der 58. ID. waren verbraucht, und die Widerstandsfähigkeit der im verkleinerten Brückenköpfe kämpfenden Truppen näherte sich ihrem Ende. Nur rechtzeitig eintreffende starke Kräfte hätten vielleicht bei kraftvoller Unterstützung durch Artillerie noch eine Wendung der bedenklichen Lage herbeiführen können. Alle unmittelbar folgenden Entschlüsse zielten darauf ab, Zeit zu gewinnen, sei es, um günstigen Falles den Brückenkopf wieder zu nehmen und zu behaupten, sei es um frische Truppen als Rückgrat für die Verteidigung der zweiten Stellung heranzuführen.
Um 10h vorm. wurde dem XVI. Korps die ganze Armeereserve (43. SchDKmdo., 86. SchBrigKmdo. und das SchR. 20) unterstellt. Sie hatte am 8. August um 6h früh bei Domberg einzutreffen und wurde vom Korpskommando nach Cernizza gewiesen.
Unterdessen nahmen die Ereignisse im Brückenkopf weiter eine ungünstige Wendung. Die vormittags durch unsere Gegenangriffe hingehaltenen Italiener schritten unter Einsatz frischer Kräfte auf der ganzen Linie neuerlich zum Angriff. Die an den Steilhängen des Mt. Sabotino zwischen S. Valentino und S.Mauro klebenden Truppen der 4. GbBrig. hatten den heftigsten Stürmen standzuhalten. Das vom Korpskmdo. dem 58. IDKmdo. unterstellte, ins Rosental vorgesendete SchR. 22 konnte nun wohl zu einem nochmaligen Versuch verwendet werden, den Flügelpfeiler Mt. Sabotino wiederzugewinnen. Nur drei Bataillone stark, also schwächer als die frühere ortsvertraute Angriffsgruppe, nach vorangegangenen Nachtmärschen ermüdet, war dieses Regiment aber kaum imstande, einen durchschlagenden Erfolg zu erzwingen, dies um so weniger, als die Artillerie nach wie vor schweren Mangel an Munition litt, der feindliche Einbruchsraum aber sich inzwischen noch erheblich vergrößert hatte und die gewaltige Übermacht des italienischen Ansturmes nicht verkannt werden durfte. Man hätte also im Norden alles auf eine schwache Karte gesetzt, während im Süden die Lage nicht gesichert war und von weiteren Verstärkungen zunächst nichts verlautete. GM. Zeidler sah daher gegenüber der stündlich überwältigender zur Geltung kommenden feindlichen Angriffskraft von dem beabsichtigten Einsatz des SchR. 22 auf dem Mt. Sabotino ab und behielt es in Reserve mit einem Bataillon am Isonzo nächst der Pevmabrücke, mit der Hauptkraft bei Tivoli im Rosental.
Der Verlust der Höhe -<J> 188 am Morgen und die Räumung der ersten Linie bei Oslavija nötigten die 121. LstlBrig., auch in ihrem Ab-
schnitte den Südteil des Kirchenrückens wieder preiszugeben und den rechten Flügel zurückzubiegen. In dieser Linie blieb die Lage bis zum Nachmittag unverändert. Um 3h nachm. begann der Feind in dichten Scharen über den geräumten Kirchenrücken vorzugehen. Gen. Capello hatte in der Nacht auf den 7. August gegen den Abschnitt -<>-188— Kirchenrücken eine frische Division, die 43., eingeschoben und für den Nachmittag einen Massenstoß von drei Divisionen (43., 24. /und 11.) gegen den Abschnitt der k. k. 121. LstlBrig. befohlen, um endlich den feindlichen Widerstand auf den Hügeln von Pevma zu brechen und den Isonzo in einem Zuge zu erreichen1). Die italienische 45. ID. hatte diesen Angriff durch einen Flankenstoß aus dem Piumicatal nach Süden zu erleichtern und sodann dem Gegner in der Richtung auf die Isonzo-brücken in den Rücken zu fallen. .
Um 4h nachm. war der erste gewaltige Stoß der Italiener vor den Stellungen des k. u. LstlR. 2 blutig zusammengebrochen. Nun folgte bis zum Einbruch der Dunkelheit ein Massensturm dem ändern. Da die in der Front und in der Flanke gleichzeitig angegriffene 4. GbBrig. Raum geben mußte, war auch der Abschnitt Pevma zu einer geringen Zurücknahme seines rechten Flügels gezwungen. Bis Mitternacht hatte die schwache Besatzung auf den Hügeln von Pevma zwölf Stürme einer fast erdrückenden Übermacht zurückgeschlagen; hiebei waren mehrere hundert Gefangene in den Händen des Verteidigers geblieben. Aber auch dieser erlitt sehr schwere Verluste und hatte über die Hälfte seines Standes eingebüßt. Eine Verstärkung konnte nicht in Aussicht gestellt werden; die heldenmütigen Landsturmbataillone der 121. LstlBrig. mußten sich bis zum äußersten aufopfern.
Mit unvergleichlicher Standhaftigkeit kämpfend, hatten auch die Truppen der 5. GbBrig. die Anstürme der Italiener zurückgeschlagen. Am Morgen hatte Capello hier die beiden angreifenden Divisionen (11. und 12.) durch Teile der 47. ID. verstärkt, so daß nunmehr das ganze VI. Korps mit sechs Divisionen, von denen mehrere drei Brigaden zählten, gegen die insgesamt 18 öst.-ung. Bataillone im Brückenkopf angriff. Im Südteile der Podgora war der Feind bereits am 6. August auf der Höhe -c>-184 eingedrungen; am 7. August um die Mittagsstunde hatte er die Besatzung der Brückenschanze bis zum Eisenbahndamm zurückgedrängt. Nun erbat das 5. GbBrigKmdo. die Rückstellung einiger noch im Abschnitte der 121. LstlBrig. befindlicher Kompagnien des SchR. 23. Aber alle Truppenbewegungen vollzogen sich sehr langsam und die
J) Zingales, Gorizia, 188.
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Befehlserteilung hatte die größten Hindernisse zu überwinden. Jede Zeitberechnung wurde hinfällig. Ein ununterbrochener Geschoßhagel ergoß sich über die Front, die Stadt Görz und die Anmarschwege. Die
58. ID. hatte den letzten Mann eingesetzt. Das XVI. Korpskmdo. konnte ihr im Augenblicke nichts anderes zur Verfügung stellen als fünf Marschkompagnien, die nach langem Marsche bei Tivoli eingetroffen waren und dort rasteten. Aber Obst. Noe, der Verteidiger der Podgora, mit seinen Dalmatinern sowie das k. k. Landsturminfanteriebataillon 75 in der Brückenschanze harrten auch weiter tapfer aus. Der Gegenangriff zur Wiedergewinnung des südlichsten Teiles der Podgora wurde für die Zeit nach Einbruch der Dunkelheit, für 9h abends, in Aussicht genommen.
Der Aufenthalt in Görz war unerträglich geworden. Die Plätze der Befehlshaber standen ununterbrochen in schwerstem Feuer. Die Verbindungen nach vorne und zur Artillerie waren nicht mehr instandzuhalten, ein Überblick über die Lage an der Front nicht mehr zu gewinnen. Es mußte daran gedacht werden, für den Fall eines erzwungenen Rückzuges die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten. Auch mußte die Artillerie wegen der Unterstützung der Front und der beabsichtigten Gegenangriffe angewiesen und überhaupt wieder eingehend über die Lage unterrichtet werden. All das war in Görz nicht mehr zu leisten, daher verlegte das Divisionskommando seinen Standort nach St. Peter, wohin auch das 5. GbBrigKmdo. gelangte.
Die Verschlechterung der Lage veranlaßte das XVI. Korpskmdo., das Eintreffen des SchR. 20 abzuwarten. Dieses konnte frühestens am
9. August bei Morgengrauen angriffsbereit sein. Wenn bis dahin das Westufer des Isonzo geräumt werden müßte, sollte die 58. ID. auf Anordnung des Korpskmdos. im äußersten Falle am Ostufer Stellung nehmen und dem Feind unmittelbar am Flusse das Überschreiten verwehren. Diese Weisung entsprach dem Befehle des 5. Armeekmdos., der als Antwort auf den Lagebericht von 4h nachm. eingelangt war: „Ungünstigsten Falles ist die Isonzolinie unbedingt zu behaupten.“ Bei Sal-cano war die Linie S. Valentino—S. Mauro, wenn irgend möglich, zu halten, um durch diesen kleinen Brückenkopf eine Ausfallspforte zu sichern. Es war aber schon jetzt klar, daß an ein dauerndes Gegenüberliegen am Isonzo wohl nicht zu denken war.
Bis zum Abend wurde beim 58. IDKmdo. bekannt, daß die Höhen östlich von Oslavija vor dem übermächtigen Druck des Feindes geräumt werden mußten, so daß die Stellungen im verkleinerten Brückenkopf nunmehr nördlich des Ortes Pevma mit einem Haken zum Isonzo abschlossen. Am 7. August um 9h abends begann der Gegenangriff des Obst. Noe auf den Südteil der Podgora gleichzeitig von der Höhe A240 und von der Brückenschanze her.
Die Räumung des Görzer Brückenkopfes Hiezu die Skizze 2 auf Beilage 2
Am 7. August hatte der Feind im Laufe des Nachmittags eine stündlich zunehmende, überwältigende Angriffskraft zur Geltung gebracht. Schon zu Mittag waren zwölf italienische Infanterieregimenter im Kampfe gegen die 58. ID. festgestellt worden. Aber selbst gegen diese nun auf engstem Raume eingesetzten Massen harrte der Rest der Besatzung trotz dreißigstündigen Ringens immer noch aus.
In Adelsberg hoffte man noch immer, daß es der Ausdauer und der Zähigkeit der Truppen gelingen werde, auch diesen italienischen Ansturm abzuschlagen. Der unbeugsame Armeeführer hatte am Nachmittag das tatkräftige Festhalten des zusammengedrückten Brückenkopfes befohlen, allerdings bei Vermeidung einer verlustreichen Schlappe, da die verfügbaren Kräfte immer kostbarer wurden. Wenn gewichen werden müsse, so sei das linke Isonzoufer festzuhalten. Alle Brücken bis auf die Salcanobrücke sollten in diesem Falle gesprengt werden.
Bis zum Abend hatte sich die Lage bei Pevma nicht wesentlich verändert. Auf dem Mt. Sabotino sammelten sich starke frische Kräfte des Feindes. Die Höhen von Oslavija, die Podgora und die Brückenschanze waren ununterbrochen Angriffen ausgesetzt; gegen die beiden letztgenannten Stellungen stürmten fünf italienische Regimenter an. Unsere zusammengeschmolzene Besatzung — die meisten Bataillone zählten weniger als die Hälfte ihres Standes — leistete Wunder an Tapferkeit, was ihr umso höher anzurechnen war, als auch der einfache Kämpfer zu dieser Zeit bereits erkannt haben mußte, daß sich die Widerstandsmöglichkeit in dem so lange zähe verteidigten Brückenkopf dem Ende zuneige. Jede höhere Leitung des Kampfes hatte im allgemeinen aufhören müssen und die ganze Last des gigantischen Ringens trugen die wenigen noch unverwundeten, aber in vielen Schlachten erprobten Unterführer, war ja auch die Artillerie, die in den früheren Kämpfen um den Görzer Brückenkopf so oft zur Entscheidung ganz wesentlich beigetragen hatte, mangels Munition schon seit dem 6. August abends nicht mehr imstande, der standhaft ausharrenden Infanterie eine nennenswerte Unterstützung zu bieten. Auch sie hatte sich in diesem Kampfe aufgeopfert. Das Feuer der spärlichen im Brückenkopf noch vorhandenen kampffähigen Geschütze, die für die Nahabwehr und Flankierung einzelner Stellungsteile bestimmt waren, hatte längst verstummen müssen x), und die wenigen Batterien östlich vom Flusse standen unausgesetzt im schwersten Granatenhagel der vielfach überlegenen italienischen Artillerie, die mit dem Mt. Sabotino den besten Beobachtungspunkt für den ganzen Raum von Görz gewonnen hatte.
Während des gewaltigen zweitägigen Ringens im Brückenkopf hatte sich der Feind im Abschnitte der 62. ID. zunächst auf ein heftiges Artilleriefeuer beschränkt, das sich an der Front von Globna bis Zagora zeitweise bis zum Trommelfeuer steigerte. Erst am 7. August um 4h 30 nachm. schritt das italienische II. Korps mit starken Kräften bei Paljevo überraschend zum Angriff; aber bald war dieses Unternehmen vor den Gräben des IR. 22 gescheitert. Von den Maschinengewehren der Dalmatiner und den Batterien der 62. ID. gefaßt, flutete die italienische Angriff sgruppe unter erheblichen Verlusten zurück. Nun eröffnete die feindliche Artillerie abermals ein kräftiges, neuerlichen Sturm kündendes Feuer gegen Zagora—Paljevo und den Stützpunkt Höhe -(> 383, das erst bei Einbruch der Dunkelheit nachließ.
Die Heftigkeit der auch südlich von Görz auf dem Karst tobenden Schlacht hatte das Bild der Lage, das sich am Abende des zweiten Schlachttages dem Armeekommando bot, nicht freundlicher gestaltet. Von allen Teilen der Front erscholl der Ruf nach Reserven; die Not an Mann und Schießbedarf war groß. Die letzten verfügbaren Bataillone waren nach dem am schwersten bedrohten Görzer Abschnitt unterwegs, und von der Heeresleitung waren für die nächsten Tage nur die aus Tirol in möglichst beschleunigter Fahrt herangeführten zwei Bataillone des IR. 102 zu erwarten. Damit war die Hoffnung, die Lage im Brückenkopf von Görz wiederherzustellen oder gar den Mt. Sabotino wiederzugewinnen, völlig geschwunden, dies um so mehr, als inzwischen auch auf der Hochfläche von Doberdó die Front bedenklich brüchig und rissig geworden war.
Die k.u.k. Heeresleitung hatte dem 5. Armeekmdo. am 7. August
r) Nach Angabe des ehemaligen Generalstabschefs der 58. ID., Obst. Ritt, v. Pohl, betrug der Munitionsnachschub für den 7. August 1916 pro Feld- und Ge-birgskanone 40, pro leichte Haubitze 18, pro schwere Haubitze 10 Schuß; für den 8. August 112, 56 und 30 Schuß. Das heißt, am 7. August erhielt unsere Artillerie so gut wie keine Munition, am 8. August äußerst wenig (Pohl, Noch einmal der Fall von Görz, Österr. Wehrzeitung vom 27. August 1926).
die 2. und die 8. GbBrig. aus Tirol in Aussicht gestellt. Bis zu ihrem Eintreffen und Eingreifen an der arg bedrängten Isonzofront mußten aber noch mehrere Tage vergehen. Solange galt es, vor allem zu verhüten, daß der Feind durchbrach. Abgesehen von den Folgen für den italienischen Kriegsschauplatz war zu bedenken, daß die Nordostfront schwer kämpfte und gerade jetzt die Gefahr eines feindlichen Eingreifens Rumäniens drohend geworden war. Es war daher notwendig, alles daran zu setzen, die Lage im Südwesten wieder zu festigen.
Nun mußte aber jeder weitere Widerstand im Brückenkopf von Görz nur die Verluste bedenklich erhöhen und konnte unter Umständen sogar zu einer Katastrophe führen. Diese Erwägungen lösten beim
5.Armeekmdo. den Entschluß aus, den über ein Jahr heldenmütig verteidigten Brückenkopf von Görz zu räumen. Hiebei hoffte es aber, daß sich die Besatzung allenfalls unmittelbar am linken Flußufer werde weiter halten können. In diesem Sinne wurde das XVI. Korpskmdo. am 7. August spät abends angewiesen. Die Entscheidung, ob der Görzer Brückenkopf zu behaupten oder zu räumen sei, wurde dem Kommandanten der 58. ID., GM. Zeidler, mit der Einschränkung überlassen, daß die Gefechtskraft der Verteidiger nicht bis zur Vernichtung aufgebraucht werden dürfe.
Die Vorsorgen für eine Räumung des Brückenkopfes waren schon am 6. August eingeleitet worden. Zunächst wurden alle Übergänge für eine Sprengung vorbereitet. Am 7. erließ das Divisionskommando die Anordnungen für den Fall des Rückzuges, in denen vor allem die Zuweisung der Brücken für den Uferwechsel, ihre Zerstörung, die Bildung der neuen Abschnitte und die Aufstellung der Batterien in der „zweiten Stellung“ (östlich von Görz) festgesetzt wurden. Hinter der Front wurde die Räumung der Stadt planmäßig fortgesetzt, die vorgeschobenen, am meisten gefährdeten Batterien wurden in neue Stellungen geführt.
Die letzte Hoffnung, daß der Gegenangriff des Obst. Noe auf der Podgora die Lage bessern würde, ging nicht in Erfüllung. Anfänglich gewann er wohl von der Trigonometerhöhe 240 her gegen die Kuppe -<>-•184 etwas Raum, geriet aber bald nach Mitternacht wegen der stark herabgesunkenen Kampfstände — die Kompagnien des SchR. 23 zählten nur noch 30 bis 60 Mann — ins Stocken und bot keine Aussichten mehr auf ein Gelingen, zumal der Italiener hier immer neue Kräfte in den Kampf warf1).
Auch der Feind hatte am 7. abends erkannt, daß der Widerstand des Verteidigers nicht mehr von langer Dauer sein könne. Der Herzog
*) Zingales, Gorizia, 188.
von Aosta hatte sich in den Standort des Führers der Angriffsgruppe begeben und befahl dem GLt. Capello persönlich, am nächsten Tage die Entscheidung herbeizuführen. Diese war am 8. August vormittags durch einen umfassenden Zangenangriff der verstärkten und bisher erfolgreich kämpfenden Flügel des italienischen VI. Korps von Norden und Süden gegen die Reste der Brückenkopfbesatzung anzustreben; hiebei sollte bis an den Isonzo vorgegangen werden, um die Übergänge, besonders aber die Brücke von Salcano, unversehrt in die Hand zu bekommen.
Gerade zur selben Stunde, zu der im Lager des Angreifers dieser Befehl an die italienischen Divisionen erteilt wurde, am 8. August um lh 30 früh, sah sich GM. Zeidler schweren Herzens veranlaßt, die Räumung des Brückenkopfes zu verfügen und die weitere Verteidigung auf das Ostufer des Isonzo zu verlegen. Durch die Schwierigkeiten der Befehlszustellung konnte der Uferwechsel nur zum Teile unter dem Schutz der Dunkelheit bewirkt werden. Schrittweise wichen die ermatteten Reste der heldenmütigen Division, nicht viel über 5000 Mann von ursprünglich 18.000, gegen eine immer noch anwachsende Übermacht fechtend, auf das Ostufer des Flusses zurück und überließen die mit ihrem Blute getränkte Walstatt vieler glänzender Abwehrsiege dem Feinde.
Als letzte trotzten drei zurückgelassene Bataillone der 121. LstlBrig. den nachdrängenden Sturmsäulen ebenso vieler italienischer Divisionen auf den Höhen westlich von Pevma und deckten den Übergang des Nordflügels (4. GbBrig.) auf das Ostufer. Gleichzeitig setzten auf den felsigen Hängen des Mt. Sabotino mehrere kleine Gefechtsgruppen der 4. GbBrig. einem feindlichen Vorstoß gegen die Brücke von Salcano verzweifelten Widerstand entgegen. Die Besatzung der Brückenschanze, der Podgora und des Abschnittes Al Ponte (Teile der 5. GbBrig. und Teile der 121. LstlBrig.) bewirkten den Rückzug über die Brücken und Stege verhältnismäßig ungestört. Jetzt erst wurden auch die letzten noch in Fühlung mit dem Feinde zurückgelassenen Truppen der 121. LstlBrig. angewiesen, kämpfend hinter den Fluß zurückzugehen. Nach schweren Verlusten erreichten sie im Laufe des Vormittags das Ostufer westlich von Görz, wo indessen das der 121. LstlBrig. unterstellte SchR. 22 Stellung bezogen hatte. Sämtliche Isonzobrücken, mit Ausnahme jener von Salcano, waren gesprengt worden. Bei der Straßenbrücke von Lucinico war jedoch die Sprengung nur unvollkommen gelungen, so daß der Übergang für Infanterie und Reiter noch benützbar blieb.
Von den im Brückenkopf auf dem Westufer nahe hinter den Kampflinien für Flankierung und Sturmabwehr eingebauten Geschützen konnten nur sechs geborgen werden. Von den verbleibenden waren drei zerschossen, vier wurden gesprengt; von neun Geschützen wurden die Verschlüsse und die Richtmittel geborgen, so daß nur sechs brauchbare Geschütze dem Feinde in die Hände fielen. Die zwei schweren Batterien, die am Westrande der Stadt gestanden waren, hatte man schon in der Nacht auf den 7. August, den größten Teil der übrigen Batterien in der Nacht auf den 8. hinter die zweite Stellung zurückgenommen; in der Ebene südlich von Görz waren nur eine Feldhaubitz- und zweieinhalb Feldkanonenbatterien verblieben.
Die Schlacht auf der Karsthochfläche von Doberdö
(6. bis 8. August)
Der Angriff des italienischen XI. Korps auf den Mt. S. Michele
am 6. August
Während die Kämpfe bei Görz sich zu dramatischer Höhe entwickelten, war auch an der Karstfront die Schlacht voll entbrannt. Die italienische Führung sah im Mt. S. Michele, der das Becken von Görz und die Karsthochfläche von Doberdö beherrschte, das südlichste Bollwerk des Brückenkopfes, dessen Eroberung den Gegner nicht nur zur Preisgabe von Görz, sondern auch zur Räumung der Karststellungen westlich vom Vallonetal zwingen mußte.
Der für den 6. August beabsichtigte Vorstoß des italienischen XI. Korps auf dem Nordteil des Karstes sollte vor allem das Unternehmen bei Görz entlasten und die öst.-ung. Kräfte, besonders ihre Artillerie, verhindern, dort unterstützend in den Kampf einzugreifen. Gelang es, den Mt. S. Michele zu nehmen, so waren die öst.-ung. Stellungen in der Ebene südlich von Görz und die Stadt selbst ernstlich bedroht. Die beiden, den Karst südlich umschließenden italienischen Korps, das XIII. und das VII., hatten den Angriff des XI. durch die Fortsetzung der am 4. und am 5. August begonnenen Kampfhandlungen zu unterstützen.
Der Hauptangriff der Italiener auf dem Karst richtete sich gegen den Raum von der Wippachmündung bis zur Wegkote 111 auf dem Fahrwege von Sagrado nach Doberdö. Hier verliefen die vordersten Linien der 20. HID. vom Isonzo nächst Boschini über die Gipfelkuppen des Mt. S. Michele bis zur Senke südwestlich von S. Martino; anschließend hielt die 17. ID. die Gräben beiderseits des genannten Fahrweges bis zum Mt. dei sei Busi, diesen inbegriffen.
Von den Kräften des VII. Korps hatten fünfeinhalb Bataillone der Sl.HIBrig. den Frontabschnitt der 20. HID. besetzt; dahinter lag ein Bataillon der 39. IIIBrig. im Vallonetal, der Rest dieser Brigade war in die Ortslager auf der Karsthochfläche nördlich von Kostanjevica zurückgezogen. Die 17. ID. hatte die ganze 33. IBrig. mit sieben Bataillonen in der Front; dahinter standen von der 34. IBrig. ein Bataillon bei Doberdö, zwei Bataillone im Vallonegraben westlich von Oppachiasella, die übrigen vier Bataillone im Raume von Kostanjevica—Segeti.
Diesen vier Brigaden gegenüber hatte der Italiener weit überlegene Kräfte zum Angriff aufmarschieren lassen. Vom Isonzo bei Peteano bis nördlich von S. Martino stand die italienische 22. ID. mit vier Brigaden, .südlich anschließend bis zur Höhe -<j>-164 die 21. Division. Außer diesen beiden Frontdivisionen verfügte das XI. Korps noch über die 23. als Reserve1). Beiderseits des Weges Sagrado—Doberdö und südlich davon bis zum Mt. dei sei Busi griff das XIII. Korps mit einer kombinierten Gruppe und der 31. ID. in erster Linie 2) an. Insgesamt zählten die italienischen Angriffstruppen vor dem k.u.k. VII. Korps, ihre Armeereserven nicht einbezogen, etwa zehn bis elf zum Teile durch Ber-saglieri- und Radfahrerbataillone verstärkte Brigaden.
Auch gegen die Hochfläche hatte am 6. August um 7h früh die italienische Artillerie ein mächtiges Feuer aus allen Kalibern auf die Stellungen und auf die Räume der Reserven, dann auch gegen die Kommandostellen und Anmarschwege eröffnet. Die 76 leichten und 48 schweren italienischen Batterien vor der Karstfront zerstörten in wenigen Stunden die mühevolle Arbeit langer Monate, bis stellenweise kaum noch Spuren der Verteidigungsanlagen zu erkennen waren. Um die Mittagsstunde schwenkte der Großteil der feindlichen Batterien seine Rohre in die Richtung gegen die Gipfelkuppen des Mt. S. Michele, und in einem mehrstündigen Trommelfeuer von bisher nie erreichter Wucht, das durch zahlreiche Minenwerfer schwerster Kaliber ergänzt wurde, vollendete der Feind sein Zerstörungswerk im geplanten Einbruchsraume. Gegen 4h nachm. schien der Schicksalsberg des öst.-ung. VII. Korps sturmreif zu sein.
Aus den undurchdringlichen Rauch- und Staubwolken, die den ganzen Karst einhüllten, brach jetzt die italienische Infanterie in dichten Massen gegen den ganzen Frontabschnitt der 20. HID. und den Nordflügel der 17. ID. vor. Ohne großen Widerstand durch die viel-
x) Z i n g a 1 e s, Gorizia, 196.
2) Le Medaglie d’oro, II, Beilage nach S. 142. — Ministero della guerra, Le Grandi Unitä nella guerra Italo-Austriaca 1915—1918 (Rom 1926), I.
fach in den Kavernen und Unterständen verschütteten oder verwundeten Verteidiger zu finden, drangen die feindlichen Sturmkolonnen auf dem Gipfel des Mt. S. Michele in die Kampf graben ein. Auch auf dem nördlichen Abhang des Berges und südlich von S. Martino erreichten feindliche Abteilungen unsere Stellungen. Nur der rechte Flügel der 20. HID. behauptete sich noch, unterstützt von den aus der Görzer Ebene vorzüglich flankierend eingreifenden Batterien. Durch die brüchig gewordene Front auf dem Oberteil des Felsrückens stießen bald Gruppen des Feindes bis in die zweite Linie vor; sie nützten aber, hier angekommen, den im ersten Anlauf errungenen Erfolg nicht aus, sondern, begannen in den eroberten Gräben zunächst ihre Verbände zu ordnen und Verstärkungen heranzuziehen. Versuche der italienischen Infanterie, die in den vordersten Linien noch ausharrenden Teile der Sl.HIBrig. nach den Seiten hin aufzurollen, blieben vergeblich. Dadurch wurde es möglich, Vorsorgen für den Gegenangriff zu treffen.
Erzherzog Joseph hatte sich indessen entschlossen, zur Wiedergewinnung des Mt. S. Michele die ganze Korpsreserve einzusetzen. Die 17. ID. mußte sich mit ihren eigenen Kräften behelfen, so gut es eben ging; denn die Lage auf dem Nordflügel des Korps, wo der eingebrochene Feind den Artillerieraum bedrohte, erheischte vor allem ausgiebige Unterstützung. Schon im Laufe des Nachmittags hatte sich die Korpsreserve, je zwei Bataillone der Infanterieregimenter 43 und 46 sowie des HIR. 4, gegen das Vallonetal in Marsch gesetzt; sie erhielt um 6h 15 den Befehl, sich im Laufe der Nacht zum konzentrischen Angriff gegen den Einbruchsraum des Feindes auf dem Mt. S. Michele bereitzustellen, der dann im Morgengrauen durchgeführt werden sollte. Bis dahin mußten es aber die herangeeilten Reserven der 20. HID. allein versuchen, ein weiteres Vordringen des Feindes vom Mt. S. Michele gegen Osten zu verhindern.
Schon eine Stunde nach dem Einbruch vermochte ein halbes Hon-védbataillon in kühnem Vorstoß den Feind von der Ostkuppe des Berges zu vertreiben. Kleinere Reserven stützten den Kampf bei S. Martino und bei der fast gänzlich abgeschnittenen Gruppe der 20. HID. auf dem Nordflügel. Gegen Abend waren die drei letzten Bataillone der Divisionsreserve bei Cotici eingetroffen. Da die Front an vielen Stellen zu zerreißen drohte, hatte das 20. HIDKmdo. es nicht gewagt, einen einheitlichen Gegenangriff mit den nach und nach eingetroffenen insgesamt vier Bataillonen seiner Reserven gegen die Haupteinbruchsstelle abzuwarten. Unter dem Drucke der Zeit wurden die gerade einlangenden Truppen dort, wo die Not am größten war, rasch in den Kampf geworfen. So kam eines der Bataillone gerade zurecht, um eine schon gegen Cotici vorgedrungene Gruppe des Feindes zurückzuwerfen, 300 Italiener gefangen zu nehmen und im Nachstoßen die inzwischen wieder verloren gegangene Ostkuppe des Mt. S. Michele neuerlich zurückzugewinnen. Andere Reservekompagnien warfen den auf Crnci, halben Wegs zwischen S. Martino und Cotici, vordringenden Feind zurück und griffen in den heftig entbrannten Kampf nördlich von S. Martino ein. Schließlich gelang es dem zuletzt eingetroffenen Bataillon in schwerem Nachtkampfe, den Italiener aus den Stellungen auf dem Nordhange zurückzudrängen und die Verbindung mit dem rechten Flügel der 20. HID. bei Boschini wiederherzustellen. Von S. Martino, das trotz heftigster feindlicher Massenstürme behauptet wurde, südwärts bis zum Mt. dei sei Busi waren alle Stellungen unversehrt im eigenen Besitz geblieben. Die 17. ID. hatte den stellenweise beiderseits des nach Doberdó führenden Weges eingedrungenen Feind durch rasche Gegenstöße ihrer herbeigeeilten Reserven zurückgeschlagen und dabei etwa 400 Mann gefangen genommen, so daß die Angriffslust der Italiener in diesem Abschnitte schon vor Einbruch der Dunkelheit erlahmte.
Da das Korpskommando um diese Zeit seine ganzen Reserven für den Gegenangriff auf dem Mt. S. Michele bereits verausgabt hatte, verfügte GO. Boroevic die Überstellung eines Regiments der 59. IBrig., die als Reserve hinter dem weniger bedrängten Abschnitt FML. Schenk stand, zum VII. Korps. Bis zum Morgen des 7. August gelangten das IR. 41 und mehrere Marschkompagnien des VII. Korps in den Raum südlich von Kostanjevica.
Auf dem Südflügel der Karstfront hatte das italienische VII. Korps am 6. August nach tagsüber andauernder starker Beschießung am Nachmittage unsere Stellungen bei Selz, auf dem Monfalconerücken und bei Bagni angegriffen. Die insbesondere von der italienischen 14. ID. dreimal wiederholten Versuche, auf den Höhen A 121 und 85 einzudringen, scheiterten an dem zähen Widerstand der k.u.k. 60. Brigade1). Dafür beschossen die bei der Sdobbamündung eingebauten schweren italienischen Lagunenbatterien die höheren Kommandostellen und wichtigen Verkehrsknoten auf der Karsthochfläche von Comen, besonders auch den Bahnhof von Nabresina.
Das 5. Armeekmdo., dem von seiner Reserve am 6. abends nur mehr das SchR. 20 verblieben war, mußte die Kampfführung auf Zeitgewinn
v) In diesen Kämpfen wurden über 130 Italiener gefangen genommen.
abstellen, um, so gut es ging, die Front bis zum Eintreffen von Verstärkungen zu halten. Nur mit der äußersten Anspannung aller Kräfte konnte man hoffen, diese kritische Zeitspanne zu überwinden. In diesem Sinne hatte der Armeeführer seinen Willen in den bestimmten Befehl gekleidet, die so lange und erfolgreich verteidigten Stellungen müßten unbedingt behauptet werden. Aber auch bei dem sonst so zuversichtlichen Armeekommando schien diesmal das gewohnte Vertrauen auf den Erfolg durch den berechtigten Zweifel erschüttert zu sein, ob die Hilfe durch neue Kräfte noch rechtzeitig möglich sein werde. GM. Anton Pitreich schreibt darüber: „Schwer lastete am Abend dieses Tages auf dem Armeekommando das Gefühl der Verantwortung. Die nach außen zur Schau getragene Zuversicht in die Unüberwindlichkeit der eigenen Kraft konnte innerlich nicht in gleichem Maße aufrecht erhalten werden; man war sich bewußt, sich der Schwächung der eigenen Front zu Nutz imd Frommen der übrigen bedrohten Fronten der Monarchie bis zum äußersten Maße des Zulässigen unterworfen zu haben. Sollte nicht am Ende das Vertrauen in die eigene Kraft nun lediglich als eine bedauerliche Überschätzung derseben angesehen werden müssen?“
Das letzte Ringen um den Mt. S. Michele am 7. und 8. August
Die vom VII. Korpskmdo. im Laufe der Nacht auf den 7. August bereitgestellten sechs Bataillone der Korpsreserve begannen im ersten Morgengrauen den Gegenangriff. Zwei Bataillone des IR. 46 hatten aus dem Raume S. Martino—Crnci von Süden aus, je zwei Bataillone des HIR. 4 und des IR. 43 von Osten und längs des S. Michelerückens von Nordosten her konzentrisch gegen die vom Feinde besetzten Gipfelkuppen vorzustoßen.
Während es der aus den vier letztgenannten Bataillonen gebildeten Gruppe gelang, die Italiener in unaufhaltsamem Vorstürmen zu überrennen und die Ostkuppe sowie die beiderseits anschließenden Teile der vordersten Linie wiederzugewinnen, gerieten die beiden Bataillone des IR. 46, kaum daß sie die Linie S. Martino—Crnci überschritten hatten, im Licht der aufflammenden italienischen Scheinwerfer in ein überaus heftiges Flankenfeuer von der Höhe -<>-197 und von den Batterien bei Sdraussina. Sie vermochten nur die ungefähr längs des Fahrweges S. Martino—Cotici verlaufende zweite Linie zu erreichen und sich dort festzusetzen.
Bei Tagesanbruch wandte sich der Feind nun mit seiner ganzen Kraft gegen die ohne Anschluß nach den Seiten und ohne Verbindung nach rückwärts gebliebenen nördlichen vier Bataillone auf der Ostkuppe. Nach einem kurzen, aber sehr heftigen Feuerüberfall griffen auf dem Nordhange des Mt. S. Michele zwei frische italienische Regimenter einer bisher in Reserve gestandenen Brigade die Front und Flanke der vorgeprellten Gruppe an. Die Batterien des VII. Korps konnten mangels entsprechender Verbindungen und weil sie vorübergehend starken Munitionsmangel litten, bei der Abwehr des losbrechenden Angriffes nicht im erforderlichen Maße mitwirken. Bald mußten die tapferen Bataillone des IR. 43 und des HIR. 4 den Ostgipfel des Mt. S. Michele wieder räumen und setzten sich in den Dolinen der am Hinterhang des Mt. S. Michele verlaufenden Rückhaltstellung fest. Dort konnten sie, dem verheerenden feindlichen Artilleriefeuer entzogen und vom eigenen trefflich unterstützt, das weitere Vordringen des übermächtigen Feindes verhindern.
Die Wiedergewinnung des Mt. S. Michele war nicht geglückt. Wohl hätte ein zweiter Gegenangriff mit dem zugewiesenen IR. 41 und anderen Reserven des Korps bei gründlicher Vorbereitung durchdringen können, aber die dauernde Behauptung des Mt. S. Michele wäre mit den verfügbaren Kräften kaum möglich gewesen. So mußte auf eine entscheidende Wendung der Lage zunächst verzichtet werden. Durch den Gegenangriff war jedoch eine unmittelbare Gefahr in diesem Raume abgewendet und ein weiteres Vordringen des Feindes in östlicher Richtung verhindert worden.
Bei S. Martino und im Abschnitte der 17. ID. waren wiederholte Angriffsversuche der Italiener im Artillerie- und Maschinengewehrfeuer des Verteidigers gescheitert. Dort, wo der Feind einzudringen vermochte, wurde er im Nahkampf in kürzester Frist wieder vertrieben.
Südlich vom Mt. dei sei Busi kam es nach einem in den frühen Morgenstunden von Truppen der italienischen 14. ID. durchgeführten Vorstoß gegen die Höhe -cJ>--85, der von der 60. IBrig. im Gegenstoße abgewehrt werden konnte, tagsüber nur zu mitunter recht heftiger Beschießung der Stellungen.
Die Wiedergewinnung des Mt. S. Michele war dem k.u.k. VII. Korps am 7. August wohl nicht geglückt; aber die unmittelbare Gefahr eines Durchbruches in diesem wichtigsten Kampfraum auf dem Karst war zunächst gebannt, da es auch der Feind nicht wagte, den Kamm des Berges ostwärts zu überschreiten. Die öst.-ung. Batterien vermochten den gut beobachteten Streifen zwischen den neuen eigenen Hinterhangstellungen und den feindlichen Kammstellungen jederzeit unter vernichtendes Feuer zu nehmen. So blieb die Lage im Abschnitte der 20. HID. zunächst unverändert.
Da dem 5.Armeekmdo. keine Reserven mehr zur Verfügung standen und dem Erzherzog Joseph die am 7. August mittags erbetenen Verstärkungen nicht zugewiesen werden konnten, hatte GO. Boroevic mit Rücksicht auf die Ereignisse bei Görz befohlen, alles daranzusetzen, um die Lage im Abschnitte der 20. HID., so gut es ging, zunächst aus eigener Kraft zu festigen. Erst am Abend dieses Tages wurden die ersten einlangenden Verstärkungen — zwei eben von Tirol bei Comen eintreffende Bataillone des IR. 102 und das vom nicht angegriffenen
XV. Korps aus dem Raume von Tolmein anmarschierende Bataillon III, 86 der 7. GbBrig. — in den Bereich des VII. Korps gesandt.
Schon im Laufe des 7. August hatte der Feind mit starken Kräften versucht, den tags zuvor auf dem Gipfel des Mt. S. Michele errungenen Erfolg auf den Raum von S. Martino auszudehnen (S. 60). Da ein weiteres Vordringen über den Mt. S. Michele keinen Erfolg hatte, wurden vom italienischen XI. Korpskmdo. zur Unterstützung der 22. ID. zwei frische Brigaden über Sdraussina an die Front vorgezogen1).
Am 8. August erreichte der Kampf um die Ruinen von S. Martino, wo die auf den Osthang des Mt. S. Michele zurückgenommenen Linien mit den von früher her behaupteten zusammenhingen, seinen Höhepunkt.
In den frühen Morgenstunden dieses Tages wurden die Kämpfe durch zwei starke Angriffe der Italiener eingeleitet, die vom Gipfel des Mt. S. Michele her geführt wurden; beide Anstürme brachen vor der neuen Widerstandslinie auf dem Osthange verlustreich zusammen. Auch auf deni Nordhange des Berges wurden italienische Vorstöße südöstlich der Höhe -<>-124 abgewehrt.
Als Rückhalt für die 20. HID., die bisher etwa die Hälfte ihres Gefechtsstandes an Verlusten zu beklagen hatte, gelangte ein Bataillon der Korpsreserve (1/41) in den Raum bei Cotici. Der Rest des IR. 41 wurde in das Vallonetal nächst Devetaki vorgezogen.
Nachdem am 8. früh die Räumung des Görzer Brückenkopfes bekannt geworden war, begann das italienische XI. Korps von 10h vorm. an mit frischen Truppen bei S. Martino anzurennen. Bis 9h abends brachen neun Angriffe vor den Stellungen des HI R. 17 blutig zusammen, dann flaute der schwere Kampf ab. Der Durchbruch bei S. Martino
1) Zingales, Gorizia, 197.
war gescheitert, alle Stellungen waren gehalten. Südlich von S. Martino ließ der Italiener nach seinen Mißerfolgen an den vorangegangenen Tagen die Front der 17. ID. unbehelligt. Auch vor der 9. ID. bei Selz und Monfalcone beschränkte sich der Feind auf zwei schwächere Angriffsunternehmen und auf starke Überfälle durch Artilleriefeuer, die jedoch ohne Wirkung auf die Lage blieben.
Unterdessen hatten aber die Ereignisse beim XVI. Korps eine Wendung genommen, die auf die weitere Kampfführung auf der Karsthochfläche entscheidenden Einfluß nahm.
Noch bis zum 8. August nachmittags hatte der Führer der 20. HID., GM. v. Lukachich, beabsichtigt, in der Nacht auf den 9. einen letzten Versuch zur Wiedergewinnung der Kuppen des Mt. S. Michele zu wagen und so die Behauptung des linken Isonzoufers durch die 58. ID. bei Görz zu sichern. Von diesem Vorhaben mußte endgültig abgesehen werden, als die Räumung des linken Isonzoufers durch das XVI. Korps bekannt wurde. Dadurch war die Nordflanke des VII. Korps entblößt und in eine bedenkliche Lage geraten. Überdies mußten jetzt die für das VII. Korps zum Angriff auf den Mt. S. Michele bestimmten Verstärkungen (S. 61) in das Wippachtal abgezogen werden.
Eilends wurden am 8. August abends alle noch aufzutreibenden Reserven des VII. Korps zur Besetzung des linken Wippachufers und zur Aufrechterhaltung der Verbindung mit dem linken Flügel des XVI. Korps an den Nordrand der Karsthochfläche in Marsch gesetzt. Ein Bataillon der Korpsreserve sollte den Nordflügel der 20. HID. an der Wippachmündung stützen. Vier Marschbataillone wurden in den Raum von Merna dirigiert, um an der Wippach zu sichern und die Verbindung mit der 58. ID. auf dem östlichen Vertojbicaufer aufzunehmen.
Die Krise der Schlacht
Hiezu Skizzen 2 und 3 auf Beilage 2
Ungünstige Lage am Isonzo bei Görz am 8. August und Beziehen der zweiten Stellung östlich von der Stadt
Bis zum 8. August mittags hatte GO. Boroevic gehofft, mit den aus dem ganzen Armeebereich zusammengerafften Verstärkungen die Lage bei Görz so weit festigen zu können, daß dem Italiener das besonders aus politischen Gründen angestrebte Ziel Görz nicht preisgegeben werden müßte. Er befahl daher, das linke Isonzoufer unter allen Verhältnissen festzuhalten. Weitere Verstärkungen sollten von anderen Teilen der Front herangeführt werden.
Das Hauptaugenmerk wollte der Armeeführer jetzt aber dem Mt. S. Michele, als dem Schlüsselpunkt für die weitere Isonzoverteidigung, zuwenden und hatte den Rest der noch verfügbaren Reserven des Abschnittes der 9. ID. (zwei Bataillone des IR. 24 mit dem 59. IBrigKmdo.) dem VII. Korpskmdo. unterstellt.
Nach der Räumung des Brückenkopfes am 8. August vormittags hatten sich die schwachen Reste der 58. ID. unmittelbar auf dem zu einer nachhaltigen Verteidigung allerdings nicht vorbereiteten linken Isonzoufer festgesetzt. Zu ihrer Unterstützung war das Bukowinaer SchR. 22 in der Mitte der Divisionsfront von der Brücke bei Pevma bis zur Etappenbrücke bei Grafenberg eingeschoben worden. Drei besonders hergenommene Bataillone aus dem geräumten Brückenkopf (II1/69, MaBaon./SchR. 23, k. k. LstlBaon. 75) wurden als Sicherheitsbesatzung in die zweite Stellung östlich von Görz befohlen, und ein Bataillon (k. k. LstlBaon. IV/39) gelangte als Reserve in den Raum bei Kemperlišče, nächst der Straße und der Eisenbahn, ins Wippachtal. Die kampfunfähigen Reste des k. u. LstlR. 2, die zuletzt den Brückenkopf verlassen hatten, wurden aus der Front gezogen und zur Wiederaufrichtung in den Raum von Cernizza verlegt1).
Der Isonzo war somit von Salcano bis zur Wippachmündung, ausgenommen im unmittelbaren Stadtbereich von Görz, wo die möglichen Übergangsstellen am dichtesten nebeneinanderlagen, und demgemäß für die sichere Behauptung des Ostufers besonders vorgesorgt werden mußte, in überaus schütterer Postenkette von den Resten der Brückenkopfverteidiger besetzt. Südlich von Görz bildete der Fluß in dieser Jahreszeit kein Hindernis und war fast überall durchwatbar. Hier stand im Abschnitt St. Andrä das k. u. Landsturminfanteriebataillon VI '30 mit dem rechten Flügel bis zur Brücke von Lucinico, deren Zerstörung vervollständigt werden sollte. Im südlich anschließenden Abschnitt von Sa-vogna bis zur Wippachmündung hielt nach wie vor das k. u. Landsturminfanteriebataillon IV/26 seine Stellungen längs des Isonzoufers.
J) Die 121. LstlBrig. war mit rund 3000 Feuergewehren ins Gefecht getreten. Von ihren Truppen kehrte das k. u. LstlR. 2 mit 150, das k. u. LstlBaon. III-31 mit cbcnsovielen und das k. k. LstlBaon. IV/39 mit 500 Feuergewehren aus dem Brückenkopf von Görz zurück. Diese Brigade hatte insgesamt rund 2200 Mann, also 75 vom Hundert ihres Standes, verloren; hievon entfielen die Hälfte auf blutige Verluste. Bis zum 8. August früh wurden von der Brigade 1900 italienische Gefangene ab geführt, die acht verschiedenen Regimentern angehörten.
Eine dauernde Verteidigung der oberhalb von St. Andrä fast gar nicht eingerichteten und nur notdürftig besetzten Uferstellung wäre nur mit sehr starkem Artillerierückgrat und auch dann nur unter großen Verlusten möglich gewesen. War unsere Artillerie schon zu Beginn der Schlacht zur Abweisung des mit so starker Übermacht eingeleiteten Hauptangriffes zu schwach, so hatten sich die Verhältnisse seit dem
6. August noch erheblich verschlechtert. Abgesehen von dem Ausfall der Geschütze im Brückenkopf (S. 55) hatte der Großteil der Artillerie eben den Stellungswechsel durchgeführt; da das Fernsprechnetz der ersten Stellung vielfach nicht geborgen werden konnte, fehlte das Leitungsmaterial, wodurch die Feuerleitung der hinter der zweiten Stellung neu aufgestellten Batterien äußerst erschwert wurde.
Seit den frühen Morgenstunden hielten die Artilleriemassen der Italiener unausgesetzt alle Flußübergänge, das ganze linke Ufer und die Stadt Görz sowie sämtliche Anmarschwege unter stärkstem Feuer. Das Ausharren der Uferbesatzungen in dem von den steilaufragenden Höhen auf dem Westufer überall eingesehenen offenen Gelände war auf die Dauer unmöglich. Die Truppen waren durch die seit dem 6. August Tag und Nacht ununterbrochen andauernden Kämpfe vollkommen erschöpft und die Kampfstellungen ungeeignet. Unter dem Schutze des gewaltigen Artilleriefeuers strömte jetzt die feindliche Infanterie in Massen über die Höhen von Oslavija und die Podgora gegen den Isonzo vor. Der Feind bot ausgezeichnete Ziele und erlitt von dem nun einsetzenden Feuer unserer Batterien Verluste; doch um ihn aufzuhalten, dazu reichte weder die Zahl der Geschütze noch viel weniger die vorhandene Munition aus.
Der Versuch, die durch die erste Sprengung nach dem Rückzuge nur beschädigte Straßenbrücke bei Lucinico zu zerstören, scheiterte. Die tapferen Pioniere arbeiteten im heftigsten Feuer und fielen dem Feuer der italienischen Maschinengewehre auf nahe Entfernung zum Opfer.
Um Mittag vermochte ein Bataillon der italienischen 12. ID. den Fluß bei sehr niedrigem Wasserstand an seichten Stellen zu durchwaten und auf dem Ostufer Fuß zu fassen. Verdeckt durch Rauch und Staub, sammelten sich später weitere Abteilungen der italienischen Infanterie über die noch gangbare Brücke nach vorne und bildeten an den Uferrändern einen kleinen Brückenkopf.
Von den Truppen der 58. ID. hielten die zusammengeschmolzenen Bataillone nur in kleinen Gruppen die Übergangsstellen und die dazwischen liegenden Uferabschnitte, je nach der Bedeutung ihrer ört-liehen Wichtigkeit, besetzt. An ein Zusammenfassen dieser Kräfte gegen die Einbruchsstelle hin konnte zunächst nicht gedacht werden, ohne weite Strecken zu entblößen. Bei den vom k. u. Landsturminfanteriebataillon VI 30 bei der Straßenbrücke sofort eingeleiteten Gegenstößen fielen der Kommandant und mehrere Offiziere. Wenn auch die eigenen Batterien durch kurze Zeit verheerend gegen den auf dem Ostufer eingenisteten Feind wirkten, so rückten doch stets neue italienische Kräfte nach. Unsere Batterien, die Übermenschliches geleistet hatten, mußten eben, wie so oft in diesen schweren Tagen, trotz günstigster Wirkungsmöglichkeit und trotz der unsäglichen Not der mit letzter Kraft fechtenden Infanterie, ihre zur Neige gehende Munition sparen.
Während an der Front flußaufwärts von Lucinico am 8. August keine einschneidende Veränderung eintrat und der Feind das westliche Flußufer im Laufe des Nachmittags mit starken Kräften erreichte, ohne einen Übergangsversuch zu wagen, gestaltete sich die Lage bei den zwei weiter südlich gelegenen Brücken und von hier flußabwärts bedrohlich. An dem 5 km langen Abschnitt zwischen der Eisenbahnbrücke und der Wippachmündung, der nur von zwei Landsturmbataillonen gehalten wurde, setzte der Feind in den Nachmittagsstunden furtend und schwimmend seinen Übergang fort; weiter südlich, bei St. Andrä, brachte er Überschiffungsmittel an den Fluß. Immer frische Kräfte vortreibend, gelang es den Italienern, sich auf dem Ostufer des Isonzo festzusetzen und den schwachen ungarischen Landsturm etwas zurückzudrängen.
Im Sinne der wiederholten Weisungen des 5. Armeekmdos., wonach das linke Isonzoufer unbedingt zu halten sei, befahl das 58. IDKmdo., das sich am 8. nachmittags von St. Peter nach Vogersko verlegt hatte, dem in St. Peter verbliebenen Kommandanten der 5. GbBrig., Oberst Mitlacher, die Italiener über den Fluß zurückzuwerfen. Hiezu wurden dem Bęigadekommando drei Bataillone l) zugewiesen. Wegen der Verschlimmerung der Lage bei Görz ließ das XVI. Korpskmdo. gleichzeitig das SchR. 20, das nach einem Nachtmarsch Cernizza erreicht hatte, alarmieren und an den Ostrand des Panowitzer Waldes vormarschieren. Die Marschformationen des XVI. Korps hatten nach Schönpaß und das eben mit der Bahn aus der Herzegowina eingetroffene k. u. Landsturminfanteriebataillon VII 4 nach Vogersko zu gelangen.
Indessen hatte das 5. GbBrigKmdo. den zusammengefaßten Angriff
Ein Baon. SchR. 22 aus Görz, das k. k. LstlBaon. IN' 39 und das IBaon. I 41 des VII. Korps aus dem Vallonetal, das über Savogna gegen St. Andrä in Marsch gesetzt wurde.
der ihm zur Verfügung gestellten Truppen gegen die Übergangsstelle eingeleitet. Aber ehe noch diese auf dem Kampffelde eingetroffen waren, hatte der im Südteile von Görz befehligende Obst. Noe den Feind mit seinen Dalmatinern gegen die Übergangsstelle zurückgedrängt. Gegen Abend schien es, als würden sich die Italiener, die gegen die Stadt vorzurücken versucht hatten, zunächst auf die Festhaltung des Bahndammes zwischen der Brücke und dem Stidbahnhof von Görz beschränken. Ein mit starken Kräften entschlossen vorgehender Feind hätte längst Görz erreicht haben oder bis St. Peter vorgedrungen sein müssen.
Bis 6h nachm. wurde es klar, daß der sehr verlustreiche Widerstand am Flußufer mit den erschöpften Truppen nur mehr nach Stunden zählen konnte. Jede Stunde des Ausharrens kostete große Opfer. Die im Anmarsch befindlichen Verstärkungen (5 Bataillone und 12 Marschkompagnien) konnten sich erst in der Nacht fühlbar machen. Aber auch von diesen Kräften war eine entscheidende Verbesserung der Lage nicht mehr zu erhoffen. Nur eine mächtige, der feindlichen annähernd gleich starke Artillerie zur Bekämpfung der italienischen Infanterie, die Niederhaltung der feindlichen Batterien und die ausgiebige Bestreichung der Anmarschwege und Sammelräume der Italiener hätten der Stellung am Isonzoufer noch einigen Halt geben können. Die Lage wurde umso schwieriger, als die gesamte Versorgung der kämpfenden Truppen über ein Gelände geführt werden mußte, das vom Feind überall eingesehen und wirksamst bestrichen werden konnte. Daher leitete der Kommandant des XVI. Korps, FZM. Wurm, den ihm vom 58. IDKmdo. zugekommenen Antrag zum Beziehen der zweiten Stellung an das Armeekommando. GO. Boroevic stimmte zu und befahl um 10h abends die Ausführung des Antrages.
Bis zum Abend hatte sich der Feind mit mehreren Bataillonen östlich der Straßen- und Eisenbahnbrücke festgesetzt. Die Lücke^ in der Isonzosicherung hatte sich beiderseits erweitert und reichte im Süden bis nach Savogna. Gegenüber dem Isonzoknie westlich von Salcano begann der Feind mit Vorbereitungen für einen Übergang.
Das 58. IDKmdo. hatte mit Rücksicht auf seine schwachen, höchstens 6000 Mann mit wenig Artillerie betragenden Gesamtkräfte, die an der 12 km langen Front vom Mt. Sabotino bis zur Wippachmündung verteilt waren, schon am Nachmittag, vor dem Eintreffen des Befehles zum Beziehen der zweiten Stellung, deren Sicherung durch die geringen Reserven und anmarschierenden Verstärkungen befohlen. Die Isonzo-linie selbst wurde jedoch weiter behauptet und die Schließung der bei
St. Andrä entstandenen Lücke durch einen planmäßigen nächtlichen Gegenangriff der 5. GbBrig. vorbereitet.
Als Rückhalt für die am Isonzo fechtenden Truppen wurden das in den Abendstunden anmarschierende SchR. 20 und das Landsturminfanteriebataillon VII 4, ferner in der Nacht auf den 9. August auch das vom VII. Korps anstatt des IR. 24 anmarschierende IR. 102 (2 Baone) gegen die zweite Stellung vorgeführt, die nun zusammen mit den dort hin schon früher verlegten abgekämpften Bataillonen der 58. ID. (S. 54) besetzt wurde. Die noch zwischen dem Isonzo und der zweiten Stellung verbliebenen Batterien bewirkten in der Nacht den Stellungswechsel.
Um llh nachts kam der Befehl zum Rückzug der noch am Isonzo haltenden 58. ID. in die zweite Stellung, die nun aufs zäheste behauptet werden sollte. Er traf die Kommandos und Truppen nicht unvorbereitet. Das 5. GbBrigKmdo. ließ die Vorbereitungen zum Gegenangriff gegen den italienischen Brückenkopf bei St. Andrä abbrechen. Die erforderlichen Rückmärsche wurden in Ruhe und Ordnung angetreten und im Laufe der Nacht auf den 9. ohne wesentliche Störung durch den Feind beendet. Als letzte Abteilung verließ das den Brückenkopf bei Salcano besetzt haltende 2. Bataillon des SchR. 37 das westliche Isonzoufer; Sappeure der 62. ID. sprengten in wirksamster Weise den weitgespannten Bogen der steinernen Eisenbahnbrücke. Ein stolzes Kunstwerk österreichischer Brückenbautechnik sank in die Fluten des Flusses1).
Nördlich von Görz hatte die 62. ID. an diesem Tage keine Infanteriekämpfe zu bestehen. Die Front der 209. LstlBrig. stand wohl andauernd im Artilleriefeuer, das sich abends bis zum Trommelfeuer steigerte, dann aber nachließ.
Den Verteidigern des Görzer Brückenkopfes, die sich in dem dreitägigen Ringen mit unvergänglichem Ruhm bedeckt und durch die höchsten Soldatentugenden bewährt hatten, wurde in diesen bitteren Stunden die bewundernde Anerkennung ihrer höchsten Führer zuteil.
Der Entschluß zur Räumung der Karsthochfläche von Doberdö
Das Vordringen des Feindes über den Isonzo am 8. August nachmittags hatte die Gefahr eines Durchbruches der Front mit seinen auf die Gesamtkriegslage der Monarchie unabsehbaren Folgen nahegerückt.
Vgl. Scheda, österr. Teil zu: Das Ehrenbuch der Feldeisenbahner ^Berlin 1931), 340. — V e i t h, Die Isonzoverteidigung bis zum Falle von Görz (Mil.wiss. Mitt. Wien, Jhrg. 1931, 1059).
Durch die Zurücknahme der Front auf die zweite Stellung im Wippachtale östlich von Görz war die zu verteidigende Linie nicht nur länger und dadurch schwächer geworden, sondern es drohte überdies dem Südflügel der k.u.k. 5. Armee auf der Karsthochfläche die Umfassung aus der Görzer Ebene. Dies konnte eintreten, wenn die italienische Führung ihre überlegenen Kräfte zu einem raschen Vorstoß in die Wip-pachsenke zusammenfaßte und die nach den vorangegangenen schweren Kämpfen auf ein Drittel ihres Standes herabgesunkenen Truppen des FZM. Wurm vor dem Einlangen der Verstärkungen aus Tirol, die frühestens am 10. oder 11. eintreffen konnten, überrannte. Dann mußte ein Aufrollen der Fronten auf dem Karst und auf der Hochfläche von Bain-sizza zur Katastrophe führen. Denn ein Absetzen der bisherigen Front vom Isonzo nördlich von Görz, wo zurzeit verhältnismäßig geringe Kräfte zur Verteidigung weiter Abschnitte genügten, würde in einer neuen Stellung bedeutend mehr Truppen erfordert haben, als der k.u.k. Heeresleitung auf allen Kriegsschauplätzen überhaupt noch zur Verfügung standen.
Eine Niederlage konnte nur dadurch vermieden werden, daß die im Wippachtale sich bildende neue Front bis zum Eintreffen der angekündigten Verstärkungen ausharrte, was wieder nur möglich war, wenn die jetzt weit vorspringende Front auf der Hochfläche von Doberdö zur Ersparung von Kräften in eine kürzere Verteidigungslinie planmäßig zurückgenommen und in einen unmittelbaren, festen Anschluß an die Stellungen des XVI. Korps im Wippachtale gebracht wurde.
So entschloß sich GO. Boroevic am 8. abends, den Mt. S. Michele und die südlich anschließenden Stellungen auf der Hochfläche von Doberdö planmäßig räumen und die Verteidigung auf den Ostrand des Vallonetales verlegen zu lassen. Um 8h3° abends traf das Armeekmdo. die seinem Entschluß entsprechenden Verfügungen. Der Heeresleitung erstattete GO. Boroevic hierüber folgende Meldung: „Der Kampfwert der Brückenkopfbesatzung Görz bei 66 v. H. sowie jener der 20. HID. bei 50 v. H. Verlust ist heute derart gesunken, daß diese Divisionen momentan kaum zählen. Da Gegner heute mit zwei Bataillonen südlich Görz den Isonzo durchfurten konnte und der Isonzo größtenteils kein Hindernis ist, würde direkte Verteidigung des Ufers angesichts der langen Strecke illusorisch sein und zur Vernichtung der Gruppe führen. Das Armeekmdo. hat alle verfügbaren Reserven in das Wippachtal geworfen. Diese dürften gegenwärtig ausreichen, um die zweite Stellung, im Vereine mit der 58. ID., bis zum Eintreffen der Verstärkungen aus
Preisgabe der Hochfläche von Doberdó
Tirol zu halten. Dem XVI. Korps wurde befohlen, die Brückenkopfbesatzung in die zweite Stellung zu nehmen, den isonzo nur zu bewachen. Das VII. Korps wird den Abschub der Artillerie in den Raum östlich des Vallone bis nördlich des Crnihrib, die Gruppe FML. Schenk in den Raum östlich der Linie Crnihrib—Debeli vrh heute nachts einleiten und voraussichtlich in der Nacht auf den 10. in die dort vorbereitete zweite Stellung zurückgehen. Ich bitte zu erwägen, ob der Armee nicht ausgiebige Verstärkungen zugeführt werden können, da das fortgesetzte Einlangen italienischer Verstärkungen von der Tiroler Front — bisher sieben Brigaden festgestellt —, die Hartnäckigkeit der hier geführten Angriffe, das Abflauen der Angriffe an der schwerer angreifbaren Tiroler Front und andere Anzeichen darauf hinzudeuten scheinen, daß der Feind populäre Erfolge hier gewärtigt. Gegenwärtig verfügt der Feind gegenüber unseren 13 V2 Brigaden, von welchen 5 kaum mehr zählen, üjper deren 26 und über bedeutend überlegene schwere Artillerie. So schwer mir der Entschluß fällt, so glaubte ich ihn fassen zu müssen, um die Fortsetzung des Kampfes mit Aussicht auf Erfolg erhoffen zu können.“
69
Das AOK. billigte den Entschluß des Armeekommandos. Es hatte auf die ersten einlangenden Meldungen über die ernsten Ereignisse im Görzer Brückenkopf und auf dem Mt. S. Michele im vollen Bewußtsein der Schwäche der Isonzoverteidigung schon am 7. August die beschleunigte Absendung der 8. und der 2. GbBrig. sowie von je einem Bataillon der
3. und der 57. ID. (I'50 und I 48) von Tirol an den Isonzo veranlaßt.
Am 8. wurde die Heeresgruppe des GO. Erzherzog Eugen verständigt, daß die Lage bei der 5. Armee in den nächsten Tagen weitere Truppenabgaben notwendig machen werde. Es wären hiezu vom Heeres-gruppenkmdo. besonders erprobte Truppen in der Stärke einer Division derart bereitzustellen, daß gleich nach Beendigung des Abtransportes der 2. GbBrig. mit der Verlegung begonnen werden könne. Ferner verfügte das AOK., daß zwei Bataillone der 48. ID. vom nördlichen Kriegsschauplatz gleichfalls in den Bereich der 5. Armee gelangen sollten.
Trotz der Schwierigkeit der Lage traf der Befehl des Armeekommandos zur Rücknahme der Front die Abschnittskommandanten auf dem Karst unerwartet und überraschend. Seine sofortige Durchführung hätte in der kurzen Sommernacht kaum ohne bedeutende Verluste, zumindest an Geschützen und Gerät, erfolgen können. Auf Antrag des VII. Korpskmdos. änderte das Armeekommando den Befehl dahin, daß die Bewegungen der Infanterie erst in der Nacht auf den
10. August beginnen sollten; nur die Artillerie, vor allem die mittleren
und schweren Batterien, hatten den Stellungswechsel sofort staffelweise derart einzuleiten, daß in der Artilleriewirkung keine Unterbrechung entstand, und auch die Zurückführung des größten Teiles der auf der Hochfläche von Doberdö und im Vallonetal angesammelten Vorräte an Schießbedarf und anderem Kriegsgerät möglich wurde. Mit den Truppen des VII. Korps hatte in der Nacht auf den 10. auch der anschließende rechte Flügel des Abschnittes FML. Schenk die Front Mt. dei sei Busi A 118—Mt. Cosich 113 zu räumen und, im Anschluß an die
auf dem Monfalconerücken bis zur Küste noch zu haltenden alten Stellungen, zunächst in die Linie Debeli vrh-<}>-140—Crni hrib-<}>-164 zurückzugehen, wo die Verbindung zum VII. Korps quer über das Vallonetal gegen Nova Vas herzustellen war.
Der Plan Cadornas für die Fortsetzung des Angriffes über den Isonzo
Aus der italienischen Kriegsliteratur ist zu entnehmen, daß Cadorna „große Zweifel an dem Gelingen des Angriffes“ auf den Görzer Brückenkopf gehabt hatte und daß „seine ursprüngliche Absicht nicht weiter ging, als mit dem VI. Korps das rechte Isonzoufer in Besitz zu nehmen“1). Tatsächlich hatte die Heeresleitung planmäßige Vorbereitungen für die Fortsetzung des Angriffes über den Fluß unterlassen und sogar die vom Kommandanten der Hauptstoßgruppe, GLt. Capello, angeregte Zuweisung von Kavallerie und Radfahrern zur Verfolgung des allenfalls über den Isonzo weichenden Gegners abgewiesen. Allem Anscheine nach hielt das italienische Oberkommando einen raschen Vorstoß über Görz ins Wippachtal hinein, der unter den gegebenen Verhältnissen den unausbleiblichen Zusammenbruch der ganzen öst.-ung. Isonzofront zur Folge gehabt hätte, für zu gewagt, bevor nicht die Höhen nördlich von Görz und der Mt. S. Michele auf dem Karst genommen wären. Dieses Zögern mochte nicht zuletzt darauf zurückzuführen gewesen sein, daß die italienische Führung über die Art und Beschaffenheit der nur notdürftig ausgestalteten Stellungen des k.u.k. XVI. Korps östlich von Görz ganz unzulänglich unterrichtet war.
Erst am 8. August nachmittags, als die Vortruppen Capellos sich bereits auf dem linken Flußufer festgesetzt hatten und gegen Görz sowie in die Ebene vorzufühlen begannen, war das italienische Oberkommando zur Überzeugung gekommen, daß der Gegner den Fluß nicht unmittelbar nachhaltig verteidigen werde, und der bisher verhältnis-
1) Capello, I, 300.
mäßig leicht geglückte Anfangserfolg zur Verfolgung weiterreichender Ziele ausgenützt werden müsse. Die italienische 3. Armee erhielt den Auftrag, dem Gegner, ,,der in Auflösung begriffen“ sei und „über keine Reserven“ verfüge, mit dem VI. Korps energisch nachzustoßen und die Verfolgung bis zum Abschnitte Mt. S. Gabriele—Panowitzer Wald—S. Marco—Ovčja Draga vorzutreiben, mit den südlichen drei Korps den feindlichen Widerstand auf der Karsthochfläche zu brechen und bis zum Vallonetal sowie längs der Wippach vorzudringen. Der Vormarsch im Görzer Becken sollte von leichter Artillerie begleitet werden und „erst vor unüberwindlichen Hindernissen zum Stehen kommen l)“.
Bei der Fortführung des Vorstoßes auf dem Ostufer des Isonzo sollte nunmehr auch der bisher an dem Angriff unbeteiligten italienischen 2. Armee eine entscheidende Rolle zufallen. Die Bedrängnis des öst.-ung. XVI. Korps im Görzer Abschnitte ausnützend, hatte sie dessen schwache Kräfte bei Plava in scharfem Angriff zu werfen und, in Übereinstimmung mit dem linken Flügel der Armee Aosta, über den Kuk A 611 gegen den Mt. Santo vorzustoßen, der gleichzeitig vom Süden her von Teilen des VI. Korps genommen werden sollte. Die gesamte Artillerie des II. Korps sowie die mittleren und schweren Batterien des VI., die noch nördlich des Piumicatales und westlich des geräumten Brückenkopfes von Görz in Stellung verblieben waren, hatten diesen Angriff vorzubereiten (vgl. Skizze 2). Zur Bindung der öst.-ung. Kräfte bei Tolmein hatte das IV. Korps durch Ablenkungsangriffe mitzuwirken.
Cadornas Absicht ging dahin, auch alle übrigen verfügbaren und noch anrollenden Verstärkungen mit dem Ziele in den Kampf zu werfen, die Front der k.u.k. 5. Armee zunächst bis in die Linie Idria-fluß bis zum Tribušatale (2 km östlich des Čepovantales)—Ternovaner Hochfläche — Modrasovec A 1305 — Dörnberg—Eisernes Tor—Trstelj A 643—Hermada A 323 zurückzuwerfen.
Die ,,versäumte Gelegenheit“ zum Durchbruch der öst.-ung. Front II i e z u Skizzen 4 und 3 der Beilage 2
Am 8. August nachmittags wurde hinter dem Südflügel des italienischen VI. Korps auf neuerliches Verlangen des Korpsführers eine Gruppe von schnell beweglichen Truppen gebildet-). Sie erhielt den Auf!) Cadorna, La guerra, I, 287.
-) 11 Schwadronen, 2 Radfahrbataillone, 2 Züge Maschinengewehre auf gepanzerten Kraftwagen und eine Batterie (T o s t i, 181).
trag, ehestens den Isonzo zu überschreiten, die im Rückzuge befindlichen „völlig niedergebrochenen“ öst.-ung. Truppen anzufallen und „sich der gegnerischen Artillerie zu bemächtigen“x). Bis zum Abend war die Verfolgungsgruppe versammelt und bald nach Mitternacht überschritt sie südlich von Lucinico den Isonzo. Aber schon bei Tagesanbruch stießen die Schwadronen kaum zwei bis drei Kilometer jenseits des Flusses auf die von der 58. ID. im Vorfelde der neuen Stellung zurückgelassenen Sicherungstruppen und konnten nirgends mehr durchdringen.
Für den 9. hatte Cadorna den Übergang auf das Ostufer und den Angriff gegen die neuen öst.-ung. Stellungen mit den Hauptkräften Capellos befohlen. Hiezu hatte der Führer der italienischen 3. Armee am 8. abends die bisher dem VI. Korps unterstehenden sechs Divisionen in zwei Korps geteilt. Die 24., die 43. und die 45. ID. verblieben beim
VI., die 11., die 12. und die 48. ID. bildeten nunmehr das VIII. Korps. Beide wurden dem GLt. Capello unterstellt.
Es hatten anzugreifen: das II. Korps der 2. Armee mit der 3. ID. aus dem Brückenkopf von Plava heraus den Kukrücken; das VI. Korps mit der fünf Brigaden starken 45. ID. die Front Mt. Santo—Mt. S. Gabriele— Sv. Katarina, mit der 43. ID. südlich davon beiderseits des Friedhofes von Görz und über das Kloster Castagnavizza gegen den bewaldeten Höhenrücken des Panowitzer Waldes; im Anschlüsse daran das VIII. Korps mit der 48. ID. über Görz gegen die Hügelkette südlich der Straße durch das Rosental -<}>- 171—S. Marco A 227 und mit der 12. ID. in der Ebene gegen die Hügelstellungen östlich vom Vertojbica-bach. Je eine Division, die 24. und die 11., war diesen Korps auf das Ostufer des Isonzo südlich von S. Mauro und bei St. Andrä nachzuziehen; sie hatten dort als Rückhalt Brückenköpfe einzurichten.
Dieser Angriffsplan, der aus erbeuteten Befehlen bekannt wurde, gelangte aber am 9. nicht zur Durchführung, da unvorhergesehene Hindernisse den Vormarsch der Hauptkräfte verzögerten, ehe es zum allgemeinen Angriff kam. Statt dem Gegner, dessen Kampfkraft gebrochen zu sein schien, und der von allen italienischen Führern schon sehr gering eingeschätzt wurde, unaufhaltsam und rücksichtslos zu folgen, wie es der Befehl Cadornas verlangt hatte, kam der Übergang der beiden Korps gerade am entscheidenden Tage zum Stocken. Hiefür werden von italienischer Seite 2) als Hauptgründe die Schwierigkeiten für den Flußübergang, wie die Wiederherstellung der Brücken, die ungünstige
1j Z i n g a 1 e s, Gorizia, 191 f.
2) Tosti, 181.
Uferbeschaffenheit, der Mangel an Straßen, die starke Strömung des Isonzo und dann hauptsächlich das gegen die Flußufer gerichtete Feuer der öst.-ung. Artillerie angegeben. Nicht zuletzt scheinen aber die italienischen Korpsführer und auch das 3. Armeekmdo. trotz des unaufhörlichen Drängens der Heeresleitung mit dem Übergang der Hauptkräfte deshalb gezögert zu haben, weil von den zur Verfolgung und Aufklärung entsendeten Truppen tagsüber sehr widerspruchsvolle Meldungen einliefen. Im Zusammenhange mit den Ereignissen auf dem Mt. S. Michele am 9. vormittags ließen sie einen allgemeinen Gegenangriff während des Überganges befürchten. Erst am 9. abends waren zutreffende Nachrichten über die Besetzung der öst.-ung. zweiten Stellung eingelangt.
Auf den bis zum 9. früh geschaffenen Übergängen rückten von der Gruppe Capello zunächst acht Bataillone des VIII. Korps über den Isonzo vor, um Görz und den Höhenzug knapp östlich der Stadt zu besetzen. Alsbald schlug ihnen kräftiges Feuer entgegen und zwang sic zu behutsamem Vorgehen. Auch beim VI. Korps vermochten nur schwache Kräfte der 45. ID. den Isonzo bei Salcano zu überschreiten. Sie stellten bis zum Abend dieses Tages fest, daß die Hänge des Mt. Santo und des Mt. S. Gabriele vom Gegner, „der keineswegs erschüttert, aber sehr wachsam war“ !), besetzt gehalten wurden.
Die Hauptkräfte der beiden Korps waren an diesem Tage noch westlich vom Isonzo stehen geblieben. Diesem Versäumnis hatten es die ausgebluteten und erschöpften Truppen der Besatzung des Görzer Abschnittes zu danken, daß sie sich in den neuen Stellungen zur Not einrichten und nach dem dreitägigen opferreichen Ringen wenigstens einiger Stunden verhältnismäßiger Ruhe erfreuen konnten. Sie standen an der äußersten Grenze ihrer Kräfte; der Mangel an Nahrung und Schlaf in den bisher unausgesetzten Kämpfen drohte ihren vollständigen körperlichen Niederbruch herbeizuführen, wenn der Feind mit frischen Kräften seiner starken Reserven abermals zum Angriff schritt. Ohne namhafte Reserven hinter der neuen öst.-ung. Front mußte ein solcher Angriff fast unabwendbar zu einer Katastrophe führen. So jedoch war die Verlegung der Verteidigung im Görzer Abschnitte in die zweite Linie bis zum 9. früh ohne Störung durch den Feind durchgeführt worden. Das eintägige Ausharren am Ostufer des Isonzo hatte es ermöglicht, das SchR. 20 und das IR. 102 heranzubringen, die nun das feste Rückgrat in der zweiten Stellung bildeten. Das XVI. Korpskmdo. hatte seinen Standpunkt von Dörnberg nach Selo verlegt.
J) Z i n g a 1 e s, Gorizia, 194.
Noch am Vorabend war vom XVI. Korpskmdo. im Wippachtale eine neue Abschnittsteilung eingeleitet worden. Die 58. ID. mit der
4. GbBrig. und den Truppen der 86. SchBrig. wurde auf den nördlichen Teil des bisherigen Frontabschnittes vom Mt. S. Gabriele, dessen Gipfel hinter der Front lag, bis zur Höhe 171 südöstlich von Görz beschränkt. Die 43.SchD. hatte mit Teilen der 121. LstlBrig., der 5. GbBrig. und dem IR. 102 den südlich anschließenden Frontteil bis zur Wippach bei Merna zu übernehmen.
So brachte die unerwartete Kampfpause dem Verteidiger gar nicht abzuschätzende Vorteile, und jeder Tag, jede Stunde war ein bedeutsamer Gewinn. Noch aber stand den Kämpfern von Görz Schweres bevor, ehe die anrollenden Verstärkungen der Schlachtkrise die entscheidende Wendung geben sollten.
Während die sechs Divisionen Capellos, hinter denen eine weitere Division, die 46., bereitgestellt worden war, den vom Oberkommando im Laufe des 9. August immer dringender geforderten Vormarsch unterließen, trat das italienische II. Korps zum befohlenen Flankenstoß aus dem Brückenkopf von Plava an. Diesem gegenüber verteidigten drei Bataillone der k. u. 209. LstlBrig., darunter zwei von der 58. ID. zugeteilte Heeresbataillone (111/22, 11/52), den Abschnitt zwischen Globna und Zagora. Seit Beginn des Krieges war fast in allen italienischen Angriffsplänen dem Durchbruch bei Plava und dem Vorstoß über den Kuk in der Richtung auf die drei „heiligen Berge“ nördlich von Görz—Mt. Santo, Mt S. Gabriele, Mt. S. Daniele — eine besondere Bedeutung zugekommen. Auch diesmal sollte dort das schon halb geöffnete Tor auf dem Wege nach Triest aus den Angeln gehoben werden.
Die artilleristische Vorbereitung für den Angriff setzte um 7h30 vorm. ein. Das Feuer steigerte sich gegen die Räume von Paljevo und Zagora bald zum Trommelfeuer, das Hindernisse und Deckungen zerstörte. Um lh nachm. erreichte es unerhörte Stärke; die Mitte der Zagorastellung war in Brand geschossen, der Angriff wurde jeden Augenblick erwartet. Aber erst nach zwölfstündiger Dauer des Feuers, das um 7h30 abends nach hinten verlegt wurde, erfolgte der Infanterieangriff. Innerhalb von zwei Stunden wurden vier Stürme der Italiener gegen die heißumstrittene Höhe -cf>- 383 und drei gegen den Abschnitt Zagora angesetzt. Beim zweiten Vorstoß auf Zagora gelang es der aus fünf Bataillonen der 3. ID. bestehenden Angriffsgruppe mit Teilen in unsere Linien einzubrechen. Ohne jede Unterstützung warf das Infanteriebataillon III 22 den Feind in schneidigem Gegenstoß wieder hinaus.
Der dritte Angriff brach unter schweren Verlusten vor den Gräben des tapferen Bataillons zusammen. Ebenso erfolgreich vermochte das Bataillon 11,52 den Stützpunkt auf der Höhe -cj>-383 gegen alle Angriffe der Italiener zu behaupten (siehe Beilage 1).
So waren an diesem kritischen Tage die dem k.u.k. XVI. Korps drohenden Gefahren dank der zähen Ausdauer seiner schlachterprobten Truppen gebannt. Im Mißglücken der am 9. bei Plava erfolglos, weil vereinzelt gebliebenen Angriffe der italienischen 3. ID. rächte sich aber bereits die Untätigkeit der auf dem Nordflügel der Armee Aosta eingesetzten Divisionen, die nach den Befehlen Cadornas gleichzeitig aus der Talenge bei Salcano gegen Norden hätten vorstoßen sollen.
Die Ereignisse auf der Karsthochfläche am 9. August
Die vom 5. Armeekmdo. wegen der Ereignisse beim XVI. Korps am
8. August abends verfügte Räumung der Hochfläche von Doberdö sollte beim k.u.k. VII. Korps in der Nacht auf den 10. durchgeführt werden. Nachdem dem Einsprüche des Erzherzogs Joseph gegen die sofortige Zurücknahme der Front (S. 69) willfahrt worden war, ließ der Prinz den Stellungswechsel der Artillerie, namentlich der mittleren und schweren Batterien, hinter die neue Stellung in der Nacht auf den 9. durchführen. Erst in der Nacht auf den 10. sollte der Rest der Artillerie zurückgenommen werden und die Infanterie eine bisher als dritte Linie be-zeichnete neue „Stellung“ beziehen. Diese verlief von der Wippachschleife bei Merna über Pri Štanti steil zur Höhe -<>212 empor, die den Nordausgang des Vallonetales beherrschte, und zog sich von dort, etwas zurückbiegend, auf den flachen Hängen westlich von Lokvica hin. Sie ließ Oppacchiasella vor der Front und erreichte die Höhe -<>- 208 bei Nova Vas, von wo sie, fast im rechten Winkel vorspringend, den Vallone-graben querte, um auf dem Crni hrib -c> 164 südöstlich von Doberdö an die zweite Linie des Abschnittes der 9. ID. (Abschnitt III b) anzuschließen. Der Frontteil zwischen der Höhe -c> 208 und dem Crni hrib hatte keine vorbereiteten Hindernisse und Gräben, er mußte zur Verteidigung erst eingerichtet werden. Die auf dem Ostrande des Vallonetales vorhandenen Deckungen sollten, da sie von der Hochfläche von Doberdö überhöht und eingesehen waren, als vorgeschobene Vorpostenstellung nur von schwachen Kräften besetzt werden und die neue Kampflinie sichern.
So wie der Vorstoß bei Plava dem Feinde zuerst die Gewinnung der Höhen nördlich von Görz sichern sollte, war auch die Nordflanke des Alt. S. Michele am 9. August das Ziel der feindlichen Angriffe, um für den Stoßkeil bei Görz zunächst gesicherte Verhältnisse zu schaffen.
Bevor es aber dazu kam, war um 8h früh das HIR. 4 aus eigenem Antrieb und ohne jede Artillerieunterstützung überraschend vorgestoßen und hatte dem Italiener in einem beispiellos kühnen Anlauf nochmals die Ostkuppe des Mt. S. Michele entrissen. In der Befürchtung, daß es sich hier um den Beginn eines geplanten starken Gegenangriffes des VII. Korps handle, richtete der Feind sofort das Feuer aller Batterien dorthin und setzte alle verfügbaren Reserven gegen den Mt. S. Michele in Bewegung. Das tapfere Regiment mußte alsbald dem übermächtigen Drucke wieder Raum geben, dies um so mehr, als es wegen der bereits erfolgten Rückverlegung eines großen Teiles der Artillerie von dieser nicht mehr im vollen Maße unterstützt werden konnte. Aber der Feind war durch diese schneidige Tat doch einigermaßen gelähmt und unterließ jeden weiteren Angriff aus den Gipfelstellungen.
Dafür wurde der äußerste Nordflügel der 20. HID., der noch immer, an den Isonzo angelehnt, ausharrte, zum Ziel der feindlichen Angriffe. Nach stärkstem Artillerie- und Minenwerferfeuer und nach wiederholten Massenstürmen der aus drei auserlesenen Brigaden gebildeten 23. ID. vermochte der Feind schließlich in den ersten Nachmittagsstunden den in der Front, in der Flanke und im Rücken gleichzeitig angegriffenen Nordflügel der 20. HID. in die zweite Linie auf dem Nordhange des Mt. S. Michele zurückzudrücken, wo er im Anschlüsse an die auf dem Osthange des Berges angeklammerten Truppen bis zur befohlenen Räumung tapferen Widerstand leistete. Alle weiteren Anstrengungen der Italiener, auf dem Nordhange des Mt. S. Michele durchzustoßen, blieben vergeblich. Der Erfolg des Feindes war lediglich dem Umstande zuzuschreiben, daß der Verteidiger von den früher in der Ebene nördlich der Wippach verwendeten Batterien nicht mehr unterstützt werden konnte. Zum Schutze der Nordflanke des VII. Korps wurden im Laufe des 9. die Brücken über den Unterlauf der Wippach bei Rubbia und Merna gesprengt und das Südufer durch Marschformationen der 17. ID. besetzt.
Den ganzen Tag hindurch stand die Karstfront bis zum Meere unter heftigstem Artillerie- und Minenwerferfeuer. Die am Nachmittag unternommenen Angriffe der 21. ID. gegen S. Martino, wo das HIR. 17 im Laufe des Tages insgesamt neun italienische Stürme ab wehrte, scheiterten ebenso wie jene des XIII. und des VII. Korps gegen die Stellungen der 17. und der 9. Division. Erst um 7h abends stellte der Feind sein fruchtloses Bemühen ein, und beim Einbruch der Dunkelheit flaute das Toben der Schlacht allmählich ab.
Um Mitternacht begann befehlsgemäß und vom Feinde unbemerkt die Räumung der Hochfläche von Doberdö durch das VII. Korps. In der geräumten Linie vom Mt. S. Michele über S. Martino und die Höhe Mt. dei sei Busi bis zum Mt. Cosic'n blieben Nachhuten zurück, die den Rückzug zu verschleiern und die spätere Vorrückung des Feindes zu verzögern hatten.
„Völlig unbesiegt mußte das VII. Korps die durch das Blut vieler Tausend seiner Besten rühmlichst getränkte Walstatt räumen. Auf ewige Zeiten bleibt aber der Mt. S. Michele in der Geschichte der k.u.k. Wehrmacht, namentlich aber in jener von Ungarns tapferen Kriegern ein unvergänglicher, markiger Denkstein1).“
Die k.u.k. 5. Armee nach dem Beziehen der zweiten Stellung Hiezu Skizze 5 der Beilage 2
Die Ereignisse bei Plava am 9. August ließen weitere schwere Kämpfe in diesem Raume erwarten. Zudem gewann der Südflügel der 62. ID., besonders aber des Mt. S. Gabriele, durch den Verlauf der neuen Stellung erhöhte Bedeutung. Für die Italiener blieben Vorstöße im Wippachtale immer gefährlich, solange sie nicht im Besitze dieses das Becken von Görz beherrschenden Eckpfeilers der neuen Verteidigungsfront waren. Durch dessen Verlust wären aber auch die öst.-ung. Stellungen im Sattel von Dol und die ganze bisherige Front auf dem Westrande des Hochlandes von Bainsizza unhaltbar geworden. Die kritische Lage der Armee hätte sich dadurch noch wesentlich verschlechtert, wofür die Maßnahmen, die das 5. Armeekmdo. noch am 9. August getroffen hatte, kennzeichnend sind.
Immer noch herrschte aber auch der die Führung quälende Mangel an Reserven. Von den durch die Heeresleitung angekündigten Verstärkungen waren bis zum 9. August nur zwei Bataillone des IR. 102 der
9. ID. aus Tirol im Kampfraume eingetroffen und — entgegen ihrer ursprünglichen Bestimmung zum VII. Korps — auf Befehl des Armee-kmdos. nach Bukovica zum XVI. Korps überstellt worden. Die von Tirol weiters in Aussicht gestellten Kräfte waren aber noch im Anrollen. In Anbetracht der neuerstandenen Gefahr und der Wichtigkeit der . Anton P i t r e i c h, Manuskript.
Hochfläche von Bainsizza wurde daher angeordnet, die Verstärkungen von der Tiroler Heeresgruppe mit größtmöglicher Geschwindigkeit in die meistbedrohten Räume heranzuführen. GO. Boroevic befahl dann dem XVI. Korpskmdo.: „Das Armeekmdo. legt größten Wert auf weitere unbedingte Behauptung des Raumes von Plava und Aufrechterhaltung der sicheren Verbindung dieses Raumes über den Mt. Santo und den Mt. S. Gabriele zum Anschluß an die neue Stellung der 58. ID. Hiezu treffen demnächst in Chiapovano an Verstärkungen ein: am
10. ds. Mts. 9h abends das Bataillon 1/50, am 11. ds. Mts. früh der Anfang der 2. GbBrig., die der 62. ID. unterstellt wird, und am 11. ds. Mts. abends das Bataillon I 48. Mithin werden in Summe sieben Bataillone und zwei Gebirgsbatterien bis 13. in Chiapovano vollständig eingetroffen sein. Ich gewärtige von der bewährten Führung der höheren Kommanden und der hervorragenden Tapferkeit aller Truppen, namentlich aber der zähen Verteidiger von Plava—Zagora, daß die Stellungen der 62. ID. zuversichtlich gehalten werden.“
Als weitere Verstärkung für das XVI. Korps sollte am 10. August nachmittags die 8. GbBrig. in Reifenberg einzutreffen beginnen und zunächst in den Raum von Cernizza gelangen. Eine Anfrage der Heeresleitung über die geplante Verwendung der anrollenden Verstärkungen beantwortete das Armeekmdo. unter gleichzeitiger Darlegung seiner Beurteilung der Lage wie folgt: „Antransport in Aussicht gestellter Verstärkungen dauert beträchtliche Zeit. So ist bis jetzt noch nicht ein Bataillon aus Tirol hier eingelangt. Anfang der 8. GbBrig. kommt erst am 10. zur Ausladung. In Anbetracht der sich drängenden Ereignisse lassen sich heute keine genauen Angaben über die beabsichtigte Verwendung der eintreffenden Verstärkungen machen; sie wird zunächst von der momentanen Lage abhängen. Gegenwärtig herrschen die günstigsten Verhältnisse auf der Karsthochfläche; die Lage dort ist so konsolidiert, daß sogar einzelne Truppen von dort zur Stützung des Abschnittes II abgegeben werden konnten. In der Görzer Ebene sind die Truppen eben in Sammlung und Festigung; alles Verfügbare ist zur Füllung der dort entstandenen Lücken eingesetzt. Volle Aufmerksamkeit verdienen momentan die Verhältnisse am Plateau von Bainsizza, wo ein entscheidender Angriff gegen unsere Stellungen bei Plava unmittelbar bevorsteht. Dieses Plateau konnte bisher — begünstigt durch das noch unmittelbar vor der Front liegende Hindernis des Isonzo — von in Summe acht Bataillonen behauptet werden. Gelingt dem Feinde nunmehr ein überwältigender Vorstoß von Plava aus, so sind für die Schließung der hiedurch entstehenden 18 km breiten Lücke keine weiteren Truppen mehr verfügbar. Daher müßte ein Großteil der eintreffenden Transporte zur Konsolidierung dieser Front verwendet werden. Gleichzeitig mit der Festigung der Front vor Görz, wozu die morgen eintreffende 8. GbBrig. verwendet wird, werden daher die zwei demnächst eintreffenden einzelnen Bataillone I 48 und 1/50 über St. Luzia nach Chiapo-vano zur Stützung des Plateaus von Bainsizza herandisponiert. Über die Verwendung der weiters eintreffenden Truppen kann erst gemeldet werden, wenn dieselben tatsächlich verfügbar sind.“
Durch die Untätigkeit des Feindes im Görzer Abschnitt am 9. August begann aber die Führung die nicht ganz unbegründete Hoffnung zu hegen, daß die endlich einlangenden Reserven doch noch eine günstige Wendung der Lage herbeiführen würden.
Die zweite Phase der Schlacht (10. bis 16. August)
Das Vorfühlen des Feindes gegen die neue Verteidigungsfront
am 10. August
Vergebens waren am 9. August die Befehle Cadornas an GLt. Ca-pello geblieben, „den Beinen seiner Truppen Flügel zu geben“1), damit sie die Höhen östlich von Görz in raschem Vormarsch gewinnen möchten. Erst in den späten Nachmittagsstunden begannen die Hauptkräfte des italienischen VI. Korps den Fluß auf den inzwischen hergerichteten Übergängen zu überschreiten; bald aber wurden die Bewegungen durch das Feuer der öst.-ung. Batterien gestört, und bei Einbruch der Dunkelheit stellten die Truppen die Vorrückung ein. Im allgemeinen erreichten die Italiener am Abend die Eisenbahnlinie Salcano—Görz— St. Peter, weiter südlich den Vertojbicabach.
Mit Recht beklagt Cadorna in seinen Erinnerungen das zögernde Vortasten des VI. Korps in das Görzer Becken: ,,Es steht außer Zweifel, daß die Höhen östlich der Stadt und jene östlich der Vertojbica schon am 9. August gefallen wären, wenn sie, so wie es die Heeresleitung befohlen hatte, an diesem Tage angegriffen worden wären. So wurde unser Erfolg nicht ausgenützt. Es fehlte manchem unserer Unterführer das Empfinden für den taktischen Wert des Augenblickes. Wenige hatten gehofft, den Isonzo überschreiten zu können. Als wir Görz be-1 j Cadorna, La guerra, I, 289.
setzt hatten, glaubten sie, daß wir einen großen Erfolg errungen hätten, ohne zu überlegen, daß dieser Erfolg wohl ein moralischer war, aber fast keinen militärischen Wert hatte, solange wir nicht die Höhen besaßen, die die Stadt von Osten bedrohten.“
Die Nacht auf den 10. August war ruhig verlaufen. In den frühen Morgenstunden rückte die italienische Infanterie aus Görz gegen den Westrand des Panowitzer Waldes und gegen die Höhe171 südlich der Rosentaler Straße vor, wurde aber durch Feuer zum Halten gezwungen und begann sich einzugraben. Um 9h30 vorm. griffen nach kurzer, kräftiger Vorarbeit durch Artillerie und Minenwerfer zwei Brigaden der italienischen 45. ID. von Salcano aus die Stellungen der
4. GbBrig. auf den Südwesthängen des Mt. S. Gabriele an. Der Feind, der bei Sv. Katarina in die Gräben einer Marschkompagnie eingedrungen war, konnte in erbittertem Nahkampf durch das Eingreifen des Bataillons III, 69 geworfen werden. Da die Lage dort gefährlich blieb, wurde ein Bataillon der Divisionsreserve *) dem Obst. Dáni unterstellt. Nach llh vorm. wurde der Angriff wiederholt und griff nach Süden hin bis zur Höhe -<>- 171 aus. Teile von vier Divisionen (der 45., der 43., der 11. und der 24. ID.) stießen nach mehrstündigem Feuer aller Kaliber und zahlreicher schwerer Minenwerfer vor. Zu Mittag wichen die Italiener in Unordnung zurück; sie ließen über 100 Gefangene in den Händen des Verteidigers. Der Mißerfolg des Feindes und seine Verluste waren offenbar sehr beträchtlich; denn er griff an diesem Tage im Wippachtale nicht mehr ernsthaft an.
Hingegen war es bei Plava neuerlich zu schweren Kämpfen gekommen. Seit Tagesanbruch richtete die italienische Artillerie gegen die Stellungen der 209. LstlBrig. und die dahinterliegenden Räume stundenlang ein verheerendes Feuer. Um lh nachm. brach nach der zum Trommelfeuer gesteigerten artilleristischen Vorbereitung der Angriff auf Zagora los. Im Nahkampf wurde der Italiener überall, wo er in die Stellungen einzudringen vermochte, geworfen. Darauf setzte sofort wieder Trommelfeuer ein. Zwischen 3hund 4h nachm. folgten neue Stürme, die aber diesmal schon im Abwehrfeuer niederbrachen. Als der Feind nach abermaligem Artilleriefeuer am Abend sich wieder zu einem Vorstoß anschickte, kamen seine Truppen kaum mehr aus den Gräben heraus. Was am Tage nicht gelungen war, versuchten die mit anerkennenswerter Zähigkeit kämpfenden Italiener überfallsartig im Dun-
IBaon. 111/86, das am 8. August mit dem IBaon. 1/91 vom XV. Korps herangeführt worden war.
kel der Nacht zu erreichen. Ihre um llh und um 2h nachts anschleichenden Abteilungen wurden rechtzeitig bemerkt und im Nahkampfe von den Dalmatinern des Infanteriebataillons 111/22 abgewehrt. Auch die Stellungen bei Paljevo und der Stützpunkt auf der Höhe 383 wurden stark beschossen; doch kam es hier zu keinem Infanterieangriffe. Mit den bis in die Morgenstunden dauernden Kämpfen fanden die Durchbruchsversuche des italienischen II. Korps bei Plava ihren vorläufigen Abschluß.
Am 10. abends waren hinter der bedrohten Front der 62. ID. in Chiapovano die 2. GbBrig.!) und zwei weitere Bataillone2) aus Tirol eingetroffen; auch die 58. ID. hatte zu Mittag das ihr am Vortage als Rückhalt für den rechten Flügel auf dem Mt. S. Gabriele zugewiesene Bataillon 1/91 an die 62. ID. abgeben müssen. Mit dem Eintreffen dieser Verstärkungen im Raume von Britof am 11. August war die unmittelbare Gefahr für den weitausgedehnten Abschnitt dieser Division gebannt. Sie hatte ihre Reserven so zu gruppieren, daß sie auch den rechten Flügel der 58. ID. im Notfälle unterstützen konnte.
Eine weitere Entlastung des XVI. Korps wurde durch das 5. Armeekmdo. dadurch angebahnt, daß die Abschnittsgrenze gegen das VII. Korps von der Wippach bei Pri Štanti nach Norden bis zu dem vorspringenden Wippachbug nördlich von Raccogliano vorgeschoben wurde. Da zur Abweisung großangelegter Angriffe die verfügbare Artillerie nicht ausreichen mochte, wurde das Armeekmdo. um Verstärkung im Ausmaße einer Divisionsartillerie gebeten.
Die Rückverlegung des in engster Gefechtsfühlung mit dem Feinde stehenden k.u.k. VII. Korps in die neuen Stellungen auf dem West-randc der Karsthochfläche von Comen war am 10. August bei Tagesanbruch ohne Störung und planmäßig durchgeführt.
Noch vor dem um Mitternacht beabsichtigten Beginn der Räumung hatten die Italiener spät abends einen Vorstoß im Dunkeln gegen die Front der 17. ID. unternommen und waren beiderseits der Wegkote 111 in die Gräben eingedrungen. Obwohl die Frontbesatzungen um diese Zeit nahezu jede Unterstützung durch die Artillerie entbehren mußten, warfen sich Teile der 33. IBrig. auf die Italiener und schlugen sie im Gegenangriff zurück, wodurch die Loslösung ohne jede weitere feindliche Einwirkung möglich wurde. Nirgends drängte der Angreifer nach. Erst um etwa 8h früh rückten Patrouillen und kleineren Abteilungen vom
ł) Die 2. GbBrig. war in Podmelec ausgeladen worden.
2) IBaone.I/48, 1/50.
V ß
Alt. S. Michele, von der Höhe -<J>- 197 und vom Mt. dei sei Busi vorsichtig gegen Osten vor. Im Laufe des Vormittags stießen sie auf die xurückgelassenen Nachhuten, die sich fechtend von der Hochfläche von Doberdö über das Vallonetal zurückzogen.
Auf dem Südflügel der 9. ID. hatten am 9. abends Truppen der italienischen 14. ID. nach starkem Trommelfeuer die Höhen A 121 und -<>- 85 angegriffen und waren von der 60. IBrig. abgewiesen worden. Die befohlene Zurücknahme der Abschnittsbesatzung von Selz in die Linie Debeli vrh—Crni hrib konnte dann um Mitternacht, vom Feinde unbemerkt, durchgeführt werden. Die 17. IBrig. hatte westlich und südlich von Doberdö Nachhuten zurückgelassen. Am 10. vormittags beschoß die italienische Artillerie ausgiebig die geräumten Stellungen. Erst gegen Mittag rückten Abteilungen der italienischen 16. ID. gegen Doberdö vor und drängten die Nachhuten der 17. IBrig. langsam auf die neuen Stellungen zurück.
Um 3h nachm. setzte plötzlich stärkstes Trommelfeuer gegen die auf dem Monfalconerücken bis zur Küste unverändert beibehaltenen Stellungen der k.u.k. 60. IBrig. ein; wie am Vorabende kam es zu neuerlichen Vorstößen bei Monfalcone. Bis 7h abends griffen die Italiener mit etwa acht Bataillonen ihrer 14. ID. die Höhen A121 und -> 85 an. Beim ersten und zweiten Anlaufe vermochten sie stellenweise in die vordersten Linien einzudringen, wurden aber unter schweren Verlusten durch Teile der galizischen Infanterieregimenter 30 und 80 zurückgeschlagen. Nach einem längeren, besonders starken Feuerüberfall auf die heißumstrittene Höhe A121 erwartete man einen abermaligen feindlichen Vorstoß; aber die italienische Infanterie vermochte sich offenbar nicht mehr zu einem solchen aufzuraffen.
Das 5. Armeekmdo. war von Haus aus nicht im Zweifel darüber, daß die dauernde Behauptung der noch westlich des Vallonetales verbliebenen und aus der Front vorspringenden Stellungsteile der Gruppe des FML. Schenk, namentlich jene auf dem Crni hrib und auf dem Debeli vrh, nicht möglich sein werde. Es sollte aber durch die abschnittsweise Zurückverlegung der Linie vor allem Zeit gewonnen werden, um den noch ganz unausgebauten Teil der beabsichtigten neuen und verkürzten Stellungen im Anschlüsse an die Höhe westlich von Nova Vas über -<>- 208 nach Süden beim See von Doberdö vorbei auf die Höhe -6- 144—Pietra rossa—Höhe -cj>- 77 zum Lisertsumpf wenigstens notdürftig auszugestalten. Da dies innerhalb von zwei Tagen durchgeführt werden konnte und um die auf den Höhen beiderseits des
Planmäßige Preisgabe des Monfalconeriickens
Sees von Doberdö vorgeschobenen Truppen nicht einer Schlappe auszusetzen, befahl das Armeekmdo. am 10. nachmittags, diesen Frontteil in der Nacht auf den 12. August zurückzunehmen.
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Die Verkürzung der Karstfront durch die Besetzung der zweiten Stellung ermöglichte die Ablösung der hart mitgenommenen Infanterie der 20. HID., die als Korpsreserve in den Raum von Comen gelangte. An ihrer Stelle besetzte die 59. IBrig. den nördlichen Abschnitt der neuen Stellung in der Linie von der Wippach bei Raccogliano über PriŠtanti, die Höhe Nad logem212 bis etwa 1000 Schritte nordwestlich von Lokvica, wo die 17. ID. anschloß. An Reserven verblieben zwei Bataillone des IR. 43 bei Kostanjevica, das IR. 46 bei Lipa.
Erkundungsvorstöße gegen die neuen Stellungen der k.u.k. 5. Armee
am 11. August
Die Kämpfe, die sich an der neuen öst.-ung. Front im Wippachtale am 10. August abspielten, hatten die italienische Heeresleitung erkennen lassen, daß der vermeintlich geschlagene Gegner doch noch entschiedenen Widerstand zu leisten imstande sei.
Für die Fortsetzung des Angriffes erließ Cadorna Weisungen1), nach denen das 2. Armeekmdo. am 11. abends den Befehl über alle Truppen im Görzer Abschnitt bis zur Wippach zu übernehmen hatte. GLt. Piacentini, der Führer der 2. Armee, hatte den Angriff im Raume bei Görz von der Wippach bis zur Idria tatkräftig aufzunehmen und den Gegner auf die Linie Dörnberg—Madrasovec A 1305—Unterlauf der Tribuša zurückzudrängen, wobei der linke Flügel der am mittleren Isonzo angreifenden Truppen auf der Hochfläche von Bainsizza südlich vonTolmein zurückgebogen bleiben sollte. Die Eroberung desTolmeiner Brückenkopfes war für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen. Vorläufig sollten dort nur Kräfte gebunden werden. Als nächste Aufgabe war der 2. Armee aufgetragen, zu erkunden, ob der Feind nur Nachhutstellungen halte oder sich zu einer dauernden Verteidigung eingerichtet habe. Nachhuten sollte die 2. Armee mit zusammengefaßten Kräften im Wippachtale unverweilt zurückwerfen, gegen eine Dauerstellung aber den Angriff planmäßig vorbereiten. Die 3. Armee auf dem Karst hatte mit den Kräften der 2. Armee im Wippachtale in engster Fühlung zu bleiben, über das Vallonetal jedoch gegen die Linie Dörnberg—Eisernes
*) Cadorna, La guerra, 297 ff.
Tor—Trstelj A 643—Hermada A 323 vorzugehen. Zur Verstärkung der hiefür bestimmten Kräfte befahl das italienische Oberkommando dem
I. Armeekmdo. — in der Annahme, daß in Tirol ein öst.-ung. Angriff nicht mehr zu befürchten war —, die sofortige Absendung eines schlagkräftigen Korps an den Isonzo. Es wurde hiefür das aus der 4. und der 33. ID. bestehende XXIV. Korps bestimmt.
In der Nacht auf den 11. August kam es im Görzischen zu lebhaften Kämpfen. Abgesehen von den nächtlichen Gefechten bei Plava (S. 80) hatte auch die Besatzung auf den Hängen des Mt. S. Gabriele mehrere italienische Vorstöße abzuwehren. Wiederholt stürmten Truppen der 45. ID. gegen das SchR. 37 bei Sv. Katarina und nördlich davon vor. Um 5h früh gelang es dem Feinde endlich, in ein kurzes Frontstück einzudringen; er wurde im erbitterten Nahkampf durch die zum Gegenangriff angesetzten Bataillone 111/69 und II/SchR. 37 geworfen. Hiebei blieben 160 Italiener, darunter 10 Offiziere, als Gefangene in unseren Händen. Der Feind raffte sich neuerlich zu einem Angriff auf, doch scheiterte dieser bereits im Vernichtungsfeuer unserer Batterien.
Östlich von Görz hatten die Truppen der 86. SchBrig. (Abschnitt der 121. LstlBrig.) auf dem linken Flügel der 58. ID. um 4hfrüh einen schwächeren Angriff abzuweisen. Um llhvorm. setzte gegen Sv. Katarina Trommelfeuer schwerer Kaliber ein. Ein um die Mittagsstunde sich vorbereitender italienischer Angriff wurde schon im Keime erstickt und kam nicht zur Entwicklung. Die endlich in genügender Menge eingetroffene Artilleriemunition erleichterte wesentlich die Abwehr der stets mit weit überlegenen Kräften geführten Angriffe.
Zur selben Stunde brach auch ein gegen die Front der 121 . LstlBrig. zwischen der Höhe -<>-171 und dem Nordrand des Panowitzer Waldes geführter Angriff der 43. ID. im Artillerie- und Maschinengewehrfeuer des Verteidigers zusammen. Unter schweren Verlusten ging der Feind hinter die Bahn zurück.
Während der Kampf im Abschnitt der 121. LstlBrig. nachmittags fast ganz abflaute, setzte gegen die Abschnitte der 4. und der 2. GbBrig. auf dem Mt. S. Gabriele, dem Sattel von Dol und dem Mt. Santo schwerstes Artillerie- und Minenwerferfeuer ein. Als aber die wachsamen Batterien der 58. und der 62. ID. die nördlich von Sv. Katarina zum Angriff bereitgestellten italienischen Truppen durch zusammengefaßte Feuerüberfälle zersprengten, griff der Feind an diesem Tage nicht mehr an. Hiemit war die Angriffskraft des Italieners für den
II. August erschöpft.
Da für die Nacht neue Angriffe erwartet wurden, sollte die schon am 10. August begonnene Ablösung der 4. GbBrig. durch drei Bataillone der bis zum Abend vollzählig eingetroffenen 8. GbBrig. fortgesetzt werden. Die aus der Front gezogenen Teile der 4. GbBrig. waren als Reserve nahe hinter der Front zu belassen und erst bei fortschreitender Festigung des Widerstandes in den Raum Ossegliano—Schönpass zur Erholung zu verlegen. Die verbleibenden zwei Bataillone der 8. GbBrig. wurden vorläufig nördlich von Vogersko bereitgestellt. Der Abschnitt der 121. LstlBrig. wurde nordwärts bis zum Fahrwege Görz—Grazigna ausgedehnt. Zwei Bataillone der dortigen Besatzung (I SchR. 20 und k. k. LstlBaon. 83) traten zur 121. LstlBrig. über.
Die bisherigen Kämpfe hatten eine unvermeidliche Vermengung der Verbände herbeigeführt. Es wurde notwendig, ehestens die Abschnittsbildung mit der Kriegsgliederung in Einklang zu bringen. Der vom 5. Armeekmdo. genehmigte Antrag des XVI. Korpskmdos. für die vom 11. August an geplante Neugliederung der Abschnitte im Wippachtale ist aus der Skizze 5 der Beilage 2 ersichtlich. Gleichzeitig wurde die Neuformierung des k. u. LstlR. 2 aus den Resten dieses Regimentes und aus den k. u. Landsturminfanteriebataillonen IV/26, VI/30 und III 31 angeordnet.
Auf der Karsthochfläche kam es am 11. August noch nirgends zu größeren Kampfhandlungen. Die italienischen Korps hatten im Laufe des Tages mit Vortruppen die Hochfläche von Doberdö besetzt und führten da und dort schwache Erkundungsvorstöße gegen die neuen Stellungen durch. So setzten sich einzelne Bataillone vor der Höhe Nad logem -<^-212 und weiter südlich vor der Front des VII. Korps bis zum Debeli vrh fest. Die am Nachmittag gegen diese Höhe geführten Angriffe wurden von der 17. IBrig. abgewehrt. Die italienische Artillerie verhielt sich auffallend ruhig; wahrscheinlich war sie mit dem Stellungswechsel zum Angriff auf die neue Front beschäftigt. Nur die feindliche Fliegertätigkeit hatte in den letzten Tagen bedeutend zugenommen.
Obwohl die Kämpfe bei Görz und auf dem Karst am 10. und
11. August im Vergleich zu den vorangegangenen schweren Schlachttagen stark abgeflaut waren und mittlerweile auch die ersten Verstärkungen in den Gefechtsräumen eintrafen, blieb die Lage der k.u.k.
5. Armee noch immer sehr ernst. Beim Armeekommando rechnete man mit unmittelbar bevorstehenden verstärkten und entscheidungsuchenden Angriffen der italienischen Hauptkräfte im Wippachtale und auf der Karsthochfläche; denn es war nicht anzunehmen, daß die italienische
Heeresleitung ihren ersten großen Erfolg des nun schon 15 Monate dauernden Krieges ungenützt lassen werde.
Selbst bei Hinzurechnung der von der k.u.k. Heeresleitung in Aussicht gestellten kombinierten Division aus Tirol sowie von je zwei Bataillonen, die von der k.u.k. 10. Armee und vom nordöstlichen Kriegsschauplatz im Anrollen waren, blieb das Mißverhältnis der öst.-ung. Kräfte am Isonzo gegenüber dem Aufgebot der Italiener noch immer sehr groß. In den bisherigen Kämpfen zwischen Plava und dem Meere waren 13 Infanterie- und 2 Kavalleriedivisionen der Italiener mit insgesamt 30 Infanterie- und 4 Kavalleriebrigaden festgestellt worden. Hinter der Front standen vier Infanteriedivisionen, und weitere drei bis vier Divisionen konnte die italienische Heeresleitung ohne jede Gefahr für die Tiroler Front bis zur Mitte des Monates noch an den Isonzo heranführen. Mit den Truppen des IV. Korps war daher ein Aufgebot von rund 25 Divisionen anzunehmen, denen, das k.u.k. XV. Korps und die 27. GbBrig. der k.u.k. 10. Armee inbegriffen, alles in allem nur 22 Brigaden gegenüberstanden1).
Besonders schwer wurde der Mangel an Artillerie empfunden, wozu noch zeitweise die drückende Knappheit an Schießbedarf trat. Zwar hatte das Armeekommando dem schwerstbedrohten Abschnitte im Wippachtale einige leichte Batterien aus den nichtangegriffenen Frontbereichen zugewiesen, aber an wirklicher Artillerieverstärkung waren bisher nur drei Gebirgsbatterien eingetroffen.
Auf Grund dieser Erwägungen sah sich GO. Boroevic am 11. August abends veranlaßt, folgende Beurteilung der Lage an die Heeresleitung zu drahten: „Ich glaube, daß der Feind, durch seinen Erfolg bei Görz ermutigt, alles daransetzen wird, diesen mit aller Kraft auszunützen. Unaufhörlich und rapid scheint er seine Kräfte an unsere Isonzofront, die zurzeit noch relativ intakt erhalten ist, zu verschieben. Eine rechtzeitige, ausgiebige Verstärkung der Isonzoarmee erscheint mir dringend
Am Abend dieses Tages zählte die k.u.k. 5. Armee (ausschließlich des durch die Kämpfe der letzten Tage nicht mitgenommenen XV. Korps) nur mehr 44.500 Feuergewehre, zu denen nun 11.500 an Verstärkungen — 5 Baone. der 8., 3 Baone. der 2. GbBrig., 2 Baone. des IR. 102 und die IBaone. 1/48, 1/50, 111/86 und 1/91 — hinzugerechnet werden konnten. Der Gesamtkampfstand in der Schlachtfront belief sich mithin nunmehr auf 56.000 Mann. An Verlusten hatten bisher zu verzeichnen: die 62. ID. 4400, die 58. ID. 8300, die 121. LstlBrig. 3500, die 20. HID. 6000, die 17. ID. 6000, die 9. ID. (ohne IR. 102) 1400, die 24. LstGbBrig. 1700 und die 43. SchD. 4500 Mann. Die Schlacht hatte daher insgesamt bereits an 36.000 Mann gekostet.
Anton P i t r e i c h, Manuskript.).
notwendig. Eine kritische, Triest gefährdende Situation kann gewiß heute noch vermieden werden. Der Antransport von Truppen dauert aber erfahrungsgemäß lange und könnte, in einem Momente erst realisiert, wenn bereits sichere Anzeichen einer mächtigen Erschütterung der Front vorliegen, vielleicht schon zu spät sein. Die Isonzoarmee wird gewiß stets ihre Pflicht bis zum äußersten erfüllen. Ich, als ihr Kommandant, sehe mich aber veranlaßt, auf vorerwähnte Umstände rechtzeitig aufmerksam zu machen. Jetzt dürften noch etwa drei weitere Divisionen das leisten können, was später eine viel größere Zahl nicht mehr reparieren könnte. Da ich während des ganzen Krieges gezeigt zu haben glaube, daß ich auf die vorhandenen Mittel Rücksicht zu nehmen wußte, und es peinlich vermied, ungerechtfertigte Hilfe in Anspruch zu nehmen, glaube ich, daß vorliegende pflichtgemäße Meldung nicht als ein Zeichen von Nervosität, von der ich mich in ungebrochener Zuversicht frei weiß, gewertet werden wird. Rechtzeitiger Entschluß ist es, den ich gehorsamst erbitte.“
Die italienischen Durchbruchsversuche bei Görz und auf dem Nordrand des Karstes am 12. und 13. August
Bis zum 11. abends hatte der Feind den Artillerieaufmarsch vor den neuen öst.-ung. Stellungen zum größten Teile beendet und seine Kräfte zur Fortsetzung des Angriffes bereitgestellt. Das italienische
2. Armeekmdo. hatte im Wippachtale zwischen dem VI. und dem VIII. Korps das XXVI. Korps eingeschoben, das aus der 43. ID. des
VI. und der 48. ID. des VIII. Korps gebildet wurde. Es standen somit im Görzer Becken zwischen Salcano und der Wippach drei Korps zum Angriff bereit: das VI. mit der 45. und der 24. ID., das XXVI. mit der 43. und der 48. ID., das VIII. mit der 12. und der 46. ID.; dahinter in Reserve die 11. Division.
Auf eine Anfrage der italienischen Heeresleitung an ihre Unterführer, ob der bisherige Widerstand des Gegners bei Görz der Absicht einer nachhaltigen Abwehr entspreche, oder ob es sich um Nachhutstellungen handle, erhielt sie die Antwort, daß der Gegner Widerstand durch „Nachhuten“ mit starken Kräften in gut vorbereiteten Stellungen leiste. In Berücksichtigung seines Zustandes und der allgemeinen Lage müsse er jedoch ohne Verzögerung angegriffen werden. Auf diese Stellungnahme der Unterführer hin wurde die Fortsetzung des allgemeinen Angriffes beschlossen. Als Hauptziel für die Görzer Gruppe war zunächst das Durchbrechen der öst -ung. Front beiderseits der Straße Görz—Schönpass anzustreben.
Nach einer verhältnismäßig ruhigen Nacht entbrannten an der Front im Wippachtale und auf dem Nordteil der Karsthochfläche am
12. August neue schwere Kämpfe.
Den ersten Angriff setzte GLt. Capello, der Kommandant der Angriffsgruppe im Görzer Becken, gegen die Front der 58. ID. an. Der um 3h45 früh gegen den Abschnitt der 121. LstlBrig. anstürmende Feind brach in dem sofort einsetzenden Abwehrfeuer der Artillerie und der Maschinengewehre schon nach einem viertelstündigen Kampf zusammen und wich in seine Ausgangsgräben zurück, ehe er noch an die Hindernisse herangekommen war.
Um 7^ vorm. ging der Feind zum zweiten Male gegen die Höhen -cj>-174 und -(>-171 beiderseits der Rosentaler Straße zum Angriff vor. Bis gegen Mittag wurde um diesen Frontteil erbittert gekämpft. Mehrmals gelang es den Italienern, in einzelne Grabenstücke einzudringen. In hin- und herwogenden Kämpfen wurden sie zurückgeschlagen. Bloß ein Stück von etwa hundert Schritt Breite auf der aus der allgemeinen Front vorspringenden Höhe -<>- 174 mußte dem Feind überlassen werden. Er nistete sich dort mit mehreren Maschinengewehren ein. Da die Kräfte für einen Gegenangriff bei der großen feindlichen Überlegenheit nicht ausreichten, wurde hier eine Sehnenstellung etwa 150 m weiter östlich bezogen. Nach kurzer Pause in den Mittagsstunden erfolgten abermals heftige Vorstöße gegen die Front der 121. LstBrigade. Wiederum vermochte der Feind auf der Höhe -<>-174 in etwa 100 Schritt Frontbreite einzudringen; bis zum Abend war er zurückgeworfen. Diese Angriffe führten zu den blutigsten Kämpfen der letzten Zeit. Übermächtig war das feindliche Artillerie- und Minenwerferfeuer. Dann brandete Welle auf Welle heran, die erst im erbitterten Nahkampf zum Stehen gebracht werden konnten1).
Auch der nördliche Brigadeabschnitt der 58. ID. auf den Hängen des Mt. S. Gabriele wurde im Laufe des Vormittags schwer beschossen.
1 j Von der Schwere dieser Kämpfe auf engem Raum geben folgende Zahlen ein beredtes Zeugnis: Vor der Höhe 174 wurden nach dem Kampfe etwa 500 tote Italiener gezählt. Über 20 Offiziere und 200 Mann von vier italienischen Infanterieregimentern wurden an Gefangenen eingebracht. Auch die Verluste des Verteidigers waren sehr hoch; die k. k. Schützenregimenter 22 und 23 hatten 10 Offiziere und 262 Mann an Toten, 22 Offiziere und 537 Mann an Verwundeten und rund 500 Mann an Vermißten und Gefangenen zu beklagen. Einzelne Kompagnien hatten von ihrem Gefechtsstande etwa die Hälfte verloren.
Insbesondere stand abermals die heißumstrittene Höhe Sv. Katarina unter Trommelfeuer. Angegriffen wurde jedoch nur der aus der Ebene beim Görzer Friedhof aufragende kleine Hügel von Grazigna A 126, von dem der eingedrungene Italiener in kürzester Frist wieder heruntergeworfen wurde, wobei er Gefangene zurücklassen mußte.
Die italienischen Angriffe dauerten im Abschnitt der 58. ID. bis in die Nacht auf den 13. fort. Das FJB. 2 wies bald nach Mitternacht einen starken Angriff bei Damber südlich von Sv. Katarina ab. Die tapfere Besatzung im Abschnitte Höhe -<^ 174 (Teile der Schützenregimenter 22 und 23) schlug während der Nacht noch einen Angriff — es war der siebente seit dem Beginn der Kämpfe — zurück.
Bei der 43.SchD. setzten sich die Divisionen des italienischen VIII. Korps vor der Front fest; ihre Versuche, den Vertojbicabach zu überschreiten, scheiterten.
Am 12. August wurden dem XVI. Korps die am 13. teils vom russischen Kriegsschauplatz, teils aus Kärnten nach Prvačina anrollenden Bataillone IV 20 und I 21, ferner die k. k. Landsturminfanteriebataillone 42 und 43 zugewiesen. Sie sollten zur Verfügung des Korpskommandos in den Raum Vogersko—Paskonišče gelangen x).
Bei der italienischen 3. Armee hatte die Artillerie bis zum 12. August früh ihre neuen Stellungen in der Ebene südlich von Görz und auf der Karsthochfläche von Doberdö bezogen. Sie eröffnete bei Tagesanbruch das Feuer gegen die auf der Felsenkuppe Nad logem -<J>-212 verlaufenden Stellungen der k.u.k. 59. IBrig., die das Nordende des Vallonetales beherrschten.
Unterstützt durch zahlreiche schwere Minenwerfer verursachte das aus der Ebene und vom Karst her zusammengefaßte feindliche Feuer auf der vorspringenden Höhe schwere Verluste unter der ohne Unterstände und Kavernen ausharrenden Besatzung. Um die Mittagstunde griff der linke Flügel des italienischen XI. Korps mit der 23. ID. die Felsenkuppe in der Front sowie von Norden umfassend an und drang in die vollständig zertrümmerten Gräben der k.u.k. 59. IBrig. ein. Es kam zu wilden hin- und herwogenden Kämpfen, die den ganzen Nachmittag hindurch fortdauerten. Abgeschnitten von jeder Verbindung, versuchte das tapfere Bukowinaer IR. 41 durch zahllose Gegenstöße die Höhe dem mehrfach überlegenen Feind wieder zu entreißen. Dank zähester Haltung und glänzender Einzelleistungen vermochte sich schließlich das
x) Die beiden erstgenannten Bataillone traten später in den Verband der mit der kombinierten Division GM. Edl. v. Hrozný eintreffenden 10. GbBrig.
wackere Regiment in einer etwa 600 Meter östlich seiner ursprünglichen Stellungen quer über den Rücken verlaufenden Linie zwischen Pri Štanti und nordwestlich von Lokvica zu behaupten und den Anschluß an die 17. ID. herzustellen. In der Nacht auf den 13. August wurde die
59. IBrig. durch Reserven des VII. Korps abgelöst. Sie gelangte als
Armeereserve in den Raum um Dörnberg.
An den übrigen Teilen der Karstfront kam es an diesem Tage nur
zu Vorpostengefechten mit der sich allmählich und vorsichtig heran
schiebenden italienischen Infanterie, die sich auf dem Ostrande des Yallonetales festgesetzt hatte.
Die befohlene Räumung der Zwischenstellung auf der Hochfläche von Doberdö sowie der Stellungen auf den Kuppen A 121 und-<>- 85 des Monfalconerückens war in der Nacht auf den 12. ohne feindliche Einwirkung durchgeführt und der Anschluß zum VII. Korps auf der Höhe -<$- 208 südwestlich Nova Vas hergestellt worden. Der Feind tastete sich am 12. langsam an die neue Linie heran; auch begann die italienische Artillerie sich gegen die wichtigsten Punkte in und hinter der neuen Front einzuschießen.
Die k.u.k. Heeresleitung hatte am 12. dem Armeekmdo. auf seine am Vorabend gemeldete Beurteilung der Lage (S. 86) eröffnet, daß die dauernde Behauptung der gegenwärtigen günstigen Front der 5. Armee für die Lage im Südwesten entscheidend und von größtem militärischem und politischem Einfluß auf die Gesamtlage sei. Eine weitere Verstärkung der 5. Armee sei in nächster Zeit nur durch verhältnismäßig bescheidene und langsam eintreffende Kräfte der Südwestfront möglich. Der Division Hrozný, deren Eintreffen am 13. beginne, dürfte zunächst noch eine Brigade aus Tirol folgen; mehr könne vorerst nicht geschehen. Daher müßte das 5. Armeekmdo. vor allem versuchen, durch sparsame Kampfführung und durch seine bewährte und energische Einflußnahme besonders dahin zu wirken, daß die durch die letzten Ereignisse hergenommenen Armeeteile erneuert ihre frühere Festigkeit gewännen.
In der Gruppierung der Kräfte des VII. und des XVI. Korps waren bis zum 13. August früh Veränderungen eingetreten. Auf dem Nordflügel des VII. Korps übernahmen an Stelle der am Vortage arg mitgenommenen Regimenter der 59. IBrig. zwei Bataillone des IR. 43 und der Rest der 17. ID. (34. IBrig.) den Abschnitt von der Brücke 45 nördlich von Raccogliano bis westlich von Lokvica. Im Anschlüsse südlich davon gelangte die 20. HID. wieder in die Front und besetzte mit der 39. HIBrig. den Abschnitt'Oppacchiasella, mit der 81. HIBrig. den südlich anschließenden Abschnitt bis über die Straße Nova Vas—Doberdö. Zwei Bataillone blieben nördlich von Kostanjevica als Korpsreserve zurück. Das
VII. Korpskmdo. verlegte seinen Standort nach Comen.
Bei der 58. ID. hatte die 8. GbBrig., Obst. Rath, den bisherigen Abschnitt der 4. GbBrig. übernommen; im südlich anschließenden Abschnitte hatte das 86. SchBrigKmdo., Obst. Meisel, an Stelle des 121. LstlBrig-Kmdos., Obst. Kouff, den Befehl über seine schon dort befindlichen Regimenter übernommen. Die 4. GbBrig. gelangte nach durchgeführter Ablösung nach Ossegliano, die 121. LstlBrig. übernahm einen Abschnitt bei der 43. Division. Bei der 62. ID. hatten drei Bataillone der 2. GbBrig. die bisher von Truppen nahezu ganz entblößte Front Zagora—Mt. Santo besetzt; der Rest dieser Brigade war dorthin im Anmarsche. Die aus Tirol eingetroffenen Bataillone I 48 und 1/50 waren als Rückhalt für den Südflügel der 62. ID. in Britof eingelangt.
Nach den sehr verlustreichen und bis in die Nacht andauernden Angriffen gegen die Höhen östlich von Görz beschränkte sich die italienische 2. Armee am 13. August auf Artilleriefeuer wechselnder Stärke gegen die öst.-ung. Stellungen zwischen Plava und der Wippach; die 3. Armee jedoch setzte zielbewußt den Angriff auf dem Nordteil des Karstes und vor allem auf dessen nördlichem, das ganze Wippachtal beherrschendem Randhöhenzug Nad logem -<>-212—Fajti hrib A432 fort.
Von den ersten Morgenstunden an bekämpfte die italienische Artillerie hauptsächlich die in den Raum Lokvica—Wippachfluß wirkenden k.u.k. Batterien, während die italienischen Divisionen des XI. und des XIII. Korps ihre Infanterie vor den Sicherungen des k.u.k. VII. Korps zum Angriff bereitstellten. Zum zweiten Male wiederholte die italienische
3. Armee den Versuch, die neuen Stellungen auf der Karsthochfläche zu durchbrechen. Noch vormittags stießen mehrere Bataillone der 23. ID. wiederholt längs der Wippach bei Pri Štanti vor, um hier dem auf den Höhen eingenisteten Verteidiger die Flanke abzugewinnen. Alle Angriffe mißlangen.
Um 2h nachm. dehnte der Feind seine Gefechtstätigkeit auf den ganzen Abschnitt der 17. ID. bis Lokvica aus und ließ nach einem ein-stündigen, bis zur größten Heftigkeit gesteigerten Trommelfeuer aller Kaliber und Minenwerfer seine Infanterie stürmen. Bis 7h abends folgte nun ein Massenangriff dem anderen. Als der sechste Ansturm gescheitert war, hatte die 34. IBrig. mit den bewährten Regimentern 46 und 43 die verschütteten und kaum noch erkennbaren Gräben auf dem Nordflügel der Karsthochfläche und auf dem Höhenrücken fest in ihrem Besitz.
Hingegen vermochte der mit übermächtigen Kräften südlich der Höhe -<>-212 angreifende Italiener das IR. 61 aus seiner Widerstandslinie zurückzudrängen. Ein schwungvoller Gegenstoß dieses Regiments x) und der herbcigeeilten Divisionsreserven warf den Feind nach Einbruch der Dunkelheit bis an den gegen das Vallonetal abfallenden Höhenrand zurück. Westlich von Lokvica hatte das erprobte IR. 39 zwei starken Angriffen standgehalten. Weiter südlich hatte sich der Feind bei der 20. HID. und bei der 9. ID. auf starkes Artillerie- und Minenwerferfeuer beschränkt, unter dessen Schutz sich seine Infanterie näher an die neuen Stellungen heranschob. Zu Infanteriekämpfen war es auf dem südlichen Teil der Karsthochfläche an diesem Tage nicht gekommen.
Auch im Wippachtale und im Abschnitt der 62. ID. hatte der Feind am 13. August nur Beschießungen durchgeführt. Bei Plava wurde durch Abhorchen italienischer Ferngespräche festgestellt, daß die feindlichen Truppen in diesem Abschnitte verstärkt worden waren; dort mußte man daher mit neuen Angriffen rechnen.
Mit Rücksicht auf die schweren Kämpfe auf dem Nordflügel des
VII. Korps verlegte das Armeekmdo. zwei von den vier eben eingetroffenen Bataillonen (IV/20 und 1/21) als Armeereserve nach Temnica.
Als die Gefechtstätigkeit bei Einbruch der Dunkelheit allmählich nachgelassen und die neue Front sich im großen behauptet hatte, war begründete Aussicht vorhanden, mit den vorhandenen Kräften bis zum Einsatz der mit den ersten Transportstaffeln am 13. August in Podmelec eingetroffenen kombinierten Division GM. Hrozný durchhalten zu können. Mit improvisierten Kraftwagenkolonnen wurde der Anmarsch dieser Division über Chiapovano in den Raum von Ternová beschleunigt; dort hatte sie sich so bereitzustellen, daß sie je nach Bedarf entweder im gefährdeten Abschnitt Plava—Mt. S. Gabriele oder auch im Wippachtale eingreifen könnte.
Die Überwindung der Schlachtenkrise am 14. August
Waren es bisher nur einzelne Abschnitte gewesen, die der Feind zu Schwerpunkten seiner fortgesetzten, aber engumgrenzten Vorstöße erwählt hatte, um die etwa nachgiebig gewordenen Stellen zu durchbrechen und die ganze Front zum Wanken zu bringen, so schritt er jetzt noch ein
!) 6 1 in Waffen. Kriegsalbum des k.u.k. Infanterieregiments Nr. 61 1914— 1917 Temesvárj, 210 ff.
letztesmal mit den Hauptkräften seiner beiden Isonzoarmeen zum allgemeinen Angriff gegen die Front des XVI. und des VII. Korps zwischen Plava und Oppacchiasella.
Die auf Grund der am 13. August erzielten Abhorchergebnisse gewonnene Vermutung, daß es bei Plava, bald zu neuen italienischen Angriffen kommen werde, sollte sich bewahrheiten. Am 14. morgens er-öffnete die Artillerie des italienischen II. Korps ein überaus heftiges Feuer auf die Stellungen zwischen dem Stützpunkt auf der Höhe -<{>-383 und dem Isonzo bei Zagora. Nach einigen bis zum Trommelfeuer gesteigerten Feuerstößen schritten gegen Mittag überlegene Kräfte der Italiener zum Angriff. Im zusammengefaßten Abwehrfeuer der Batterien der 62. ID. brachen ihre Sturmwellen zusammen. Gegen 3h30 nachm. setzte der Feind nach neuerlicher starker Beschießung mehrere Male zum Ajigriff an; doch war seine Stoßkraft bereits erlahmt, und alle weiteren Versuche, in die Gräben der zähe ausharrenden Verteidiger einzudringen, wurden schon im Keime erstickt.
Im Wippachtale hatten die Italiener den verhältnismäßigen Stillstand in ihrer Kampftätigkeit am Vortage zur Heranführung von neuen Kräften, zur Ablösung abgekämpfter Truppen und zum Ordnen der stark gemischten Verbände benützt.
Noch am 13. abends setzte gegen Sv. Katarina Trommelfeuer schwerer Kaliber ein, das sich am 14. August vom Morgengrauen an auf den ganzen Abschnitt der 8. GbBrig. ausdehnte. Nach mehr als zwölfstündiger Vorbereitung durch die Artillerie, die durch heftiges Minen werferfeuer unterstützt wurde, begannen um 6h früh die Angriffe gegen Sv. Katarina. Bei seinen ersten Anstürmen gelang es dem Feinde nicht, Erfolge zu erringen; erst ein zweiter, um 10h vorm. geführter Massenangriff setzte ihn in den Besitz einiger Gräben, aus denen er aber durch einen Gegenangriff der Bataillone 1/48 und 111/55 vollständig zurückgeworfen wurde.
Gegen die anderen Frontteile der 58. ID. und auf dem rechten Flügel der 43. ID. dauerte den ganzen Vormittag über das Artilleriefeuer an, das um die Mittagsstunde zu stärkstem Trommelfeuer anschwoll. Um lh nachm. erfolgte ein in tiefer Gliederung mit stark überlegenen Kräften angelegter Angriff gegen die Front von der Höhe -<>-171 über St. Peter bis Vertojba. Auf der Höhe -c>- 171, an der Straße von St. Peter, bei -<>- 95 und auf dem Hügel nächst den Häusern bei Sober drangen die italienischen Sturmsäulen in die fast eingeebneten Gräben ein. Bei -<>-171 wurde der Feind durch eine in der Nähe befindliche Reserve sofort zurückgeworfen. Auch an den übrigen Einbruchsstellen führten die am Nachmittage fortgesetzten Gegenangriffe in erbitterten Nahkämpfen zum ungeschmälerten Wiedergewinn aller Stellungen. Vor Vertojba, wo die Italiener den Angriff durch Panzerkraftwagen begleiten ließen, brachen alle ihre Bemühungen im Feuer der Abwehrartillerie zusammen.
Nach kurzer Ruhepause setzte um 5h nachm. gegen die Front im Wippachtale neuerdings heftiges, immer stärker anschwellendes Artilleriefeuer ein. Um 7h abends erfolgte der dritte Angriff bei St. Peter. Vom Sperrfeuer der öst.-ung. Batterien gefaßt, erlitten die angreifenden italienischen Regimenter schon bei der Vorrückung schwere Verluste. Dennoch vermochten sich feindliche Abteilungen knapp südlich vom Geleisedreieck bei St. Peter in einzelnen Kampfgräben festzusetzen. Es entspann sich dort ein wütendes, wechselvolles Handgemenge, in dem die Italiener endgültig überwältigt und geworfen wurden. Über 300 Gefangene von drei Regimentern blieben in unserer Hand.
Schon im Dunkel der Nacht erfolgte um 9h 30 noch ein Sturm auf die Hügelstellung -cj>- 95—Sober; aber auch dieser brach sich an dem Widerstand der Verteidiger. Ebenso vergeblich blieb ein fast zur selben Stunde mit kurzem heftigem Artilleriefeuer eingeleiteter Angriff beiderseits der Rosentaler Straße. Am Ende dieses Großkampftages waren alle Stellungen von Plava bis zur Wippach im uneingeschränkten festen Besitze der Streiter des k.u.k. XVI. Korps geblieben.
Die Kämpfe am 14. August hatten das Vertrauen der Truppe zu der Widerstandsfähigkeit der neuen Stellungen im Wippachtale gefestigt und ihr auch den Glauben an die innere Überlegenheit gegenüber dem an Zahl und Angriffsmitteln vielfach stärkeren Angreifer zurückgegeben. Diese Erkenntnis war von unschätzbarem Werte und hatte allgemein die Überzeugung geweckt, daß für die Front im Wippachtale jetzt und in Hinkunft nicht mehr viel zu befürchten sei.
Während dieser erfolgreichen Kämpfe im Wippachtale hatte die Armee Aosta ihren schon am 12. August begonnenen Angriff am Nordrande der Hochfläche von Comen am 14. mit größter Heftigkeit fortgesetzt. Beim VII. Korps war es schon nachts zu andauernden Kämpfen gekommen. Noch am 13. abends waren frische italienische Kräfte gegenüber von Lokvica und bei Oppacchiasella bereitgestellt worden. In der folgenden Nacht hatte die 34. IBrig. einen feindlichen Angriff bei Pri Štanti ohne sonderliche Mühe abgewiesen, wobei mitwirkende Panzerkraftwagen durch Artilleriefeuer vertrieben wurden. Die 17. ID. führte nordwestlich von Lokvica ein Unternehmen zur Verbesserung der Front durch; auf dem Südflügel dieser Division wurde ein nächtlicher italienischer Vorstoß rechtzeitig erkannt und durch die Artillerie noch in der Entwicklung zerschlagen.
Diese unausgesetzten Kämpfe und die Rücksicht auf den Kräftezustand der Truppen, die nun schon neun Tage im Kampfe standen, veranlaßten den Erzherzog Joseph, am 13. abends beim Armeekmdo. die eheste Zuweisung von Reserven in der Stärke von mindestens einer schlagkräftigen Brigade zu erbitten, um die dringendste Ablösung seiner nahe der Erschöpfung stehenden Regimenter durchführen zu können.
Als der 14. August anbrach, standen die 33. IBrig. und der Nordflügel der 20. HID. abermals unter schwerem Artillerie- und Minenwerferfeuer, das um die Mittagszeit in ein Trommelfeuer größter Wucht überging. Schwache Vorstöße auf dem Nordflügel gegen das IR. 46 wurden abgewiesen; aber die Beobachtung, daß sich starke feindliche Kräfte aus dem Vallonetal nach vorwärts sammelten, ließ vermuten, daß die Durchbruchsabsichten noch nicht fallen gelassen seien.
Nach 12h mittags brach dann tatsächlich ein mächtiger italienischer Angriff in breiter Front von der Wippach bis zur Mitte der 20. HID. los. Nördlich von den Randhöhen der Karsthochfläche konnten die Infanterieregimenter 43 und 46 den Massensturm im Nahkampfe abweisen; südlich der Kammlinie bis Lokvica drangen jedoch die feindlichen Sturmmassen in die Stellungen der 33. IBrig. ein und wurden erst nach dem Einsätze der zwei letzten Bataillone der Divisionsreserve in einer von Lokvica nach Norden verlaufenden Linie auf gehalten. Dadurch wurde auch der Nordflügel der anschließenden 20. HID., auf dem das HIR. 3 zunächst alle Angriffe zurückgeschlagen hatte, in Mitleidenschaft gezogen und mußte gegen Lokvica zurückgebogen werden. In Eile wurden zwei Bataillone der Korpsreserve (IV/20 und 1^21) auf der Pecinkahöhe A291 knapp nordöstlich von Lokvica bereitgestellt und die letzten Reserven der 20. HID. hinter den Nordflügel dieser Division verschoben, um einen drohenden Durchbruch der Front zu verhindern. Auch das Armeekmdo. befahl, alle verfügbaren Reserven der 43.SchD. hinter den rechten Flügel des VII. Korps in Marsch zu setzen. Wegen der kritischen Lage im Wippachtale konnte zunächst bloß das k. u. Landsturminfanteriebataillon VII/4 nach Temnica entsendet werden. Das Armeekmdo. verfügte daraufhin die Überstellung der im Raum von Dörnberg als Armeereserve versammelten 59. IBrig. an das VII. Korps und ließ zwei Bataillone dieser Brigade sofort dorthin abmarschieren. Der Rest der Brigade sollte am 15. August in den Raum von Lipa folgen.
Unterdessen hatte sich die Lage in der Mitte des VII. Korps geklärt. Auch der Feind konnte nicht mehr weiter und stand am Ende seiner Kräfte. Bis zum Abend wurden die am weitesten ostwärts vorgedrungenen italienischen Abteilungen bis hinter eine Linie zurückgedrängt, die von der Höhe -<j>- 218 (auf dem Kamm östlich von Nad Logem) bis zur Wegkote 205 etwa 700 Schritte westlich von Lokvica verlief, wo sie an die festgehaltenen Gräben der 20. HID. Anschluß fand. Die Honvédinfanterieregimenter 3 und 4 hatten bei Oppacchiasella und westlich von Nova Vas Vorstöße mehrerer Bataillone abgewehrt, wobei diese schwere Verluste erlitten hatten. In den späten Nachmittagsstunden brach auch auf dem Nordflügel der 17. ID., vor dem IR. 46, abermals ein Ansturm zusammen. Dann stellte der erschöpfte Angreifer alle weiteren Angriffe ein; nur der Feuerorkan seiner Batterien und Minenwerfer raste noch bis in die Dunkelheit fort.
Ein an gefährlichen Krisen reicher Großkampftag war auch von den Truppen des VII. Korps ehrenvoll überstanden worden. Der Ausgang der schweren Kämpfe hatte, wie beim XVI. Korps, das Vertrauen und die Zuversicht der Kämpfer und ihrer Führer gestärkt. Die sichere Aussicht auf die zur Fortführung des Kampfes nun unbedingt notwendigen Verstärkungen belebten gleichfalls die Widerstandsfähigkeit der schon arg hergenommenen Truppen.
Von der kombinierten Division GM. Hrozný, der späteren 57. ID., traf die 18. IBrig., die vom 12. an bei Poamelec ausgeladen worden war, im Laufe der Nacht auf den 15. August vollständig im Raume bei Ternová ein. Die zweite Hälfte dieser Division, die 10. GbBrig., war von Assling statt nach Podmelec über Laibach weitergeleitet worden; sie sollte am 15. in Prvačina—Reifenberg eintreffen und sich bei Dörnberg sammeln, um nahe dem Brennpunkt der Kämpfe als schlagkräftige Reserve bereitzustehen. Überdies verständigte die Heeresleitung das 5. Armeekmdo., daß der kombinierten Division auch noch die 28. ID., FML. Schneider Edl. v. Manns-Au, aus Tirol und die 44. SchD., FML. Nemeczek, vom nordöstlichen Kriegsschauplatz folgen werden. Die Verstärkung durch diese in den Herbstschlachten des Jahres 1915 bewährten, erfahrenen Isonzokämpfer besiegelte die übrigens nie erschütterte Überzeugung, daß auch diese Schlacht sicher zu einem erfolgreichen Ende geführt werden könne. Die Gefahr eines Durchbruches der Front mit seinen unabsehbaren Folgen für die Gesamtkriegführung der Mittelmächte war nun endgültig vorbei.
Der letzte Großkampftag der sechsten Isonzoschlacht
Am 15. August verhielten sich die Italiener nach den schweren Kämpfen des Vortages bei Plava bis zum Abend sehr zurückhaltend. Erst nach Einbruch der Dunkelheit versuchte ein feindliches Bataillon bei Zagora überfallsartig in unsere Stellungen einzudringen; doch an der Wachsamkeit des Verteidigers scheiterte dieser Versuch.
Im Wippachtale fanden die am 14. August spät abends abgebrochenen harten Kämpfe am 15. schon in den ersten Morgenstunden ihre Fortsetzung. BeiVertojba schlug ein Bataillon der 43. SchD. bald nach Tagesanbruch zwei rasch aufeinanderfolgende Angriffe der Italiener ab. Nach diesem Vorfühlen setzte um llhvorm. das feindliche Artilleriefeuer wieder ein, dessen rasch zunehmende Stärke auf den nahe bevorstehenden Infanterieangriff schließen ließ. Tatsächlich erfolgte um die Mittagsstunde der allgemeine letzte große Massenangriff der Italiener gegen die acht Kilometer breite Front von Sv. Katarina bis Ver-tojba; es war die bisher größte geschlossene Durchbruchsunternehmung gegen die neue Front im Wippachtale.
Bei Sv. Katarina drang der Feind in zwei Kompagniebreiten ein. Auf der Höhe -$■ 174 erlitt der Italiener durch das Abwehrfeuer bereits in der Vorrückung sehr ernste Verluste. Er kam schon stark aufgelöst an die Hindernisse heran und wurde hier im Nahkampfe vollends zurückgeschlagen. Auf der Höhe -cj>-171 südlich der Rosentaler Straße drangen feindliche Abteilungen um lh 15 nachm. plötzlich in zwei Kompagnieabschnitte ein; bis 2h nachm. wurden sie vom SchR. 23 wieder hinausgeworfen und flüchteten unter schwersten Verlusten in ihre Ausgangsstellungen zurück. Auch südlich von der 58. ID., am rechten Flügel der 43. SchD., vermochte der Feind bei St. Peter nach stärkstem Artillerie- und Minenwerferfeuer einzubrechen; bis 3h nachm. gelang es dem SchR. 20 und Teilen des IR. 102, die Stellung zurückzuerobern.
In den ersten Nachmittagsstunden war sonach der allgemeine Angriff abgewiesen. Nur einige Gräben bei Sv. Katarina blieben noch im Besitz des Feindes. Der Wiederherstellung der Lage in diesem wichtigen Frontstücke galten die nächsten Kämpfe. Zunächst richteten die 58., die 62. und die 43. Division ihr zusammengefaßtes Artilleriefeuer gegen die Einbruchsstelle, das von den Minenwerfern der 58. ID. wirksam unterstützt wurde. Bald konnten Beobachter auf dem Mt. S. Gabriele feststellen, daß die Italiener gewaltige Verluste erlitten hatten und in kleinen Gruppen zurückzugehen begannen. Um 7h nachm. schritten die Bataillone I 48 und IV 24 der 8. GbBrig. zum Sturm. Im ersten Anlauf wurde der größte Teil der von starken italienischen Kräften besetzten Gräben wiedergewonnen. Die Besatzung flutete in ungeordneten Haufen zurück, wurde dabei von der Artillerie der 62. ID. in der Flanke gefaßt und arg mitgenommen. Ein italienischer Regimentskommandant, 7 Offiziere und 90 Mann von sieben verschiedenen Bataillonen sowie 6 Maschinengewehre fielen in unsere Hand. Ein kleines Frontstück blieb noch im Besitz des Feindes. In erbitterten, bis 9h abends währenden Nahkämpfen, in die auch Teile des FJB. 2 und des bh. FJB. 5 eingriffen, wurde auch hier der Feind vertrieben. Eine italienische Brigade, die bei Salcano als Reserve zum Eingreifen in das schwere Ringen bereitgestellt worden war, unterließ wegen des wirkungsvollen Feuers unserer Batterien den Angriff.
Der letzte mächtige Durchbruchsversuch der Italiener im Wippachtale war an der heldenmütigen Widerstandskraft der Truppen des k.u.k.
XVI. Korps gescheitert. Die Stoßkraft der italienischen 2. Armee, die ungeheure Verluste erlitten hatte, war gelähmt. Aber auch die Opfer des schon sehr erschöpften Verteidigers waren sehr beträchtlich; im Abschnitt Sv. Katarina allein hatte er eine Einbuße von mehr als 500 Toten und Verwundeten zu beklagen.
Das k.u.k. VII. Korps, das seit drei Tagen gegen w'eit überlegene italienische Kräfte — etwa 10 bis 11 Brigaden des XI. und des XIII. Korps — in schwerstem Ringen stand, hatte in der Nacht auf den 15. August angreifende schwächere Kräfte nächst der Wippach zurückgeschlagen und Annäherungsversuche westlich von Lokvica und bei Oppacchiasella vereitelt. Zur Niederhaltung der in den vorangegangenen Schlachttagen von Valisella, Rubbia, Ronchi und Monfalcone gegen den Nordteil der Karsthochfläche konzentrisch wirkenden schweren und mittleren italienischen Artilleriegruppen wurden die Nachbarabschnitte um Unterstützung durch ihre schweren Batterien aufgefordert. Bevor diese jedoch wirksam werden konnten, setzte um 9hvorm. abermals eine starke Beschießung des Abschnittes von Oppacchiasella bis zur Wippach ein. Insbesondere standen die Frontstücke westlich von
S. Grado di Merna und Lokvica sowie der Kampfraum östlich von Oppacchiasella unter stärkstem Geschütz- und Minenwerferfeuer. Gegen lh nachm. wurde dieses auf den Raum beiderseits von Lokvica zusammengefaßt, und bald darauf begann in breiter Front der tiefgegliederte
Infanterieangriff. Während der äußerste rechte Flügel der 20. HID. westlich von Lokvica standhielt und die italienischen Sturmkolonnen zurückschlug, vermochte der Feind weiter südlich, halben Wegs zwischen Oppacchiasella und Lokvica, in unseren Kampfgräben Fuß zu fassen. In hartem Ringen Mann gegen Mann gelang es dem HIR. 4 bis 6h abends, den eingebrochenen Feind zurückzuwerfen. Bald darauf begann die italienische Artillerie in der Dämmerung gegen die 20. HID. mit großer Heftigkeit zu wirken, und Ansammlungen bei Oppacchiasella und westlich von Nova Vas ließen eine Wiederholung des Durchbruchsversuches erwarten. Die italienische Infanterie hatte jedoch in den nachmittägigen Kämpfen schwerste Verluste erlitten und wagte an diesem Tage keinen Angriff mehr.
Bei der 17. ID. kam es zu keinen nennenswerten Kampfhandlungen. Zwei am Spätnachmittage aus dem Vallonetal gegen die Höhen nördlich von Lokvica ansteigende stärkere Infanteriekolonnen — anscheinend über die Lage an der Front nicht orientierte Ablösungen — wurden nahe an die Kampfgräben der 17. ID. herangelassen und sodann auf nächste Entfernung mit Artillerie- und Maschinengewehrfeuer überfallen und zerstreut. In der Nacht auf den 16. August wurden die erschöpften Truppen der 33. IBrig. im Abschnitte nördlich von Lokvica durch Teile der wieder verwendbaren 59. IBrig. und durch die dem VII. Korps tags zuvor zugewiesenen Bataillone IV/20 und I '21 abgelöst. Die 33. IBrig. gelangte ins Lager bei Temnica *). Der südliche Teil der Karstfront durfte sich, weil von den Italienern an diesem Tage unbehelligt, verhältnismäßiger Ruhe erfreuen.
Die Stadt Triest wurde am 15. vormittags von einem italienischen Bombengeschwader angegriffen, das wahllos zahlreiche Bomben abwarf; einige Personen fielen zum Opfer. Als die drei Marineflugzeuge der Seeflugzeugstation Triest bald darauf das italienische Geschwader angriffen und zwei Flugzeuge im Luftkampfe bezwangen, zogen sich die übrigen sowie eine vor der Minensperre von Triest erschienene feindliche Torpedobootflottille eilig zurück, ohne es auf einen Kampf ankommen zu lassen.
Der Abwehrerfolg dieses Tages hatte wieder den Geist der Truppen günstigst beeinflußt. Die Zuversicht stieg noch mehr, als das 5. Armeekmdo. die von Tirol abgegangene und für den 16. August in Prvačina erwartete 56. IBrig. der anrollenden 28. ID. am Abende dem VII. Korpskmdo. überwies.
>) 6 1 in Waffen, 211.
Das letzte Ringen auf der Karsthochfläche und der Ausklang der
sechsten Isonzoschlacht
Nördlich der Wippach hatte die italienische 2. Armee am 16. August ihre Durchbruchsversuche gegen das k.u.k. XVI. Korps bereits eingestellt. Nur gegen die Brennpunkte der neuen Front bei Sv. Katarina, beiderseits der Rosentaler Straße und im Abschnitte St. Peter—Vertojba richtete sich zeitweise lebhaftes Geschützfeuer. Zu Infanterieangriffen kam es nicht mehr, und am 17. flaute auch die Artillerietätigkeit langsam ab. Hingegen flammte die Schlacht am 16. August südlich der Wippach noch einmal zu gewaltiger Höhe auf.
Die Nacht auf den 16. war auf dem Karst bis auf einen erfolglos gebliebenen Überfall auf unsere Stellungen bei Lokvica ruhig verlaufen, und die Ablösung der 33. IBrig. konnte ohne Störung durchgeführt werden. In den Morgenstunden hatte es auch hier den Anschein, als ob die Schlacht bereits beendet wäre. Da setzte um 9h 30 vorm. schlagartig stärkstes Artillerie- und Minenwerferfeuer aller Kaliber gegen die ganze Kampffront ein. Auf die Stellungen westlich von S. Grado di Merna sowie im Abschnitte zwischen dem Nordrand des Karstes und Oppacchiasella verdichtete sich die Wirkung der zusammengefaßten italienischen Artilleriemassen zu ungeheurer Wucht. Schon um llhvorm. brachen frische italienische Kräfte zum Angriff vor. Nordwestlich von Lokvica scheiterte der tiefgegliederte italienische Ansturm im vorzüglich geleiteten Abwehrfeuer der Artillerie des VII. Korps, das den Feind zum fluchtartigen Rückzuge zwang. Auch vor der 20. HID. kamen die feindlichen Sturmkolonnen schon an den Hindernissen zum Stehen. Feindliche Abteilungen, die an einzelnen Stellen nächst Oppacchiasella eingedrungen waren, wurden in erbittertem Handgemenge zurückgeworfen. Auch der um lhnachm. gegen den Nordflügel der 17. ID. (34. IBrig.) gerichtete Vorstoß der Italiener brach vollständig zusammen.
Noch war aber die Angriffskraft des Feindes nicht endgültig gebrochen. Um 4h nachm. kam es zu einem letzten einheitlichen Massenstoß gegen die ganze Front des VII. Korps. Dem ausgezeichneten Zusammenwirken der Artillerie auf dem Karst und einzelner Artilleriegruppen aus den Nachbarbereichen war es zu danken, daß der Angreifer im zusammengefaßten Abwehrfeuer die schwersten Verluste erlitt und nirgends die Front zu durchbrechen vermochte. Trotzdem erhoben sich
die unermüdlichen italienischen Bataillone im Abschnitte von Oppacchiasella noch einmal zu einem vierten Ansturm; doch auch dieser teilte das Schicksal der vorangegangenen Angriffe. Schließlich versuchte der zähe und tapfere Angreifer um 9h 30 abends die Front der 20. HID. im Schutze der Dunkelheit zu durchstoßen. Auch dieses Unternehmen vereitelte das HIR. 4. So endete das letzte Ringen der sechsten Isonzoschlacht für das k.u.k. VII. Korps nach zwölfstündiger Dauer mit einem ruhmvollen Abwehrsiege. Dieser Erfolg war nebst der ausgezeichneten Haltung der in fünftägigen schwersten Kämpfen ausharrenden Infanterie ein ganz besonderes Verdienst der Artillerie, die aufopfernd und in vorbildlicher Weise den Kampf zu unseren Gunsten entschieden hatte.
Am 17. August verglomm das Feuer der Schlacht. Ein um 6hfrüh gegen den Südflügel der 20. HID. geführter überfallsartiger Angriff brachte dem Feinde einen vorübergehenden Erfolg, da es ihm glückte, sich in den Besitz eines allerdings recht schmalen Grabenstückes zu setzen. Ein Gegenstoß der nächsten Reserven warf ihn rasch hinaus. Weitere Annäherungsversuche konnten durch Vernichtungsfeuer auf die Sammelräume verhindert werden. Ein in den Mittagsstunden angesetzter italienischer Vorstoß auf dem nördlichen Höhenrand des Karstes gegen den Abschnitt des IR. 43 wurde abgewehrt. Nun erst erließ die italienische Heeresleitung den Befehl zum Einstellen aller weiteren Angriffe. Damit hatte das blutige und zähe Ringen um den Bestand der Isonzofront für diesmal sein Ende gefunden. Die k.u.k. 5. Armee war aber auch schon am äußersten Ende ihrer Widerstandskraft angelangt. Die Ersätze des XVI. und des VII. Korps waren aufgebraucht.
Jetzt erst begannen die der bedrohten Isonzofront von der k.u.k. Heeresleitung zugedachten Verstärkungen mit ihren Hauptkräften im Bereiche der 5. Armee einzutreffen. Die 10. GbBrig. der kombinierten Division GM. Hrozný war bis zum 16. August abends bei Prvačina— Reifenberg eingelangt. Ihr folgte, gleichfalls von Tirol, am 17. August die 56. IBrig. der 28. ID. und in den nächsten Tagen das Kommando dieser Division mit der 55. Brigade. Vom 20. August an trafen die Transportstaffeln der 44. SchD. vom russischen Kriegsschauplatz ein, an die sich unmittelbar jene der 16. ID. anschlossen. Wohl war nunmehr der ungesäumte Einsatz dieser starken Kräfte nicht mehr dringend erforderlich; aber ihre Anwesenheit hinter der geschwächten Front war notwendig, um ein rasches und gründliches Ordnen der hergenommenen Verbände und eine wesentliche Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Front ehemöglichst durchführen zu können
Die 5. Armee hatte in der sechsten Isonzoschlacht schwer geblutet. Ihr Gesamtverlust an Toten, Verwundeten, Kranken und Vermißten betrug innerhalb zweier Wochen 41.000 Mann, womit sie aber noch immer um etwa ein Drittel gegen die überaus empfindlichen Einbußen des Angreifers zurückblieb1).
Rückblick auf die sechste Isonzoschlacht
Die öst.-ung. Heeresleitung hatte nach dem Abbruch der Südtiroler Offensive mit bald einsetzenden schweren Kämpfen am Isonzo nicht gerechnet Sie mutete dem Feinde, der durch die Niederlage im Gebirge sicherlich schwer mitgenommen war, nicht zu, daß er ungesäumt zum
Die Verluste der 5. Armee verteilten sich wie folgt: | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Die Verluste der Italiener werden in ihrer Kriegsliteratur verschieden angegeben. Z i n g a 1 e s. Gorizia, 203. gibt den Gesamtverlust des italienischen Heeres in der sechsten Isonzoschlacht summarisch mit 1745 Offizieren und 49.473 Mann an. Zu fast den gleichen Zahlen kommt das Werk Le Medaglie d'oro, II 1916, 151, mit 1759 Offizieren und 49.473 Mann. T o s t i, 185, errechnet die italienischen Verluste im August 1916 mit 21.360 Toten und 52.950 Verwundeten.
Gegenangriff übergehen werde, und glaubte in der großen Bedrängnis, in der sie sich gegenüber Rußland befand, die Sicherung der Südwestfront den dort belassenen, zugunsten des nordöstlichen Kriegstheaters nicht unerheblich geschwächten Kräften ohne allzu große Sorge anvertrauen zu können. Bei dieser Auffassung blieb die Heeresleitung auch dann, als um die Monatswende Juli-August das XVI. Korpskmdo. Anzeichen für ein größeres italienisches Angriffsunternehmen wahrhaben mochte; sie ließ sich von ihr auch nicht abbringen, obgleich am 3. August ein ausländischer Diplomat die Wiener Regierung ganz deutlich auf die Möglichkeit einer unmittelbar bevorstehenden Gegenoffensive der Italiener hinwies, auch zwei Tage später die deutsche Heeresleitung das k.u.k. AOK. wissen ließ, die Italiener seien nach zuverlässigen Nachrichten in der Lage, sofort vierzehn kampfkräftige Divisionen an den Isonzo zu werfen. Die unablässig fortdauernde Spannung im Nordosten hatte wohl keinen geringen Anteil daran, wenn die öst.-ung. Kriegführung all diese Warnungen verhältnismäßig unberücksichtigt ließ. Man lebte von der Hand in den Mund; das traf ebenso für die Vorbereitungen gegenüber Rumänien zu wie für die Sicherheit der Front gegen Italien. Als der Angriff am Isonzo dennoch losbrach, sah sich der Verteidiger in einer um vieles schwierigeren Lage als je zuvor in den früheren Schlachten.
Das italienische Heer hatte seit den Herbstkämpfen des Jahres 1915 alle Erfahrungen des Krieges weitestgehend verwertet (Bd. IV, S. 149). Aus dem unverbrauchten Menschenvorrat des Landes aufgefrischt und wesentlich verstärkt, mit Kriegsgerät aller Art, namentlich an Artillerie und Minenwerfern überreich ausgerüstet, trat eine Armee zum Kampfe an, die sich von jener der letzten Schlachten auch durch den gehobenen Geist und taktisches Können unterschied.
Der streng geheim gehaltene, mit Geschick und ausgezeichneter Gründlichkeit vorbereitete Aufmarsch der starken italienischen Kräfte am Isonzo war, ohne vom Verteidiger auch nur annähernd erkannt zu werden, überraschend durchgeführt worden. Dies sicherte dem Auftakt des großen Unternehmens den Anfangserfolg.
Die ersten Ziele der angreifenden italienischen 3. Armee, in deren Bereich bis zum Beginn der Schlacht 17 Infanteriedivisionen und 1 Kavalleriedivision versammelt wurden, bildeten zunächst der Görzer Brückenkopf und der Abschnitt des Mt. S. Michele. Vor dem etwa 9 km umfassenden Görzer Brückenkopf waren vier Divisionen in erster Linie und zwei in Reserve aufmarschiert; die vordersten Angriffsstaffeln wurden auf Sturmentfernung in schußsicheren Deckungen bereitgestellt. Zur Vorbereitung des Infanterieangriffes hatte der duca ď Aosta dem VI. Korps vom 29. Juli bis zum Beginn der Schlacht außer den bereits vorhandenen noch weitere 52 mittlere und schwere Batterien zugewiesen, so daß am 6. August 70 leichte Batterien mit 261 und 80 schwere Batterien mit etwa 210 schweren und mittleren Geschützen, ferner 40 Minenwerferbatterien das Feuer eröffnen konnten1).
Dieser gewaltigen Angriffskraft stand im Görzer Brückenkopf und südlich davon bis zur Wippach die 58. ID. gegenüber. Sie zählte 18^2 Bataillone, von denen aber nur sieben Heeres- und Schützenbataillone waren. Den Rest bildeten Landsturmtruppen, die zum Teile noch nie im Großkampf gestanden waren. Was aber noch viel schwerer wog, war die geringe Zahl von nur 87 Geschützen, über welche die Division verfügte, mit einer ganz unzureichenden Munitionsausstattung 2).
Wegen des auf den Anmarschwegen und auf den Brücken liegenden Feuers konnten die aus dem Wippachtale anrückenden Reserven bei Tage die neun Bataillone der Brückenkopfbesatzung nicht unterstützen; auf sie warf sich die ganze Wucht des ersten Angriffes der 48 im vorderen Treffen angesetzten Bataillone des italienischen VI. Korps. Das verheerende Feuer hatte die Kampfanlagen zerschlagen und einen großen Teil der Verteidiger getötet, die Massen der italienischen Infanterie gaben dem überlebenden Rest den Gnadenstoß. Die aus den verschütteten Unterständen und Kavernen sich mühsam herausarbeitenden Streiter und die schwache Artillerie konnten gegen die Übermacht nicht aufkommen. Sie alle hatten ihre Pflicht bis zum Äußersten erfüllt, aber bei der geringen artilleristischen Abwehrkraft und dem Mangel an Schießbedarf war alle Aufopferung vergeblich. Die Gegenangriffe mußten in die Dunkelheit verlegt werden, damit die moralische Überlegenheit der eingreifen-
x) Die verstärkte 45. ID., die den Mt. Sabotino anzugreifen hatte, verfügte allein über 51 leichte, 171 mittlere und schwere Geschütze, 18 schwere, 48 leichte Minenwerfer und 5 Sektionen Landtorpedowerfer. Auf einen Kilometer ihrer 2500 m breiten Angriffsfront feuerten 68 mittlere und schwere, ferner 20 leichte Geschütze. Zur Niederhaltung der ihren Angriffsraum flankierenden öst.-ung. Batterien auf der Hochfläche von Bainsizza wirkten überdies 56 mittlere und schwere Geschütze des italienischen II. Korps mit.
2j Von der Gesamtzahl der 87 Geschütze waren 11 altartige Positions- und 10 schwere Geschütze M. 80. Der Munitionsvorrat für jedes Feldgeschütz betrug 300 Schuß. Als Maßstab für die Beurteilung sei erwähnt, daß das 58. lDKmdo (Görz) in der sechswöchigen Herbstschlacht 1915 — dritte und vierte Isonzoschlacht — schließlich über 24 Bataillone und 180 Geschütze verfügt hatte.
den Reserven über die italienische Infanterie zur Geltung gebracht und gleichzeitig die Einwirkung der um vieles stärkeren feindlichen Artillerie ausgeschaltet werden konnte. Bei Tage wäre der Einsatz der Reserven wegen des Mißverhältnisses an Kräften ganz aussichtslos gewesen.
Auf diese Art konnten die im Südteile des Brückenkopfes nachts durchgeführten Gegenangriffe tatsächlich die Lage wiederherstellen. Hingegen war der Gegenstoß auf dem Mt. Sabotino, der bereits in die Morgenstunden fiel, hiedurch allein schon zum Mißlingen verurteilt. Vielleicht wäre es am 6. August noch möglich gewesen, diesen heiß umstrittenen Punkt durch die aus dem Wippachtal herangeholten Reserven zurückgewinnen zu lassen. Diese Reserven hätten dabei allerdings vor dem Eintritt in den Kampf das auf der Stadt und auf den Brücken liegende, überaus heftige Geschützfeuer durchschreiten müssen. Zudem wäre selbst bei Gelingen dieses Angriffes an eine Behauptung des Berges ohne weitere Verstärkungen, zumal durch eine mit ausreichender Munition versehene Artillerie, doch kaum zu denken gewesen.
Als vorbildlich kann die gründliche Vorbereitung der Kampfhandlung durch die Italiener und das überraschende Ansetzen des Angriffes gelten. Dabei kam dem Feinde die genaue Kenntnis aller Einzelheiten der Verteidigungsanlagen sicherlich sehr zustatten. Sie war das Ergebnis einer seit Monaten betriebenen Erkundung. Unmittelbar vor dem Angriff auf Görz hatten überdies Überläufer dem Angreifer Wertvolles mitzuteilen vermocht. Es wäre aber verfehlt, den Fall von Görz, wie es auch schon geschehen ist, als eine Frucht des Verrates hinzustellen. Der Görzer Brückenkopf ist einzig und allein der vielfachen Übermacht des Angreifers, zumal der erdrückenden Übermacht in der Ausrüstung, er ist der Wucht der Material sch lacht zum Opfer gefallen.
Dieser Erfolg der Italiener sollte jedoch, wie sich in den nächsten Tagen erwies, eng umgrenzt bleiben. Ihn strategisch auszubauen, blieb ihnen trotz ihrer Übermacht versagt. Statt nach dem Fall des nur von einem Bataillon verteidigten Mt. Sabotino geradewegs nach Salcano vorzustoßen und von Norden her in Görz einzudringen, blieben sie oberhalb der Stege und Brücken stehen und ließen sich in einen stehenden Feuerkampf mit den Resten der an den steilen Felshängen angeklammerten Verteidiger ein, ohne durch volle drei Tage einen weiteren Angriff zu wagen. Diese Gnadenfrist kam dem Verteidiger außerordentlich zustatten. Nebstdem ermöglichte sie ihm auch die Bergung wertvoller, für die Armee lebenswichtiger Vorräte x).
vj Im Raume von Görz, östlich vom Isonzo. waren neben einer gut ausgebauten
Auch nach der Zurücknahme der 58. ID. aus ihrer Nachhutstellung am linken Isonzoufer ließ sich der Feind mit der Verfolgung Zeit. Die Reste der Division, etwa 5000 Mann, erreichten vollkommen unangefochten in der Nacht auf den 9. August die zweite Stellung unmittelbar östlich von Görz, wo sie, gestützt durch zunächst nur sechs Bataillone der Armeereserve, den weit ausgedehnten Abschnitt vom Mt. S. Gabriele bis zur Wippach besetzten; nach den dreitägigen ununterbrochenen Kämpfen vollkommen erschöpft, fielen die tapferen Streiter meist sofort in tiefen Schlaf.
Jetzt hätte Cadorna mit ganzer Entschiedenheit eingreifen müssen. In günstigster Richtung lag seinen Divisionen der Weg offen, um den Gegner zu überrennen. Daß der k.u.k. 5. Armee keine weiteren Reserven zur Verfügung standen, konnte daraus entnommen werden, daß in den dreitägigen Kämpfen weder auf dem Karst noch bei Görz rechtzeitig namhafte Unterstützungen eingegriffen hatten. Aufs Gei*ate-wohl war das Tor nach Triest aufzustoßen, und durch einen tiefen Einbruch im Wippachtale mußten die mächtigen Eckpfeiler des Mt. S. Gabriele und des Mt. Michele von selbst fallen. Das Zaudern der italienischen Führung am 9. und 10. August und der Entschluß, die Höhen nördlich von Görz durch schwierige, über den Fluß hinweg von Salcano und von Plava her unternommene umfassende Angriffe zu gewinnen, waren für den ganzen weiteren Kriegsverlauf am Isonzo von entscheidender Bedeutung.
Wohl hatte nur die bestimmte, durch die Ereignisse begründete berechtigte Erwartung, daß die Italiener ihre Massen über Görz hinausstoßen lassen würden, den GO. Boroevic veranlaßt, die Räumung der aus dem allgemeinen Frontverlaufe stark hinausragenden und kräfteverzehrenden Stellungen auf der Hochfläche von Doberdö anzuordnen. Die Spannung der Schlacht hatte aber damit den Höhepunkt erklommen. Alle Vorbedingungen für einen ausschlaggebenden Sieg waren in die Hand des Angreifers gegeben. Daß er sie nicht auszunützen wußte, wurde dem
Etappeneinrichtung Vorräte für Mann und Pferd im Gewichte von rund 1,000.000 kg gleich 100 Waggons) aufgespeichert. Die Verladung erfolgte unter andauernder Beschießung der Speicher und der Zufahrtsstraßen auf kärgliche Transportmittel von Mitternacht des 6. bis zum 8. mittags. Es gab hier viel stilles Heldentum. Die 58. ID. und die aus Tirol und von der Ostfront herangeführten Verstärkungen mußten bis zum 14. ausschließlich aus diesen Vorräten ernährt und versorgt werden — ein Beweis für die Wichtigkeit, die ihre gefahrvolle Bergung hatte. Außerdem wurden in der gleichen Zeit etwa 3000 Zivilpersonen aus Görz weggebracht.
Verteidiger zu bedeutsamer Lehre: er brauche wie bisher, so auch in Hinkunft einen Kampf auch dann nicht für verloren geben, wenn es bei einem weniger methodischen Angreifer das größte Wagnis gewesen wäre.
So hatte mit der Gewinnung von Görz und der blutgetränkten Walstatt von Doberdö das Heer des Königs Viktor Emanuel nach fünfvierteljährigem Ringen wohl den ersten großen, ins Auge springenden Erfolg heimgebracht. Und die Kunde von diesem Erfolge stärkte ebenso die bisher nicht allzu günstige Stellung der Italiener in der Front der Alliierten, wie sie einen Augenblick lang das Maß des Mißgeschickes, das Österreich-Ungarn seit etlichen Wochen getroffen hatte, voll zu machen schien. Aber es währte nicht allzu lange, und die Erkenntnis brach sich allenthalben Bahn, daß es dem Verteidiger doch geglückt sein mochte, das Ärgste zu verhüten und den übermächtigen Feind, wenn auch unter schweren Opfern, wieder in seine Schranken zu weisen. Noch immer lag Triest von den Spitzen der italienischen Bajonette weit entfernt, und die italienische Presse selbst nannte den Fall von Görz eine „zitterige Freude“.
Die Wacht Österreich-Ungarns am Isonzo hatte eine neue Probe ihrer unerschütterlichen Festigkeit erfolgreich bestanden. Fast ist es, ohne ungerecht zu werden, nicht möglich, Truppen zu nennen, die sich besonders hervorgetan haben. Hatte das Fußvolk Übermenschliches geleistet, so stellte der Jünger der heiligen Barbara an dem spärlichen Geschütz, das den Kampf der Infanterie begleitete, nicht minder heldenhaft seinen Mann. Freilich konnte er auch bei bester Leistung im einzelnen, bei genauester Einfühlung in das Augenblicksgebot der Schlacht, nicht verhindern, daß sein Kamerad im Schützengraben die zahlenmäßige Überlegenheit der feindlichen Artillerie, die keine Aufopferung wettmachen konnte, immer wieder aufs furchtbarste zu fühlen bekam. Nicht minder litten die Verteidiger von Görz und von Doberdö unter der Ungleichheit der kämpfenden Parteien im Luftkampf. „Die Luftstreitkräfte des Heeres waren im Sommer 1916“, schreibt GM. Pitreich in seinen handschriftlichen Kriegsaufzeichnungen, „ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Lage des Reiches. Der 5. Armee stand zu Beginn der Schlacht ein einziges modernes Flugzeug zur Verfügung. Die Fliegerwaffe erlebte gerade damals eine schwere Ausrüstungskrise. Noch übler war es um die Fliegerabwehr bestellt. Tür und Tor stand den feindlichen Fliegern offen. In dieser Not bürgerte sich bei der Truppe die Tarnung ein.“
Im Be'reiche der obersten Führung machte sich die vor der Maioffensive verfügte Aufhebung des einheitlichen Kommandos für alle
Armeen der Südwestfront unangenehm fühlbar. Gewiß ließ es das Heeresgruppenkommando in Bozen an reichem Verständnis für die brennenden Bedürfnisse der Isonzoarmee in keinem Falle fehlen. Aber eine einheitliche Leitung der gesamten Verteidigung vom Ortler bis zur Adria hätte doch das Freimachen und die rechtzeitige Verschiebung von Reserven außerordentlich erleichtert. Die allerdings erst nach einiger Zeit erfolgende Wiederbetrauung des GO. Erzherzog Eugen mit dem Oberbefehl über die ganze Südwestfront sollte eines der Ergebnisse dieses ungleichen und für das öst.-ung. Heer doch so ruhmvollen Kampfes sein.
Die Ereignisse in Tirol im August 1916
Tirol wird zur Nebenfront
Nach dem Scheitern der italienischen Gegenoffensive gegen die nach Beendigung der Junikämpfe neu bezogene Front der Heeresgruppe Erzherzog Eugen im ersten Drittel des Monates Juli hatte Cadorna die Fortsetzung der Angriffe im Isonzoraume beschlossen (S. 21).
Dementsprechend verlegte die italienische Heeresleitung zunächst eine Infanteriedivision der 1. Armee und zwei Divisionen der aufgelösten 5. Armee an den Isonzo. Als dann nach dem 20. Juli der letzte Versuch der Italiener, die vor Beginn der Maioffensive innegehabten Stellungen wiederzugewinnen, gescheitert war, setzte am 27. Juli der bis dahin vorbereitete, schon geschilderte Massentransport von der Südtiroler Front zum Isonzo ein (S. 28).
Diese bedeutende Schwächung der italienischen Front im triden-tinischen Gebiet um insgesamt 23 Brigaden, die sich schon durch das Abflauen der Kämpfe und die rege Tätigkeit des Feindes im Stellungsbau angekündigt hatte, veranlaßte das Heeresgruppenkmdo. zunächst, sich neuerlich mit verschiedenen, auf größere Frontverbesserungen abzielenden Entwürfen zu beschäftigen. Derartige Unternehmungen wurden im Tonalegebiete, gegen den Pasubio, auf dem Grenzkamm südlich der Val Sugana, im Raume des Rollepasses und bei Cortina d’Ampezzo geplant.
Die am 6. August losbrechende sechste Isonzoschlacht verlegte das Schwergewicht der Kampfhandlungen auf dem italienischen Kriegstheater an den Isonzo. Die Abwehrkrise, die sich alsbald bei Görz und auf der Karsthochfläche einstellte, machte die neuerliche Abgabe von Heeresverbänden aus Tirol nötig. Das Heeresgruppenkmdo. sah sich daher gezwungen, die beabsichtigten größeren Unternehmungen auf bessere Zeiten zu verschieben.
Die öst.-ung. Heeresleitung war zu dieser Zeit in arger Bedrängnis. Noch hatte die Nordostfront nicht die harten Schläge der Brussilow-offensive überwunden; sie mußte neuer Anstürme gewärtig sein. Im Südosten meldete sich in Rumänien ein neuer Feind und am Isonzo war die Abwehr wankend geworden, die sich vorher durch fünf schwere Schlachten behauptet hatte.
Bei dieser gespannten Lage an allen Fronten mußte die Heeresleitung Verstärkungen für die schwer ringende 5. Armee vor allem der Heeresgruppe Erzherzog Eugen entnehmen.
Der naheliegende Gedanke, durch eine weitere Zurückführung der Südtiroler Front auf die Stellungen vom Mai namhafte Kräfte für den Isonzo freizumachen, wurde zwar erwogen; doch teilte GO. Conrad dem Heeresgruppenkmdo. schon am 9. August mit, daß er an eine Rückverlegung der Front der 11. Armee derzeit nicht denke. Es war hier vor allem zu berücksichtigen, daß durch eine solche Maßnahme nicht nur alle Vorteile der gegenwärtigen Stellungen für die Abwehr und für künftige Angriffsunternehmen verlorengegangen wären, sondern daß die Preisgabe so schwer errungenen Bodens auch die Zuversicht der Truppe beeinträchtigt hätte.
Das Heeresgruppenkmdo. stellte die im Laufe der sechsten Isonzoschlacht für die 5. Armee abgeforderten Verstärkungen nicht ohne Besorgnis um seine eigene Front zur Verfügung. Wohl wurden immer mehr italienische Brigaden, die bisher im Trienter Raum vermutet worden waren, an der Isonzofront wahrgenommen; doch ließ die lebhafte Tätigkeit der Italiener gegenüber dem Fleimstal erkennen, daß der Feind keinesfalls gesonnen sei, sich in Südtirol auf die reine Abwehr zu beschränken.
Die vom Heeresgruppenkmdo. in den letzten Julitagen hinter die Front gezogenen Reserven, die 2. und die 8. GbBrig., gingen zwischen dem 8. und dem 10. August zuerst an den Isonzo ab. Ihnen folgte die aus der 10. GbBrig. des Korps GdI. v. Roth und zwei Regimentern der
11. Armee zusammengesetzte Division GM. Hrozný1).
Jedoch schon am 12. August machten die Ereignisse am Isonzo die Bereitstellung einer weiteren Brigade, der 56. IBrig., nötig; am folgenden Tage verfügte des AOK. die Abgabe noch einer Division (S. 97).
Nach Durchführung der Verschiebungen erhielt diese Division die Bezeichnung als 57. ID. Die bisherige Division dieser Nummer ging in die 90. ID. auf, deren Führung mit jener des Rayons IV FML. Heinrich Goiginger übernahm.
Um diese Verschiebungen zu ermöglichen, wurde die 28. ID. des
III. Korps aus der Front gezogen und die 13. GbBrig. dem Abschnitte Val Sugana entnommen; an dieser Frontstelle wurde in der Folge auch das XVII. Korpskmdo. für den Isonzo freigemacht. Die 28. ID. setzte sich nunmehr aus der 55. IBrig. und der 13. GbBrig. zusammen. Sie rollte aber nur mit der erstgenannten ab, da die im Görzischen eingetretene
Kampfpause und das Einlangen der 44. SchD. bei der 5. Armee es er
möglichten, die 13. GbBrig. zunächst als Reserve des AOK. in Tirol zu belassen. Die Heeresgruppe Erzherzog Eugen hatte somit im Laufe des Monates August 35 Bataillone, 2Vs Schwadronen und 22 Batterien abgegeben 1).
Die Fortsetzung der italienischen Fleim staloffensive
im August 1916
Hiezu Skizze 6 der Beilage 2
Das Abgehen von Kräften auf beiden Seiten ließ im August die
Kampftätigkeit sowohl an der Tiroler Westfront wie an der Südfront auf ein Mindestmaß herabsinken. Sie beschränkte sich auf öst.-ung. Seite auf kleinere Unternehmungen im Rayon II und bei der 11. Armee, die den Zweck hatten, die Italiener zu beunruhigen und Gefangene einzubringen, um Rückschlüsse auf die Kräfteverschiebungen des Feindes ziehen zu können.
Solche Vorstöße auf dem Tonalepaß, im Pasubiogebiete, im Posina-becken, im Asticotale, zunächst der C. Maora und im Suganatal brachten insgesamt 8 Offiziere und 400 Mann sowie 9 Maschinengewehre ein. Ein nächtlicher Angriff des südsteirischen IR. 87, der am 6. August zunächst der Cra. Zebio durchgeführt wurde, fügte den Italienern herbe
1j Die Gefechtsstände der Heeresgruppe am 1. und 15. August: | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Verluste zu und lähmte ihre Annäherungsversuche an dieser empfindlichen Frontstelle1).
Das italienische Oberkommando beabsichtigte jedoch, ungeachtet seiner Vorbereitungen für die Wiederaufnahme der Offensive am Isonzo, gemäß dem seit Kriegsbeginn in Geltung stehenden Operationsentwurf Cadornas, das Vorwärtsdringen auf dem Karst durch ablenkende Angriffe in Tirol zu erleichtern, deren überraschende Einleitung die Gunst der geographischen Lage Italiens jederzeit gestattete-).
Zunächst lag der italienischen Heeresleitung nach wie vor die Wiedergewinnung des Col Santo und des Kempeirückens, die seit Mitte Juni das Ziel aller Angriffshandlungen der Italiener auf den Hochflächen gebildet hatten, am Herzen. Da diese Unternehmen aber bei den umfangreichen Vorbereitungen, die nach den bisherigen Mißerfolgen geboten zu sein schienen, spätere Zeit Vorbehalten bleiben mußten 3), entschloß sich Cadorna, zunächst den Fleimstalangriff fortzusetzen. Diese Kampfhandlung sollte vor allem die Aufmerksamkeit des Gegners vom Isonzo ablenken. Die Täuschungsabsicht führte auch zu der schon erwähnten Reise Cadornas nach Feltre (S. 26).
Schon am 2. August brach der Ansturm der italienischen 17. ID. und der Gruppe GM. Ferrari gegen das Fleimstal von neuem los. Die Angriffe galten in den folgenden Tagen zunächst den Stellungen der
9. GbBrig. zwischen dem Travignolotal, dem kleinen Colbricon (2512 m) und dem Westgipfel des Colbricon (2608 m); sie scheiterten ebenso wie die neuerlichen Angriffe, die die Brigade Tevere zwischen dem 4. und
6. August gegen den Raum des Col di Bocche unternahm.
Unter dem Eindrücke dieser Mißerfolge entschloß sich die italienische Führung, die Angriffsfront nach Westen zu verlängern und weitere Kräfte heranzuziehen, um den Durchbruch über den Fassanerkamm von Süden her zu erzwingen. So wurde das Gebirge westlich vom Colbricon, das bisnun von wenigen Landsturmkompagnien und Stand Schützenabteilungen beobachtet worden war, zum Schauplatz heftiger Kämpfe. Der Hauptkamm der Fassaneralpen streicht vom Doppelgipfel des Colbricon als Felsgrat nach Westen, sein Oberteil erhebt sich mauergleich über die Schutthalden seiner Südhänge. Den wenigen, meist über 2100 m gelegenen Scharten und den dazwischenliegenden Felsblöcken der C. di Ceremana, der C. di Cece, der C. di Valmaggiore und des
1 Ministero della guerra, Brigate di fanteria, IV vRom 1926), 293.
2) Cadorna, La guerra, II, 1.
3) Le Medaglie ď oro, II, 219.
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Coltorondo galten die nächsten italienischen Angriffe. An der Forcella di Coldosě biegt der Kamm nach Südwesten ab. Hier erheben sich die Felsköpfe der C. Busa Alta, des Gardinal und des Cauriol als Wächter des wichtigen Überganges der Sforcella di Sadole. Auch hier entbrannten im August schwere Kämpfe, die bis zum Einbruch des Winters anhielten.
Die Leitung des neuen Fleimstalunternehmens wurde wiederum dem im Cadore befehligenden italienischen 4. Armeekmdo. übertragen, dem für das einheitliche Zusammenwirken mit der nach Süden anschließenden 1. Armee das an deren Nordflügel stehende XVIII. Korps taktisch unterstellt wurde.
Der Angriff wurde in folgender Weise angesetzt. Von der verstärkten 17. ID. des IX. Korps sollte die Gruppe Obst. Garibaldi Scheinangriffe gegen die Costabella und im Tale von S. Pellegrino führen, je eine Brigade aber im Raume des Col di Bocche und südlich des Travig-nolotales angreifen. Die Gruppe GM. Ferrari wurde aus diesem Abschnitte herausgezogen und weiter westlich gegen den Kamm zwischen der Forcella di Cece und der Forcella di Coldosě eingesetzt. Zu ihren drei Regimentern gesellten sich noch sieben Bataillone der 15. ID. des XVIII. Korps, die sich im Verlaufe des Monates August von Süden her in die Val Cia herangeschoben hatten. Es waren insgesamt 32 italienische Bataillone, die in der zweiten Augusthälfte zum Angriffe gegen den Südteil der Fleimstalfront vorgeführt wurden.
Hier stand auf öst.-ung. Seite die 90. Division. Auf ihrem Westflügel hatte die 55. GbBrig. den Kamm vom Montalon bis zur C. di Cece mit drei Bataillonen und 830 Standschützen besetzt; von dort bis zur Höhe Lu-sia (2491m) hielt die 9. GbBrig. mit sechs Bataillonen und 140 Standschützen. Vom Col di Bocche bis zum P. le Seile stand die Gruppe Obst. Covin mit vier Bataillonen und 670 Standschützen. Der Nordflügel der 90. ID., die 179. IBrig., nahm an den nun aufflammenden Kämpfen nicht teil.
Die Kampfhandlungen an der Fleimstalfront wurden am 18. August durch eine erfolgreiche Unternehmung der Gruppe Obst. Covin eingeleitet, die eine Verbreiterung der keilartig vorspringenden Bocchestellung zur Folge hatte. Waren hiedurch an dieser Frontstelle günstigere Vorbedingungen für die weitere Abwehr geschaffen, so bereiteten die immer deutlicher wahrnehmbaren Vorbereitungen der Italiener zu einem Stoß gegen den Fassanerkamm der öst.-ung. Führung bei der Schwächung der Fleimstalfront durch das Abziehen der 10. GbBrig. ernste Sorgen. Truppenanmärsche und reger Kraftwagenverkehr im Vanoital, das lang-samé Heranschieben italienischer Abteilungen entlang der Kämme der Tognola und der Fossernica, das durch Kämpfe im Vorgelände der Stellungen tunlichst verzögert wurde, ließen das neue Vorhaben der Italiener klar erkennen.
Schwächliche italienische Vorstöße, die am 22. August im Travig-nolotal und im Gebiete des Colbricon unternommen wurden, sollten die Aufmerksamkeit des Verteidigers ablenken, der indes alle verfügbaren Truppen an das bedrohte Frontstück verschoben hatte, um die schüttere Beobachtungslinie wenigstens an den wichtigsten Stellen zu versteifen.
Der italienische Angriff setzte am 23. August ein und richtete zunächst seine Wucht gegen die Front von der C. di Ceremana bis zum Coltorondo. Alle Anläufe der Gruppe GM. Ferrari blieben jedoch an diesem Tage und an dem folgenden trotz der eingesetzten großen Artilleriemasse vergeblich. Nun verlegten die Italiener ihre Versuche, eine Bresche in die Fleimstalfront zu reißen, vom 25. August angefangen weiter westlich in den Raum des Cauriol, gegen den drei Bataillone angesetzt wurden.
Dieser Berg weist nach Norden steile Felswände auf, während seine Südwest- und Südosthänge die Annäherung begünstigen. Als Bruchpunkt der Front war der Cauriol überdies dem zusammengefaßten Artillerie -feuer des Angreifers stark ausgesetzt. So konnten sich die Italienertrotz hartnäckigster Gegenwehr der Besatzung, die auf dem beengten Raum schwere Verluste erlitt, bis zum 28. August gegen die Bergspitze und die nördlich anschließende Scharte bis in die toten Räume unmittelbar vor den öst.-ung. Stellungen heranarbeiten. Schließlich gelang es ihnen am Abend dieses Tages, die schwache Gipfelbesatzung zu überwinden, der wegen des lückenlosen Sperrfeuers keine Verstärkungen zugeführt werden konnten1). Wohl gelang es den herbeieilenden Reserven, die Einbruchsstelle abzuriegeln und die Cauriolscharte zu behaupten, so daß der Raumgewinn der Italiener sich in bescheidenen Grenzen hielt; aber der Verlust des Cauriol war für die Verteidigung doch sehr von Übel. Von diesem Beobachtungspunkt, der in Luftlinie 8V2km von Predazzo entfernt ist, gewannen die Italiener nunmehr Einblick in alle Vorgänge im Fleimstal und konnten Ortschaften und Straßen mit beobachtetem Fernfeuer belegen. Daher faßte GdI. Roth den Entschluß, die Wiedereroberung dieser Bergspitze zu versuchen. Die durch Ablösungen für
x) Die Gipfelstellung war von einem Offizier und 40 Mann des niederösterreichischen IR. 49 besetzt. Hievon fielen 11 Mann, 4 Schwerverwundete blieben in Feindeshand, 20 Verwundete wurden geborgen (Ehrenbuch der Hesser, II, 260>.
den Gegenstoß gewonnenen drei Bataillone seines Korps verstärkte das Heeresgruppenkmdo. durch drei Bataillone der 11. Armee, zum Teile Kaiserschützen. Jedenfalls war die Lage im Rayon IV zu Ende August keineswegs gefestigt.
Auch im Rayon V glückte den Italienern östlich der Talstraße Tob-lach—Cortina d’Ampezzo ein örtlicher Erfolg. Hier gingen am 29. August zwrei Kompagnieabschnitte in den steilen, bewaldeten Foramehängen verloren. Südslawische Überläufer hatten dem Feinde den Weg gewiesen. Die Einbruchsstelle w'urde zwar bald abgeriegelt, die Wiedergewinnung der verlorenen Stellung mußte aber wegen des Mangels an gebirgs-gewohnten Truppen und der Bindung aller Reserven an der Fleimstal-front unterbleiben.
An den anderen Frontteilen des Korps Roth dauerte im August der Kleinkrieg fort. Im Gebiete des Col di Lana gelang es einer öst.-ung. Abteilung am 5. August, in überraschendem Anlauf den heißumstrittenen Gratstützpunkt (Bd. IV., S. 304) zu nehmen; doch konnte er gegen die Übermacht der herangeführten italienischen Reserven und im zusammengefaßten Massenfeuer der feindlichen Artillerie nur bis zum 7. August behauptet werden.
DAS RINGEN IM OSTEN VON ENDE JULI BIS ENDE AUGUST
Die Entwicklung der Kriegslage, zumal die schweren Rückschläge von Łuck und Okna, hatten naturgemäß auch im Innern des Habsburgerreiches den tiefsten Eindruck hervorgerufen. Das Überraschende des Geschehnisses, die Größe der Katastrophe und der Verluste, über die selbstverständlich noch stark übertreibende Gerüchte im, Umlauf waren, und die wachsende militärische Abhängigkeit von Deutschland, die sich aus der Unvermeidbarkeit starker deutscher Hilfeleistung im Nordosten ergab, wirkten in wechselnder Form, je nach Einstellung zu Staat und Nation, auf die Stimmung zurück. Schärfste Kritik richtete sich gegen die Führung. Im ungarischen Parlament hieß es einstimmig: „Die Übelstände haben mit wenigen Ausnahmen in der Führung ihre Wurzel!“ Nicht anders dachte man diesseits der Leitha. Es genügte der öffentlichen Meinung nicht, von der Enthebung dieses oder jenes Unterführers zu erfahren. Auch die Stellung des Armeeoberkommandos und namentlich des Chefs des Generalstabes erhielt einen empfindlichen Stoß. Als eine Woche nach der Katastrophe bei Łuck der Kaiser einen der Generale seiner Umgebung, den FML. Ritt. v. Marterer, nach Teschen entsandte, da wähnten eingeweihte Kreise die Stunde Conrads schon für gekommen. In der Tat wurde damals der Höchstkommandierende von Bosnien, GdI. v. Sarkotić, gefragt, ob er gesonnen sei, den Posten des Generalstabschefs zu übernehmen, und eine ähnliche Anfrage ist wohl auch an den Befehlshaber der Isonzofront, GO. Boroevic, ergangen. Der Gedanke, Conrad zu entheben, kam bis in den Herbst hinein nicht zum Schweigen. Noch am 25. September brachte ihn der Kaiser gegenüber dem Erzherzog-Thronfolger zur Sprache *), und dieser dachte dabei an die Generale Alfred Krauss, v. Arz und v. Csicserics, widerriet aber schließlich doch einem so einschneidenden Wechsel, der nicht zuletzt auch deshalb unterblieb, weil der hochsinnige Armeeoberkommandant FM. Erzherzog Friedlich seinem Generalstabschef auch in den Stunden des Mißgeschickes die Treue unverändert bewahrte.
Die Einbuße an Vertrauen, unter der die nie sonderlich beliebte Heeresleitung seit Łuck zu leiden hatte, hatte inzwischen auch in der
]) Werkmann, Deutschland als Verbündeter (Berlin 1931), 87 f.
bereitwilligen Unterstützung Ausdruck gefunden, die von den maßgebenden Kreisen in Wien und Budapest den reichsdeutschen Bestrebungen nach- Schaffung der „Hindenbürg-Front“ im Osten und einer Obersten Kriegsleitung, an deren Spitze der Deutsche Kaiser treten sollte, geliehen wurde.
Die Frage einer Betrauung des GFM. v. Hindenburg mit dem Oberbefehl über die ganze Ostfront bildete bereits zu Anfang des Monats Juli einen wichtigen Punkt des diplomatischen Schriftenwechsels zwischen Wien und Berlin1). Dabei erfuhr man allerdings schon am 4. Juli auf dem Ballhausplatz, daß die in Berlin erörterte Absicht nicht zuallerletzt auch darauf hinauslief, den Einfluß des Generalstabschefs, GdI. Erich v. Falkenhayn, auf die Kriegführung beträchtlich zurückzudrängen2). In der Tat war auch die Stellung Falkenhayns, und zwar nicht erst seit kurzem, stark ins Wanken geraten. Der General selbst leitet in seinen Tagebuchaufzeichnungen diesen Verlust an Geltung vor allem auf die Gegnerschaft des Reichskanzlers Bethmann-Holhveg zurück, die von einem im Mai 1916 entstandenen Meinungsstreit über die Führung des U-Bootkrieges ausgegangen war. Gewiß ist aber, daß Falkenhayn seither auch das Vertrauen der Armee und der gesamten reichsdeutschen Öffentlichkeit in erheblichem Maße verloren hatte, indes der greise Recke Hindenburg immer mehr zum „Heros der Nation“ emporwuchs, als den ihn der Deutsche Kaiser bei Gelegenheit an den Stufen des Domes von Kowno feierte. Im übrigen fühlte Falkenhayn selbstverständlich sehr gut heraus, was das Bemühen, die Person des Feldmarschalls stärker in den Vordergrund zu stellen, für ihn bedeute. Zwar machte er sich auf Befehl seines Obersten Kriegsherrn zum Dolmetsch der jenem Bemühen entspringenden Wünsche; aber sein Bedauern war sicherlich nicht allzu groß, als Conrad bei der Besprechung in Berlin am 18. Juli (IV. Bd., S. 644) den Plan, eine von der Ostsee bis zur rumänischen Grenze reichende Hindenburg-Front zu schaffen, die unmittelbar der DOHL. unterstellt sein sollte, entschieden zurückwies.
Auch Kaiser Franz, Joseph und sein Außenminister Burián pflichteten diesem Verhalten Conrads bei. Wohl war erst einige Tage zuvor in einer Konferenz unter dem Vorsitze des Herrschers „die Opportunität einer Vereinheitlichung der Kommandoführung an der gesamten Ostfront“ besprochen worden; diese Vereinheitlichung sollte es ermöglichen, „von einer Zentralstelle aus über die gesamten Truppen der
x) Akten des Haus-, Hof- und Staatsarchivs.
2/ Z w e h 1, Erich v. Falkenhayn (Berlin 1926;, 210 ff.
Abwehrfront ohne zeitraubende Zwischenverhandlungen zu disponieren“1). Als diese Zentralstelle dachte man sich das Oberkommando Hindenburg; aber die völlige Ausschaltung der öst.-ung. Heeresleitung bei der Kriegführung gegen Rußland lag dabei doch nicht im Sinne der Wiener Kreise. Der Ballhausplatz hing vielmehr der etwas unklaren Lösung nach, daß Hindenburg als Oberbefehlshaber der gesamten Ostfront irgendwie dem Erzherzog Friedrich persönlich, unter mehr oder minder scharfer Ausschaltung Conrads, unterzuordnen wäre2). Diesen Vorschlägen gegenüber vertrat Erzherzog Friedrich die Meinung, daß es am richtigsten wäre, Hindenburg beiden Heeresleitungen gemeinsam zu unterstellen.
Unterdessen war aber in der zweiten Julihälfte die Spannung an der russischen Front noch beängstigend gewachsen, und gleichzeitig wurde das Verhalten Rumäniens von Tag zu Tag bedrohlicher. Zwischen dem Pripiatj und den Karpathen standen bereits, mit den k.u.k. Truppen eng vermengt, achtzehn deutsche Divisionen, und weitere mußten folgen, zumal dann, wenn Rumänien ernst machte. Nun wandte sich am 23. Juli der Deutsche Kaiser aus dem Hauptquartier Charleville an seinen öst.-ung. Bundesgenossen: „Die Vorgänge auf unserer gemeinsamen Ostfront veranlassen mich, morgen auf einige Tage nach Pleß zu fahren, wohin ich mir den Feldmarschall Hindenburg bestellt habe. Ich bitte Dich, auch dem Erzherzog Friedrich und dem General von Hötzen-dorff 3) zu gestatten, mich dort zu einer Besprechung aufzusuchen. Die Lage im Osten erscheint mir so ernst, daß man entsprechende Maßnahmen erwägen muß, zu welchen ich alsdann Deine Genehmigung erbitten werde.“
An dem gleichen Tage trat GdI. Falkenhayn an seinen öst.-ung. Kollegen mit dem überraschenden Vorschlag heran, er möge zustimmen, daß Hindenburg statt des Befehles über den Nordflügel der Ostfront, den er zur Zeit noch führte, den über die Front zwischen Pripiatj und Dniester übernähme. Conrad, der eben von einer Audienz aus Wien zurückgekehrt war, erklärte sich bereit, die Annahme dieses Vorschlages bei seinem Monarchen zu befürworten. Kaiser Franz Joseph gab am 24. seine Zustimmung. Nunmehr erhob aber Hindenburg Einspruch, für
t) Burián an seinen Vertreter beim AOK., Gf. Thum, Wien, am 18. Juli 1916, 6h 30 abends (Haus-, Hof- und Staatsarchiv).
2) Gesandter Freih. v. M u s u 1 i n an den Stellvertreter Thurns, Ritt. v. Wies-n e r, Wien, am 22. Juli; Thum an Burian, Teschen, am gleichen Tage ebenda).
3) Schreibweise des Telegramms für Conrad v. Hötzendorf.
den die vorgeschlagene Lösung eher eine Kaltstellung, denn einen Geltungszuwachs bedeutet hätte, was ja wirklich nicht der Zweck der Maßnahme gewesen wäre. Der Plan wurde fallen gelassen1).
_ Am 26. kam Falkenhayn bei einem Besuche in Teschen auf seine ersten Vorschläge zurück. Dem Feldmarschall sei die ganze Ostfront zu unterstellen, er wäre an die Befehle der DOHL. zu weisen, die ihrerseits nichts Entscheidendes ohne Zustimmung Teschens verfügen werde. Conrad lehnte diese Vorschläge, in denen der deutsche Staatssekretär v. Jagow nur den Versuch Falkenhayns erblickte, die ganze Frage durch Überspannung der Ziele zum Scheitern zu bringen 3), abermals nachdrücklich ab. Er sei „von seinem Kaiser nur ermächtigt, auf Grundlage des früheren Vorschlages zu verhandeln. Die bisherige Art der Befehlsführung durch die beiden Fleeresleitungen hätte sich bewährt. Bei aller Verehrung für Hindenburg würde seine Ernennung doch im k.u.k. Heere als erneute Bevormundung beurteilt werden und an Stelle der erhofften Begeisterung Mißmut und Unbehagen erwecken. Vor allem würden die slawischen Nationalitäten sich dagegen wenden und ihre Behauptimg, der ganze Krieg wäre nur ein Kampf zwischen Slawen-und Deutschtum, in schädlich gesteigerter Form wiederholen. Er persönlich wäre in keiner Weise gekränkt, als Generalstabschef aber verpflichtet, sich für das Prestige der Monarchie, der Armee und des AOK. unbedingt einzusetzen3).“
Der Armeeoberkommandant Erzherzog Friedrich berichtete, sachlich und frei von persönlichen Empfindlichkeiten wie immer, dem Kaiser am 27. zu Schönbrunn über diese neuerliche Auseinandersetzung der beiden Generalstabschefs. Der 86jährige Herrscher vermochte sich des Eindruckes nicht zu entziehen, daß der deutsche Vorschlag in der letzten Form zu weit ginge. Er ließ dies am 27. die Heeresleitung durch eine Depesche des GO. Freih. v. Bolfras wissen: „Wenn Seine Majestät erhabensten Sinnes auch das Wohl der gemeinsamen Sache über jede Prestigefrage stellen und somit geneigt sind, jeden Vorschlag deutscherseits, der eine gedeihliche Regelung der Kommandofrage an unserer Nordostfront herbeizuführen vermöchte, anzunehmen, so erachte Aller-höchstdieselbe doch, daß in der von Seiner Majestät dem Deutschen
x) C r a m o n. Unser österreichisch-ungarischer Bundesgenosse im Weltkriege. (2. Aufl., Berlin 1922 , 66 ff. - - F a 1 k e n h a y n, Die Oberste Heeresleitung 1914—1916 in ihren wichtigsten Entscheidungen (Berlin 1929), 229 f.
2) Thurn an Burián, Teschen, 27. Juli (Haus-, Hof- und Staatsarchiv).
3) Cramon, Bundesgenosse, 68.
Kaiser angeregten Besprechung zu Pleß erst die beiderseitigen Meinungen eingehendst erörtert werden sollen und daraufhin eine Vereinbarung getroffen werden kann.“
Am 27. Juli fanden sich der Deutsche Kaiser, der Erzherzog Friedrich, die deutschen Staatsmänner Bethmann-Hollweg und Jagow sowie die Generale Hindenburg, Conrad und Ludendorff im Hauptquartier zu Pleß zur Lösung der Frage ein. Falkenhayn blieb, sich unwohl meldend, in seiner Wohnung1). Conrad stattete ihm, nachdem er an einer kurzen Beratung der anderen Persönlichkeiten teilgenommen hatte, einen Besuch ab, bei dem eine mögliche Ausgleichslösung verabredet wurde. GFM. Hindenburg, der sein Heeresgruppenkommando an den GO. v. Eichhorn abzugeben hatte, erhielt zwar nicht den Oberbefehl über die ganze Ostfront, wohl aber, da ihm die Heeresgruppen Eichhorn, GFM. Prinz Leopold von Bayern und GO. v. Linsingen sowie die k.u.k. 2. Armee unterstellt wurden, die Führung des größten Teiles dieser Front. Er sollte seine Weisungen von derDOHL. empfangen, die sich verpflichtete, für die Abschnitte südlich vom Pripiatj keine Befehle ohne Zustimmung des k.u.k. AOK. ergehen zu lassen. Außerdem sicherten Falkenhayn und Hindenburg zu, bei den für den Raum nördlich vom Pripiatj bestimmten Verfügungen „nach Möglichkeit“ stets auch auf die Heeresfront des Erzherzogs Karl Franz Joseph Rücksicht nehmen zu wollen, die auch weiterhin unmittelbar an die öst.-ung. Heeresleitung gewiesen blieb. Diese nahm die Pflicht auf sich, bei Verwendung der Streitkräfte des Erzherzogs „den Absichten des GFM. v. Hindenburg tunlichst Rechnung zu tragen“. Jedes der beiden Hauptquartiere behielt sich das Recht vor, Truppen von der Heeresfront Hindenburgs nach einem anderen Kriegstheater zu verschieben, wenn dies unerläßlich sein sollte. Kaiser Franz Joseph genehmigte am 29. Juli diese Abmachungen. Um ihr Zustandekommen hatte sich vor allem der Armeeoberkommandant Erzherzog Friedrich verdient gemacht, der inmitten der schon allenthalben fühlbar gewordenen Nervosität „immer gleiche Ruhe und Zuvorkommenheit gegen jedermann“ bewahrt hatte2). Die Lösung, die er, wie schon erwähnt, selbst ursprünglich erwogen hatte: Schaffung einer Hindenburg-Front, die beiden Heeresleitungen unterstellt gewesen wäre, hätte allerdings sachlich manchen Vorteil aufzuweisen gehabt.
!) Thurn an Burián, Teschen, 28. Juli mittags (Haus-, Hof- und Staatsarchiv).
2) Prinz Gottfried zu Hohenlohe, öst.-ung. Botschafter in Berlin, an Burián, Berlin, 31. Juli (ebenda).
Hiezu Beilage 4 Angriffe der Armee Lesch (28. Juli bis 3. August)
Als die Versuche der Stawka, einen ausschlaggebenden Erfolg über das deutsche Ostheer davonzutragen, im ersten Halbjahre 1916 ganz und gar fehlgeschlagen waren, hatte sich der Generalstabschef GdI. Alexejew entschlossen, das Schwergewicht des Zarenheeres in den Raum südlich vom Pripiatj zu verlegen und durch einen großangelegten Angriff der Südwestfront, der in einem Gewaltstoße auf Kowel gipfeln sollte, die Entscheidung anzustreben (Bd. IV, S. 609, 615 und 643). GdK. Brussilow hatte für den Beginn seiner Offensive den 28. Juli ausersehen (Bd. IV, S. 658). Den sechs russischen Armeen mit rund 69 Divisionen (ohne Reichswehrverbände) konnte die öst.-ung. Heeresleitung, einschließlich der in taktischer Hinsicht an die Befehle Linsingens gewiesenen deutschen Gruppe des GdA. v. Gronau, etwa 62 Divisionen, darunter 20 deutsche, entgegenstellen. Der Kräfteunterschied war mithin, nur nach den Kampfeinheiten gemessen, nicht erheblich. Das Verhältnis verschob sich aber doch bedeutend zum Vorteile der Angreifer; denn einer vollwertigen russischen Division zu 16 Bataillonen traten die Mittelmächte nur mit Divisionen zu 9 bis 12 Bataillonen entgegen. Vor allem aber hatte sich Brussilow durch die Verteilung seiner Streitkräfte an den Druckpunkten der Front, namentlich vor Kowel, eine fühlbare örtliche Überlegenheit gesichert (Bd. IV, Beilage 27). Bei der Heeresgruppe Linsingen, die den stärksten Anprall des Feindes erwarten mußte, standen 30 Divisionen (darunter 15 deutsche) gegen 33 der Russen. Vor den vier Divisionen der Gruppe GLt. Freih. Walter v. Lüttwitz und den nächsten zwei des GdK. v. Bernhardi hatte jedoch der Feind eine Masse von zehn Infanterie- und drei Kavalleriedivisionen zusammengeballt.
Brussilow hatte der 3. Armee des GdI. Lesch im Rahmen der am
28. Juli einsetzenden Offensive der Südwestfront zwei Aufgaben zugewiesen: die Deutschen bei Pinsk durch einen Zangenangriff abzuschnüren und mit der Hauptkraft über den Stochod auf Kowel vorzubrechen. Für das Unternehmen des Nordflügels wurden von der benachbarten Armee des Gen. Ragosa zwei Korps herangezogen, die am 28. aber noch nicht völlig bereitgestellt waren. So hob sich die Gefechtstätigkeit bei der Gruppe Gronau auch am nächsten Tage noch nicht sonderlich; die Versammlung des III. russ. Korps südlich vom Pripiatj und des IV. sib. nördlich des Flusses blieb aber den deutschen Führern nicht verborgen, so daß sie die Absichten des Feindes leicht durchschauen konnten. Zur Verstärkung Gronaus fuhr die l.LD. heran. GO. v. Woyrsch rechnete ja seit dem 29. Juli, nachdem der jüngste Durchbruchsversuch der Russen bei Baranowicze wieder gescheitert war (Bd. IV, S. 625 f.), für die nächste Zeit nicht mehr mit einem großangelegten Angriffe, sondern höchstens mit örtlichen Teilvorstößen des Feindes. Die deutsche Führung hielt es daher für zulässig, von den Kräften der Armee Woyrsch an die jetzt arg bedrängten südlichen Abschnitte Truppen abzugeben.
Am 30. leiteten die Russen ihren Angriff vornehmlich gegen die 81. und die 82. RD. mit einem kräftigen Artilleriefeuer ein und begannen mit Teilen des XXXI. Korps den Pripiatj von der Stochodmün-dung flußabwärts zu überschreiten. Das IV. sib. Korps setzte sich gegen die deutschen Stellungen am Oginskikanal in Bewegung1). Doch die Angreifer vermochten keine Erfolge zu erzielen. Abends sah sich die DOHL. im Zuge der Neuregelung der Befehlsbefugnisse an der ganzen Ostfront veranlaßt, die allzu ausgedehnte Heeresgruppe Linsingen, die vor Kowel in die erbittertsten Kämpfe verstrickt war, von der Obsorge um Pinsk zu entlasten. Zur einheitlichen Abwehr des Feindes in diesem Frontvorsprung war die Heeresgruppe Prinz Leopold eher berufen; ihr wurde daher die Gruppe Gronau unterstellt.
Vor dem Reiterkorps des GdK. Freih. v. Hauer zeigte sich der Feind gleichfalls erst am 30. Juli etwas regsamer. Die den Nordflügel bildende bayr. KD. warf Russenpatrouillen, die über den Stochod vorfühlten, zurück. Bis Mitte August blieb Hauers Abschnitt von ernstlichen Angriffen verschont.
Gegen die ganze Front der Armeegruppe Bernhardi eröffnete der Feind am 28. früh ein vorbereitendes Artilleriefeuer. Zur Leitung der Gegenwehr bestanden im Korps des GdI. Fath zwei Befehlsbereiche. Im nördlichen Verteidigungsabschnitte, der am Loknicabache an das Reiterkorps Hauer anschloß und bis Smolary reichte, führte GLt. Clausius seine deutsche und die vom GM. v. Pongrácz befehligte öst.-ung. 53. Division. Im südlichen Abschnitte, der dem bayr. GLt. Ritt. v. Kneußl unterstellt war, standen: von Smolary — hier war ein Bayernbataillon
1) Klembów ski, Strategische Studie über den Weltkrieg 1914—1918 (in russ. Sprache, Moskau 1920), 82.
eingesetzt — bis zur Bahnstrecke Sarny—Kowel die 45. SchD., GM. v. Stöhr, mit der 90. SchBrig., sodann die 26. SchD., GM. Edl. v. Wieden, deren 52. Brigade die Bahnübersetzung bewachte, ferner vor Hulewicze zwei Bataillone der ll.bayr. ID. und endlich bis zur Korpsgrenze zwei Brigaden der Polenlegion. Die 89. SchBrig. war hinter der 45. SchD. als Korpsreserve ausgeschieden; die restlichen Bayernbataillone standen ebenfalls als Eingreiftruppen zur Verfügung. 1
Der Geschoßhagel der feindlichen Batterien machte sich besonders im Abschnitte südlich des Schienenweges, dann bei Smolary und im Raume Stobychwa—Zarecze fühlbar. Hier hatten sich die Russen seit den letzten Kämpfen um die Stochodübergänge (Bd. IV, S. 612 f.) einen kleinen Brückenkopf auf dem Westufer bewahrt. Wo der Hauptansturm des Feindes erfolgen würde, war zunächst noch nicht zu erkennen. Für alle Fälle Keß GdI. Fath im Einverständnis mit Bernhardi die Heeresgruppenreserve (51. SchBrig.) für einen etwaigen Einsatz südlich oder nördlich der Bahn bei Powursk bereitstellen. GdK. Bernhardi zog dorthin überdies zwei bayrische Bataillone aus Mielnica heran. Die 2. poln. Brigade hatte er schon am Vortage als Reserve hinter den Polenabschnitt überwiesen. Hier flaute indes das feindliche Geschützfeuer bald ab.
Hingegen schritten die 4. finn. SchD. und Teile des I. turk. Korps, während weittragende Geschütze und bombenwerfende Flieger den Ort Powursk heimsuchten, vormittags zwischen Hulewicze und dem Bahnstrange zum Angriff1). Die an den linken Flügel der Polenlegion anschließenden Bayern leisteten aber kräftigen Widerstand und behaupteten auch den als vorgeschobenen Stützpunkt jenseits des Stochod eingerichteten Gutshof Hulewicze 2).
Ein aufregender Kampf entbrannte im Abschnitte der 26. SchD. um die bei der gesprengten Bahnbrücke auf dem Ostufer angelegte Brückenschanze, die mit der Hauptstellung des Westufers durch einen Laufsteg verbunden war3). Mittags überwältigten die Russen die gelichtete, vom SchR. 9 gestellte Besatzung in der zertrümmerten Befestigung; nur wenige der tapferen Verteidiger entkamen auf das Westufer. Ein Nachdrängen wurde aber dem Feinde entschieden verwehrt. Durch wirksames Minenwerfer- und Mörserfeuer wurden die Eroberer aus der Ostschanze
v) Klembów ski, 81.
-) Stengel, Das k. bayr. 3. Infanterieregiment (München, 1924), 74 ff. — Mayer, Das k. bayr. 22. Infanterieregiment (München, 1923), 62 ff.
3) Wisshaupt, Die 52. Landwehrinfanteriebrigade im Weltkrieg 1914—191S (Reichenberg 1928), 408 ff.
wieder hinausgeschossen, worauf sich darin eine kühne Schar Neunerschützen nochmals festsetzte; doch war der heißumstrittene Stützpunkt dauernd nicht zu halten, weshalb in der Nacht der Verbindungssteg gesprengt wurde.
Während diese Kämpfe südlich der Bahnlinie im Gange waren, hatte der Feind den ganzen Korpsbereich nördlich davon weiter unter Feuer gehalten. Am jenseitigen Stochodufer war viel Bewegung zu beobachten; GLt. Clausius gewann den Eindruck, daß sich der Russe zu einem starken Angriffe gegen Zarecze anschicke. Die 53. ID. meldete erhebliche Schäden ihrer Stellungen. Mittags fühlten Russenabteilungen gegen die 45. SchD. vor. Um allen Möglichkeiten begegnen zu können, bedachte GdI. Fath die bedrohten Abschnitte mit ausreichenden Reserven. Er konnte dies beruhigt tun, weil sich die Verteidiger der ersten Linie südlich des Schienenweges bisher allen Anstürmen aus eigener Kraft gewachsen gezeigt und noch keine Verstärkung gebraucht hatten. So wurde nachmittags dem GLt. Kneußl auf seine Bitte aus der Korpsreserve das SchR. 33 für die 45. SchD. zur Verfügung gestellt und aus Powursk das SchR. 12 nach Norden an die Naht der Gruppen Kneußl und Clausius hinter den Raum Smolary geschoben, wo überdies zwei bayrische Bataillone lagen. Das dort befindliche SchR. 18 zog GLt. Clausius sodann nebst anderthalb deutschen Bataillonen bei Stobychwa als Rückhalt für die 53. ID. in den Raum Zarecze. Mittlerweile hatte GM. Stöhr einen Vorstoß der Russen schon östlich vom Stochod zum Stehen gebracht. Der Südflügel der 53. ID. wehrte ebenfalls nördlich von Smolary Angreifer ab; doch konnten sie vom Westufer nicht vertrieben werden. Bei Zarecze störte feindliche Artillerie auch noch in der Dunkelheit das Ausbessern der zerschossenen Widerstandsanlagen. Der Tag hatte der 3. Russenarmee keine greifbaren Erfolge eingetragen; dem Korps Fath war die Abwehr ohne Einsatz der Reserven gelungen.
Am 29. wiederholten sich die Angriffe der Russen1). Nur der Polenabschnitt am Südflügel Faths blieb unbehelligt; GdK. Bernhardi zog die 2. Polenbrigade wegen der Vorgänge beim Nachbarkorps FML. Kaiser wieder nach Mielnica ab. Die 1. turk. SchD. hatte über Nacht das von den Wasserarmen der Stochodniederung gebildete Inselgewirr bei Hulewicze besetzt und fiel im Laufe des Tages die Bayern und die Schützen des GM. Wieden heftig an, wurde aber blutig abgewiesen. Schließlich verjagte der Gegenstoß eines Bayernbataillons die sich am Westufer einnistenden Turkestaner. Nördlich der Bahn trach-
x) Klembów ski, 82.
teten das XLV1. Russenkorps (77. ID. und 100. RD.) sowie die 78. ID. die Stochodlinie der Verbündeten durch wuchtige Stöße zu durchbrechen. Im Bereich der 45. SchD. behauptete jedoch das SchR. 17 seine arg hergenommenen Stellungen in ihrer ganzen Ausdehnung. Vor Smolary, das bis in die Nacht hinein zu einem Brennpunkt des Kampfes wurde, vereitelte die Gruppe des bayr. Obst. Großmann alle Anstrengungen des Feindes. Desgleichen scheiterten die gegen den anschließenden Südflügel der 53. ID. (128. LstlBrig.) anrennenden Russenmassen an der standhaften Haltung der Landstürmer. Der Abschnitt der Division Clausius bis Bol. Obzyr wurde durch feindliche Batterien niedergehalten, Stobychwa mit Gasgeschossen belegt.
Nachmittags stießen die Russen aus ihrem Brückenköpfe östlich von Zarecze gegen die Mitte der 53. ID. vor, eroberten den Ort und durchbrachen damit die Verteidigungslinie der k. u. 127. LstlBrig.1). Ihr Führer, GM. Tanárky, setzte mit drei Bataillonen von Westen her zum Gegenschlag an; unterdessen hatte sich aber der Feind von Zarecze auch nach Süden ausgebreitet und dort eine Sandwelle besetzt. Die 128. LstlBrig. mußte daher ihren linken Flügel hinter diese Bodenwelle zurückbiegen. Die Aufgabe, den Feind von der Sanddüne zu vertreiben und die Lücke zwischen beiden Brigaden zu schließen, fiel der Korpsreserve, dem SchR. 18, zu, dem ein Bayernbataillon aus Cerkowka als Rückhalt folgte. Die Gruppe Tanárky und das SchR. 18 gewannen aber nur mühsam Raum, so daß sich GdI. Fath genötigt sah, der 53. ID. noch das 89. SchBrigKmdo. mit dem SchR. 12 aus Cerkowka, ohne Rücksicht auf den vor Smolary tobenden Kampf, zuzusenden, und als Ersatz das 51. SchBrigKmdo. mit dem SchR. 11 aus Pow'ursk heranzuziehen. Bis zum Abend hatte die Gruppe Tanárky mit Hilfe zweier Bataillone der Division Clausius und des bayrischen Bataillons den Westrand von Zarecze erreicht. Den Einbruchsraum des Feindes umschloß ein nicht ganz lückenloser Kranz verbündeter Truppen. GdI. Fath wies darauf hin, daß die Front wiederhergestellt werden müsse, bevor sich der Feind verstärkt habe. GdK. Bernhardi überwies für den nächsten Tag dem GLt. Clausius zwei in Grywiatki eben eintreffende deutsche Landwehrbataillone; überdies sollte dieser ein Bataillon sächsischer Landwehrinfanterie von seinem Nordflügel heranziehen.
Am 30. Juli mit Tagesanbruch wurde der Gegenangriff wieder auf!) Wisshaupt, Aus den Kämpfen des Korps GdI. Fath bei Stobychwa— Zarecze Juli 1916 (Öst. Wehrzeitung, Folgen 15, 31, 32 von 1926). Geschichte des 1. Ermländischen Infanterie-Regiments Nr. 150 (Zeulenroda 1932), I, 271 ff.
genommen. Doch schon um 6h früh trat ein Rückschlag ein. Die Russen, die den rechten Flügel der Division Clausius bei Stobychwa anfielen, stießen gleichzeitig südlich des Stobychwabaches vor und brachten den linken Flügel der Gruppe Tanárky ins Wanken. Die deutschen Nachbarn und ein Bataillon des SchR. 11 halfen mit, die Front wieder zu festigen. Bis aber alle im Halbkreise um Zarecze stehenden Truppen zu einem frischen, einheitlichen Vorgehen geordnet und die anrückenden Verstärkungen (zwei Bataillone des deutschen LIR. 33 :) aus Grywiatki und ein Bataillon Sachsen des GLt. Clausius) eingelangt waren, wurde es Nachmittag. GM. Tanárky erhielt vom 53. IDKmdo. den Befehl über die im Abschnitte vom Sandhügel bis zur Stobychwaniederung gebildeten drei Angriffsgruppen. Obst. v. Habermann (89. SchBrigKmdo.) sollte die Sanddüne, die Mittelgruppe Obst. Olbrich die früheren Stellungen bei Zarecze wiedergewinnen und Obst. Rustler (51. SchBrigKmdo.) den südlich des Stobychwabaches vorgedrungenen Feind zurückwerfen. Insgesamt waren dazu mit den zusammengeschmolzenen Resten der 127. LstlBrig. etwa zwölf Bataillone verfügbar. Um 4h nachm. begann der Kampf. Doch die Ergebnisse waren gering. Die Nordgruppe vermochte teilweise die alten Gräben zu erobern, die Mittelgruppe gegen Zarecze etwas vorzurücken; dazwischen aber behaupteten sich die Russen in zäh verteidigten Stützpunkten. Gegen die Sanddüne war man überhaupt nicht vorwärts gekommen. Der kräftige Widerstand des Feindes wurde erklärlich, denn die eingebrachten Gefangenen gehörten Regimentern zweier Divisionen (77. und 78. ID.) an. Der Korpsführer, GdI. Fath, wies den GM. Pongrácz an, vor der Fortsetzung des Angriffes den Feind mit einer lückenlosen Front zu umspannen und ihm sodann vor allem die Sandhügelstellung zu entreißen.
Die während des Tages gegen die Gruppe Kneußl geführten Vorstöße der Russen — offenbar Ablenkungsversuche — konnten durch Feuer erstickt werden.
Der Angriff gegen den erweiterten Brückenkopf Zarecze war am 31. früh nicht mehr in Gang zu bringen. Die Truppen waren erschöpft, einzelne Meldungen aus der vordersten Linie stellten sogar* ihre Abwehrfähigkeit in Frage. GdI. Fath sah sich daher nach Verstärkungen um. Solche konnten aber, da das Armeegruppenkommando selbst keine Reserve mehr besaß, nur der Gruppe Kneußl entnommen werden. Der bayrische General wandte gegen ein solches Ansinnen ein, daß ein neuerlicher Vorstoß der Russen längs der Bahn gegen Powursk sehr
J) Aus dem Verbände der zur Gruppe Gronau heranfahrenden 1. LD.
wahrscheinlich sei. Endlich sagte GdK. Bernhardi nachmittags zu, die
2. Polenbrigade dem Südflügel des Korps zurückzustellen und im Bedarfsfalle die Hilfe eines deutschen Bataillons, das als Heeresgruppenreserve westlich von Powursk stand, bei Linsingen zu erwirken. Nun konnte GdI. Fath das bei der 45. SchD. noch nicht verwendete SchR. 33 nach Cerkowka in Marsch setzen. Mittlerweile hatte Obst. Rustler ein Unternehmen mit begrenztem Ziel vorbereitet und entriß den Russen, die sich tagsüber mit einem Störungsfeuer begnügt hatten, zwei Stützpunkte südlich des Stobychwabaches. Damit waren am Nordflügel der 53. ID. die alten Stellungen völlig wiedererrungen. Bei Smolary holte sich der Feind abends und im Morgengrauen des folgenden Tages eine blutige Abfuhr.
Das Gefecht bei Zarecze schleppte sich am 1. August noch ergebnislos hin, so daß sich der Korpskommandant abends wegen Ermüdung der Truppen und der nicht unerheblichen Verluste entschloß, den Angriff einzustellen und sich auf das Halten der erreichten Linien zu beschränken. GdK. Bernhardi befahl tags darauf, daß GLt. Clausius die Zurückgewinnung der Sandwelle weiter zu betreiben habe. Die mehrtägigen Kämpfe beim Korps Fath klangen in einen Artilleriezweikampf aus. Der Feind, dem die Versuche, die Stochodschranke der Verbündeten zu durchschlagen, schwere Opfer gekostet hatte, barg unter dem Schutze der Genfer Flagge seine Verwundeten und Gefallenen.
Der Ansturm der Armeen Bezobrazow und Kaledin
(28. Juli bis 3. August)
Zurückweichen der Verblindeten aus dem Stochodknie
Die für den Stoß auf Kowel neugebildete „Besondere Armee“ des GdK. Bezobrazow (Bd. IV, S. 642, 658) schritt am 28. Juli zeitlich früh zum Angriff. Die auf dem Nordflügel eingeteilten Korps XXX und I trafen hiebei in dem an das Korps Fath südlich bis Świdniki anschließenden Stochodabschnitt auf die Armeegruppe Bernhardi, die diesen Frontteil mit dem k.u.k. II. Korps, FML. Kaiser, mit der deutschen 107. ID., GM. Hahndorff, und mit Teilen der Division GM. Rusche beschirmte. Bis vor den linken Flügel des Korps Kaiser reichten noch die Ausläufer der 3. Russenarmee, die 2. Division des I. turk. Korps. Da aber GdI. Lesch seine Anstrengungen auf die Stochodübergänge bei Hule-wicze und nördlich davon richtete (S. 124 ff.), bekamen die 4. ID., GM. Pfeffer, und die benachbarte Polenlegion nur stärkeres Geschützfeuer ab. Die Infanterie des Feindes enthielt sich vor der 4. ID. auch während des Tages jeglicher Bewegung, die auf Angriffsabsichten hätte schließen lassen.
Das XXX. Russenkorps der Armee Bezobrazow hatte sein Schwergewicht gegen die in das Stochodknie am meisten vorspringenden Stellungen der 41. HID., GM. Schamschula, angesetzt, die von zwei Seiten durch die russische Artillerie gut flankiert werden konnten. Feuerschlünde aller Kaliber zerhämmerten in der Mitte des Honvédabschnittes die im haltlosen Sandboden ausgehobenen Gräben. Nachmittags zwang ein westlich von Arsenowiczy losbrechender Infanteriesturm der 71. Russendivision Teile des HIR. 20 in die zweite Linie zurück. Der von GM. Schamschula eingeleitete Gegenstoß von anderthalb Bataillonen, der durch dichten Wald geführt werden mußte, drang bis zum Abend nicht mehr durch und vermochte lediglich die geworfene Abteilung zu stützen. Daher befahl der Korpsführer, über Nacht für nachhaltigen Widerstand vorzusorgen, und vermehrte die hinter der Fronteinbuchtung stehenden Reserven des GM. Schamschula durch ein Bataillon der 4. ID., das nach Podlesie rückte. Die Russen hatten in der Absicht, ihren Erfolg sofort zu vergrößern, den Angriff von der Einbruchsstelle nach Norden bis an den äußersten linken Flügel der 41. HID. auszudehnen getrachtet; doch scheiterte schon das Beginnen an der standhaften Abwehr der Verteidiger.
Das russische I. Korps hatte den rechten Nachbarn der Honvéd-division, die deutsche 107. ID., angefallen, hiebei aber nichts ausgerichtet1). Im Morgengrauen des nächsten Tages brach der Feind allerdings in die Gräben der Deutschen nordöstlich von Porskaja Wólka ein; durch rasches Zugreifen der örtlichen Reserven war aber der Zwischenfall bis Mittag wieder behoben2).
Die 41. HID. war bestrebt, dem am 29. früh erteilten Aufträge des FML. Kaiser nachzukommen, also jeden Angriffsversuch des Feindes durch wirksames Feuer niederzuhalten, insbesonders aber kein Ansammeln von Kräften vor dem Einbruchsraume des Vortages zu dulden; aber es fruchtete nichts. Trommelfeuer der russischen Batterien zerwühlte die Stellungen im Stochodknie westlich von Arsenowiczy und
x) Ulrich, Res.-Inf.-Regiment 52 im Weltkriege (Oldenburg-Berlin, 1925), 344.
2) B e r n h a r d i, Denkwürdigkeiten aus meinem Leben (Berlin 1927), 444. — Eine Weltreise 1911/12 und der Zusammenbruch Deutschlands (Leipzig 1920), III, 204. — Bartenwerf fer und II e r r m a n n, Das Reserve-lnfanterie-Regiment Nr. 232 in Ost und West (Oldenburg-Berlin 1927), II, 47 ff. — Klembów ski, 82.
V 9
Ugly, und bald nach Mittag wurde die Front der Division, wieder beim HIR. 20, durch das XXX. Russenkorps neuerlich eingedrückt. Während sich die Reste der Vei'teidiger an der zweiten Linie festklammerten, schwenkte die Masse der Angreifer nach Norden und Nordwesten ab und packte das HIR. 31, das am linken Flügel der Division mit zwei Bataillonen noch die erste und mit einem als Brigadereserve die zweite Linie hielt, in Flanke und Rücken. Das Schicksal des Regiments, das so, gleichzeitig durch einen gegen seine Front gerichteten Ansturm gebunden, völlig eingekreist wurde, war schnell entschieden. Trotz mannhaften Widerstandes entrannen nur wenige Leute der Vernichtung. Der Vorgang hatte sich so rasch abgespielt, daß die zwei vorgesandten Bataillone der Divisionsreserve keine Rettung bringen konnten. FML. Kaiser stellte noch das Bataillon IV/8 aus Podlesie sowie ein aus Wielick anrückendes deutsches zur Verfügung und ließ bei der 4. ID. das Bataillon I 8 an den Südflügel verschieben. Denn dieser war, als das Mißgeschick über das HIR. 31 hereinbrach, gleichfalls in Mitleidenschaft gezogen worden.
Zunächst wollte GM. Pfeffer seinen Anschlußflügel gegen den Nachbarabschnitt abbiegen. Dabei wurde das Bataillon 1/49 vom Feinde schon hart angefaßt. Nachher drang dieser durch die verlassenen Gräben gegen Sielco vor, so daß das nächste Bataillon den Ort aufgeben und westlich davon einen Haken bilden mußte1). Um die entblößte Flanke der festhaltenden Front zu schützen und die Verbindung zur Honvéd wieder herzustellen, setzte GM. Pfeffer das nur fünf Kompagnien zählende SchR. 30 zum Gegenstoß an. GdK. Bernhardi mußte erkennen, daß das Unheil beim II. Korps höchst gefährlich weiterzufressen drohe. Er ließ daher das letzte verfügbare Bataillon der deutschen 107. ID. über Wielick, ferner die 2. Polenbrigade aus Mielnica (S. 125) nach Podlesie in Marsch setzen und übertrug um 4h nachm. dem GM. Hahndorff den Gegenschlag gegen die an den inneren Flügeln der zwei öst.-ung. Divisionen eingedrungenen Russen. Während diese Kräfte heranrückten, hatten die von den beiden Divisionsführern in den Kampf geworfenen Reserven die Russenflut halbwegs eingedämmt. GM. Pfeffer hoffte schon, Sielco zurückgewinnen zu können. Da trat abends ein neuer Rückschlag bei der 41. HID. ein. Der Russe brach nördlich von Korsyni durch den als neue Stellung abzweigenden Graben des HIR. 20 in westlicher Richtung bis in die ursprüngliche dritte Linie vor. Ähnlich wie am Nachmittag der linke, kam nun der rechte Flügel der Division in
J) Ehrenbuch der Hesser, II, 134.
Gefahr, aufgerollt oder abgeschnitten zu werden. Ein lückenloses Beziehen der flüchtig ausgehobenen dritten Linie (Korsyni—Sielco) war somit durch den Feind bereits vereitelt. Das erste östlich von Podlesie eingetroffene deutsche Bataillon mußte hinter die eben entstandene Bresche gestellt werden. GdK. Bernhardi sah die Hoffnung, durch einen Generalangriff der Gruppe Hahndorff die Lage zu wenden, dahingeschwunden und entschloß sich, das erschütterte II. Korps vom Feinde abzusetzen und in eine verkürzte, ausgebaute Stellung zurückzunehmen, die den nach Osten vorragenden Stochodwinkel zwischen Sitowicze und Ml.Porsk quer durchschnitt.
Der Rückzug wurde nach Mitternacht angetreten und die neue Abwehrfront in den Morgenstunden des 30. Juli bezogen. Die Polenlegion des Korps Fath bog ihren rechten Flügel hinter den Stawokbach zurück; halben Wegs zwischen Sitowicze und Rudka Miryńska schloß das II. Korps mit der 4. ID. an. Der Südflügel der 41. HID. reichte bis westlich von Wielick. Bis hierher war auch die deutsche 107. ID. um den Drehpunkt Ml.Porsk zurückgeschwenkt. Im Laufe des Tages war vom Feinde noch nicht viel zu spüren.
Am 31. rückten gegen den neubezogenen Frontteil Bernhardis schon russische Infanterielinien heran, feindliche Batterien meldeten sich zum Worte. Im Vorfelde gerieten die Aufklärerabteilungen wiederholt aneinander. GdK. Bernhardi mußte, als das Nachbarkorps Fath für den Raum Zarecze eindringlich um Verstärkungen bat, die 2. Polenbrigade an die Gruppe Kneußl zurückgeben (S. 130).
Am frühen Morgen des 1. August vermochten sich Teile der 24. Russendivision (I. Korps) bei Bol. Porsk im vordersten Graben der Division Hahndorff festzusetzen; der Abschnitt war aber binnen wenigen Stunden von den Eindringlingen wieder gesäubert1). Gegen das II. Korps holte der Feind in breiter Ausdehnung zu einem kräftigen Schlage aus. Die Verteidigungsanlagen der 41. HID. — sie besaß nur mehr zwei kampffähige Regimenter in der Front, dahinter waren die Reste «1er Honvédinfanterieregimenter 20 und 31 in ein schwaches Bataillon vereinigt worden2) — litten beträchtlich unter der Artilleriebeschießung. FML. Kaiser verlegte seine Reserven an die inneren Flügel der Divi-
:) Barten werffer und Herrmann, 54 f. — Ulrich, 347. — Bernhardi, Denkwürdigkeiten, 444. — Zajontschkowskij, Strategische Studie über den Weltkrieg 1914—1918, VI. Teil (in russ. Sprache, Moskau 1923), 50.
2) Der Feuergewehrstand der Division war seit dem 28. Juli von 9700 Mann auf ein Drittel zusammengeschmolzen.
sionen Pfeffer und Schamschula und sicherte sich durch GdK. Bernhardi die Beihilfe des deutschen IR. 377, das als Heeresgruppenreserve bei Mielnica stand und zur 10. LD., GM. v. Stocken, gehörte. GO. Linsingen hatte nämlich seine ursprüngliche Absicht, von dieser anrollenden Division nur ein Regiment für die k.u.k. 4. Armee zurückzubehalten und die Hauptmacht der Armee des GO. Böhm-Ermolli zuzuführen (Bd. IV., S. 659), wegen der schweren Bedrängnis, der seine Heeresgruppe durch die Offensive Brussilows ausgesetzt war, aufgeben müssen. Die nach und nach eintreffenden Truppenzüge wurden von Kowel nach den Ausladestellen Lubitow und Poginki geleitet, um nach Bedarf an Bernhardi oder an das Korps des GLt. Lüttwitz frische Streiter abgeben zu können. Bis zum Abend versuchte eine tief gegliederte Stoßgruppe des XXX. Russenkorps dreimal nordwestlich von Wielick die Honvéd-infanterieregimenter 12 und 32 zu durchbrechen; doch wurden die Angreifer stets durch die zusammengefaßte Wirkung aller Abwehrwaffen vor den Hindernissen niedergeworfen. Am nächsten Tage rächte sich der Feind nur durch Feuerüberfälle.
Am 3. fühlten sich die Russen wieder stark genug, um diesmal die inneren Flügel der Korps Kaiser und Fath anzupacken. Vormittags nahm der Feind die Stellungen der Polenlegion und der 4. ID. am Stawokbach bis Rudka Miryńska und südlich davon unter heftiges Artilleriefeuer, das hauptsächlich auf dem genannten Orte lastete, aber auch die 41.HID. abstreute. Dem ersten, gegen Rudka Miryńska gerichteten Vorstoße gebot das IR. 99 Einhalt. Mittags wiederholten die Russen mit stärkeren Kräften (1. turk. SchD. und Teile der 80. ID.) den Angriff gegen die 4. ID. und wandten sich von Sitowicze aus auch gegen die Polen. GLt. Kneußl verschob ein bayrisches Bataillon an den bedrohten Südflügel seines Abschnittes; GdI. Fath veranlaßte, daß auch ein westlich von Powursk stehendes deutsches Landwehrbataillon der Heeresgruppenreserve herangezogen wurde.
* Während die Russen bei Sitowicze von den mit einigen bayrischen Kompagnien durchsetzten Polen abgewehrt werden konnten, durchbrachen sie um lh nachm. die 4. ID. bei Rudka Miryńska und drangen bis in den nördlich des Ortes liegenden Wald vor. GLt. Kneußl warf ihnen, um seine Flanke zu schützen, sofort das 3. Bataillon des bayr. IR. 3 und von der als Reserve ausgeschiedenen 2. Polenbrigade die Reiterei entgegen.
Der Führer der 4. ID., GM. Pfeffer, hatte seit Mittag seine Reserven zum Eingreifen bereitgehalten. Der Armeegruppenkommandant,
GdK. Bernhardi, wies dem II. Korps zunächst ein Bataillon des IR. 377, dann auf neuerliche Bitte des FML. Kaiser noch Batterien der deutschen 10. LD. zu. Unterdessen leitete GM. Pfeffer den Gegenangriff ein. Der Kommandant der 8. IBrig., Obst. Edl. v. Köckh, ging dem Feinde mit dem IR. 8 und dem Bataillon des IR. 377 aus Südwesten zu Leibe, der Führer der 7. IBrig., Obst. Ritt. v. Steinitz, hatte mit dem IR. 99 aus Nordwesten vorzurücken. Die Stoßgruppe Köckh mußte um Rudka Miryńska einen schweren Kampf aufnehmen. Nördlich dieses Brennpunktes säuberte Obst. Steinitz, zu dem die Bayern und polnische Ulanen stießen, vorerst die Waldzone. Hierauf drang auch er gegen den Stawok vor. Das heißumstrittene Dorf wurde endlich den Russen im Handgemenge entrissen. Der rechte Flügel der Polenlegion, den der Einbruch der Angreifer zum Zurückbiegen gezwungen hatte, wurde durch die 2. polnische Brigade gestützt, so daß der Anschluß an die 4. ID. nicht verloren ging und der Feind auch hier zurückgeworfen werden konnte. Abends war durch vereintes Zusammenwirken der verbündeten Truppen der ursprüngliche Stellungsverlauf wieder gewonnen x). Ein am späten Nachmittag unternommener Versuch der Russen, den Südabschnitt der 4. ID. anzufallen, wurde durch die entschlossene Abwehr des niederösterreichischen IR. 492) zum Scheitern gebracht.
Die Verteidigung des Stochodoberlaufes
Beiderseits der Bahnlinie Rowno—Kowel und entlang des Stochodoberlaufes sperrten überwiegend deutsche Verbände, der rechte Flügel der Armeegruppe Bernhardi mit der Division Rusche und dann das durch die öst-ung. 29. ID. sowie jüngst noch durch die deutsche 121. ID. verstärkte X. Korps Lüttwitz (Bd. IV., S. 659), den Zugang zu dem von den Russen so begehrten Verkehrsknoten Kowel. Als Sturmblock hatte Gen. Bezobrazow westlich des Schienenweges auf schmalem Raume bis vor die Mitte des Abschnittes Lüttwitz die Kerntruppen des Zarenreiches, die zwei Infanteriekorps und dahinter das Reiterkorps der Garde, zusammengeballt. Die links anschließende Armee des GdK. Ka-ledin bedrohte mit zwei ebenso dicht gruppierten Korps, XXXIX. und
!) Bernhardi, Denkwürdigkeiten, 445; Eine Weltreise, III, 203; Stengel, 74 f.
2) Ehrenbuch der Hesser, II, 136.
XXIII., die Front bis Zaturcy. In Erwartung eines gewaltigen Russenansturms war der nordböhmischen 29. ID., die nur über zwei Regimenter verfügte, am 25. Juli die deutsche 37. IBrig., Obst. v. Roeder, zugewiesen worden. Sie wurde rechts von der k.u.k. 57. IBrig., die bei Nw. Mosor an Bernhardis Flügeldivision Rusche grenzte, bei Szczuryn in die Front gestellt3). Weiter südlich, schon im Befehlsbereiche der deutschen 19. ID., GLt. v. Schmettau, hielt das k.u.k. IR. 94 2) die erste Linie bei Trysten. Die Stellungen im Quellgebiet des Stochod über Kisielin bis Zaturcy hatte die deutsche 20. ID. inne.
Aus dem am 28. Juli früh einsetzenden Artilleriefeuer des Feindes, das mit wechselnder Heftigkeit bald die ersten Linien, bald die Zonen dahinter erfaßte, waren bis Mittag die mutmaßlichen Einbruchsstellen der Russen nicht herauszulesen. GLt. Lüttwitz zerlegte unterdessen die auf dem linken Stochodufer im Raume Osmigowiczy—Solotwin stehende •121. ID. in Eingreiftruppen, die er hinter seinen Divisionen bereithielt. Die vom Gen. Bezobrazow gewählte Stoßrichtung Niemier—Ozierany wich dem schwer gangbaren, für eine Massenentfaltung ungeeigneten Gelände vor der Division Rusche aus (Bd. IV., S. 642) und traf die
29. ID., FML. Schön, mit voller Wucht. Vorerst steigerten die russischen Batterien mittags ihr Feuer durch eine halbe Stunde zu einem vernichtenden Geschoßhagel. Hierauf rollte Welle auf Welle eines ungestümen Infanterieangriffes heran3). Um lh30 nachm. entriß der Feind dem Nordflügel der Division Schön bei Rajmiesto einen Stellungsvor-sprung; doch gelang es der 57. IBrig., rechtzeitig einen Riegel zu besetzen und die übrige Front gegen die hartnäckigen Anstürme der Garde aus der Richtung Niemier restlos zu behaupten.
Zu gleicher Zeit überrannte der Feind nördlich von Trysten1) am linken Flügel der deutschen 19. ID. die schwachen Stellungen eines Rekrutenbataillons und stürzte sich, nach Nord und Süd abschwenkend, auf die offenen Flanken der Abschnitte GLt. Schmettau und FML. Schön. Der erste, von der 37. IBrig. mit dem nordböhmischen Bataillon III 92 versuchte Gegenstoß verpuffte wirkungslos, er wurde von der Russenflut hinweggespült. Um Szczuryn entspann sich, während das nördlich davon stehende Bataillon I 92 gegen den Ort einen Haken bildete und
x) Das 58. IBrigKmdo. blieb vorläufig als Befehlsstelle ausgeschieden.
2) Mit drei Bataillonen; ein weiteres stand bei der 57. IBrig.
3) Schön, Die deutschböhmische 29. Infanterietruppendivision am Stochod (Reichenberg 1926), 51 ff.
4) Klembów ski, 81 f.
die erste Linie festzuhalten vermochte, ein erbitterter, an dramatischen Wechselfällen reicher Kampf x). Ein deutsches Bataillon verwehrte unterdessen südlich von Babie dem Feinde das Vordringen nach Westen. Die Lücke zwischen beiden Dörfern wurde erst am späten Nachmittag, nachdem Obst. Roeder seine Truppen, vermehrt durch das Bataillon 1V/92, die letzte Reserve des FML. Schön, frisch gesammelt zum Gegenangriff geführt hatte, durch eine nach Süden gerichtete Front geschlossen. Der Korpsführer half noch mit zwei Bataillonen der 121. ID. aus, von denen eines nach Babie vorgezogen wurde, das andere bei Witoniez die Stochodbrücke sicherte.
Am Nordflügel der Division Schmettau hatte der Einbruch der russischen Garde bei Trysten verderbliche Folgen. Der siegestrunkene Feind rollte, sobald er das Rekrutenbataillon durchstoßen hatte, bei dem benachbarten k.u.k. IR. 94 nacheinander alle drei Bataillone, die den Stirnangriffen standhaft getrotzt hatten, bis auf die äußerste rechte Flügelkompagnie auf4). Entsprechende Reserven, die das Unglück beizeiten hätten bannen können, waren nicht zur Stelle. Das Regiment verblutete in dem ungleichen Kampfe. Dem Untergange entrannen nur kärgliche Trümmer; sie fanden Aufnahme bei deutschen Abteilungen, die endlich westlich von Trysten in das Gefecht eingriffen. Auch mit der Abwehrgruppe der 29. ID. südlich von Babie konnte eine Verbindung aufgenommen werden. Der südliche Nachbar der Vierundneunziger, ein deutsches Regiment der 19. ID., hatte, als auch ihm nachmittags eine Umklammerung aus der Flanke und im Rücken drohte, seine Stellung bei Woronczyn geräumt und sich hinter den Stochod zurückgezogen5). Die 20. ID., GLt. v. Schöler, wurde vom XXIII. Russenkorps, namentlich bei Kisielin, wütend angefallen. Mit gezogenem Säbel feuerten die russischen Offiziere ihre Leute an; in dichten Stürmerreihen, bis zu zwanzig Wellen hintereinander, wurden mit Knutenhieben vorwärts getrieben. Aber alle Massenangriffe, die bis in die Dunkelheit hinein währten, erstickten blutig an der unbeugsamen Abwehr der Verteidiger 6). Die Verstärkung, die GLt. Lüttwitz wegen eines Einbruches am Nordflügel der k.u.k. 4. Armee schon vormittags dem Divisionsführer von der 121. ID. zugeschoben hatte, war nicht gebraucht worden 1).
Das II. Gardekorps der Russen hatte bei Trysten die Mitte des Korps Lüttwitz eingedrückt. Die Widerstandskraft zweier Divisionen war, abgesehen von der bedeutenden Einbuße an Streitern, noch durch den Verlust einiger Batterien ziemlich geschwächt. Da zudem der rechte Flügel der 19. ID. schon hinter den Stochod gegangen war, schien es wenig ratsam, die losen Gruppen im Raum Trysten—Babie sowie die weitere, noch geschlossene Linie der 29. ID. auf dem Ostufer einer neuerlichen Erschütterung auszusetzen. Der Korpsführer beließ daher nur die 20. ID. in ihrer alten Stellung und nahm während der Nacht die ganze übrige Front bis zum Anschluß an die Division Rusche bei Nw. Mosor hinter das Flußhindernis zurück. Die neue Nahtstelle zwischen den Divisionen Schön und Schmettau bei Ostrow wurde durch weitere Bataillone der 121. ID. gestützt. GO. Linsingen stellte überdies die Hauptkraft der eingelangten 86. ID. (Bd. IV, S. 659) in Gonczyj Brod als Reserve bereit.
Die neue Stellung konnte bis zum 29. vormittags ungestört bezogen werden. „Das West- und Nordufer des Stochod wird unter allen Umständen gehalten“, schärfte GLt. Liittwitz den Verteidigern ein. Eine Lücke zwischen der 19. und der 20. ID. füllten Teile der 121. ID. aus. Deren Führer, GM. v. Ditfurth, übernahm, da der Großteil seiner Streitkräfte zur Festigung der inneren Flügel der deutschen 19. und der k.u.k. 29. ID. verwendet wurde, den Befehl über alle zwischen Kol. Wiktorowrka und Witoniez stehenden Truppen.
Die Russen gaben ihre Bemühungen, sich durch die sperrenden Linien der Deutschen den Weg nach Kowel zu bahnen, nicht auf. Mittags begannen wieder die keine Blutopfer scheuenden Massenanstürme bei Kisielin und Semerynki, die sich bis in die Nacht hinein wiederholten. Abends war der Feind auch schon der zurückgenommenen Frontmitte nachgerückt und setzte ihr bei Kol. Wiktorowka und bei Ostrow hart zu. GO. Linsingen zog deshalb die 86. ID. in den Raum um Nw.Dwor vor. In den nächsten Tagen entwickelten sich besonders im Befehlsbereiche des GM. Ditfurth um die Stochodübergänge, die zu dem von den Russen angestrebten nächsten Durchbruchsziel Ozierany führten, hartnäckige Kämpfe. GLt. Lüttwitz verstand jedoch, mit den ihm von der Heeresgruppe beigestellten Kräften, zu denen seit dem
!) C i-o n, Infanterie-Regiment Markgraf Karl Nr. 60 ^Oldenburg-Berlin 1926), 154 ff.
31. Juli auchTeile der deutschen 10. LD. traten (S. 132), das Vorhaben des Feindes zu vereiteln. Dieser errang sich lediglich bei Witoniez auf dem linken Stochodufer eine kleine Brückenkopfstellung, die er hartnäckig behauptete.
Am 1. August flammte die Angriffslust der Russen neuerlich auf. Die drei deutschen Divisionen des Korps Lüttwitz und der rechte Flügel der öst.-ung. 29. ID. standen den ganzen Tag in heißem Gefechte, das stellenweise auch noch am 2. August in den Frühstunden auflebte. Doch der Feind prallte am entschlossenen Widerstande der Verbündeten, der, einer festen Mauer gleichend, Kowel beschirmte, unter schweren Verlusten ab. Die ohnmächtige Wut der Angreifer tobte sich weiter im Geschützfeuer aus. GFM. Hindenburg, unter dessen Befehlsgewalt seit
1. August mittags die Heeresgruppe Linsingen gestellt worden war (S. 121), ließ als weitere Reserve für den Raum Kowel die deutsche 75. RD. heranfahren.
Schon vorher, am 30. Juli, als die Schlacht bei der Gruppe Lüttwitz sowie bei der anschließenden Armee Tersztyánszky im heftigsten Gange und das Nachlassen des russischen Ansturmes noch nicht abzusehen war, hatte die öst.-ung. Heeresleitung dem GO. Linsingen den Zuschub des XV. türkischen Korps (Bd. IV, S. 608, 621) verheißen. Das Korps sammelte sich in Belgrad, der erste Staffel konnte voraussichtlich am
3. August abrollen. Da die Türken mit den Kampfverhältnissen auf dem wolhynischen Kriegsschauplätze nicht vertraut waren, sollten diese Truppen an geeigneten Stellen dazu verwendet werden, andere Kräfte freizumachen. Linsingen ließ am 3. nach Teschen melden, daß er das Osmanenkorps südöstlich von Kowel beiderseits der Bahn nach Rowno einzusetzen gedenke.
Rückschlag bei der Armee tersztyánszky
Die k.u.k. 4. Armee, deren Kampfkraft seit der unheilvollen Durchbruchsschlacht bei Olyka-Luck sehr herabgemindert war, hielt mit fünf Infanteriedivisionen und einer Kavallerie division das kurze Frontstück von Zaturcy bis nördlich von Pustomyty in einer Ausdehnung von 20 Kilometern. Um dem erwarteten Angriffe der Paissen begegnen zu können, hatte GO. Tersztyánszky verhältnismäßig starke Reserven freihalten lassen: für das Armeekmdo. die 25. SchBrig. (zwei Regimenter und zwei Batterien) und das IR. 89, beim X. Korps das IR. 82, schließlich beim Korps des FML. Szurmay das IR. 90, das HIR. 313 und zwei Reiterregimenter (HR. 9 und 13) der 10. Kavalleriedivision. Am Vorabend der Schlacht überwies GO. Linsingen dem Armeekommandanten noch von der deutschen 10. LD. das nach Jakowiczy gelangte IR. 378 (S. 132). Dieses mußte am nächsten Tage bereit sein, beim X. Korps ins Gefecht treten zu können. Als Gegner standen der 4. Armee von den Kräften Kaledins das XXXX. Korps und die 14. ID. des VIII. Korps, ferner das V. Kavalleriekorps gegenüber. Der linke Flügel der 8. Russenarmee, die 15. ID., reichte nach Süden bis über den Abschnitt des FML. Freih. v. Leonhardi, der zur Armeegruppe des GdK. v. der Marwitz gehörte, hinab. Kaledins Aufgabe war, Wladimir-Wolyński in Besitz zu nehmen (Bd. IV, S. 643).
Am 28. Juli um 4h früh schlugen die Russen zunächst gegen das Korps Szurmay los. Ihre Batterien ließen auf die Wehranlagen der 70. HID., GM. Goldbach, und den angrenzenden Nordflügel der 11. ID., GM. Edl. v. Obauer, unter Verwendung betäubender Gasgeschosse ein heftiges Feuer niederprasseln. Das Nachbarkorps des FML. v. Csanády wurde nur mäßig beschossen. Kaum waren die Eingreiftruppen einschließlich der Armeereserven alarmiert, da lief schon schlimme Kunde von der vordersten Linie ein. Bereits um 5h meldete die 70. HID. an FML. Szurmay, der Feind sei zwischen Liniew und Koszewro eingebrochen; eine Batterie sei verloren, die 208. HIBrig. solle „aufgerieben“ sein. Umsonst bemühte sich GM. Goldbach, nachdem ihm das HIR. 313 der Korpsreserve unterstellt worden war, in dem Waldgebiete westlich von Kosze wo der 14. Russendivision Halt zu gebieten *). Die Landsturmmannschaft der Honvéddivision, die nunmehr an der ganzen Front angepackt wurde, war dem Anprall nicht gewachsen und wurde unaufhaltsam zurückgedrängt. FML. Szurmay ließ um 6h seine nächste Reserve, das IR. 90 der 11. ID., nach Wojnin rücken und wies seine beiden Divisionen an, in der Zwischenstellung, die östlich von Szelwow bisWatyn verlief, auszuharren, bis die Verstärkungen eingreifen könnten. Beim 4. Armeekmdo. wurde noch das Verfügungsrecht über das IR. 89 eingeholt, das aus Swiniuchy in den Wald westlich von Bubnow vorzugehen hatte.
Die Russen waren aber schneller. Sie hatten ihre bereitgehaltene Reiterei (11. KD. und 3. OrenburgKosD.) sofort durch die dem Korps Szurmay geschlagene Bresche verfolgen lassen und dadurch die beim Gegner eingetretene Verwirrung vermehrt. Die plötzlich auftauchenden
2) Die Kampfereignisse bei der russischen 14. TD. schildert ausführlich Wino-g r a d s k y, La guerre sur le front oriental en Russie - en Roumanie (Paris 1926), 189 ff.
Reiter fielen Batterien an und attackierten aus der entblößten Nordflanke der 11. ID. die Regimentsstäbe der 22. Infanteriebrigade. Als auch feindliche Infanterie von Liniew nach Süden vordrang, versuchte GM. Obauer um 7h vorerst, den linken Flügel hinter Bubnow zurückzubiegen. Aber bald geriet die ganze Front ins Wanken, das auch die 10. KD., GM. v. Bauer, mitzog. Als FML. Szurmay durch seine letzte Kraft, die Husarenregimenter 9 und 13, die Wege westlich von Bubnow sperren wollte, mußte GM. Bauer melden, daß er diese Truppen bereits in eine zwischen seinen Reitern und der 11. ID. aufgesprungene Lücke eingesetzt habe und kaum mehr freimachen könne.
Unterdessen waren die Honvedregimenter des GM. Goldbach nach äußerst verlustreichem Kampfe bis auf die Höhen östlich von Szelwow zurückgeworfen worden. Die Artillerie, die bis zum letzten Augenblick feuerte, hatte schon vier Batterien dem Feinde überlassen müssen. Das IR. 90 schickte sich von Wojnin zum Gegenstoß nach Osten an. Nun befahl GO. Tersztyánszky um 8h, die 4. IBrig. (IR. 89 und 90) einheitlich gegen Koszewo zum Gegenangriff anzusetzen, der auch die 11. ID. und die 70. HID. wieder vorreißen sollte. Überdies sollte Szurmay die zwei Reiterregimenter der 10. KD. — die aber bereits ausgespielt waren — als bewegliche Reserve bei Korytnica bereitstellen.
Das k.u.k. X. Korps, das mit der 2. und der 4. SchD. des XXXX. Russenkorps zu fechten hatte, kam nicht glimpflicher als sein rechter Nachbar davon. Die rasch erfolgte, einer Vernichtung gleichkommende Niederlage der 208. HIBrig. hatte die rechte Flanke der 13. SchD. (26. SchBrig.) aufgerissen. FML. Csanády sandte eilends das Székler IR. 82 seinem bedrohten Südflügel zu Hilfe. Während sich FML. Edl. v. Kaiser, der Führer der 13. SchD., gegen eine Umfassung aus Süden zu sichern suchte und einen Vorstoß der Russen gegen seine Front zurückschlug, wurde nach 6h früh die nördlich angrenzende, vom GM. Ritt. v. Jemrich befehligte 2. ID. überrannt. Jetzt mußte die 13. SchD., beiderseits arg gefährdet, zurück. Das IR. 82 konnte nur mehr die gelichtete 26. SchBrig. aufnehmen1). GM. Jemrich vermochte zwar den Nordflügel seiner 2. ID. auf kurze Zeit etwas vorzubringen, doch die Russen antworteten mit einem neuen Angriff und fielen auch die anschließende 37. HID. an. Um die 2. ID. stützen zu können, ordnete der Korpsführer mit Genehmigung des Armeekommandanten das Vorziehen der 25. SchBrig. aus Kol. Oubrowa an. Ein Befehl
:) Die Geschichte des k.u.k. Székler Infanterieregimentes Nr. 82, 1883 — 1919 (in ungarischer Sprache, Budapest 1931), 158 ff.
des GO. Linsingen, der um 8h früh beim 4. Armeekmdo. eintraf, betonte, daß der Angriff der Russen keineswegs mit Überlegenheit, sondern lediglich mit den schon seit langem gegenüberstehenden Kräften geführt werde. Der Feind bezwecke mit diesem Ablenkungsunternehmen offenbar nur, deutsche Reserven abzuziehen, um an der Ostfront vor Kowel leichteres Spiel zu haben. ,,Es ist alles daran zu setzen, durch Gegenangriff Feind zum Stehen zu bringen.“
Während diese Mahnung an die Korpsführer weiterlief, hatte sich die Lage an der Front noch mehr verschlechtert. Die 2. ID. glitt zurück. GM. Háber, der mit seiner 37. HID. die ersten Anstürme abgeschlagen hatte, rief jetzt ebenfalls die Hilfe der Armeereserve an. Um 8h30 früh teilte GO. Tersztyánszky das SchR. 1 dem FML. Csanády zu; mit dem SchR. 24 und den Batterien hatte der Brigadier wegen der ungeklärten Lage beim Korps Szurmay nach Süden gegen Szelwow abzurücken. Doch die Ereignisse auf dem Gefechtsfelde des X. Korps überstürzten sich. Der Südflügel der 37. HID. wurde durch einen tief gegliederten Massenangriff durchbrochen. FML. Csanády trachtete, sein ganzes Korps in der nächsten Stellung — sie begann nordöstlich von Szelwow und endete westlich von Zaturcy — aufzufangen. Die 13. SchD. und die
2. ID., die am SchR. 1 einen Rückhalt fand, konnten die Linie einnehmen. Die 37. HID. jedoch, vom Feinde in der rechten Flanke umfaßt, wurde gegen Nordwesten abgedrängt und unter schweren Verlusten bis Cholopieczy zurückgeworfen. Nun mußte GO. Tersztyánszky das Verschieben seiner letzten Verfügungstruppen widerrufen. FML. Csanády wurde verhalten, aus dem SchR. 24 der 25. SchBrig. und zwei eintreffenden Bataillonen des deutschen IR. 378 eine Gegenangriffsgruppe zu formen, mit der Obst. Wurja, der Führer der 25. SchBrig., den an der Straße gegen Wladimir-Wolyński und südlich von ihr vordringenden Feind zurückzuschlagen hatte.
Beim Korps Szurmay waren die Reste der 70. HID. knapp östlich von Szelwow, wo nur mehr eine Tiroler Kaiserjägerkompagnie x) eingesetzt werden konnte, zum Stehen gekommen. Der Gegenangriff der 4. IBrig. stockte vormittags bald; ihre Regimenter wichen sogar zurück. Das Gefecht kam bis Wojnin heran. Ebenso wurden die 22. IBrig. und die 10. KD. bis gegen Korytnica zurückgedrängt. Die Rückbewegung griff schon auf den Anschlußflügel der Armeegruppe des GdK. v. der Marwitz,
*) In solche vereinzelt verwendete Kompagnien, die nur für den russischen Kriegsschauplatz bestimmt waren, wurde Mannschaft italienischer Volkszugehörigkeit eingereiht.
auf den Abschnitt Leonhardi, über. Das Armeekmdo. schärfte dem FML. Szurmay ein, seinen rechten Flügel nicht nach Südwesten, sondern höchstens gegen Westen abdrängen zu lassen. Im Laufe des Nachmittags gelang es sodann, durch einen von FML. Leonhardi mit Hilfe deutscher Truppen geführten Vorstoß die 10. KD. gegen Nordosten vorwärts zu bringen. An deren Nordflügel halfen Ulanen der 2.GKBrig., die Verbindung zur 11. ID. zu festigen. Auch diese gewann gegen Bubnow etwas Raum, ihr linker Flügel schloß mit der 4. IBrig. bei Wojnin ,an die 70. HID. an. Hier und bei Szelwow konnten dann bis zum Aben4 alle Anschläge des Feindes abgewiesen werden. Beim X. Korps behaupteten die 13. SchD. — die erste Linie hielten die Székler — und die 2. ID. ihre seit Mittag bezogenen Abschnitte. Der am Nordflügel angesetzte Gegenangriff der Gruppe Wurja hatte vollen Erfolg und führte in einem Zuge zum Wiedergewinn der vormittags verlorenen Zwischenstellung, so daß die Frontstrecke der 37. HID. ausgeglichen und fester Anschluß an das Korps Lüttwitz genommen werden konnte. Spät abends mahnte GO. Tersztyánszky die Korpsführer noch eindringlich, sich an die dermaligen Stellungen mit Rücksicht auf die Nachbarfronten zäh festzuklammern und alles aufzubieten, damit kein neuerlicher Rückschlag erfolge.
Der gar nicht überlegene Feind hatte der 4. Armee eine schwere Niederlage bereitet. Binnen wenigen Stunden war die Front in ganzer Breite auf 2 bis 5km zurückgeschleudert worden; der Schlag der Russen hatte -unter den öst.-ung. Truppen verheerend gewirkt. Vom Feuergewehrstand war etwa die Hälfte, rund 15.000 Mann, dahingeschwunden !), 90 Maschinengewehre und 45 Geschütze hatte man dem Feinde preisgegeben2). Die große Einbuße der Artillerie erklärte sich allerdings daraus, daß die Batterien feuernd ausgeharrt hatten, bis sie im Nahkampf überwältigt wurden. So war die Bedienung einer Batterie von russischen Reitern buchstäblich niedergesäbelt worden. Sehr betrüblich aber war die Feststellung, daß der Gefechtswert der Infanterie, namentlich bei den ruthenischen Regimentern, sehr gering war, und daß
a) Die dem Armeekmdo. abends vorliegenden Standesmeldungen ergaben über den Umfang der Verluste ein bezeichnendes Bild: 22. IBrig. der 11. ID.: 600 Feuergewehre, 4. IBrig.: 1850 Feuergewehre; 70. HID.: 940 Feuergewehre (3 Regimenter zählten zusammen nur 170 Mann); halbe 13. SchD. samt IR. 82: 1300 Feuergewehre; 2. ID. samt SchR. 1: 2600 Feuergewehre; 37. HID.: 600 Feuergewehre, dazu noch 1700 des SchR. 24 samt einem Bataillon des deutschen IR. 378, das in der ersten Linie stand..
2) Die 70. HID. allein verlor 33 Geschütze.
der soldatische Gehalt der Streiter keine stärkere Belastung mehr vertrug. Ein erheblicher Teil der Mannschaftsabgänge entfiel auf Gefangene. GO. Tersztyánszky nannte in einem vertraulichen Berichte an die Heeresleitung die 11. ID. das „Schmerzenskind der 4. Armee“. Mit Ausnahme eines einzigen Gegenangriffes, an dem deutsche Einheiten mitwirkten, hatten die eingesetzten zahlreichen Hilfstruppen nirgends einen günstigen Umschwung der Gefechtslage herbeizuführen vermocht. Als neue, höchst notwendige Armeereserve — alle verfügbaren Truppen waren während des Tages in den Kampf geworfen worden — wies das Heeresgruppenkommando das deutsche RIR. 217 (2700 Feuergewehre) zu, das von Wladimir-Wolyński heranrückte und in Berezowiczy Quartier bezog1).
Der Befehlshaber der Heeresgruppe fand, wie aus manchen Verfügungen und Bemerkungen herauszulesen ist, schon seit längerer Zeit die höhere Führung bei der Armee Tersztyánszky nicht ganz befriedigend. Beim 4. Armeekmdo. war man einigermaßen überrascht, als am
28. nachmittags ein Befehl Linsingens einlief, der die Ankunft des preußischen GdI. Litzmann mit dem Generalkmdo. des XXXX. RKorps ankündigte. Der General war mit „der Abwehr des russischen Angriffs“ zu betrauen, „damit die einheitliche Führung der zum Teil mit deutschen Truppen durchsetzten Abwehrtruppen gewährleistet“ bleibe2).
Am 29. ließ der Feind die Verteidiger vormittags etwas zu Atem kommen. Der Südflügel der 10. KD. half der Kavalleriegruppe Leon-hardi, die aus der Waldzone östlich von Korytnica vorstrebenden Russen abzuweisen. Nachmittags erhielt das Korps Szurmay lebhaftes Geschützfeuer; die folgenden, schwächlichen Vorstöße richteten an der Front keinen Schaden an. Gegen das Korps Csanády aber setzte in ganzer Breite wieder ein Angriff des XXXX. Russenkorps ein. Im Abschnitte des FML. Kaiser brachen die Stürmer vor dem IR. 82 zusammen; vor der 37. HID. erlagen sie schon dem Sperrfeuer. Die weniger widerstandskräftige 2. ID. wurde jedoch eingedrückt. Am Südflügel sprangen Teile der 26. SchBrig. hilfreich bei. In der Mitte verrammelte ein Gegenangriff der Korpsreserve, zweier Bataillone des IR. 378 3),
1) Das Regiment kam von der Armee Woyrsch.
2) GdI. Litzmann, der durch den Durchbruch bei Brzeziny 1914 und als Eroberer der Festung Kowno 1915 bekannt geworden war, hatte bisher einen Frontabschnitt der deutschen 10. Armee befehligt. Nach der ursprünglichen Absicht Linsingens sollte der General die taktische Führung dex ganzen 4. Armee übernehmen (Litzmann, Lebenserinnerungen [Berlin 1928], II, 92 ff.).
3) Ein Bataillon war bei der 37. HID. verblieben.
bis zur Dunkelheit die entstandene Lücke. GO. Tersztyánszky zog als Rückhalt noch vom RIR.217, das während des Tages hinter die Armeemitte nach Tworeniczy gerückt war, ein Bataillon näher an den Brennpunkt des Kampfes, nach Wólka Szelwowskaja vor.
Für GdI. Litzmann schuf GO. Linsingen, „um Reibungen in der Befehlsführung an dem Zusammenschluß des rechten Flügels der 4. öst.-ung. Armee mit den Truppen der Gruppe Marwitz zu vermeiden1) und um der sehr geschwächten Gruppe Szurmay einen größeren Halt zu geben“, im Rahmen der Armee Tersztyánszky eine Armeegruppe, die das Korps Szurmay und den Kampfabschnitt des GLt. Beckmann (Kavalleriegruppe Leonhardi und deutsche 108. ID.) zu umfassen hatte. Dadurch wurde die Front der 4. Armee nach Süden verlängert. Am
30. trat Litzmann, dessen Befehlsbereich sich von Szelwow bis Teresz-kowiec erstreckte, in Poryck sein Amt an.
Gen. Kaledin verfolgte sein Vorhaben, nach Wladimir-Wolyński durchzustoßen, weiter und ließ vor der erkannten wainden Stelle der
4. Armee nicht locker. Am 30., schon früh morgens, wurde das X. Korps von Kol. Dubrowa bis zur Turya mit heftiger Beschießung angefallen. Nach 5h warf der Feind links neben dem am Vorabend eben verrammelten Riß die inneren Flügel der 2. ID. und der 37. HID. zurück. Zum Gegenschlag wurde das Bataillon des RIR.217 aus Wólka Szelwowskaja beordert, zwei Bataillone des IR. 378 hatten sich rechts, die Schützenregimenter 1 und 24 2) links anzuschließen. Bis 8h vorm. war die Stellung zurückerobert. GO. Tersztyánszky holte zur Vorsorge noch die beiden übrigen Bataillone des RIR.217 heran; denn die Kämpfe liefen den ganzen Tag fort. Die Russen drückten einerseits gegen den Nordflügel der 37. HID. an der Straße, andrerseits bedrängten sie die 2. ID. weiter durch Gegenangriffe. Ein erbittertes Ringen wogte bis zum Abend die Gefechtslinie entlang, endlich war auch ein wieder verlorenes, etwa 1000 Schritte breites Grabenstück vor Kol. Dubrowa dem Feinde entrissen. So konnte sich das Korps Csanády doch behaupten. Die 13. SchD. hatten die Russen nicht mehr behelligt; sie beschränkten sich auch bei der Armeegruppe Litzmann auf eine Kanonade und auf Geplänkel mit
J) Am 28. Juli hatte sich die Notwendigkeit ergeben, daß FML. Leonhardi, der zur Armeegruppe Marwitz gehörte, im Zuge der Abwehrmaßnahmen der 10. KD. Befehle zukommen ließ. GO. Tersztyánszky hatte hierauf gegen einen Eingriff in seine Befehlsgewalt beim Heeresgruppenkmdo. Verwahrung eingelegt.
2) Sichelstiel, Geschichte des k. k. Schützenregimentes Wien Nr. 24 (Wien 1928), 114.
dem Korps Szurmay. Die 10. KD. wurde der Kavalleriegruppe Leonhardi als linker Flügel angegliedert, den rechten übernahm die 2. GKBrigade. Einige Kompagnien der 108. ID. festigten die von den Reitern gehaltene Linie. GLt. Beckmann meldete, daß seit Mittag in seinem Abschnitte völlige Ruhe herrsche.
Im Aufträge des Befehlshabers der Heeresgruppe machte deren Stabschef, Obst. Hell, die k.u.k. Heeresleitung auf die große Schwäche des Korps Szurmay aufmerksam; er regte an, die 11. ID. auf einen ändern Kriegsschauplatz zu verlegen und durch zuverlässigere Truppen zu ersetzen. Denn die größtenteils aus Ruthenen ergänzten Regimenter seien „gänzlich unzuverläßlich“, die Division sei „als geschlossenes Ganze für die Heeresgruppe ohne jeden Wert“. GO. Conrad konnte aber aus Mangel an verfügbaren Kräften — das nach Wolhynien bestimmte XV. türkische Korps stand noch in Belgrad (S. 137) — der Heeresgruppe augenblicklich nur die abgekämpfte 61. ID., die hinter der Armeegruppe Marwitz im Raum um Bełz in Auffüllung begriffen war, zur Ablösung der 11. ID. antragen. Doch wegen der geringen Schlagfertigkeit, die die 61. ID. nach dem Bericht ihres neuen Führers, GM. v. Grallert, bisher erreicht hatte, verzichtete GO. Linsingen auf den Einsatz eines solchen Kampfverbandes. Die Heeresleitung zog hierauf die 61. ID. anfangs August nach Siebenbürgen ab.
Mit der Abweisung des Russenansturmes durch das Korps Csanády war der Durchbruchsversuch Kaledins am 30. Juli gescheitert. Die Schlacht erlosch und ging in den nächsten Tagen in die üblichen Artillerieduelle des Stellungskrieges über. Wo die Gegner einander besonders nahe standen, wie in den waldbedeckten Teilen beim X. Korps oder im Bereiche der Gruppe Beckmann bei Pustomyty1), kam es mitunter zu Handgranatenkämpfen. Das 4. Armeekmdo. schritt sofort daran, durch Ausbau der Wehranlagen und Ausscheiden von Reserven die Widerstandsfähigkeit der Front zu erhöhen. GdI. Litzmann erhielt von Linsingen am 31. das deutsche Bataillon III 46 zugeschoben, das hinter die 11. ID. gestellt wurde. Der Armeeführer ließ bis zum 2. August wieder das ganze RIR. 217 als Eingreiftruppe freimachen. Durch die eingereihten Ersätze erreichten das X. Korps rund 8000 und das Korps Szurmay 7000 Feuergewehre; das HIR.312 der 70. HID. wurde aufgelöst. Im Ganzen genommen hatte die 4. Armee, trotz des empfindlichen Rückschlages, ihre Abwehraufgabe in der Schlacht bei Kowel doch auch erfüllt.
!) W u 1 f f e n, 1. Oberrheinisches Infanterie-Regiment Nr. 97 (Oldenburg-Berlin 1923), 62 f.
Brussilows Angriffe gegen Lemberg und Stanislau
Hiezu Beilage 2 4 des IV. und Beilage 5 des V. Bandes Der Ausklang der Schlacht bei Brody (28. Juli bis 3. August)
Vorstöße Sacharows gegen die Armeegruppe Marwitz
GdK. Sacharow hatte dem gegen Kowel gerichteten Hauptschlage Brussilows, anscheinend um die Verbündeten abzulenken, zeitlich vorgegriffen und mit der Durchführung seiner Aufgabe, über Brody auf Lemberg anzugreifen (Bd. IV, S. 643), schon am 25. Juli begonnen. Zu diesem Zwecke hatte er die Masse der russischen 11. Armee nach der Mitte zusammengezogen, durch die nördlich und südlich der Lipa stehenden Korps (V. und XLV.) aber nur die Stellungen halten lassen. Am 28., als die Südwestfront losging, nahm Sacharow bereits die Stadt Brody ein (Bd. IV, S. 657). Seine Hauptkraft verfolgte die Truppen Böhm-Ermollis weiter. Um jedoch den einsetzenden Angriff der rechts benachbarten Armee Kaledin gegen Wladimir-Wolyński zu fördern, trieb Sacharow auch seinen Nordflügel gegen die Armeegruppe Marwitz wieder vor.
So mußte die 43. RD. des Korps GdK. Eugen v. Falkenhayn am 28. abends einen Vorstoß des Feindes bei Zwiniacze abweisen. Der folgende Tag verlief bei Marwitz, abgesehen von den Ereignissen bei der Gruppe Beckmann (S. 142), kampflos. Die halbe 33. ID., FML. v. Hordt, wurde aus der Front des Korps Dieffenbach gezogen und zur 2. Armee in Marsch gesetzt. Die 46. SchD. (91. SchBrig.) dehnte deshalb ihren Nordflügel am Styr bis vor Smarzow aus; die Gruppe des preußischen GM. v. Hülsen x) (92. SchBrig., verstärkt durch Teile der k.u.k. 48 und der deutschen 22. ID.) füllte anschließend die Strecke über Strzemilcze bis zum rechten Flügel der 48. ID. bei Dzikowiny aus. Die Masse der 22. ID. hatte GLt. Dieffenbach als Rückhalt auf seinen gesamten Verteidigungsbereich verteilt; ein kleiner Rest war am Nordflügel des Korps Falkenhayn verblieben.
Am 30., als Kaledin die 4. Armee ungestüm bedrängte, begleitete Sacharow das Vorgehen seines Nachbars mit einem wuchtigen Angriffe. Im Raum südlich der Lipa fiel der Feind um 4h früh beim
x) Am 31. Juli übernahm der preußische GM. Gronau die Gruppe, da GM. Hülsen mit der Führung der 19. ID. beim Korps Lüttwitz betraut wurde.
Korps Dieffenbaeh die 48. ID., GM. Prinz Schwarzenberg, an; doch vereitelte schon das Sperrfeuer jeden weiteren Versuch der 7. Russendivision. Zu gleicher Zeit stürzte sich nördlich des Flusses die russische
10. ID. des V. Korps, vereint mit dem äußersten Südflügel der 8. Armee (Teile der 15. ID.) *), auf die linke Fronthälfte des Korps Falkenhayn. Zwischen Zwiniacze und Tereszkowiec stießen die mehr als zehn Reihen tiefen Stürmermassen durch die erste Verteidigungslinie der 43. RD. bis zur nächsten Batteriestellung vor. Die abriegelnden Nachbarabteilungen und die eingreifenden Abschnittsreserven geboten dem Feinde Einhalt und warfen ihn wieder über den vordersten Grabenzug hinaus. Im weiteren Verlauf des Gefechts wahrten die Deutschen ihre Stellungen in ihrer ganzen Ausdehnung7). Der blutige Kampftag trug den Russen sehr schwere Verluste ein. Falkenhayn meldete tags darauf, daß an der Front vor Zwiniacze etwa 2000 Russenleichen gezählt worden seien. Die Gefechtstätigkeit flaute sogleich stark ab, Freund und Feind begnügten sich mit gegenseitigem Geplänkel.
Der Rückzug der Armee Böbm-Ermolli nach der Schlacht hei Brody
(28. Juli bis 3. August)
Hiezu Beilage 24 des IV. Bandes
Bei der k.u.k. 2. Armee ging die Gruppe FML. Kosak nach verlustreichem, viertägigem Ringen gegen einen kraftvoll angreifenden Feind in der Nacht auf den 28. Juli in eine Riegelstellung westlich und südlich von Brody zurück (Bd. IV, S. 657). Am nächsten Vormittag schlug GO. Böhm-Ermolli der k.u.k. Heeresleitung vor, den ganzen Südflügel und die Mitte der 2. Armee hinter den obersten Sereth, den Graberka—Luhabschnitt und in die Linie Zarków—Berlin zurückzunehmen. Die Heeresleitung wollte diesen Rückzug nur dann durchführen lassen, wenn die Russen mit starken Kräften den Angriff über Brody fortsetzen sollten, und wenn die eingedrückte Front nicht wieder geschlossen und rechtzeitig verstärkt werden könnte. Die DOHL. hatte zu diesem Zwecke die deutsche 10. LD. in Aussicht gestellt. Auch hatte
GO. Conrad auf die Nachricht von dem Falle Brodys der Heeresgruppe Erzherzog Karl nahegelegt, Teile der 105. ID. oder der 1. RD. schnell mit der Bahn über Lemberg zur 2. Armee zu senden.
Die Russen gelangten am 28. Juli nicht über Brody hinaus; doch ließ die starke Anhäufung von Kräften um diesen Ort vermuten, daß sie den Angriff die Bahn entlang in der Richtung auf Lemberg schon am nächsten Tag weiterführen würden. Die Hoffnung, daß die zugesagten Verstärkungen bei der Abwehr der neuen Russenstürme schon mitwirken würden, bestand jetzt nicht mehr. Nur drei Batterien und eine Schwadron der deutschen 10. LD. waren am 28. Juli bei der 2. Armee eingelangt. Die übrigen Truppen dieser Division brauchte Linsingen vor Kowel (S. 132 und 137). Zudem ließ Bothmer wissen, daß die von der Südarmee verlangten Verstärkungen nicht an die 2. Armee abgegeben werden könnten. Denn auch am Koropiecbach waren die Russen zum Angriff übergegangen. Noch einmal bat GO. Böhm-Ermolli am 28. abends die Heeresleitung, den Südflügel und die Mitte seiner Armee in die oben angeführte Linie zurücknehmen zu dürfen. Erst jetzt entschloß sich GO. Conrad, seine Zustimmung zu geben.
Unter Kämpfen bei Gaje Starabrozkie löste sich die k.u.k. 2. Armee in der Nacht auf den 29. Juli vom Feinde. Am nächsten Morgen richteten sich das IV. und das V. Korps zwischen Grobla und Zarków hinter dem Sereth und dem Graberka—Luhabschnitt zu neuem Widerstand ein. Die Gruppe FML. Kosak, deren Verbände durch die vorangegangenen schweren Kämpfe stark durchmischt waren, setzte sich in den vorbereiteten Stellungen zwischen Zarków und Berlin fest. Das XVIII. Korps hielt noch hinter der Boldurka. Vom Korps Dieffenbach marschierten die Infanterieregimenter 12 und 83 der 33. ID. an den Nordflügel der 2. Armee heran. Die stark zusammengeschmolzenen Schwadronen der 1. LstHusBrig., die seit Juni (Bd. IV, S. 470 und 525) der 7. KD. angegliedert waren, kehrten von der Gruppe Marwitz gleichfalls zur 2. Armee zurück. Die Reiter trafen am 29. in Krasne ein.
Beim Heeresgruppenkmdo. Erzherzog Karl erweckten die Ereignisse bei Brody schwere Sorge. Der linke Flügel der Südarmee bei Hladki im Serethgrund, der bisher durch das IV. Korps gedeckt war, war jetzt durch den Rückzug der 2. Armee recht gefährdet. Der Stabschef des Erzherzogs Karl Franz Joseph, GM. v. Seeckt, berichtete am
29. nachPleß, der Rückzug der 2. Armee sei nicht unerläßlich notwendig gewesen, und der Feind habe die Armee nicht mit Übermacht angegriffen. GdI. Falkenhayn gab diese Meldung am 30. nach Teschen weiter.
Die Besorgnis, daß die 2. Armee dem russischen Drucke über Brodv in der wirksamen Richtung auf Lemberg völlig erliegen und dann auch die Südarmee ihre Stellungen werde aufgeben müssen, ver-anlaßte den GdI. Falkenhayn, zwei aus Truppen verschiedener Einheiten neuaufgestellte deutsche Divisionen, die 195. und die 197. ID., nach Galizien zu entsenden. Dahin sollte nötigenfalls auch die deutsche
1. ID., die gerade von Verdun nach Oderberg rollte, gefahren werden. Am 30. Juli stellte GdI. Falkenhayn beim GO. Conrad den Antrag, die bei Lemberg zu versammelnden deutschen Truppen dem GO. Böhm-Ermolli zu unterstellen, während der preuß. GdI. v. Fabeck den Befehl über die k.u.k. 2. Armee zu übernehmen hätte. GO. Conrad stimmte diesem Anerbieten zu; doch deutscherseits ließ man diesen Plan schnell wieder fallen. Den Wünschen des GFM. Hindenburg entsprechend wurde GdI. v. Eben zum Führer der zum Schutze von Lemberg bestimmten deutschen Truppen ernannt. An die k.u.k. 2. Armee erging nun aus Teschen die Weisung, in ihrer jetzigen Stellung bis zum Eintreffen der neuen Verstärkungen unbedingt auszuharren.
Gen. Sacharow hatte inzwischen am 29. Juli seinen Angriff unterbrochen. Er schob am nächsten Tage das XXXII., das V. sib., das
XVII. und das VII. Korps an die neuen Stellungen der Armee Böhm-Ermolli heran. Es entwickelten sich aber nur kleinere Kämpfe beiderseits der Bahnlinie; die russische Infanterie verschanzte sich. Erst am Abend mußte sich die 106. LstlD. bei Sydonówka eines stärkeren Vorstoßes des Feindes erwehren. Hier, dann bei Łahodów, bei Jasionów an der Straße nach Złoczów, bei Zarków und bei Pieniaki versuchte der Russe in den nächsten Tagen, nochmals anzugreifen; überall vermochten sich die k.u.k. Truppen gegen die örtlichen Vorstöße des Feindes zu behaupten. FML. Hordt, der Kommandant der 33. ID., wurde dem
XVIII. Korpskmdo. unterstellt und übernahm am 31. Juli früh den Befehl über den nördlichen Teil der bisherigen Gruppe FML. Kosak. Hier standen beiderseits der Bahnlinie nach Lemberg die 106. LstlD. und die k. k. 1. LstlBrig. mit eingeschobenen Teilen der 25., der 27. und der 33. Division. FML. Kosak befehligte nur noch seine Division (27. ID.) und die Gruppe Obst. Schmidbacher (KavSchD. I und II/4, bh. IR. 3, LstIBaon. II 31) im Frontabschnitt beiderseits der Straße nach Złoczów. Dieser Teil der Front wurde am 1. August früh dem V. Korps überwiesen.
Gegenüber dem Südflügel der 2. Armee waren inzwischen auf den Höhen östlich vom Sereth und vom Łuhbach zahlreiche Batterien der
Russen aufgefahren und begannen sich auf die Kampfstellungen des
IV. und des V. Korps einzuschießen. Von den frühen Morgenstunden bis zum Nachmittag währte am 2. August der Artilleriekampf. Bei Wertelka, bei Zalośce und bei Ratyszcze versuchten russische Erkundungsabteilungen zwischen den Serethteichen über die Niederung vorzudringen. Überall wurde der Feind abgewiesen, nur bei Ratyszcze vermochte er sich hart vor der Grenze zwischen der 14. und der 31. ID. einzunisten.
Am 2. um Mitternacht traten die in Pleß abgeschlossenen Vereinbarungen in Kraft. GFM. Hindenburg übernahm mit dieser Stunde den Oberbefehl über die ganze Front von der Ostseeküste bis Zalośce. Der Generalfeldmarschall besuchte schon am 3. das 2. Armeekmdo. in Lemberg, wohin sich auch der Generalstabschef der Heeresgruppe Erzherzog Karl, GM. Seeckt, begeben hatte.
Noch während die deutschen Generale in Lemberg weilten, ließen verschiedene Anzeichen einen neuen russischen Angriff gegen die
2. Armee besorgen. Bei Zalośce und bei Ratyszcze begann russische Infanterie mit dem Bau von Notstegen über den Sereth. In diesem Verteidigungsabschnitt ging das Artillerieduell am 3. August weiter. Es war erkennbar, daß Sacharow gegenüber dem IV. und dem V. Korps Truppen anhäufte, um anscheinend in der Richtung auf Złoczów einen wuchtigen Stoß zu führen. Am Nordflügel der 2. Armee hatte sich die Lage wieder gefestigt. GO. Böhm-Ermolli entschloß sich, von seiner Armeereserve das IR. 12 und das durch das IR. 83 abgelöste bh. IR. 3 bei Zarków bereitzuhalten und das IR. 72 hinter das V. Korps zu verschieben. GFM. Hindenburg stellte der 2. Armee die aus Kurland nach Kowel verschobene deutsche 34. LBrig. in der Stärke von drei Bataillonen, einer Schwadron und vier Batterien zur Verfügung. Diese Brigade unter GLt. Melior sollte nach Złoczów befördert werden. Nach Lemberg rollten jetzt die ersten Züge der deutschen 197. ID.; dahin hatte die noch bei Kielce in Aufstellung begriffene 195. ID. zu folgen.
Die Schlacht nördlich und südlich vom Dniester ^28. Juli bis 3. August)
Hiezu Beilage 5
Als am 28. Juli die Schlacht bei Kowel entbrannte, waren auch in Siid-ostgalizien die Armeen der Generale Schtscherbatschew und Letschitzki wieder zum Angriff geschritten. GdI. Sschtscherbatschew, dessen Aufgäbe es war, gemeinsam mit der Armee Letschitzki zu operieren, hatte sich entschlossen, den Stoß mit dem II. und dem XVI. Korps, mit insgesamt sechs Divisionen, in breiter Front zwischen dem Koropiecbach und der Strypa zu führen. Er wollte die Armee des bayr. GdI. Gf. v. Bothmer gewissermaßen von Süden aufrollen.
In der Nacht auf den 28. Juli wurden zunächst die Vorpostenstellungen des k.u.k. XIII. und des VI. Korps angegriffen. Bei diesem nächtlichen Überfall gewannen die Russen im Verteidigungsabschnitt der 36. ID. bei Dubienko das Westufer des Koropiecbaches. Am 28. nachmittags setzte Schtscherbatschew nach planmäßiger artilleristischer Vorbereitung vier Divisionen zwischen Pużniki und Kurdwanówka zum Angriff auf die Hauptstellungen des Gegners an. Bei Pużniki, im Verteidigungsabschnitt der 75.HIBrig., Oberst Freih. v. Than, zerschellten vier Vorstöße der Russen. Auch weiter nördlich bei Weleśniów und bei Dubienko konnten die Russen in wiederholten Anstürmen keinen Erfolg erstreiten. Ein Einbruch an der Grenze zwischen dem in der Mitte der 36. ID. eingeschobenen deutschen RIR. 223 und dem k.u.k. IR. 78 konnte durch ein Bataillon des IR. 5 im Gegenangriff wettgěmacht werden. Auch alle Vorstöße der Russen gegen die Stellungen der k.u.k. 12. ID. beiderseits der Bahnlinie nach Monasterzyska und gegen die 1. und die 48. RD. bei Olesza und bei Kurdwanówka brachen im Feuer der Verteidiger zusammen.
Am 29. zeitlich früh und am Nachmittag erneuerte Gen. Schtscherbatschew zwischen Weleśniów und Olesza den Angriff. Wiederum blieben die in dichten Wellen geführten russischen Anstürme im Feuer öst.-ung. und deutscher Batterien, kroatischer, ungarischer und deutscher Bataillone liegen. In der Nacht auf den 30. Juli griffen das II. und das XVI. Korps der Russen von Weleśniów bis Dubienko, dann nördlich der Bahn Jezierzany—Monasterzyska und bei Olesza neuerlich an. Abermals wurden die Stürmenden unter großen Verlusten abgewiesen. Aber am Vormittag darauf richtete Schtscherbatschew eine schwere Kanonade auf die Stellungen der 36. ID., um endlich zwischen Zalesie und Dubienko durchzubrechen. Gegen Mittag stürzten sich die in die Front des russischen II. Korps eingeschobenen Regimenter der 3.turk. SchD. auf den Gegner und brachen nordwestlich von Weleśniów in die Gräben des deutschen RIR. 223 ein. Der Stoß pflanzte sich nach Süden fort. Um lh nachm. wurde die 75. HIBrig. trotz tapferster Gegenwehr südwestlich von Weleśniów eingedrückt. Hier stießen zwei von der 15. ID. herbeigeeilte Bataillone des IR. 66 von Südwesten in das Gemenge. Ihr
Gegenangriff brach nach zweimaligem Sturm unter schweren Opfern zusammen. Auch ein Gegenstoß nordwestlich von Weleśniów führte nicht zum Erfolg. Am Abend wurde das RIR. 223 aus seinen Stellungen herausgedrückt. Durch das zum Nordflügel des XIII. Korps herangezogene deutsche RIR. 18 (von der 1. RD.) konnte nachts nordwestlich von Weleśniów die Einbruchsstelle fest abgeriegelt werden.
Bei der rechts anschließenden 75. HIBrig. tobten die Kämpfe weiter. Am 31. Juli um 4h früh mußte das HIR. 21 einem neuen Ansturm der Russen weichen. Die tapfere Honvéd brachte mit einem rasch durchgeführten Gegenstoß den Feind zum Stehen. Neue Reserven, zwei Bataillone der deutschen 48. RD. und auch Teile der bei Monasterzyska befindlichen 39. HID. wurden vom GdI. Bothmer an den Nordflügel des XIII. Korps herangezogen. Am 1. und am 2. August stießen die Russen südlich von Pużniki gegen die Feldwachen der 15. ID. vor, vermochten aber nicht, sie auf das Westufer des Koropiecbaches zurückzudrängen. Im Verteidigungsabschnitt der 36. ID. wurde in diesen Tagen bei Weleśniów und bei Dubienko mit Handgranaten und mit Minenwerfern von Graben zu Graben erbittert weitergekämpft. Auch an der Eisenbahnlinie und an der Straße nach Monasterzyska, dann im welligen Hügelgelände bei Olesza und selbst bei Kotuzów folgten in den ersten Augusttagen russische Vorstöße Aber die Angriffe wurden schwächer und schwächer. GdI. Bothmer hatte mit dem Nachlassen der Kämpfe die am meisten geschwächten Verbände, das IR. 78 und das deutsche RIR. 223, durch das IR. 100 der 12. ID. und durch das deutsche RIR. 18 ablösen lassen. Am 2. August abends gingen Truppen der 36. ID. nach einem mächtigen Geschützfeuer zum Gegenangriff über und eroberten die südlich von Weleśniów verlorenen Stellungen zurück. Die Russen wichen auf das Ostufer des Koropiecbaches.
So war es dem Gen. Schtscherbatschew um die Monatswende trotz hartnäckiger Angriffe und großer Opfer nicht geglückt, den rechten Flügel der Armee Bothmer an die Złota Lipa zurückzudrängen. Er wartete jetzt ab, ob ein russischer Erfolg südlich vom Dniester seinen standhaften Gegner zum Rückzug zwingen werde.
Gen. Letschitzki hatte mit dem XII., dem XLI. und dem XXXIII. Korps den Nordflügel der Armee des GO. v. Kövess an der ganzen Front von Molodylów bis Olesza angegriffen. Schon im Laufe des 27. Juli arbeiteten sich russische Vortruppen bei Chlebiczyn Leśny, aus Chocimierz und aus Żywaczów an die Stellungen der Gruppen FML. v. Iladfy und GLt. v. Kraewel heran. Nachts füllten die russischen
Angriffsdivisionen die Sturmstellungen. Am 28. zeitlich früh eröffnete die russische Artillerie beiderseits der Bahnlinie nach Ottynia sowie gegen die Front südlich und östlich von Jezierzany eine schwere Kanonade. Um llhvorm. begann der Massensturm der russischen Infanterie. Die auf dem rechten Flügel der 21. SchD. eingesetzte Landsturmgruppe Obst. Kranz vermochte sich mit Unterstützung der vom I. Korps herbeigeeilten Reserven (Teilen des IR. 16) bei Mołodyłów in wechselvollem Ringen zu halten. Bei Chlebiczyn Leśny aber trieb das dicht zusammengeballte russische XII. Korps einen tiefen Keil in die Front der Gruppe Hadfy. Das Egerländer SchR. 6 wehrte sich dort im Handgemenge, bis es von den anstürmenden Massen überflutet wurde. Vergeblich suchte FML. Hadfy mit seinen Reserven (fünf Bataillonen der 21. SchD.) die entstandene große Lücke zu stopfen. In der Mitte auseinandergerissen, mußte sich die 21. SchD. nach schwerem Kampfe in eine Stellung südlich und östlich von Ottynia zurückziehen.
Nicht besser erging es der 6. KD., die am Südflügel der Gruppe Kraewel focht. Sie wurde gegen Mittag bei Pużniki durchbrochen und wich auf Przybylów1). Die 5. HKD. sah sich nun von den Russen rechts und links überflügelt, sie mußte ihre Stellung bei Bohorodyczyn räumen, um den Anschluß an die beiden zurückgedrängten Nachbarn wieder zu finden.
Während dies geschah, erwehrten sich die südlich und östlich von Jezierzany feststehenden deutschen Truppen, die 119. und die 105. ID., noch kraftvoll des russischen Ansturms. Doch bald nach Mittag stießen von Pużniki her überraschend feindliche Kräfte in den Rücken dieser Kampfgruppe. Ihr Südflügel mußte, um nicht eingekreist zu werden, mitten im Gemenge des Kampfes rasch auf Jezierzany zurückgebogen werden. Vier deutsche Batterien, die bis zum letzten Augenblick den Rückzug deckten, fielen in die Gewalt der Russen.
Das Heeresgruppenkmdo. Erzherzog Karl hatte inzwischen seine Reserve (die deutsche 209. IBrig.) von Niżniów nach Tłumacz herangezogen. Vier Bataillone von dieser Brigade wurden noch am Nachmittag dem GLt. Kraewel nach Korolówka zum Gegenangriff zugeschoben. Er verzichtete jedoch darauf, mit diesen verhältnismäßig schwachen Kräften einen aussichtslosen Gegenstoß zu unternehmen; denn auch bei Olesza rückten die Russen in dichten Linien heran. Die Gruppe GM. Leide
!) Schramm-Schiessl, Die Geschichte des k.u.k. Mährischen Dragonerregimentes Friedrich Franz IV., Großherzog von Mecklenburg-Schwerin Nr. 6, 1906—1918 Wien 1933;, 755 ff.
konnte sich dort der feindlichen Übermacht nicht mehr erwehren. Damit war die im Halbkreis um Jezierzany fechtende deutsche 119. ID. sogar von Norden her bedroht. Die schon auf etwa 3 km westwärts der bisherigen Stellung zurückgedrängte Gruppe Hadfy konnte allerfrühestens am 29. früh durch die inzwischen von Nadworna heranbefohlene 5. ID. gestützt werden.
Im Einverständnis mit GO. Kövess nahm GLt. Kraewel in der Nacht auf den 29. Juli seine stark durchmengten Streitkräfte in eine vorbereitete Stellung südlich und östlich von Tłumacz zurück. Die neuangekommenen Bataillone der deutschen 209. IBrig. wurden an den schwächsten Stellen der Front eingeschoben. Das benachbarte XIII. Korps entsandte die 2. KD. als Flankenschutz der Südarmee in die Dniester-schlinge südöstlich von Niżniów. Im Anschluß an die Gruppe Kraewel besetzte die Gruppe Hadfy die befestigte Linie Tarnowica Polna— Hołosków—Mołodyłów.
Am 29. Juli in der Früh drangen die Russen in Jezierzany, Targowica und Mołodyłów ein. Gen. Letschitzki schob das XII., das XLI. und das XXXIII. Korps an die neuen Stellungen der Armee Kövess heran und näherte sich Tłumacz und Ottynia. Der Armeeführer äußerte in einer Meldung an die Heeresleitung Besorgnisse, daß seine weitausgedehnte, dünne Front den zu gewärtigenden neuen russischen Anstürmen nicht standhalten werde. Die Gefechtsstände der 21. SchD., der 6. KD. und der Gruppe Leide waren stark zusammengeschmolzen. Die Artillerie litt nach dem vorangegangenen schweren Ringen Not an Munition; überdies war hinter der jetzigen Front der Gruppe Hadfy keine vorbereitete Stellung mehr vorhanden.
Aber Gen. Letschitzki beging jetzt, wie schon bei Okna, den Fehler, den angebahnten Erfolg nicht auszunützen. Er zauderte, verschob am
30. Juli, obgleich zum gleichzeitigen Vorgehen mit der schwer ringenden
7. Armee verpflichtet, die Fortsetzung des Angriffes, und verschanzte sich in den gewonnenen Linien vor Tłumacz und vor Ottynia. Als Brussilow ihm wegen dieses Verhaltens Vorstellungen machte und ihn wissen ließ, die russische 9. Armee habe mit dem Einstellen des Angriffes den Befehlen zuwidergehandelt, meldete Letschitzki, daß sich der Gegner in starke Stellungen zurückgezogen habe. Nun müsse der Angriff auf Stanislau unterbrochen und aufs neue vorbereitet werden.
Auch die russische Heeresleitung erachtete die Ausbeutung des an-‘gebahnten Erfolges südlich vom Dniester für dringend. Sie hatte erkannt, daß dem Angriff der Armee Schtscherbatschew kein Sieg be-schieden sein werde. Auf der Front nördlich vom Dniester hielt der Gegner fest. Um so mehr Aussicht bot ein Stoß der Armee Letschitzki auf Niżniów in dessen Südflanke.' Diesem Gedanken entsprechend, wurde dem Gen. Brussilow am 2. August von der Stawka empfohlen, die russische 9. Armee auf Kosten der 7. zu verstärken und den Schwerpunkt des Angriffes auf die Front südlich vom Dniester zu verlegen1).
Während Letschitzki seine Truppen zu neuem Vorstoß umgruppierte, konnte Kövess sich zu neuer Abwehr vorbereiten. Er ließ in der Nacht auf den 31. Juli die abgekämpfte Gruppe Obst. Kranz und Teile der 21. SchD. im Frontabschnitt südlich und östlich von Ottynia durch drei Regimenter der mit Fußmarsch und mit Eisenbahn von Nadworna herbeigeeilten 5. ID. ablösen und die 6. KD. südlich von Tłumacz durch das IR. 13 derselben Division verstärken. GM. Stehr, der Kommandant der deutschen 209. IBrig., übernahm den Befehl über den linken Flügel (bisheriger Abschnitt GM. Leide) der Gruppe Kraewel. Das VIII. Korps, das nicht angegriffen wurde, streckte seine Front nach Norden, so daß die benachbarte 30. ID. des I. Korps herausgezogen und an Stelle der 5. ID. als Armeereserve bei Hawrrylówka verfügbar gemacht werden konnte.
Der Entlastungsangriff der Armee Pflanzer- Baltin
in den Karpathen
(28. Juli bis 4. August)
Hiezu Beilage 5
Der Thronfolger Erzherzog Karl Franz Joseph hatte Ende Juli auf dem soeben nach Tłumacz und nach Ottynia zurückgedrängten linken Flügel der 3. Armee eine Stoßgruppe in der Stärke von fünf deutschen Divisionen bilden wollen (Bd. IV, S. 649 f.). Es war seine Aufgabe, durch eine Offensive aus Südostgalizien gegen die Bukowina den russischen Südflügel in Flanke und Rücken zu fassen und durch eine siegreiche Operation den Rumänen die Überlegenheit der Mittelmächte vor Augen zu führen. Die Bildung dieser Stoßgruppe war nicht zustande gekommen. Die für sie bestimmten Verbände wurden durch den jüngsten Generalangriff Brussilows in Wolhynien und in Ostgalizien festgehalten.
Gegen Ende Juli war der russische Druck in den Karpathen, vornehmlich auf den Paßstraßen nach Máramaros-Sziget, stärker und die Gefahr eines Einbruches nach Ungarn mit seiner Rückwirkung auf
1'j Klembowski, 83 f.
Rumänien größer geworden, so daß die schwache Gruppe FML. Ritt, v. Brudermann (68. IBrig., 3. KD.) zum Gegenstoß eingesetzt werden mußte, bevor das zurollende deutsche Karpathenkorps eingelangt war (Bd. IV, S. 647 f.). Das schwierige Angriffsunternehmen der Gruppe Brudermann durch das unwirtliche Gebirge gewann anfangs Boden, kam dann aber am oberen Czarny Czeremosz zum Stehen. In den letzten Julitagen war der Nordflügel der 3. Armee gegen Stanislau zurückgedrängt worden.
In dieser Lage entschied sich das Heeresgruppenkmdo. Erzherzog Karl, den begonnenen Gegenstoß der Gruppe Brudermann mit dem mittlerweile im Vissótal bei Leordina versammelten Karpathenkorps ohne Verzug weiterführen zu lassen. Der Führer dieses Korps, GLt. v. Conta, übernahm am 1. August an Stelle des FML. Brudermann den Befehl über die 68. IBrig. der bisherigen Gruppe Brudermann und über das nördlich von Borsabánya stehende Detachement Mjr. Russ. Das deutsche Karpathenkorps stieg über den Grenzkamm des Waldgebirges in das obere Czarny Czeremosztal herab, um am 3. August im Verein mit der 68. IBrig. die russische Hauptstellung anzugreifen, die in einer Höhe von 600 m über dem Tale vom Kamieniec den breitgewölbten Rücken der Baba Ludowa entlang bis südlich von Jawornik verlief. Die k.u.k. 3. KD. wurde aus der Front herausgezogen und in das Vissótal nach Borsa verlegt, von wo sie nach kurzer Erholung nach Kirlibaba zum XL Korps abzurücken hatte. Dieses Korps war am 1. August durch die 8. KD. verstärkt worden; ihre-Schützendivisionen wurden zwischen der Gruppe Obstlt. Papp und der 115. IBrig. auf der Orata eingesetzt. Die letztgenannte Brigade wurde nach Westen gestreckt, um das Zusammenrücken der 40. HID. auf dem linken Korpsflügel zu ermöglichen.
GO. Freih. v. Pflanzer-Baltin beabsichtigte, gleichzeitig mit Contas Vorstoß auf Jablonica und auf Jawornik die Hauptkraft der 40. HID. aus ihren Höhenstellungen nördlich von Kirlibaba in der Richtung auf Cameral Schipoth angreifen zu lassen. Am 5. sollte eine dritte Kampfgruppe, FML. Rudolf Krauss, mit der 202. HIBrig. und mit der 67. IBrig. vom Kukul und vom Tartarenpaß herab in das obere Pruth-tal vorstoßen. Das Heeresgruppenkmdo. genehmigte diesen Plan.
Am 2. August, einen Tag vor dem Beginn des in den Karpathen zugunsten der 3. Armee geplanten Vorstoßes, verständigte die Heeresleitung das Heeresgruppenkmdo. Erzherzog Karl, daß der 7. Armee noch eine deutsche Division — es war die von der DOHL. soeben von Verdun herbeigezogene deutsche 1. ID. — nach Máramaros-Sziget zugeführt werde. Erzherzog Karl Franz Joseph wurde von Teschen angewiesen, diese Division dem GLt. Conta zu unterstellen und über den Tartarenpaß oder östlich davon im Anschluß an die 3. Armee und an das Karpathenkorps oder von Kirlibaba aus über Izwor auf Seletin zur Unterstützung des linken Flügels des XI. Korps einzusetzen. Das Heeresgruppenkmdo. Erzherzog Karl entschied sich für die zweite Lösung, obgleich GO. Pflanzer-Baltin den Einsatz der deutschen Verstärkungen auf seinem linken Armeeflügel für wirksamer erachtete.
Fürs erste freilich mußte die 40. HID. ohne Unterstützung angreifen, da die noch zurollenden Transporte der deutschen 1. ID. frühestens vom 4. August an in Máramaros-Sziget einlangen konnten. FML. Edl. v. Habermann führte zunächst einen Stoß westlich vom Cibotal auf den D. Ormului. Dieses Vorwerk flankierte den von Capul nordwest-wärts zur Mägura streichenden Rücken. Auf der Mägurahöhe und auf der Stara Obczyna verlief die russische Hauptstellung. Eine Gruppe der 40. HID. stieg am 3. August auf den Osthängen der mächtigen Cimbroslawa Wk. zum D. Ormului empor. Das bewaldete und durch-schluchtete Gelände erschwerte den Ungarn das Vorgehen. Trotzdem bemächtigten sie sich des D. Ormului. Der Verteidiger — es waren Kosakenschützen des russischen III. Reiterkorps — wich in die Hauptstellung. Am 4. war die Hauptkraft der 40. HID. vom Capul aus im Vorgehen auf die Mägura, konnte aber nicht durchdringen. Russische Infanterie von der 103. RD. trat zum Gegenstoß an. Die Ungarn hatten sich auf den Bergrücken beiderseits des Ciboknies verschanzt und schlugen in den Wäldern alle Russenstürme ab1).
GLt. Conta griff am 3. um Mittag nach kräftiger Artillerievorbereitung die Russen (Truppen des XI. Korps) in ihren Stellungen auf dem Kamieniec und auf dem von der Baba Ludowa zum Czeremosz streichenden Rücken an. Der Thronfolger GdK. Erzherzog Karl Franz Joseph und sein Generalstabschef GM. Seeckt weilten auf der Kopilas, um diesem Angriff beizuwohnen. Rauh blies der Wind, um die Bergkuppen krochen Nebelschwaden und beschränkten die Sicht. Trotzdem zerschlugen die Granaten die russischen Drahtverhaue. Um Mittag stürmten die deutschen Jägerbataillone bergan und entrissen dem erschütterten Feinde im ersten Anlauf die Höhe Kamieniec und die Baba Ludowa. Die k.u.k. 68. IBrig. bemächtigte sich der russischen Sperrstellung nördlich von Szybeny. Der Feind entwich auf Jawornik und in
Vj Obst. Stephan Sréter de Szanda, Kommandant des HIR. 17, erwarb bei den Kämpfen auf dem Capul das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens.
das Probihnatal. Zwei Geschütze fielen den kühnen Angreifern in die Hände. Noch am 3. abends erreichten die öst.-ung. und die deutschen Bataillone im schnellen Nachstoß den Ort Hryniawa, die Ludowahöhe und Jawornik, tags darauf unter neuen Kämpfen die Höhen Kaptarka
und Stoupny. Die Russen hatten sich in einer neuen Linie auf der
Dereszkowata und auf dem Plaik verschanzt. Sie anzugreifen, dazu mußte erst die Artillerie durch das wegarme Waldgebirge vorgefahren und Schießbedarf herbeigeschafft werden. GLt. Conta entschloß sich, den 5. August dazu auszunützen.
Schon seit längerem hatte GdI. Letschitzki vermutet, daß gegenüber seinem linken Flügel in der Nähe der rumänischen Grenze eine
neue öst.-ung. Armee versammelt werde. Die vom Heeresgruppenkmdo.
Erzherzog Karl bis zum 9. August als Deckname beibehaltene Bezeichnung ,,12. Armeekmdo.“ war den Russen bekannt geworden und hatte sie zu dieser Annahme verleitet. Letschitzki hegte Besorgnisse, daß diese frischen Kräfte des Gegners die Offensive gegen die Bukowina ergreifen könnten, falls Rumänien noch länger zögerte, auf Seite Rußlands in den Krieg einzutreten. Als nun die lediglich aus der Not geborene Unternehmung schwacher deutscher und öst.-ung. Verbände in den Karpathen begann, da verschob Letschitzki sofort seine Armeereserve, die 79. ID., vom Daiester an den linken Armeeflügel nach Kuty.
Maßnahmen Brussilows zur Fortsetzung der
Offensive
^4. August)
Die russische Führung hatte an die am 28. Juli einsetzende Offensive der Südwestfront große Erwartungen geknüpft, sah sich aber schon nach wenigen Tagen in ihren Hoffnungen bitter enttäuscht. Der Durchbruch auf Kowel war nicht geglückt, der Schwung der Angreifer war in den schweren Kämpfen um die Stochodlinie rasch erlahmt und die Siegeszuversicht der Truppen schnell verflogen. Denn man hatte dem Gegner unter sehr hohen Blutopfern nur einige Gräben zu entreißen, seine Widerstandskraft aber, obwohl die Artillerie bedeutende Geschoßmengen verbraucht hatte, nicht zu brechen vermocht '). Alexejew tadelte zunächst, daß Gen. Lesch bei dem Zangenangriff gegen den Raum
!) K 1 e m b o w s k i, 82 ff. — Z a j o n t s c h k o w s k i j, 51 ff. -- - K n o x, With lhe Russian army 1914-1917 (New York 1921), II, 461 ff., gibt die Stärke der Armee Bezobrazow am 25. Juli mit 134.000 Mann an. Bis zum 2. August hatten die beiden Garde-
Pinsk das Hauptgewicht nicht, wie vorgeschrieben, der südlichen, sondern der nördlichen Kampfgruppe übertragen hatte (Bd. IV, S. 643). Brussilow beabsichtigte daher am 31. Juli, das IV. sib. Korps vom Oginski-kanal an den unteren Stochod gegen Stobychwa zu überführen. Da aber mittlerweile das I. sib. Korps bei Olyka eintraf, beschloß er, mit diesen zwei frischen Divisionen die 3. Armee im Abschnitte Bol. Obzyr—Zarecze zu verstärken, wo ein Erfolg zu winken schien. Das IV. sib. Korps sollte sich im Raume Kiwercy—Klewań als Reserve sammeln.
Alexejew war auch mit der Art, wie die Südwestfront ihre Offensivunternehmen anzulegen pflegte, nicht einverstanden. So bemühte er sich am 2. August, den Stabschef Brussilows, Gen. Klembowski, davon zu überzeugen, daß es unzweckmäßig sei, alle Armeen gleichzeitig und gleichmäßig in großer Breite die starken Befestigungen des Gegners be-rennen zu lassen. Das vorhandene Übergewicht an Streitern wäre vorteilhafter dazu auszunützen, um an den gewählten, wichtigen Angriffsstellen überlegene Stoßkräfte zusammenzufassen. Die Übermacht gestatte auch, die geplanten Durchbrüche miteinander in Einklang zu bringen sowie aus den Einbruchsräumen gegen Flanke und Rücken des Gegners zu wirken. Dadurch könnten überdies so opferreiche Stirnangriffe, wie sie eben von Lesch und Bezobrazow geführt worden waren, vermieden werden. Der Generalstabschef des Zaren regte an, ein Korps von der 7. Armee, bei der keine Fortschritte zu erwarten seien, an die 9. Armee zu überweisen, damit diese ihren so erfolgversprechend angebahnten Erfolg gegen Stanislau ausbauen könne.
Tags darauf besprach Brussilow mit Bezobrazow und Kaledin in Łuck die Fortsetzung des Angriffes auf Kowel. Wie der britische Militärbevollmächtigte, Gen. Knox, berichtet, trat der betagte Gen. Bezobrazow sehr „piano“ auf und wollte den Angriff nur vorsichtig weiterführen. Seine Artillerie sei gezwungen, blindlings zu feuern, da die überlegenen deutschen Flieger die Luft beherrschten und eine Ballonbeobachtung unmöglich machten*). Brussilow war für eine kraftvolle Wiederaufnahme der Offensive. Das Ergebnis der Beratung, das den
korps rund 30.000 Mann eingebüßt, das I. und das XXX. Korps waren auf je 10.000 Mann zusammengeschmolzen. Bei der 8. Armee war bis zum 4. August das XXXIX. Korps auf 9000 Mann und das XXIII. auf 8000 Mann herabgesunken. Weniger geblutet hatten jene Truppen, die der k.u.k. 4. Armee gegenübergestanden waren. Das XXXX. Korps zählte noch 17.000 und das VIII. Korps 20.000 Mann.
x) Knox, II, 464. — Die Heeresgruppe Linsingen verfügte seit Mitte Juli über ein sehr rühriges Kampffluggeschwader.
Wünschen Alexejews nach Bildung ausgesprochener Kraftgruppen und Einklang der Stoßrichtungen entgegenkam, fand seinen Ausdruck in den Weisungen, die Brussilow am 4. August an seine Heeresfront erließ.
Am 7. hatten alle Armeen zum Angriff überzugehen und diesen tatkräftig zu führen. Die 3. Armee hatte, ohne ihre Regsamkeit im Raume von Pinsk zu unterbrechen, mit mindestens fünf Divisionen aus der Strecke Stobychwa—Smolary über den Stochod auf Skulin und Woloszki vorzudringen. Drei Reiterdivisionen waren bei der ersten Gelegenheit gegen Kamień Kaszyrskij zu werfen, um den Gegner im Rücken zu schädigen. Die Armee Bezobrazow hatte drei Korps für einen Angriff auf den Abschnitt Rudka Miryńska—Bol. Porsk und zum weiteren Vorrücken gegen die Linie Woloszki—Gonczy—Brod zu versammeln. Die 8. und die 11. Armee behielten die früheren Aufgaben in den Richtungen auf Władimir-Wołyński und auf Lemberg. Die 7. Armee sollte mit ihrem linken Flügel die 9. Armee unterstützen, die mit sechs Divisionen gegen Niżniów und Tłumacz vorzustoßen hatte. Der Plan sah demnach vor, daß die Sturmkeile, die Lesch und Bezobrazow gegen Kowel vorzutreiben hatten, sich mit den inneren Flügeln bei Woloszki treffen und sodann konzentrisch ihr Ziel weiter verfolgen sollten. Ähnlich war auch das Zusammenwirken der 7. Armee mit der 9. gedacht. Den Anforderungen Alexejews glaubte Brussilow bei der bevorstehenden Kriegshandlung auch in bezug auf das Kräfteverhältnis, mit dem man dem Gegner an den ausgesuchten Angriffsabschnitten gegenübertreten wollte, entsprochen zu haben. Man berechnete, daß die 3. Armee auf etwa 8 km Frontbreite eine Stoßgruppe von 86 Bataillonen gegen 16 und gleichzeitig die „Besondere Armee“ auf 15 km 96 Bataillone gegen 28 der Verbündeten ansetzen werde. Bei Letschitzkis 96 Bataillonen nahm man 21 gegnerische auf einer Front von 12 km an x).
In den letzten Tagen hatte sich am Südflügel der 9. Armee in den Karpathen ein starker Druck des Gegners fühlbar gemacht und Gen. Letschitzki hielt sich hier von einer neugebildeten öst.-ung. 12. Armee, die zum Angriff schreite, bedroht (S. 157). Er gab dem Gen. Brussilow
a) Klembowsk i, 85. Dieser Aufstellung waren wohl die Sollstärken der russischen Divisionen zugrunde gelegt. Ob alle abgekämpften Verbände in der kurzen Zeitspanne bis zum 7. August durch Einreihen von Ersätzen die volle Bataillonszahl erreichten, muß bezweifelt werden. Kno x, II, 469, beziffert z. B. am 8. August früh bei der Armee Bezobrazow das I. Korps noch immer mit 10.000 und das XXX. mit 9000 Bajonetten. Nur das I. Gardekorps wies, da die 1. GID. bisher am wenigsten gelitten hatte, 25.000 Mann auf.
zu bedenken, daß die zwei Aufgaben, mit dem Nordflügel weiter gegen Stanislau anzugreifen und gleichzeitig die linke Flanke der Heeresfront zu decken, die Leistungsfähigkeit der 9. Armee überstiegen, wenn ihr keine Verstärkungen zuflößen. Der Befehlshaber der Südwestfront bat daher am 5. August die Stawka, der 9. Armee für den Karpathenabschnitt Kavallerie zuzuteilen, damit Letschitzki zum Schutz der Bukowina nicht Kräfte von seiner Hauptangriffsgruppe abzuziehen brauche. In Mohilew mußte jetzt, da der Beitritt Rumäniens zur Entente in Kürze erwartet werden durfte, bei den Erwägungen und Maßnahmen schon das Zusammenarbeiten mit dem künftigen Bundesgenossen berücksichtigt werden. Für diesen Fall gewann die militärische Lage am äußersten Südflügel des Zarenheeres erhöhte Bedeutung; sie durfte sich in letzter Stunde nicht verschlechtern.
Noch am 5. August erließ deshalb Alexejew an Brussilow den Auftrag, die 9. Armee auf Kosten der 7. zu verstärken. Brussilow entschloß sich jetzt, ausgiebige Kräfte, die S.kauk.KosD. von der 3. Armee sowie die 37. und die 43. ID. samt dem XVIII. Korpskmdo. von der 7. Armee, über den Dniester zu Letschitzki zu verschieben. Dazu war noch die in Odessa befindliche 64. ID. nach Czernowitz heranzuziehen. Dem Armeeführer wurde am 6. bedeutet, daß er nötigenfalls den Vorstoß auf Stanislau um einige Tage zurückstellen dürfe; viel wichtiger sei das Halten der Front Kimpolung—Delatyn und damit die Behauptung der Bukowina, gleichgültig, ob Rumänien an Österreich-Ungarn den Krieg erkläre oder seine Neutralität noch länger wahren wolle. Der Südwestfront eröffnete die Stawka am gleichen Tage, daß sie sich das Verfügungsrecht über das IV. sib. Korps Vorbehalte, das Brussilow östlich von Luck sammelte.
Der Ausgang der Schlacht bei Kowel
Hiezu Beilage 4
Angriffsvorbereitungen der Russen und Gegen v or sorgen bei der Heeresgruppe Linsingen
(4. bis 7. August)
Schon die Erschöpfung zwang den Angreifer, in der Schlacht bei Kowel seit dem 1. August eine Pause eintreten zu lassen. Nur ganz vereinzelt war die Unternehmungslust der Russen noch am 3. bei Rudka
Mirynska aufgeflackert; es handelte sich dabei vielleicht nur um einen letzten Versuch der mittleren Führung, das zurückgedrückte k.u.k. II. Korps nicht zu Atem kommen zu lassen (S. 132) und örtliche Vorteile zu erringen. Die vorübergehende Ruhe war aber auch deshalb eingetreten, weil Brussilow, den Vorhaltungen Alexejews folgend, bereits einen geänderten Angriffsplan ausarbeiten ließ und daher kein Gewicht mehr darauf legte, daß die begonnene Offensive nach den für den 28. Juli ergangenen Befehlen auslief. So hatte er die Armeen Lesch, Bezobrazow und Kaledin am 3. August verhalten, ihre Angriffe vor dem Empfang neuer Weisungen einzustellen1). Diese Weisungen, tags darauf verlautbart, bestimmten den 7. zum Losschlagen, setzten aber bis dahin eine teilweise Umgruppierung der Kräfte voraus, damit die Stoßkeile gebildet werden könnten (S. 159). Die 3. Armee zog das I. sib. Korps in den Abschnitt Stobychwa—Smolary heran. Gen. Bezobrazow wechselte das I. Gardekorps in seinem bisherigen Abschnitte südwestlich der Bahnstrecke Rożiszcze—Kowel, in dem reine Verteidigung beabsichtigt war, durch abgesessene Reiterei der Garde (1. und 2. GKD.) aus und schob die zwei Infanteriedivisionen zwischen dem XXX. und dem I. Korps in die Front Wielick—Kuchary ein. Den von hier aus auf Mielnica zielenden Durchbruch der „Besonderen Armee“ sollte ein Nebenangriff des linken Flügels, des II. Gardekorps, mit der Gardeschützendivision über den Oberlauf des Stochod gegen Ozierany begleiten2). Die 3. GKD. hatte die äußere Armeeflanke zu decken. Bei der 8. Armee vermehrte Kaledin die Reitergeschwader des V. Kavalleriekorps hinter seinem linken Flügel südlich der Korczeska noch durch die 12. Kavalleriedivision.
GFM. Hindenburg verlegte, nachdem er die ihm neu unterstellten Befehlsstellen Linsingen,Tersztyánszky und Böhm-Ermolli besucht hatte, sein Hauptquartier als Oberbefehlshaber der gesamten deutschen und des Großteils der öst.-ung. Ostfront von Kowno nach Brest Litowsk3). Der erste, grundlegende Befehl, den er an die Heeresgruppe Linsingen am 3. August erlassen hatte, gebot, die derzeit besetzten Linien als Dauerstellungen auszubauen. Damit war der Entschluß der obersten Führung kundgetan, vor den Russen keinen Schritt zurückzuweichen. Die Verbündeten waren sich dessen bewußt, daß binnen kurzem ein neuer Gewaltschlag des Zarenheeres gegen Kowel zu erwarten sei. Von
x) Klembowski, 83.
2) Klembowski, 85 f. — Z a j o n t s c h k o w s k i j, 55. — K n o x, II, 467 ff.
3) Ludendorff, 182.
der als Reserve des Oberbefehlshabers bestimmten deutschen 75. RD. trafen eben die Spitzen ein (S. 137), überdies war in nächster Zeit noch mit dem XV. türkischen Korps zu rechnen.
Bevor der Feind wieder losging, versuchte man innerhalb der Armeegruppe Bernhardi die Gefechtslage im Wetterwinkel Zarecze zu bessern (S. 128). GLt. Clausius machte am 4. August in seinem Divisionsbereiche nördlich von Stobychwa das 2. Bataillon des deutschen IR. 150 durch Landstürmer der k.u.k. 53. ID. frei und ließ am folgenden Tage die Sandhügelstellung südlich von Zarecze durch etwa fünf Bataillone der Verbündeten unter dem preußischen Obstlt. Bürkner, Führer des IR. 150, stürmen !). Den bunt gemengten Angreifern, Preußen, Bayern sowie schwachen Kompagnien der k. k. Schützenregimenter 12, 18 und 33 -) diente das 3. Bataillon des bayrischen RIR. 13, das vor Smolary durch deutsche Landwehr ersetzt worden war, als Rückhalt. Als der Feind mit Gegenstößen antwortete, wurde er abgeschlagen. Allein ein durchgreifender Erfolg des Unternehmens war nicht zu verzeichnen, denn das gleichzeitig gegen den Brückenkopf bei Zarecze gerichtete Geschützfeuer blieb wirkungslos und der Russe behauptete sich nach wie vor auf dem Westufer des Stochod. Die zersplitterte Befehlsgebung an der Front der 53. ID., in die seit Ende Juli zwei öst.-ung. Brigaden und etliche deutsche Einheiten hineingepreßt worden waren, regelte GdI. Fath dahin, daß die 128. LstlBrig. den rechten Flügel bis zur Sanddüne behielt. An diese Brigade schloß die hauptsächlich aus deutschen Truppen bestehende Gruppe Bürkner an; der linke Abschnitt von Zarecze bis zur Stobychwaniederung fiel dem Kommando der 51. SchBrig. zu.
Bei der Gruppe Kneußl scheiterte am 4. August in den Morgenstunden ein auf den vorgeschobenen Posten im Gutshof Hulewicze versuchter Anschlag des Feindes an der Wachsamkeit der bayrischen Besatzung. In den nächsten Tagen lieferten die Bayern und die nordböhmischen Schützenregimenter 9 und 10 des GM. Wieden (26. SchD.) den Russen in den Stochodauen südlich der Bahnübersetzung lebhafte Patrouillenkämpfe 3).
v) Bernhardi, Eine Weltreise 1911 12. III, 204. — Geschichte des In
fanterie-Regiments Nr. 150, 1, 279 ff.
2) Nach einer vom 53. IDKmdo. am 3. August dem Korps Fath erstatteten Meldung entsprach der Feuergewehrstand der SchR. 12, 18, 33 und des k. u. LstlR. 19 nur mehr dem je eines halben Bataillons.
3, W i s s h a u p t, Die 52. Landwehrinfanteriebrigade, 413 ff. — Mayer, 62.--Stengel, 75.
Am 4. August früh hatten die Russen nochmals gegen die 4. ID. vorgefühlt; doch wurde dieses Beginnen alsbald im Abwehrfeuer erstickt. Am 6. schossen sich die Batterien des Feindes auf die Stellungen des II. Korps ein. Im Walde bei Sielco entdeckten die Flieger der Verbündeten neue Lager; schon seit dem Vortage waren im Raum um Trojanowka russische Truppen im Vormarsch gegen die Stochodfront des Korps Fath beobachtet worden. Bei Smolary zählte man 18 Brücken und Stege, die der Feind über die Flußarme gebaut hatte; überdies verrieten sich das I. sib. und das I. Gardekorps in ihren neuen Versammlungsräumen durch Funksprüche. GO. Linsingen mußte aus all diesen Anzeichen mit einem starken Angriffe auf die Mitte der Armeegruppe Bernhardi rechnen. Als Gegenmaßregel wurde daher die 75. RD.1), GLt. v. Hoeppner, für den Bereich nördlich der Bahn Kowel—Maniewicze im Raum von Grywiatki bis Soszyczno hinter dem Korps Fath breit verteilt, während die Masse der 10. LD. um Mielnica und Byten dem II. Korps und dem rechten Flügel der Armeegruppe Bernhardi als Reserve diente. Die Widerstandskraft des II. Korps vermehrte GdK. Bernhardi durch deutsche Minenwerfer und ein Bataillon, das bei der 41. HID. in Stellung ging.
Auch die Mitte und der Südflügel der Heeresgruppe Linsingen wappneten sich zur Abwehr eines neuerlichen Russenansturmes. Bei der Gruppe Lüttwitz ermöglichte es das Abklingen der Kämpfe, die Truppen der 86. ID. aus der Front zu ziehen und bis zum 7. abends bei Gonczyj Brod—Ozierany zu sammeln. Bei der 4. Armee bewegte sich die Gefechtstätigkeit in mäßigen Grenzen. Erst am 7. steigerte der Feind, hinter dessen Linien viel Bewegung herrschte, sein Geschützfeuer gegen das k.u.k. X. Korps. GdI. Litzmann hatte unterdessen getrachtet, den von den schweren Kämpfen der letzten Zeit einigermaßen mitgenommenen Kampfgeist und das Selbstvertrauen der ihm untergebenen öst.-ung. Regimenter zu heben. Der Nordflügel des Korps Szurmay (70. HID.), wo ein gesicherter Anschluß an die 13. SchD. des Nachbarkorps sehr wünschenswert war, wurde durch ein Bataillon des RIR. 217 gefestigt. Das HIR.314 in Wojnin, ferner vier deutsche Bataillone und ein deutsches Reiterregiment bildeten die Reserve der Armeegruppe *). GO. Tersztyánszky konnte hinter der Nahtstelle der Korps Csanády und Szurmay über die übrigen zwei Bataillone des RIR. 217 verfügen.
*) 9 Baone., 1 Schwd., 12 Bt., 1 techn. Komp.; 7300 Feuergewehre, 100 Reiter, 48 Gesch.
2) Litzmann, II, 102 ff.
GdK. v. der Marwitz zog in seinem Bereiche eine Gruppe von drei Bataillonen, einer Schwadron und drei Batterien bei Łopatyn zusammen.
Die öst.-ung. Heeresleitung mußte in diesen Tagen, da das Verhältnis Rumäniens zu den Mittelmächten immer gespannter wurde, auf die Deckung Siebenbürgens bedacht sein und bestrebte sich, für den Schutz des Landes vornehmlich ungarische Truppen zu gewinnen. Das
4. Armeekmdo. wurde am 6. August verständigt, daß das Székler IR. 82 in seine Heimat abzugehen habe. Dafür werde der 2. ID. je ein Bataillon des IR. 62 (vom XII. Korps) und des IR. 103 (vom Korps Hofmann) zugewiesen. Ferner sei beabsichtigt, auch die auffrischungsbedürftige 70. HID., die seinerzeit zur Verteidigung Siebenbürgens errichtet worden war, abzuziehen, bis genügend türkische Truppen in Kowel eingetroffen sein würden. Bei der Armeegruppe Marwitz sollte die 46. SchD. das Regiment Mjr. Trupkovic abgeben, sobald es entbehrlich geworden sei. In den Verband der 48. ID. traten die IBaone.IIL76 und 11/101; dafür waren die IBaone.IV/20 und 1/21 an die Isonzofront abzusenden (S. 89).
Brussilows Angriff auf Kowel erlitt im letzten Augenblick noch eine Verzögerung. Am 6. August meldete Gen. Bezobrazow, daß das I. Gardekorps erst zwei Batterien in Feuerstellung gebracht habe, und bat, den Angriff um einen Tag verschieben zu dürfen. Brussilow stimmte zu, daß die ganze Nordhälfte seines Heeres erst am 8. angreife 1). Gen. Lesch setzte mit dem Auftakt schon am 7. ein. Zeitlich früh drang das
I. sib. Korps — die 77. und die 78. ID. waren, arg geschwächt, hinter die Front genommen worden — bei der k.u.k. 53. ID. auf der blutgetränkten Sandwelle in die vordersten Gräben ein. Ein Gegenstoß des SchR. 18 und deutscher Landwehr warf die Stürmer wieder zurück. Die Front wurde sodann durch das 3. Bataillon des bayrischen RIR. 13 gestützt. Nachmittags schlugen die Verteidiger auch die aus Zarecze gegen Westen vorstrebenden Russen ab. Daß der Feind mit zäher Beharrlichkeit an seiner Absicht festhielt, aus der Brückenkopfstellung am westlichen Stochodufer den Abwehrwall zu durchbrechen, wurde den Verbündeten besonders deutlich durch das Auftreten sibirischer Truppen; denn auf deren Stoßkraft setzten die russischen Führer großes Vertrauen. Da ein Nachtangriff des Feindes nicht ausgeschlossen war, wurde die Heeresgruppenreserve, die 75. RD., bis zum Abend näher an das Korps Fath herangeführt. Das RIR. 251 rückte mit drei Batterien aus Karasin und Stobychowka nach Lubarka vor und trat mit dem GLt. Clausius in Verbindung. Die Masse der Division kam in den Raum Powursk—Grywiatki.
y) K 1 e m b o w s k i, 86.
Die letzten Tage der Schlacht (8. bis 12. August)
Der Angriff der Armeen Lesch und Bezobrazow auf die Armeegruppe Bernhardi
Vor dem Reiterkorps Hauer verhielt sich der Feind auch weiterhin nicht sehr tätig (S. 123). Die der 3. Russenarmee vorgezeichnete Stoßrichtung führte über die vom Korps Fath der Armeegruppe Bernhardi verteidigte Front. Am 8. August, schon knapp nach Mitternacht, versuchten sibirische Schützen, sich gegen die Mitte der 53. ID., Gruppe Bürkner, vorzuarbeiten, wurden aber durch das Feuer der Verteidiger niedergehalten. Am Vormittag entspann sich an der gesamten Front des Korps Fath ein Artilleriekampf von wechselnder Heftigkeit. Seit Mittag wurde erkennbar, daß der Feind den Abschnitt Kneußl offenbar nur beunruhigen wolle, hingegen den Abschnitt Clausius zum Einbruchsraum gewählt habe, worauf die zunehmende Beschießung aus schweren Kalibern hinwies. Die Widerstandsbauten wie die Besatzungen der 53. ID. litten unter dem Geschoßhagel ganz erheblich; auch auf den angrenzenden Stellungen der Deutschen bis Bol. Obzyr lastete das Geschützfeuer der Russen. GLt. Clausius hatte von seinem Nordflügel noch ein Bataillon abgezogen und hinter Stobychwa bereitgestellt; GLt. Kneußl sandte ein bayrisches Bataillon als Nahtreserve an seinen linken Flügel. Durch das Vorziehen der 75. RD. hatte GO. Linsingen zwar mit allen Mitteln dafür vorgesorgt, daß die Armeegruppe Bernhardi den Anprall der Russen an der Stochodlinie auffangen könne, allein für den Nordflügel der Heeresgruppe, für den Nordteil der Division Clausius und auch für das anschließende Kavalleriekorps Hauer war keine Reserve vorhanden. GFM. Hindenburg veranlaßte daher, daß aus dem Nachbarbereiche der Gruppe Gronau Teile der deutschen l.LD. nach Süden verschoben wurden; das Spitzenregiment erreichte am 8. August Jajno.
In dem vom Geschützfeuer umbrausten Gefechtsraum der 53. ID. hatten die Gruppe Bürkner stellenweise schon vormittags, die 51. SchBrig. nachmittags vorbrechende russische Infanterie zurückweisen müssen1). Aber erst am Abend setzte der Feind mit dem Hauptsturm ein, der sich von der Sanddüne bis Stobychwa erstreckte. Die Verteidiger stemmten sich den Sibiriern mit aller Kraft entgegen und fügten ihnen schwere Verluste bei. Doch neue Angreifermassen stürzten heran. Die wildGeschichte des Infanterie-Regiments Nr. 150, I, 288 ff.
wogenden Kämpfe wurden durch die Nacht kaum unterbrochen, so daß die Verbündeten mit Hilfe der örtlichen Reserven am 9. August .morgens bereits den sechsten Angriff abschlagen mußten. Auf einer Kuppe der Sandwelle hatte sich der Feind eingenistet, da der Versuch einer Gegenangriffsgruppe (einiger Kompagnien der Schützenregimenter 18 und 33 sowie Bavern), die Eindringlinge zurückzuwerfen, durch einen folgenden Vorstoß der Russen wettgemacht worden war. Im übrigen waren die Stellungen fest in der Hand der Verteidiger geblieben. Deren Reihen waren freilich, namentlich bei der Gruppe Bürkner, sehr gelichtet. Sie wurden aber nun durch ein Bataillon des RIR. 251 gestütztx); denn GO. Linsingen bestand auf sehr sparsamem Einsatz der Heeresgruppenreserve.
Das Gefecht flaute auf einige Stunden ab. Mittags begannen die Feuerschlünde des Feindes vom linken Flügel der Gruppe Kneußl angefangen bis über Stobychwa hinaus neuerdings ihr Zerstörungswerk. Bald folgte ein Vorstoß der Russen bei Zarecze. Er war kaum abgewehrt, als um 4h nachm. ein frischer Angriff, diesmal in breiterer Ausdehnung, losbrach. Vor Smolary und den Linien der 128. LstlBrig., der die Batterien der 45. SchD. Unterstützung gewährten, erlitt das anstürmende XLVI. Russenkorps eine blutige Abfuhr2); die Angreifer flüchteten über den Stochod zurück. Auf der Sanddüne bewährte sich das Bataillon des bayr. RIR. 13. Den Feind durch Nachstoßen von der Kuppe zu vertreiben, gelang zwar nicht, doch wurde er von drei Seiten umklammert. Der Abwehrkampf dauerte bei der Gruppe Bürkner und der 51. SchBrig. bis tief in die Nacht hinein; südlich von Zarecze wurden die in den ersten Graben eingedrungenen Russen im Gegenangriff überwältigt3).
Die deutsche l.LD. war als Heeresgruppenreserve mit einem Regiment schon am Morgen in Werchy eingelangt, ein anderes kam nach Holoby hinter das Reiterkorps Hauer. Da die Russen den Verteidigungsabschnitt der Division Clausius während des ganzen Tages lebhaft beschossen, war es nicht ausgeschlossen, daß sie sich auch hier mit ernsten Angriffsabsichten trugen. Ein deutsches Landwehrbataillon wurde daher aus Werchy gegen Bol. Obzyr vorgezogen. Als abends auf Stobychwa ein Trommelfeuer niederzuprasseln begann, das bis Mitternacht
r Meienborn und G o e b e 1, Reserve-lnfanterie-Regiment Nr. 251 (Zeulenroda^, 122 ff.
2) Klembowski, 90.
3j Wisshaupt, Aus den Kämpfen des Korps GdI. Fath (Öst. Wehrzeitung, Folge 43 von 1926).
anhielt, stellte GLt. Clausius das nächste zugewiesene Bataillon des RIR. 251 hinter dem Orte bereit.
Am 10. August in den ersten Morgenstunden berannte die 78. Russendivision mit Wucht die Stellungen der Deutschen, brach aber im vereinigten Abwehrfeuer zusammen. Etwa zu gleicher Zeit, bald nach Tagesanbruch, erloschen auch bei der k.u.k. 53. ID. die Grabenkämpfe. Die Geschütze grollten aber weiter über das von Leichen der Angreifer übersäte Schlachtfeld.
GdI. Fath erblickte seine nächste Aufgabe darin, die durch tagelang e Kämpfe am meisten mitgenommenen Truppenteile in der ersten Linie durch widerstandskräftigere auszuwechseln. Die im Abschnitt um Zarecze verwendeten Streiter waren, wie der Korpsführer hervorhob, seit dem 8. August früh durch volle 25 Stunden ununterbrochen in einem gewaltigen Geschoßregen gestanden, den die Batterien von vier russischen Divisionen auf den Einbruchsraum geschleudert hatten. Binnen 36 Stunden hatten die Verbündeten zehn wuchtige Angriffe des Feindes abgeschlagen. GdK. Bernhardi beließ dem GLt. Clausius die zwei Bataillone des RIR. 251, betonte aber, daß das ganze Regiment in einigen Tagen wieder als Heeresgruppenreserve verfügbar sein müsse. Das Ablösen von Grabenbesatzungen dürfe die Anzahl der deutschen Eingreiftruppen hinter der Front nicht vermindern.
In der Nacht auf den 11. wurde sodann der Großteil der abgekämpften öst.-ung. und deutschen Abteilungen beiderseits von Zarecze durch die zwei Bataillone des RIR. 251 oder noch vorhandene Abschnittsreserven abgelöst. Tagsüber gab es an der Front des Korps Fath gelegentliche Artilleriezweikämpfe und Vorfeldplänkeleien. Nur auf dem Sandhügel flackerte zeitweilig ein lebhafteres Gefecht auf; denn ein Gegner trachtete über den ändern durch Handstreiche Vorteile zu erringen. Einzelne Patrouillen der Verbündeten vermochten bis an den Stochod vorzudringen und Stegbauten der Russen zu vernichten. Am Nordflügel der 26. SchD., den jetzt ein Bayernbataillon innehatte, stieß eine Streifschar längs der Bahnübersetzung in die Ostschanze (S. 125) vor und behauptete sich darin, um sie zu zerstören, bis zum nächsten Tag. Beim Korps Fath wurde das Ordnen der Verbände und Auswechseln der Fronttruppen fortgesetzt; es wurden Ersätze eingereiht.
Die Armee Bezobrazow eröffnete am 8. August um 6h früh ein vorbereitendes Artilleriefeuer auf den Einbruchsabschnitt Rudka My-rinska—Bol. Porsk. Das XXX. Russenkorps war gegen das öst.-ung.
II. Korps, FML. Kaiser, angesetzt. Die Kerntruppen des Zarenreiches, die im I. Gardekorps vereinigten berühmtesten Regimenter, ballten sich vor der deutschen 107. ID. zusammen und sollten, links vom I. Korps unterstützt, die neun Bataillone des preußischen GM. Hahndorff und den Anschlußflügel der 41. HID. überrennen1). Mittags wuchs der Feuerorkan zu größter Heftigkeit an, Drahtverhaue und Gräben der Verbündeten wurden stark beschädigt. Unterdessen füllten die Angreifer ihre über Nacht in mehreren Linien hintereinander ausgehobenen Sturmstellungen. Ein erster, schwacher Vorstoß bei Wielick wurde abgewiesen. Nachmittags mäßigten die russischen Batterien vor dem II. Korps zunächst ihr Wüten. Um 5h brach der mächtige Infanterieangriff gegen die innern Flügel der 4. ID., FML. Pfeffer, und der 41. HID., GM. Schamschula, los. Jedoch das niederösterreichische IR. 49 und das Siebenbürger HIR. 32, daneben ein Bataillon des deutschen IR. 377, ließen alle Anstrengungen der 80. Russendivision vor den Hindernissen zu Schanden werden2). Nach 7 h lief der Feind neuerlich an, erlitt aber in der Dunkelheit das gleiche blutige Schicksal wie zuvor. GdK. Bernhardi hatte nachmittags von der deutschen 75. RD. das RIR. 250 nach Mielnica und Krywin kommen lassen; doch war eine Verstärkung des Korps Kaiser nicht notwendig. Die in der ersten Linie fechtenden Truppen reichten aus, den Feind zur Umkehr zu zwingen; nur GM. Schamschula hatte eine Kompagnie seiner Divisionsreserve gebraucht, um die Grabenbesatzung zu verdichten.
Die deutsche 107. ID. wurde nachmittags nochmals durch Trommelfeuer überschüttet. Um 5h schritten die Zarengarde und die 22. ID. des
I. Korps zum Sturm. Der linke Flügel der Deutschen wurde eingedrückt, der rechte Frontteil behauptete sich unbeugsam. Gegen die Division Rusche gab der Feind nur ein Beunruhigungsfeuer ab. An der Einbruchsstelle, im Walde westlich von Kuchary, entbrannte ein äußerst erbitterter Kampf. Um den vordringenden Russenschwall einzudämmen, warf GdK. Bernhardi das deutsche IR. 46 in das Gefecht3). Die Lage blieb nachts noch ungeklärt. Bis zum Tagesanbruch vermochte aber der Gegenangriff der Deutschen den Feind vollends in seine Ausgangsstellung zurückzuschlagen4).
1) Knox, II, 469 ff.
2) Ehrenbuch der Hesser, II, 137 ff.
3) Das Regiment (zwei Bataillone) war nebst der Masse der deutschen 10. LD. von GO. Linsingen dem GdK. Bernhardi zur Verfügung gestellt.
4) Bernhardi, Eine Weltreise 1911,12, III, 204 f. — Barten werffer und H e r r m a n n, II, 57 ff. — Ulrich, 349. — Klembów ski, 90.
Die Russen waren ob des ausgesprochenen Mißerfolges schwer enttäuscht und standen sofort von jedem weiteren Angriffsversuch ab1). Der geplante Durchbruch der Armee Bezobrazow auf Kowel war wieder an der unerschütterlichen Abwehr der Gegner abgeprallt. Auf beiden Seiten fiel man in den Stellungskampf zurück. Kleine Unternehmungen, die in den folgenden Tagen beim öst.-ung. II. Korps durchgeführt wurden, bewiesen, daß der Feind den Verbündeten im Vorfelde die Oberhand überließ.
Russische Vorstöße gegen Mitte und Siidfliigel der Heeresgruppe
Linsingen
Der Begleitangriff, den der linke Flügel der Armee Bezobrazow gegen Ozierany führen sollte (S. 161), traf jenen Frontteil der Gruppe Lüttwitz, den die k.u.k. 29. ID., FML. Schön, und die deutsche 121. ID. besetzt hielten. Das II. Gardekorps der Russen konnte sich auf den Brückenkopf bei Witoniez stützen (S. 136) und trachtete, zunächst durch Eroberung des Ortes auf dem Westufer des Stochod mehr Boden zu gewinnen. Der 8. August verging unter lebhaftem Feuer der russischen Batterien, das besonders auf den inneren Flügeln der Divisionen Schön (deutsche 37. IBrig.) und Ditfurth lag. Abends erwarteten die Verbündeten den Angriff auf Witoniez. Der Feind ließ aber tags darauf noch eine zwölfstündige Beschießung vorangehen, bevor er am späten Nachmittag zum Sturme ansetzte; doch die tief gegliederten Schwarmlinien der Gardeschützendivision, denen geschlossene Abteilungen folgten, wurden vom Abwehrfeuer der Verteidiger niedergeworfen 2). Gegen die rechts anschließende deutsche 19. ID. und besonders gegen die 20. erschöpfte sich das XXIII. Russenkorps der Armee Kaledin an beiden Tagen in wiederholten Massenangriffen bei Kisielin. Die mit Gewalt!) K n o x, II, 472 ff., bringt folgende Verlustangaben: 71. ID. 300, 1. GID. 1500, 2. GID. 4000, 22. ID. 1000, zusammen 6800 Mann. Wie der Verfasser berichtet, hatte die 71. ID. nicht kraftvoll angegriffen. Beim k.u.k. II. Korps wurden während des Kampfes nur Regimenter der 80. Russendivision festgestellt. Diese dürfte erheblich geblutet haben, denn die k.u.k. 4. ID. zählte am 9. über 800 Russenleichen vor den Hindernissen. Das Korps Kaiser, einschließlich des deutschen IR. 377, büßte nur etwas über 300 Mann ein; die RIR. 52 und 232 der Division Ilahndorff hatten stark gelitten.
2) Schön, Die 29. ID. am Stochod, 68. —■ IR. 94 im Weltkriege, 562 ff. — E b e 1 i n g, 131 f. — Klembowski, 90. — K n o x, II, 473.
mitteln vorgetriebenen Stürmerreihen, denen gleichfalls geschlossene Gruppen nachkamen, brachen vor den Verderben speienden Linien der Deutschen unter großen Verlusten zusammenx). Die Wirkung blieb nicht aus: vom 10. August an beschränkte sich der Feind vor der Gruppe Lüttwitz auf die Verteidigung.
Die Mitte der russischen 8. Armee trat am 8. August gegen die k.u.k. 4. Armee an. Zeitlich früh leiteten die Batterien des Feindes die Schlacht ein. Schon beim ersten Infanterieangriff, der sich gegen den rechten Flügel des k.u.k. X. Korps und das nördliche Frontdrittel der Armeegruppe Litzmann wandte-), gelang es der durch Teile der
53. Russendivision verstärkten 4. SchD. (XXXX. Korps), um 6h die Südhälfte der öst.-ung. 13. SchD. nördlich von Szelwow einzuschlagen. Der Divisionär, FML. Kaiser, ließ seine Abschnittsreserven zum Gegenstoß vorrücken, und der Korpsführer, FML. Csanády, bat um die in der Nähe, bei Wolka Szelwowskaja, stehende Armeereserve. Denn er wollte seine weiter entfernten Eingreiftruppen, die 3. IBrig., aufsparen, um nötigenfalls Mitte und Nordflügel des Korps stützen zu können. Das Armeekommando stellte ein Bataillon des deutschen RIR.217 zur Verfügung und befahl, den eingedrungenen Feind zurückzuwerfen. Beim Nachbarkorps Szurmay hatte das am linken Flügel der 70. HID. eingesetzte deutsche Bataillon (S. 163) wacker standgehalten und sich zum Schutz der Flanke gegen die Einbruchsstelle abgebogen. Die gegen die 70. HID. und die 11. ID. vorgehende 14. Russendivision3) konnte zum Stehen gebracht werden.
Den Führern der Verbündeten schwebten die Ereignisse vom 28. Juli, an dem ein Einbruch des Feindes im gleichen Raum um Szelwow unheilvolle Formen angenommen hatte, noch lebhaft vor Augen. Es galt, die an einer empfindlichen Stelle, an der Nahtlinie zweier Korps aufgesprungene Bresche durch tatkräftiges Handeln ehestens abzuriegeln. GO. Linsingen verfügte, daß dem GdI. Litzmann die einheitliche Leitung des Gegenangriffes im Grenzraum zwischen seiner Gruppe und dem X. Korps zu übertragen sei. Da man wußte, daß der Feind das
V. Kavalleriekorps zum Nachhauen bereit hielt, standen auf Geheiß des Armeekommandos überall die Schwadronen der Divisionskavallerie, bei Litzmann überdies mehrere Reiterregimenter bereit, etwa vorbrechenden Geschwadern mit der blanken Klinge zu begegnen.
\ Cron, 160. — S o b b e. 304.
2) Litzmann, II, 106 ff.
3, Winogradsky, 201 ff.
Während es der 13. SchD. vormittags gelang, im Anschluß an ihren linken, durch das SchR. 24 festgehaltenen Abschnitt*) die eingedrückte Stellung nach Süden etwas auszugleichen, rang sich der Gegenangriff nördlich von Szelwow nur schwer vorwärts. Noch klaffte eine 1500 Schritt breite Frontlücke. Um llh traf GO. Tersztyánszky beim X. Korpskmdo. ein und begab sich zur 13. SchD. auf das Gefechtsfeld. Der Armeekommandant setzte aus seiner Reserve das letzte Bataillon des RIR. 217 ein. Unter der Führung des Kommandeurs dieses Regiments, Obst. Johow, hatte der Gegenschlag der Verbündeten vollen Erfolg. Nach der Mittagsstunde war der verlorene Grabenzug zurückerobert2). Ansätze zu Angriffen auf die 2. ID. und die 37. HID. wurden bis zum Abend stets durch Sperrfeuer erstickt. Ebenso zeigte sich das Korps Szurmay der Armeegruppe Litzmann allen Vorstößen der 14. Russendivision gewachsen. Die Gruppe Beckmann behelligte der Feind nur durch Geschützfeuer.
Am 9. August gab es noch ein scharfes Geplänkel um die vorgeschobenen Feldwachstellungen. Der Feind vergalt namentlich der
13. SchD. seine Niederlage durch eine ausgiebige Beschießung, unterließ aber jeden Angriff gegen die 4. Armee. Zwei als Ersatz für das IR. 82 in Wladimir-Wolyński ausgeladene Bataillone rückten an die Front.
Bei der Armeegruppe Marwitz war am 8. August durch russische Artillerie und durch den Stellungen vor Zwiniacze sich nähernde Infanterie vorübergehend eine rege Gefechtstätigkeit ausgelöst worden. Als nachmittags bei Holatyn eine starke Marschkolonne gesichtet wurde, die über die Lipa nach Süden strebte, wurde die aus Teilen der deutschen 22. ID. gebildete Heeresgruppenreserve auf Antrag des GdK. v. der Marwitz von Lopatyn nach Zawidcze verschoben3); doch der Russe unterließ einen Anschlag auf die Front der Verbündeten. So lief der Stellungskampf unter den üblichen Begleiterscheinungen bei Freund und Feind weiter. Von der 7. ID. rollte das Bataillon III 79 zur 5. Armee ab.
Die Heeresgruppe Linsingen hatte die Abwehrschlacht bei Kowel auch in der zweiten Phase gewonnen. Als der Feind am 9. August seine Angriffe in der Hauptsache plötzlich abbrach — nur bei Zarecze stürmte er noch weiter an — konnten die Heerführer der Mittelmächte allerdings noch nicht annehmen, daß der äußerst erbitterte Streit um Kowel zunächst zu ihren Gunsten entschieden sei. Auf den beiden Bahnstrecken, die von Sarny und von Rowno an die russische Front
i) Sichelstiel, SchR. 24, 117.
-) Die 13. SchD. verlor an diesem Tage 1200 Mann.
3) Clausius, 100.
heranführten, herrschte reger Verkehr. Linsingens Kampffluggeschwader belegte die Ausladeplätze Trojanowka, Maniewicze und Kiwercy ausgiebig mit Bomben. Aus Klewań meldete sich die Funkstation des IV. sib. Korps. Die Verbündeten mußten sich daher auf neuerliche Anstürme gefaßt machen und konnten ob des eben errungenen Erfolges kaum aufatmen; denn die Gesamtlage auf dem östlichen Kriegsschauplatz blieb nach wie vor sehr ernst.
Bereits am 7. abends hatte GM. Seeckt, der Stabschef der Heeresgruppe Erzherzog Karl, eine dringliche Anfrage an die DOHL. und an Hindenburg ergehen lassen, ob sie in der Lage wären, Kräfte zur Stützung der k.u.k. 3. Armee abzugeben. Die öst.-ung. Heeresleitung, die gleichzeitig von dem Ansuchen verständigt worden war, griff daher die aus dem Hauptquartier Brest-Litowsk durch den Verbindungsoffizier übermittelte Anregung gerne auf, das zu Linsingen anrollende Osma-nenkorps zur Heeresgruppe Erzherzog Karl abzudrehen. Diese im Drange der Not am 9. verfügte Abänderung mußte GdI. Falkenhayn „trotz schwerwiegendster Bedenken“ billigen. Er unterließ allerdings in seiner Antwort nicht die vorwurfsvolle Bemerkung, daß Conrad sich in dieser Frage nicht vorher des Einverständnisses der DOHL. versichert, sondern eigenmächtig gehandelt habe. Zwei schon in Kowel eingefahrene Truppenzüge der Türken kehrten wieder um. Die Heeresgruppe Linsingen konnte die ihr zugedachte Verstärkung im Augenblick entbehren, da trotz der Abwehr einer Übermacht im engeren Bereich die Hauptkraft von drei deutschen Divisionen (86. ID., 10. LD., 75. RD.) um den Verkehrsknoten Kowel verfügbar geblieben war.
Die Front Bemhardis wie die der Gruppe Lüttwitz hatte sich genug widerstandsfähig erwiesen; nur die 4. Armee bedurfte einer Festigung. Schon am 9. traf über Wladímír-Wolynski das deutsche IR. 372 mit einem Brigadestab, vorläufig als Heeresgruppenreserve, hinter ihr ein. Das zugehörige 10. LDKmdo., GM. Stocken, mit weiteren Truppen folgte. Am
12. befahl Linsingen, die Regimenter der 13. SchD. mit Ausnahme des SchR. 24 durch das IR. 372 aus der Front zu lösen. Den Befehl über den Divisionsabschnitt hatte GM. Stocken zu übernehmen. GO. Tersztyánszky ließ das IR. 82 durch die eingetroffenen Bataillone V/62 und V/103 freimachen, da aus Brest-Litowsk schon angefragt worden war, wann das Regiment entbehrlich sein werde. Das Armeekommando ließ zwar erkennen, daß es auf die Székler nur ungern verzichte, erhielt aber zur Antwort, eine Schwächung der bisherigen Ostfront zugunsten des zukünftigen Kriegsschauplatzes sei unvermeidlich.
Am 12. August, nachdem der Görzer Brückenkopf in die Hände der Italiener gefallen war, und da die Spannung an der Isonzofront noch immer anhielt (S. 87 ff.), sah sich GO. Conrad genötigt, die DOHL. um eine öst.-ung. Division der Nordostfront zur Stärkung der 5. Armee zu ersuchen. Die k.u.k. Heeresleitung wolle, hieß es in der Depesche, von dem vertragsmäßig festgelegten Rechte, der Front des GFM. Hindenburg die unerläßlichen Kräfte für die Südwestfront zu entnehmen, nicht ohne Einvernehmen mit dem deutschen Generalstabschef Gebrauch machen, „weil wir beide am Halten der russischen Gesamtfront das gleiche Interesse haben“. Falkenhayn bot hierauf eine Division des k.u.k. XII. Korps an, das im Verbände der deutschen Armee Woyrsch stand. Conrad entschied sich für die k.u.k. 16. Division.
Fortführung der russischen Angriffe gegen Lemberg und Stanislau
Die Schlacht bei Załośce (4. bis 8. August)
Hiezu Beilage 5
Am 4. August war die k.u.k. 2. Armee in ihrer neuen Stellung am Sereth und an der Graberka von den Russen angegriffen worden. GdK. Sacharow hatte das V. sib. Korps beiderseits der Bahnlinie Brody—Lemberg eingesetzt und das bei Klekotów arg hergenommene XXXII. Korps als Reserve aus der Front herausgezogen. Mit dem XVII. und dem
VII. Korps fiel er den rechten Flügel (IV. und V. Korps) der Armee Böhm-Ermolli an und suchte durch einen Einbruch zwischen Załośce und Zwyżyn die Straße Tarnopol—Złoczów—Lemberg zu ge winnen. Den Hauptstoß richtete Sacharow gegen die inneren Flügel der 14. und der 31. ID. bei Ratyszcze. Um 5h früh stieß die russische
13. ID. über den Sereth und setzte sich bei Czystopady in den Stellungen des IR. 26 fest. Zugleich drangen Kräfte der russischen 3. ID. bei Markopol in den Verteidigungsabschnitt des IR. 32 ein. Hier gelang es, den Feind aus den Gräben hinauszuschlagen. Zwischen Czystopady und Ratyszcze wütete indessen ein wilder Kampf. Nur mit Mühe vermochte das IR. 26 den Russen den Aufstieg aus den Serethgrund zu den Höhen von Trościaniec zu verwehren. GM. Horváth, der Kommandant der
14. ID., warf seine Reserven ins Feuer. Czystopady ging verloren; das
Dorf wurde wohl zurückerobert, aber die Russen gewannen schließlich die Oberhand und erstürmten zwischen Zalośce und Ratyszcze den Höhenrand.
Gdl. Schmidt v. Georgenegg, der Kommandant des IV. Korps, befahl, daß die am Morgen in der Richtung auf Markopol vorgeschickte Reserve (zwei Bataillone des IR. 71) den Sereth entlang auf Ratyszcze vorstoße, um dem über den Fluß vorgedrungenen Feind in die Flanke zu fallen. Allein die Serethteiche verhinderten diese Reserve am Vorgehen, sie mußte nach Süden verschoben werden und konnte sich erst um Mittag im Walde östlich von Hnidawa zum Gegenangriff gruppieren. Mittlerweile erlag das IR. 26 nach wildem Kampfe dem russischen Ansturm. Gestützt von den Reserven der 14. ID. und des IV. Korps — es waren insgesamt acht Bataillone — setzten sich am Nachmittag die aus den Stellungen am Sereth geworfenen Truppen im Walde südlich von Ratyszcze und am Nordrande der welligen Hügelflur südlich von Czystopady fest. Gegen Abend kam der russische Angriff zum Stehen.
GO. Böhm-Ermolli hatte inzwischen Reserven des V. Korps, das IR. 72 und Teile des IR. 44 unter Oberstbrigadier Bacsila, nach Trościaniec befohlen, während nunmehr die nächst der Bahnlinie Brody— Lemberg stehende Armeereserve (IR. 12, drei Bataillone des bh. IR. 3) hinter die 31. ID. rückte. Zudem entsandte GdI. Bothmer die Bataillone IV 35 und III, 75 nach Trościaniec. Die aus Czystopady und aus Ratyszcze zurückgedrängten Verteidiger hatten in ihrer jetzigen Stellung standzuhalten, bis die dem IV. Korps überwiesenen frischen Kräfte unter der Führung des GM. Horvath zum Gegenangriff schreiten würden.
Weite Wege verzögerten den Anmarsch der Reserven. So gelangten das IR. 72 und die beiden Bataillone der Südarmee erst am 5. morgens stark ermüdet hinter den linken Flügel des IV. Korps. Der angeordnete Gegenangriff mußte daher noch hinausgeschoben werden.
Mittlerweile ballten sich zwischen Ratyszcze und Zalośce die russische 13. ID. und Teile der russischen 34. ID. zu einem mächtigen Angriff zusammen. Die russische 3. ID. trat um 5h3° früh bei Markopol zum Sturme an. Dort wurde das k.u.k. IR. 32 geworfen; es setzte sich zwischen Hnidawa und Zwyżyn aufs neue fest. Nach 10h vorm. drangen zwei Regimenter der russischen 13. ID. in den Wald südlich von Ratyszcze ein. Reserven der 14. ID. (Teile der Infanterieregimenter 44 und 72) warfen sich den vorwärtsdringenden Russen entgegen. Noch einmal wälzte sich der Kampf gegen Ratyszcze zurück. Gegen lh nachm. rannten aber die Russen auf der ganzen Front von Hnidawa bis Zalośce abermals an. Dieser Angriff war unwiderstehlich. An der Grenze zwischen dem V. und dem IV. Korps ging Hnidawa verloren. Die im Walde südlich von Ratyszcze fechtende, vom Kommandanten der 66. IBrig., GM. Brauner, befehligte Gruppe mußte nach hartem Streit um 4h nachm. auf Manajów und auf Trościaniec weichen. Drei Bataillone des mittlerweile herbeigeeilten IR. 12 stützten bei Zwyżyn, bei Batków und bei Manajów die wankende Front.
Als dies geschah, da reifte auch in der Mitte des IV. Korps das Ringen zum Erfolg der russischen 34. ID.; sie erstürmte die Höhen westlich von Załośce Str. und drang von Westen in das Dorf ein. Die dort eingenisteten k.u.k. Truppen (Teile der Infanterieregimenter 26 und 48) erlitten schwerste Verluste und mußten sich, unterstützt durch ein Bataillon des rechts benachbarten IR. 71, auf Reniów zurückziehen.
GM. Horvath, der Kommandant der 14. ID., suchte den drohenden Durchbruch zu verhindern, indem er die noch vorhandenen Reserven (die Infanteriebataillone V/72, IV 735, III/75) auf den Höhen nordöstlich von Trościaniec in das Getümmel warf. Um 5h nachm. erlagen in diesem Kampfabschnitt die k.u.k. Truppen dem russischen Ansturm; sie zogen sich nach wechselvollem Kampfe gegen Bialokiernica zurück. Die Verbindung mit der noch auf den Höhen westlich von Reniów standhaltenden Gruppe riß.
In dieser kritischen Stunde erschienen die ersten deutschen Verstärkungen unter GLt. Melior bei Olejów. Es waren drei Bataillone, vier Batterien und eine Schwadron der deutschen 34. LBrig., die im Laufe des Morgens mit der Bahn von Lemberg in Zborów eingetroffen waren. Diese Truppen wurden dem IV. Korps schleunigst in Staffeln zugeschoben und verstärkten noch am Abend und in der Nacht auf den
6. August die eingedrückte Korpsmitte.
GO. Böhm-Ermolli übertrug dem GLt. Melior den Befehl über die am linken Flügel des IV. Korps stark vermischten Teile der 14., der 31. und der 33. Division. Den aus zwei Regimentern der 14. ID. und aus je zv/ei Bataillonen der 19. ID. und der deutschen 34. LBrig. zusammengesetzten rechten Korpsflügel befehligte nunmehr der Kommandant der 27. IBrig., GM. Ritt. v. Schilhawsky.
Am 6. früh trat die auf den Höhen südöstlich von Trościaniec zurückgewichene Gefechtsgruppe Obst. Alfred v. Zeidler (insgesamt vier öst.-ung. Bataillone und ein Bataillon der deutschen 34. LBrig.) zum Gegenangriff an, um den Anschluß an den noch am Sereth und auf den Höhen westlich von Reniów stehenden rechten Korpsflügel wieder zu erreichen. Durch diesen kurzen Vorstoß wurde die Lücke in der Korpsmitte geschlossen. Auf dem rechten Flügel des V. Korps kam der am Tage zuvor angeordnete Vorstoß der Brigade Obst. Bascila (IR. 32 und IR. 12) auf Hnidawa und auf Ratyszcze nicht zur Durchführung. Es sollte das Eingreifen der jetzt von Lemberg nach Złoczów und nach Zborów anrollenden deutschen 197. ID. abgewartet werden.
Am 6. August um Mittag, bevor diese Verstärkungen einlangten, griffen die Regimenter der 3., der 13. und der 34. ID. der Russen, durch den Angriffserfolg am Vortage ermutigt, den rechten Flügel der Armee Böhm-Ermolli aufs neue an.
Zuerst fielen die Russen den zurückgebogenen rechten Flügel des k.u.k. V. Korps an und drangen in Zwyżyn ein. Mutvoll wehrte sich die Brigade Obst. Bascila; sie klammerte sich an den Westrand von Zwyżyn fest und behauptete sich auf den Höhen knapp östlich von Bat-ków. Um 2h nachm. fluteten russische Angriffswellen gegen Trościaniec heran. Die Höhe 375 ging der Brigade GM. Brauner verloren. Russische Sturmtruppen drangen in Trościaniec ein. Es war ein verzweifelter Kampf. Ungarische Bataillone der 14. und der 33. ID. und deutsche Bataillone der Brigade Melior fochten wirr durcheinander. Flüchtlinge enteilten auf der Straße gegen Olejów. Durch rasche Gegenstöße der Stellungstruppen und durch Einsatz der letzten hinter dem linken Flügel des IV. Korps noch vorhandenen spärlichen Reserven konnte schließlich die Höhe -<J>- 375 zurückerobert und der Feind aus Trościaniec hinausgeschlagen werden.
Indessen brachen aber die auf den Höhen zwischen Trościaniec und Reniów fechtenden Bataillone der 14. und der 19. ID. unter dem mächtigen Anprall der 13. und der 34. ID. der Russen zusammen. Die Mitte des IV. Korps wich auf Bialyglowy. Die Angreifer stießen von Zalośce aus nach Süden durch und faßten das im Serethgrund bei Reniów mit der Front nach Osten noch festhaltende IR. 71 in der Flanke. Nur unter schweren Verlusten konnte sich dieses Regiment vom Sereth zurückziehen.
Nach wechselvollem Ringen, Massenstürmen der Russen und Gegenstößen der k.u.k. Truppen flaute am Spätnachmittag der Kampf ab. Feindliche Truppenansammlungen nächst Trościaniec ließen jedoch schon für die kommende Nacht neue Angriffe vermuten. Die Verbände der 14. ID. und der in ihre Front eingeschobenen Truppenteile der deutschen 34. LBrig., der 33. und der 31. ID., waren durcheinandergemengt und konnten nicht geordnet werden. GM. Horvath klagte darüber, daß seine Regimenter bereits die Hälfte ihres Gefechtsstandes eingebüßt hätten. Die Lage gestaltete sich dadurch noch ernster, daß die Russen am Abend bei Horodyszcze über den Sereth drangen und das IR. 48 trotz Unterstützung durch zwei herbeigeeilte Bataillone des IX. Korps gegen Süden drängten. Die Südarmee, die noch mit ihrem äußersten linken Flügel am Sereth festhielt, lief jetzt Gefahr, von der Flanke aufgerollt zu werden. Nur durch Zurückbiegen des IV. Korps hinter die von Białygłowy nach Horodyszcze ziehende Tiefenlinie konnte bei Nacht eine neue Front gebildet werden.
An diesem Krisentage der 2. Armee, dem 6. August, hatte GO. Conrad beim Heeresgruppenkmdo. Erzherzog Karl in Chodorów und beim
2. Armeekmdo. in Lemberg geweilt. GFM. Hindenburg setzte sich mit dem Generalstabschef des k.u.k. Heeres telegraphisch ins Einvernehmen und verfügte das beschleunigte Heranführen der deutschen 195. ID. nach Zborów. Auch GO. Böhm-Ermoili tat alles, um einen Durchbruch der Russen auf Zborów, der sehr ernste Folgen für die Südarmee haben konnte, zu verhüten. Er zog eiligst die schon in Zborów ausladende deutsche 197. ID. nach Olejów und entsandte das bh. IR. 3 als Flankenschutz für das V. Korps in die Gegend südöstlich von Hucisko Pieniackie.
Den Befehl über die im Kampfabschnitt von Nosowce bis Zwyżyn stehenden öst.-ung. und deutschen Truppen erhielt GdI. Eben, der Führer der zur 2. Armee entsandten deutschen Verstärkungen (S. 149). Das k.u.k. IV. Korps übernahm am 7. August FML. Hordt, den Südflügel des XVIII. Korps der Kommandant der 106. LstlD., GM. Kratky. FML. Hordt befehligte zunächst den entscheidenden Kampfabschnitt beiderseits von Trościaniec und wurde dem GdI. Eben unterstellt. Das
IV. Korps und der linke Flügel des IX. Korps hatten in Ihrer jetzigen Stellung standzuhalten, bis GdI. Eben mit den versammelten Kräften der 197. und der 195. ID. zum Gegenangriff auf Załośce und auf Ratyszcze schreiten konnte.
Die Generale Alexejew und Brussilow hatten am 6. August erwogen, wie der russische Angriffserfolg bei Załośce auszubeuten sein werde. Das russische XXXII. Korps, das Sacharow aus der Front herausgezogen hatte, bedurfte noch dringend der Ruhe und konnte zum Nachstoß auf Zborów nicht verwendet werden. GdI. Schtscherbatschew sollte daher schleunigst das russische VII. Korps durch eine Brigade des
VI. Korps verstärken. Der Führer der russischen 7. Armee meldete aber, daß er auf seinem weitausgedehnten Nordflügel nur ein Regiment als Reserve verfügbar habe und keine Truppen an den Nachbar abgeben könne.
Der starke Widerstand des Gegners bei Zalośce wurde von Sacharow dahin aufgefaßt, daß mindestens zwei frische Divisionen nötig seien, um den Angriff mit Erfolg auf Zborów weiterführen zu können1).
Die Ereignisse am 7. und 8. August bestätigten diese Ansichten. Vergeblich mühte sich die russische 34. ID., an diesen beiden Tagen bei Z wyżyn die rechte Flanke des k.u.k. V. Korps aufzureißen. Die Russen vermochten nicht, den Gegner vom Westrand dieser Ortschaft zu vertreiben. Die durch Teile des IR. 12 und des bh. IR. 3 verstärkte Budapester 31. ID. leistete an diesem Bruchpunkte ihrer Front hartnäckigen Widerstand und behauptete ihre Stellungen. Die russische 13. ID. blieb erschöpft vor Trościaniec liegen und konnte auch über Bialyglowy nicht mehr weiterkommen. Truppen der russischen 34. ID. suchten am 7. morgens von Horodyszcze aus das rechte Serethufer entlang vorzustoßen, drangen aber nicht mehr auf Pleszkowce durch. Der linke Flügel der Armee Sacharow war nach viertägigen Kämpfen am Ende seiner Kraft. Am 8. verschanzten sich die schwer geschädigten Regimenter der 3., der 13. und der 34. ID. in den gewonnenen Linien. Hinter der Front des k.u.k. IV. Korps versammelte GdI. Eben mittlerweile die 197. ID., GM. Wilhelmi, bei Olejów und die 195. ID., GM. v. Hofmann, bei Perepelniki, um am 11. auf Zalośce vorzubrechen und die über den Sereth vorgebrochenen Russen wieder zurückgeworfen.
Kämpfe der Armee Pflanzer-Baltin in den Karpathen
(5. bis 8. August)
Hiezu Beilage 5
An der Front der Südarmee war die erste Augustwoche mit bedeutungslosen Kampfhandlungen am unteren Koropiecbach vergangen. An eine Wiederaufnahme des Angriffs konnte Schtscherbatchew einstweilen nicht denken, weil er von seinem linken Flügel namhafte Streitkräfte (37. und 43. ID.) an die russische 9. Armee abgeben mußte. Die 43. ID. wurde in die Karpathen gesendet, die 37. ID. gegen die öst.-ung. Front südlich vom Dniester verschoben, wo GdI. Letschitzki den für den 7. August angeordneten Angriff auf Tłumacz vorbereitete. Am
5. stießen die Truppen der k.u.k. 59. ID. bei Dora gegen die russischen Stellungen vor, um die Aufmerksamkeit des Feindes vom Tartarenpaß abzulenken. Dort sollte jetzt eine Kampfgruppe der Armee PflanzerBaltin zum Angriff übergehen (S. 155). Der örtliche Vorstoß der 59. ID..
vj K 1 e m b o \v s k i, 86.
hatte Erfolg und löste am 6. und 7. August feindliche Gegenstöße aus, die abgewiesen wurden.
Auch an der Karpathenfront nördlich von Kirlibaba hatten am 5. und an den nächstfolgenden Tagen russische Vorstöße zu heftigen Kämpfen geführt. Der Angriff der 40. HID. gegen die Mägura konnte bei dem heftigen Widerstand des Feindes nicht mehr weiterkommen. So sollte diese Division auf dem rechten Flügel zwischen der Paßstraße nach Schipot a. S. und dem Cibotale vorläufig in der Abwehr bleiben. Auf dem linken Flügel, wo FML. Habermann den Angriff am 7. fortsetzen ließ, wurden die Russen vom Nordrande der Cimbrosława Wk. durch Truppenteile der 40. HID. und aus der Gegend südlich von Sarata durch die Gruppe Obstlt. Koloman Schmidt (k. k. LstlBaon. 150 und Teile des k. u. LstlR. 33) vertrieben.
Das Karpathenkorps bereitete am 5. den Angriff auf die von der UssuriKosD. und von Truppenteilen der russischen 82. ID. besetzten Höhenstellung vor, die sich in 1077, 1228 und 1208 Metern Höhe von der Dereszkowata über den Plaik und die Kreta zwischen dem Czarny und dem Biłyj Czeremosz hinzog (S. 157). Am 6. erstürmten die Hauptkräfte Contas (deutsche 2. Jägerbrigade) die Höhen Dereszkowata und Plaik. Der Russe wurde auf Jablonica zurückgeworfen. Gegen die Höhe -tf 1208 war die k.u.k. 68. IBrig. im fortschreitenden Angriff. Aber die öst.-ung. und die deutschen Bataillone standen einsam, durch den hohen Gebirgswall von ihren Kraftquellen geschieden, ohne genügenden Nachschub an Munition und Verpflegung zwischen den wilden Flüssen. Die 68. IBrig. wurde am 7. durch russische Kräfte bedroht, die am Pod Kretarücken und auf dem Westufer des Bilyj Czeremosz nach Süden vorgingen. Hierauf entschloß sich GLt. Conta, die 68. IBrig. durch Kräfte der deutschen 2. Jägerbrigade zu verstärken und erst nach Klärung der Lage den Stoß über Jablonica und gegen Żabie fortzuführen.
GO. Pflanzer-Baltin war am 5. August zu seinem linken Armeeflügel nach Lazescsina gefahren, um dem für diesen Tag angeordneten Angriff der durch Landsturm verstärkten 34. ID., FML. Rudolf Krauss, auf Worochta und entlang der Paßstraße nach Tatarów beizuwohnen. Von dem Grenzkamm Kukul—Sumarem waren die Stoßgruppen der 202. HIBrig. und der 67. IBrig. über die bewaldeten Hänge im flotten Vorgehen und entrissen, von der Artillerie vortrefflich unterstützt, im ersten Anlauf den überraschten Sicherungstruppen des russischen XI. Korps die Höhen Kiczera, Pohárek und Siemczuk. Am 6. gewann die 67. IBrig. auf dem Höhenrücken östlich der Paßstraße neuerdings
Raum und erreichte tags darauf die Höhe Seredina. Die 202. IilBrig. stand schon hart südlich von Ardżeluża und von Worochta, vermochte aber nicht mehr in das Quelltal des Pruth hinabzusteigen. Der Russe setzte jetzt der 202. HIBrig. heftigen Widerstand entgegen. Am 8. blieb auch der Angriff der 67. IBrig. vor der russischen Hauptstellung auf der mächtigen, 1270 m hohen Mägura zwischen dem Pruth und der Paßstraße liegen. Drei russische Divisionen, die 11., die 32. und die 79., wurden in dem Gebiete östlich vom oberen Pruth festgestellt. Nun sollte der Angriff der Gruppe FML. Rudolf Krauss über Tatarów erst weitergeführt werden, bis auch das Karpathenkorps wieder vorstoßen würde.
GO. Pflanzer-Baltin war der Ansicht, daß durch das Vorgehen mit drei verhältnismäßig schwachen und weit voneinander entfernten Kampfgruppen in den Karpathen nichts Entscheidendes zu erreichen sein werde. Am aussichtsreichsten schien es ihm noch, wenn die seit dem
4. August über Máramaros-Sziget zurollende deutsche 1. ID. auf seinem linken Flügel eingesetzt würde und über den Tartarenpaß in wirksamer Richtung zur Entlastung der k.u.k. 3. Armee vorstieße. Doch mußten, den Weisungen des Heeresgruppenkmdos. Erzherzog Karl entsprechend, die anrollenden deutschen Verstärkungen für einen Angriff in der Bukowina nach F. Vissó und nach Borsa weiterbefördert werden. Am 8. August wurde die neuangekommene deutsche 1. ID., GM. Paschen (insgesamt 9 Bataillone, 1 Schwadron und 15 Batterien), dem GLt. Conta überwiesen, dem schon die Gruppe Mjr. Russ, die in 200. ID. umbenannte verstärkte deutsche 2. Jägerbrigade und die k.u.k. 68. IBrig. unterstellt waren; Conta erhielt außerdem noch den Befehl über die 40. HID. und über die bei Sarata stehende Gruppe Obstlt. Schmidt.
Das 7. Armeekmdo. verlegte mit dem Eintreffen der deutschen
1. ID. die aus der Front herausgezogene 3. KD. von Borsa nach Jacobeny und nach Dorna Watra. GLt. Conta versammelte die Hauptkraft der deutschen l.ID. bei Kirlibaba. Ein Regiment schob er vom Prislop-sattel in die Gegend südlich von Sarata zur Gruppe Obstlt. Schmidt, die aus der Front herausgezogen und an den linken Armeeflügel nach Körösmezö verlegt werden sollte. Die deutsche 1. ID. sollte am 11. August gemeinsam mit der 40. HID. die russischen Stellungen auf der Mägura und Stara Obczyna angreifen und dann den Kirlibababach entlang auf Cameral-Schipoth vorstoßen. Der Anschlußflügel des XI. Korps hatte am 11. ebenfalls zum Angriff bereit zu sein und durch Vorgehen gegen das obere Moldawatal der Gruppe Conta die rechte Flanke zu decken.
Die Schlacht bei Stanislau ^7. bis 10. August)
Durchbruch der Russen bei 72htma.cz und am Dniester
Am 7. August war Gen. Letschitzki bereit, auf Tłumacz und auf Niżniów vorzustoßen, wie Brussilow es ihm am 4. befohlen hatte (S. 159). Die Artillerie eröffnete früh morgens auf der ganzen Front vom Pruth bis zum Dniester eine schwere Kanonade. Um Mittag setzten Teile des
XI. Korps, das XII., das XLI. und das XXXIII. Korps zum Angriff an. Am Südflügel des k.u.k. VIII. Korps schlug die 59. ID. bei Dora scharfe Vorstöße ab, südöstlich von Majdan Šrd. brach ein starker feindlicher Angriff unter dem Feuer der 42. HID. blutig zusammen. Den Hauptstoß führte Letschitzki auf der Front nördlich von Mołodyłów bis zum Dniester. Hier drangen sechs Divisionen der Russen nach kräftigster Vorbereitung durch die Artillerie gegen den Nordflügel der Armee Kövess in dichten, lückenlosen Schlachtreihen vor. Im Kampfabschnitt südöstlich und östlich von Ottynia verteidigten sich die 5. ID. und die 21. SchD. hartnäckig und wehrten in wechselndem Ringen den Feind ab. BeiHostów drangen aber die Russen am Nachmittag in die Stellungen der 5.HKD. ein und brachten auch das bei Korolówka am rechten Flügel der 6. KD. eingesetzte IR. 13 trotz tapferster Gegenwehr zum Weichen. Tief stießen nun die russische Infanterie und auch starke feindliche Kavallerie durch die zusammenbrechende Front gegen den Woronabach durch. Dem FML. Hadfy gelang es wohl, mit der ihm überwiesenen Armeereserve, der 30. ID., die Russen von KrywotulyNw. zu vertreiben. Weiter nördlich konnte aber die Divisionskavallerie, zwei Schwadronen des rt. SchR. 1, die Lücke zum rechten Flügel der Gruppe Kraewel nicht mehr schließen.
Schon um Mittag war der linke Flügel Kraewels durch mächtige Russenstürme in eine sehr ernste Lage gebracht worden. Die deutsche 105. ID. wurde durch einen Angriff weit überlegener russischer Kräfte bei Wesoła durchbrochen. Als letzte Reserve wurden zwei schwache deutsche Bataillone der Gruppe Kraewel bei Okniany eingesetzt. Allein der russische Druck war zu stark. Die hart bedrängte deutsche 105. ID. wich fechtend vom Dniester gegen Nordwesten aus. Die östlich von Tłumacz scharf angegriffene deutsche 119. ID. vermochte sich ebenfalls nicht zu behaupten. Nach mörderischem Trommelfeuer brachen die Russen in ihre Stellungen ein. Nun mußten auch die bei Korolówka noch festhaltenden Truppen (Teile des 4. württ. Füsilierregimentes 122 und die Fußabteilungen der k.u.k. 6. KD.) aus ihren von Norden und Süden überflügelten Stellungen gegen den Woronabach zurückweichen1). Westlich von Tłumacz und anschließend bis Palahicze nahm die hart bedrängte Gruppe Kraewel wieder Stellung. Bei Kutyska gingen Kräfte des russischen II. Kavalleriekorps über den Dniester und bedrohten das k.u.k. XIII. Korps im Rücken. Sechs Schwadronen der 2. KD. stellten sich bei Niżniów den am Südufer vordringenden Russen entgegen.
Die k.u.k. 3. Armee hatte am 7. August erhebliche Verluste erlitten. Alle verfügbaren Reserven waren eingesetzt worden. Die Möglichkeit, die Lage im Raume um Tłumacz wieder herzustellen, wo die Russen teilweise schon über die zweite Stellung gegen den Woronabach vorgedrungen waren, bestand nicht mehr. So mußte sich GO. Kövess zum Rückzug entschließen. Nach Einbruch der Dunkelheit wurde der Nordflügel des I. Korps von Mołodyłów auf Strupków zurückgenommen. Die Gruppen Hadfy und Kraewel gingen in eine Reservestellung zurück, die von Strupków über Worona, den Rokitnobach entlang, dann östlich an Tyśmienica vorbei und nördlich anschließend bis zum Orte Bukowno am Dniester verlief.
Erschöpft und abgekämpft bezogen die schwer mitgenommenen Divisionen der Gruppen Hadfy und Kraewel am 8. August früh die nur flüchtig angelegten Stellungen. Die Verbände waren nach den vorangegangenen Kämpfen und nach dem nächtlichen Rückzuge stark durcheinandergeraten. Reserven konnten aus den breiten Abschnitten nicht herausgezogen werden. GO. Kövess, der am 8. vormittags sein Hauptquartier von Bohorodczany nach Kalusz verlegte, meldete dem Heeresgruppenkmdo., daß sich die 3. Armee in ihrer jetzigen Stellung nicht werde behaupten können, falls die Russen noch am selben Tage angreifen würden.
In der Tat setzte Gen. Letschitzki am 8. August schon am frühen Morgen mit seinen Hauptkräften die Vorrückung fort. Über das Hügelland von Tłumacz bis zu den Vorbergen der Karpathen wälzte sich die Verfolgung westwärts. Truppen des russischen XI. Korps und das
XII. Korps stießen über Ottynia vor und entwickelten sich schon um Mittag gegen die neuen Stellungen der Armee Kövess zum Angriff. Bei Majdan Šrd. wurde der Feind von der 42. HID. wohl abgewiesen; bei Worona aber drangen die Russen um 4h nachm. in die Linien der
5. ID. ein. Nach wechselndem Kampf wurde diese Division am Abend
vj Schramm-Schiessl, 755 ff. .
durchbrochen und zum Rückzug auf Winograd gezwungen. Die Divisionen des russischen XLI. Korps waren inzwischen über den Woronabach vorgedrungen und hatten sich bis auf nahe Entfernung an den Nordflügel der Gruppe Hadfy herangeschoben.
Den Hauptstoß führte Letschitzki am 8. August wiederum im Raume knapp südlich vom Dniester. Er brach mit dem XXXIII. Korps über die Bahnlinie Tłumacz—Niżniów vor. Ein mächtiger Vorstoß über Kłubowce schlug die deutsche 119. ID. am Nachmittag aus ihren Gräben und drängte sie nordwestwärts auf Olszanica zurück. Die von Norden umfaßte 6. KD. erhielt von GLt. Kraewel den Befehl, im Anschluß an die 119. ID. auf die Höhen nördlich von Tyśmienica zurückzugehen. Die Russen stießen dem abziehenden Gegner nach. Troß und abgesprengte Truppenteile fluteten gegen Stanislau zurück. GLt. Kraewel bildete, so gut es ging, mit der 6. KD. und mit der 119. ID. in der Linie Podpiecary—Mohilkahöhe eine Front nach Südosten.
Durch das Zurückweichen der Gruppe Kraewel wurde die Flanke der 5.HKD. entblößt; die Gefahr lag nahe, daß die Russen in den Rücken der Gruppe Hadfy kamen. In aller Eile entsandte FML. Hadfy das schon stark zusammengeschmolzene SchR. 6 nach Stanislau. Es bestand keine Möglichkeit, andere Truppen aus den breiten Abschnitten der 21. SchD. oder der 5. ID., die selbst schwer zu kämpfen hatten, herauszuziehen. Wegen der sehr ernsten Lage ordnete GO. Kövess den Rückzug der Gruppe Hadfy an, was auch die Zurücknahme der rechts benachbarten Truppen bedingte.
In der Nacht auf den 9. August zogen sich die am Nordflügel des
VIII. Korps eingesetzte 44. SchD. und das I. Korps aus der Front Dobroto w—Strupków auf Lojowa und in eine Stellung östlich und nordöstlich von Nadworna zurück. Die 5. ID. brach ebenfalls den Kampf ab, um sich hinter der Bystrzyca Nadworniańska aufs neue festzusetzen. Die 21. SchD. mußte auf Stanislau zurückgenommen, die 5. HKD. zum Anschluß an die Gruppe Kraewel nach Norden bis Podluże gestreckt werden. In den neuen Stellungen sollte hartnäckiger Widerstand geleistet und das Herankommen von Verstärkungen erwartet werden.
Der Angriff der Russen auf Stanislau, der Flanke und Rücken der Armee Bothmer von Süden her empfindlich bedrohte, und der Hilferuf des GM. Seeckt (S. 172) hatten Hindenburg mittlerweile veranlaßt, Truppenteile verschiedener deutscher Divisionen an den Dniester zu entsenden. Diese Verstärkungen waren umso notwendiger, als das Heeresgruppenkmdo. Erzherzog Karl über keine Reserven mehr verfügte. Noch am 8. August wurde auf Bitte des GM. Seeckt von der nach Zborów rollenden deutschen 195. ID. (S. 177) das Jägerregiment 6 nach Stanislau abgezweigt. Dahin folgten von den Reserven Hindenburgs das Detachement Obstlt. Mohs (IR. 346 und fünf Batterien). Auch das von der Armee Wovrsch zur Verfügung gestellte deutsche LIR. 37 und deutscher Landsturm, die Landsturminfanterieregimenter 34, 35 und 36, wurden zur Heeresgruppe Erzherzog Karl befördert. GO. Conrad ließ außerdem, wie schon erwähnt, das der Heeresgruppe Linsingen zugedachte türkische XV. Korps zur Südarmee abdrehen (S. 172). GdI. Bothmer sollte nach dem Einlangen der zuerst anrollenden türkischen 19. ID. deutsche Truppen seiner Armee an den Dniester verschieben.
Am 9. August griffen die am oberen Pruth stehenden Kräfte des russischen XI. Korps die 59. ID. an und eroberten am Nachmittag nach hartem Kampfe die wichtige Höhe Pirs Dora. Diese Division mußte ihren linken Flügel in eine vorbereitete zweite Stellung zurücknehmen. Nördlich anschließend bog die 44. SchD. ihren rechten Flügel von Dela-tyn nach Westen ab.
Vor der Mitte der Armee Kövess waren die Anfänge des breit entfaltet vorrückenden russischen XII. Korps im Laufe des Tages bis in den Raum östlich von Nadworna und an das Ostufer der Bystrzyca Nadworniańska vorgedrungen. Gegen den linken Armeeflügel setzten das XLI. und das XXXIII. Korps am 9. August die Vorrückung erst fort, als die 21. SchD. und die 5. HKD. schon östlich von Stanislau Stellung genommen hatten. Um nicht durch umfassenden Angriff erdrückt zu werden, hatte GLt. Kraewel noch in der Nacht die bei Olszanica vorspringende Front seiner Gruppe auf Podłuże und die Höhe Seredny Korb zurückgenommen. Das deutsche Jägerregiment 6 und das IR. 346 waren inzwischen in Stanislau eingetroffen. Die Jäger wurden zur Stützung der Front in den Kampfabschnitten der 6. KD. und der 119. ID. eingesetzt. Das Füsilierregiment 122 und das IR. 346 bildeten die Reserve hinter der Gruppe Kraewel.
Am 10. August vormittags waren bei der Armee Kövess in den Karpathen die weit auseinander gezogenen Kampfgruppen der 59. ID. und der rechte Flügel der 44. SchD. dem russischen Drucke nach Westen ausgewichen und hatten auf der Höhe Chomiak, auf dem Bergrücken Pod Bukowica und auf den Höhen Świniarka und Strahora Stellung genommen. Das russische XI. Korps schien mit seinem Nordflügel dem k.u.k. VIII. Korps über den Pruth in das Waldgebirge zu folgen, während sich der Südflügel gegen den Tartarenpaß wandte. In dem Raume zwischen Delatyn und Winograd schob sich das aus der 37. ID. und der 117. RD. neugebildete russische XVIII. Korps gegen den östlich von Nadworna stehenden Nordflügel der 44. SchD. heran. Auch die Gruppen Hadfy und Kraewel standen in Erwartung starker russischer Angriffe. Während aber das XII. und das XLI. Korps der Russen wegen des starken Hindernisses der Bystrzyca Nadworniańska nur langsam Boden gewannen, war der Angriff des russischen XXXIII. Korps in dem welligen Hügelland südlich vom Dniester um Mittag bis auf nächste Entfernungen an die Stellungen der Gruppe Kraewel herangekommen.
Am Nachmittag traten die eng zusammengeballten Regimenter des XXXIII. Korps zum Sturme an. Die Hauptlast des Kampfes hatten wiederum die schon stark mitgenommenen Bataillone der 119. und der 105. ID. der Gruppe Kraewel zu tragen. Sie wurden auf Użin zurückgedrängt. Als letzte Reserven setzte GLt. Kraewel deutsche Rekrutenkompagnien, die eben angekommen waren, und das IR. 346 ein. Der russische Angriff konnte noch einmal zum Stehen gebracht werden. Abends entspannen sich neue Kämpfe, in denen der rechte Flügel der deutschen 119. ID. zurückgedrängt wurde. Die Russen drückten nun auf Użin vor und umfaßten die am linken Flügel der 6. KD. eingesetzten deutschen Jäger. Sie vermochten sich nur durch einen verzweifelten Gegenstoß aus der Umklammerung zu befreien.
Um nicht völlig von der feindlichen Übermacht erdrückt zu werden, ordnete GLt. Kraewel den Rückzug seiner Gruppe hinter die Bystrzyca an. Nun mußte FML. Hadfy Stanislau auf geben und mit seinem am meisten bedrohten linken Flügel ebenfalls auf das Westufer zurückweichen. Noch bevor dies geschah, hatte GM. Seeckt schon auf Grund einer Meldung des GLt. Kraewel, der die Lage ziemlich hoffnungslos schilderte, beim Erzherzog Karl Franz Joseph auf Rückzug gedrungen. Auch GO. Kövess hatte den Rückzug empfohlen. Das Heeresgruppenkmdo. hatte daraufhin angeordnet: ,,3. Armee ist heute in der Nacht in die Linie Zielona—Pasieczna—Höhe Potoki—Żuraki—Bystrzyca Solotwiń-ska—Jezupol zurückzunehmen.“ Hier sollte hartnäckiger Widerstand geleistet werden.
Begleitstoß der Armee Schtscherbatscheiv
Gen. Schtscherbatschew, der beauftragt worden war, den Vorstoß der Armee Letschitzki auf Halicz zu unterstützen, entfaltete am 7. August am unteren Koropiecbach eine lebhafte Kampftätigkeit. Er griff zwar an diesem Tage, da er offenbar noch Verstärkungen (das finn. XXII. Korps) heranschob, den Südflügel der Armee Bothmer nicht ernstlich an. Da die südlich vom Dniester auf Niżniów vordringenden Russen am Nachmittag aber bereits Flanke und Rücken des XIII. Korps bedrohten, sah sich FML. Csicserics gezwungen, den rechten Flügel des Korps, die 15. ID., nach Einbruch der Dunkelheit bis an die Eisenbahnlinie Niżniów—Monasterzyska zurückzuschwenken.
Am 8. August stieß das i*ussische II. Kavalleriekorps über den unteren Koropiecbach vor und suchte das Nordufer des Dniester entlang dem Gegner in die Flanke zu kommen. Abends mußte die 15. ID. unter Kämpfen bis Uście Zielone abgebogen werden. Am 9. August schoben sich die Russen gegen die neue Front des XIII. Korps langsam heran und griffen gegen Abend bei Komarówka an der Grenze zwischen der
15. und der 36. ID. ohne Erfolg an. Doch mußte in der Nacht der rechte Flügel des XIII. Korps noch weiter gestreckt und abgebogen werden, da die Gruppe Kraewel im Raume südlich vom Dniester auf Użin zurückgegangen war.
Am 10. August stand das XIII. Korps zwischen Mariampol und Dubienko beiderseits der Złota Lipa mit der Front nach Südosten gerichtet. Gen. Schtscherbatschew hatte mittlerweile seinen Südflügel durch Kräfte des finn. XXII. Korps verstärkt. Er schlug am Nachmittag nach mörderischem Artilleriefeuer gegen den Nordflügel des k.u.k. XIII. Korps los. Bei Łazarówka drangen finnische Schützenbataillone in die Stellungen der 36. ID. ein. Das deutsche RIR. 18 und Teile des oberungarischen IR. 5 verhüteten durch einen Gegenstoß von Norden her an dieser Stelle den Durchbruch der Front. Bei Slobodka Dl., wo die Front nach Norden umbog, durchstießen die Russen das am Südflügel des VI. Korps eingesetzte HIR. 11 der 39. HID., worauf die nördlich von ihm noch standhaltenden Infanterieregimenter 100 und 56 der 12. ID. bis an den Ostrand von Monasterzyska zurückgenommen werden mußten. Südwestlich der Stadt konnte durch Einsatz des deutschen RIR. 223 der russische Einbruch abgedämmt werden.
Auf dem rechten Flügel des XIII. Korps hatten sich die im Raume westlich der unteren Złota Lipa fechtenden Truppen der 15. ID. und der 2. KD. am 10. August gegen das vorwärtsstrebende russische II. Kavalleriekorps im wesentlichen zu behaupten vermocht. Durch das Zurückweichen der Gruppe Kraewel entstand aber abends abermals eine weite, durch Kavallerie (2. KD.) nur dürftig ausgefüllte Lücke zwischen dieser Gruppe und dem XIII. Korps.
In Chodorów war inzwischen das deutsche LIR. 37 eingetroffen. Dieses Regiment wurde der hart bedrängten Gruppe Kraewel überwiesen und nach Jezupol weiterbefördert. Überdies war jetzt deutscher Landsturm (S. 184) nach Bukaczowce und Bursztyn im Anrollen. Außer diesen verhältnismäßig schwachen Kräften waren vorläufig keine Reserven zum Rückenschutze für die Armee Bothmer verfügbar. Das türkische XV. Korps, das in den ruhigen Kampfabschnitt des Korps Hofmann eingeschoben werden sollte, damit die deutsche 48. RD. freigemacht und an den Dniester entsendet werden könnte, war noch auf der Bahn. Die Ereignisse der letzten Tage ließen kaum auf einen langen Widerstand der Armee Kövess hinter der Bystrzyca hoffen. Kamen die den Dniester entlang vordringenden russischen Angriffsmassen der Armee Bothmer in den Rücken, so konnte eine überaus bedenkliche Lage entstehen. Mit ihrer Mitte stand die Armee Bothmer noch an der Strypa. Zudem bekam jetzt auch der linke Armeeflügel den nördlich umfassenden, wenn auch langsam wirkenden Druck des über den obersten Sereth vordringenden Feindes zu spüren. Alles dies sprach dafür, die Armee Bothmer aus dem nach Westen vorspringenden Stellungsbogen hinter die Złota Lipa zurückzunehmen. So wurde GdI. Bothmer in der Nacht auf den 11. August von der Heeresgruppe Erzherzog Karl beauftragt, mit seinen Korps in die Linie Wodniki—Horożanka—Zawałów—Potutory—Koniuchy—Zborów zurückzugehen. Dieser Rückzug sollte am 11. abends angetreten und bis zum 14. August durchgeführt werden. Der GFM. Hindenburg wurde ersucht, er möge mit dem rechten Flügel der 2. Armee nördlich von Zborów an den linken Flügel des IX. Korps Anschluß nehmen.
Neue russische Angriffe über den oberen Sereth
(9. bis 13. August)
Auf dem rechten Flügel der Armee Böhm-Ermolli waren am 8. August die über den Sereth geführten russischen Angriffe zunächst zum Stehen gekommen. Die Artilleriekämpfe gingen weiter. Während des erlahmenden russischen Angriffes waren die in Zborów ausgeladenen Truppen der deutschen 197. ID. nach Olejów herangeführt worden, wo sie am 9. August mit allen ihren Kräften versammelt stand. Von der deutschen 195. ID. waren einstweilen nur vier Bataillone, eine Schwadron und zwei Batterien in dem Raume von Perepelniki eingetroffen; drei
Bataillone mußten an den Dniester verschoben werden, der Rest rollte noch nach Złoczów heran. Inzwischen hatte Gen. Sacharow das XXXII. Korps in die Front zwischen das XLY. und das V. sib. Korps eingeschoben und seinen linken Armeeflügel durch Zusammenrücken des
XVII. und des VII. Korps verstärkt, so daß er am 10. August den Angriff wieder aufnehmen konnte.
Den Hauptstoß führte Sacharow mit der russischen 34. ID. zwischen Nosowce und Białogłowy gegen den von rund vier Bataillonen der k.u.k. 14. ID. und von zwei Bataillonen der 19. ID. besetzten Verteidigungsabschnitt des GM. Horváth.
Horvaths Bataillone wurden am 10. August schon in aller Früh durchbrochen. Sie wichen bis auf die Hügel östlich von Bzowica zurück. Dadurch wurde die rechts benachbarte 32. ID. des IX. Korps gezwungen, ihren linken Flügel von Nosowce gegen Süden abzubiegen. Die Russen drangen noch im Laufe des Morgens bis auf die Höhen südlich von Neterpince vor und setzten sich dort, von standhaft ausharrenden Truppenteilen der westungarischen 14. ID. aufgehalten, fest. Am Vormittag schritt die deutsche 197. ID., die GdI. Eben mittlerweile nach Bzowica gesandt hatte, zum Gegenangriff. Die gesammelten Reste der Gruppe GM. Horváth und auch der linke Flügel der 32. ID. schlossen sich diesem Vorgehen an. Der Gegenangriff gewann langsam Boden. Bei Białogłowy gelang es den Deutschen am Nachmittag, die verlorenen Stellungen der 14. ID. wieder zu nehmen1). Aus Neterpince und aus Nosowce konnte aber der Feind nicht vertrieben werden. GdI. Eben zog als Verstärkung für seinen rechten Flügel Teile der deutschen 195. ID. heran, während die sonst noch vorhandenen Truppen dieser Division bei Trościaniec in den Kampfabschnitt des FML. Kosak eingesetzt wurden. GdI. Eben wollte den Vorstoß bis zum Sereth weiterführen, mußte sich aber auf die Abwehr beschränken. Die Russen setzten abends selbst den Angriff fort. In zähem, bis tief in die Nacht andauerndem Ringen gelang es den unter GdI. Eben stehenden öst.-ung. und deutschen Truppen, die Russen abzuweisen.
Gleichzeitig mit den Vorstößen des XVII. und des VII. Korps der Russen gegen den rechten Flügel der Armee Böhm-Ermolli begannen auch Kräfte des russischen VI. Korps am 10. August nördlich der Bahnlinie Tarnopol—Jezierna den linken Flügel der Armee Bothmer anzugreifen. Durch den von Osten und Norden wirkenden Druck der Russen
x) Wächter, Das Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 32 im Weltkriege 1914— 1919 Oldenburg 1924;, 38 f.
sah sich die 32. ID. gezwungen, in der Nacht auf den 11. August den bei Pleszkowce an den Sereth vorspringenden Bogen ihrer Front auf Neste-rowce zurückzunehmen.
Am 11. August schlug Sacharow abermals mit der ganzen Kraft des VII. und des XVII. Korps gegen den rechten Flügel der Armee Böhm-Ermolli los. Von Zwyżyn an der Graberka bis südlich von Pleszkowce donnerte Trommelfeuer. Am Nachmittag begannen die Massenangriffe der russischen Infanterie auf Trościaniec und über Neterpince. Auch diesmal brachen die russischen Stürme unter dem Feuer der öst.-ung. und der deutschen Bataillone zusammen. Doch drängte der Russe im Laufe des Nachmittags den linken Flügel der 32. ID. zurück, so daß GdI. Eben seinen äußersten rechten Flügel nach Süden rechtwinkelig abbiegen mußte. Da sich der russische Druck an diesem Tage auch über Isypowce gegen die 32. ID. verstärkte, war die Bedrohung im Rücken des Korps Eben ernst geworden. Als FML. Králiček den Nordflügel des
IX. Korps nach Einbruch der Dunkelheit — die Befehle für den Rückzug der Armee Bothmer hinter die Zlota Lipa waren um diese Zeit bereits ergangen — in die Front östlich und nördlich von Jezierna zurücknahm, da schwenkte auch GdI. Eben seinen rechten Flügel auf Bzowica zurück. Sein linker Flügel blieb noch bei Trościaniec.
Auswirkungen der Schlacht bei Stanislau (11. bis 13. August)
Rückzug der 3. Armee hinter die Bystrzyca Solotrvinska
Als die Armee Kövess am 10. August abends nach viertägiger Schlacht bis hinter die Bystrzyca Solotwińska zurückweichen mußte, da war es ihre dringendste Aufgabe, die russische Stoßgruppe am Dniester zum Stehen zu bringen, weil sonst durch sie die Armee Bothmer von Süden aufgerollt worden wäre. Auch das wertvolle Ölquellengebiet von Borysław war durch den immer weiter westwärts fortschreitenden russischen Angriff bedroht. Zudem wurde es immer unwahrscheinlicher, daß die zur Abwehr der Rumänen nötigen Truppen aufgebracht werden könnten, falls die russischen Anstürme in Galizien nicht bald erlahmten. Schon lagen Nachrichten vor, daß die zwischen Rumänien und Rußland seit längerem geführten Verhandlungen über Truppenhilfe der Russen in der Dobrudscha und der Rumänen gegen den rechten Flügel der Armee Pflanzer-Baltin vor dem Abschluß stünden. Der Tag des Eintrittes Rumäniens in den Krieg war nicht mehr fern. Überdies war am 9. August Görz gefallen. Die äußerst kritische Lage am Isonzo erforderte daher Verstärkungen, die gleichfalls nur der Ostfront entnommen werden konnten, wo es aber selbst an Reserven hinter der am meisten gefährdeten Heeresgruppe Erzherzog Karl fehlte. Vom französischen Kriegsschauplatz begannen am 9. August abends deutsche Truppen — die verstärkte lOS.RIBrig. und die 10. bayr. ID. — nach Galizien abzurollen. Auch die in Breslau befindliche deutsche 2. Radfahrerbrigade sollte folgen. Das bedrohliche Vorgehen der Russen im Raume südlich vom Dniester veranlaßte den GdI. Falkenhayn, diese Kräfte einstweilen der Heeresgruppe Erzherzog Karl zur Verfügung zu stellen.
Dank den schweren Verlusten, die die russische Stoßgruppe am Dniester erlitten hatte, und der Ermüdung ihrer Truppen nach den schweren Kämpfen vollzog sich die Loslösung der Armee Kövess am
10. August nachts so ziemlich ohne Behelligung durch den Feind. Aber der nächtliche Rückzug gestaltete sich auf den von Trains und Flüchtlingen verstopften Straßen außerordentlich schwierig. Schon am 11. August in aller Frühe setzte Letschitzki mit seinen Hauptkräften hinter dem abziehenden Gegner nach. Im Gebirge westlich vom oberen Pruth vermochte das russische XI. Korps die Fühlung mit dem zurückgegangenen k.u.k. VIII. Korps wieder aufzunehmen. Die Vorhuten des russischen XVIII. Korps erreichten Nadworna. Auch in Stanislau rückten die Verfolger ein. Aber alle Brücken über die Bystrzyca Nadworniańska waren zerstört, so daß die Marschsäulen des XII. und des XLI. Korps aufgehalten wurden und am 11. nicht mehr über den Fluß nachzustoßen vermochten. Das russische XXXIII. Korps blieb sogar schon im Raume um Użin stehen.
Inzwischen richteten sich die Truppen der Armee Kövess auf den Höhen westlich von Nadworna und hinter der Bystrzyca Sołotwińska zur Verteidigung ein. Am 12. August nahmen das XII., das XLI. und das XXXIII. Korps der Russen die Vorrückung wieder auf. Aufklärungsschwadronen, Panzerkraftwagen und reitende Batterien stießen gegen die Übergänge der Bystrzyca Sołotwińska vor. Die k.u.k. 5. ID. und die 5.HKD. am Nordflügel der Gruppe Hadfy standen am Vormittag im Gefecht gegen starke russische Infanterie, die sich bei Stanislau auf dem Ostufer der Bystrzyca festgesetzt hatte. Auch nördlich der Stadt, im Vorfeld der Gruppe Kraewel, erschienen feindliche Truppenteile; aber Letschitzkis Stoßgruppen hatten nicht mehr die Kraft, sich auf den von tagelangen Kämpfen und Märschen erschöpften Gegner zu werfen. Sie blieben vor den neuen Stellungen der Gruppen Hadfy und Kraewel stehen.
Schärfer packten die Russen am 12. den rechten Flügel der Armee Kövess an. Die in den Raum südwestlich und nördlich von Nadworna vorgedrungenen Kräfte des XI. und des XVIII. Korps der Russen entwickelten sich am Vormittag zum umfassenden Angriff gegen die nach Osten vorspringende Front des k.u.k. VIII. Korps. Der Kampf dehnte sich nach Norden bis zu dem bei Żuraki stehenden linken Flügel der 42. HID. aus. Der auf der Höhe Werpil schwer ringende linke Flügel der 44. SchD. mußte abends durch Truppenteile der 59. ID. Entlastung erhalten; nachts brachen die Russen in die Stellungen der 44. SchD. ein.
GO. Kövess hatte inzwischen seinen rechten Armeeflügel hinter die Bystrzyca Sołotwińska zurückbefohlen. In einer Linie, die über die Höhen Turowa, Klewa und hinter dem Sadzawka- und Matyjówkabach verlief, hatten sich das VIII. und das I. Korps einzugraben. Dies bedeutete eine wesentliche Verkürzung der Front. Der rechte Flügel der Armee Kövess entfernte sich aber mit diesem Rückzug von dem linken Flügel der Armee Pflanzer-Baltin. Den Russen wurde ein neuer Übergang nach Ungarn, der Pantyrpaß, geöffnet. Um diesen Paß nicht völlig ungeschützt zu lassen, wurde das Detachement Obst. v. Fráter, bestehend aus zwei Bataillonen, einer Schwadron und einer Gebirgsbatterie der 59. ID., bei Rafailowa belassen und der Armee Pflanzer-Baltin überwiesen. Ein anderes Bataillon der 59. ID. sperrte den durch das Quelltal der Bystrzyca nach Ungarn führenden Übergang auf der Siwulahöhe.
Am 13. August wurde der Rückzug des rechten Flügels der Armee Kövess durchgeführt. Die Russen drängten nicht mehr nach. Sie blieben auch vor der Armeemitte und vor dem linken Flügel liegen und verschanzten sich auf dem rechten Ufer der Bystrzyca Sołotwińska.
Rückzug der Armeen Bothmer und Böhm-Ermolli
Die Südarmee hielt am 11. August früh noch mit entblößter Flanke im Raume zwischen Mariampol und Burkanów und an der oberen Strypa. Bei Monasterzyska waren die Angriffe der Russen an diesem Tage abgeflaut; ihr II. Kavalleriekorps drückte nur zögernd auf Uście Zielone vor. Nach Einbruch der Dunkelheit nahm Bothmer den linken Flügel des XIII. Korps hinter die Złota Lipa und das VI. Korps auf Jarhorów zurück. Die 1. und die 48. RD. sowie das Korps Hofmann räumten den an die Strypa ostwärts vorspringenden Frontbogen und traten den anbefohlenen Rückzug hinter den oberen Koropiecbach an. Das IX. Korps zog sich in eine Zwischenstellung zurück, die von Ko-zowa über Jezierna verlief. Im Norden anschließend, schwenkte GdI. Eben seinen rechten Korpsflügel auf Bzowica zurück (S. 189).
Die Russen folgten am 12. August früh hinter dem weichenden Gegner. Die auf dem linken Flügel ihrer 7. Armee vorgehenden Korps (II. Kavalleriekorps, XXII. Korps, 3. turk. SchD., II. Korps) kamen bis über die Linie Uście Zielone—Monasterzyska hinaus. Das russische XVI. Korps rückte von der Strypa gegen den Koropiecbach vor und näherte sich am Abend mit seinen Anfängen Podhajce und Kozowa. Gegen Jezierna schob sich langsam das russische VI. Korps heran, während der linke Flügel der russischen 11. Armee aus dem Raume südlich vom obersten Sereth den Angriff in der Richtung auf Zborów weiterführte. Dadurch war die bei Trościaniec noch haltende Kampfgruppe des FML. Kosak umfassendem Angriff ausgesetzt. Doch behauptete sich die durch Teile der deutschen 195. ID. und der Brigade GLt. Melior verstärkte Front des k.u.k. IV. Korps gegen den Druck der Russen. Auch der linke Flügel des IX. Korps stand am Abend noch im Raume nördlich von Jezierna. Die von Osten heranrückenden Regimenter des russischen VI. Korps waren schon bis auf die nächsten Entfernungen an die neuen Stellungen der 19. und der 32. ID. herangekommen.
In der Nacht auf den 13. August setzte die Armee Bothmer fast ungestört den Rückzug fort. Die am nächsten Tag von der russischen
7. Armee fortgeführte Verfolgung erreichte Jarhorów, die Höhen am Westufer des oberen Koropiecbaches und den Raum um Jezierna, konnte aber den Abzug des Gegners nicht mehr verhindern. -Das
XIII. Korps und das VI. Korps waren befehlsgemäß bis in die Linie Wodniki—Horożanka—Zawałów zurückgegangen und gruben sich dort mit der Front nach Südosten ein. Die deutsche l.RD., das Korps Hofmann und das IX. Korps bezogen eine Verteidigungsstellung, die auf dem Westufer der Złota Lipa und von Potutory über Koniuchy bis nördlich von Zborów verlief. Im Anschluß an das IX. Korps nahm GdI. Eben mit dem rechten Flügel der Armee Böhm-Ermolli auf der Höhe Zlota Ga. und in der befestigten Linie Jarosławice—Perepelniki—Manajów Stellung. GdI. Eben konnte seine Truppen aus dem Raume von Trościaniec in die angegebene, nach Osten gerichtete Front ohne wesentliche Kämpfe zurücknehmen. Das XVII. und das VII. Korps der Russen hatten in dem seit 4. August ununterbrochen andauernden Ringen schwer gelitten und waren nicht mehr fähig, dem Gegner nachzudrücken. Gen. Sacharow unterbrach daher am 13. August den Angriff. Von den Reserven des GFM. Hindenburg wurden an diesem Tage die Anfänge der deutschen 2. KD. in Ożydów hinter dem linken Flügel der Armee Böhm-Ermolli ausgeladen. Bei der Armee Bothmer rückte die neuangekommene türkische 19. ID. an die Zlota Lipa, um in dem Verteidigungsabschnitt des Korps Hofmann zwischen der 54. und der 55. ID. eingesetzt zu werden. Hinter dem XIII. Korps versammelte GdI. Bothmer die aus der Front herausgezogene deutsche 48. RD. im Raume nördlich von Halicz.
Neuerliche Entlastungsangriffe der Armee Pflanzer-Baltin
(8. bis 13. August)
In der zweiten Augustwoche forderte der überlegene russische Druck am Dniester gebieterisch, daß der begonnene Angriff der Armee Pflanzer-Baltin in den Karpathen weitergeführt werde. Die Aufgabe, auf den russischen Vormarsch im Raume südlich vom Dniester hemmend einzuwirken, hatte GO. Pflanzer-Baltin in erster Linie dadurch zu lösen gedacht, daß sein linker Armeeflügel, verstärkt durch die deutsche 1. ID., vom Tartarenpaß her angreifen sollte, und zwar möglichst in Tuchfühlung mit dem rechten Flügel der Armee Kövess. Auf Wunsch des GM. Seeckt war aber der Einsatz der deutschen 1. ID. bei Kirlibaba beschlossen worden, um von dort aus in wirksamer Richtung über Schipot a. S. gegen Flanke und Rücken des russischen linken Heeresflügels vorzustoßen (S. 180). Dabei sprach auch der Gedanke mit, durch einen siegreichen Angriff deutscher Truppen in der Bukowina auf Rumänien einen Eindruck zu machen.
Die zur Verstärkung des Karpathenkorps dem GLt. Conta überwiesene deutsche 1. ID. erreichte mit ihrer Vorhut am 9. August den Prislopsattel, war aber sehr weit auseinandergezogen, so daß erst am
11. August nach scharfer Artilleriewirkung der Durchbruch den Kirli-bababach entlang angesetzt werden konnte. Der Angriff der Hauptkräfte der deutschen 1. ID. durch das bewaldete und schluchtenreiche Berggelände östlich vom Kirlibababach gegen das Gestüt von Luczina gewann nur wenig Raum und kam nach zweitägigem Ringen völlig zum Stehen. Das vom Capul aus vorstoßende HIR. 19 der 40. HID. er-oberte am 11. August, unterstützt durch Truppenteile der deutschen
l.ID., die vordersten russischen Stellungen auf der Mägura, konnte dann aber ebenfalls nicht mehr vorwärtskommen. Die auf dem äußersten linken Flügel der 40. HID. eingesetzten Kräfte der deutschen 1. ID. erreichten am 13. August, tief in der Flanke der Mägura, die Gegend von Sarata. Diese Umfassungsgruppe hatte unter Sicherung gegen den am Tomnatikrücken stehenden Feind den Angriff gegen die Höhe Stara Wipczvna fortzusetzen.
In der Mitte der Armee Pflanzer-Baltin war die deutsche 200. ID., GM. Boeß, auf der Dereszkowata und auf dem Plaik südwestlich von Jablonica vor sich verstärkendem Feind stehen geblieben. Zum Schutze ihrer rechten Flanke sicherte das schwache Detachement Mjr. Russ im Quellgebiet des Czeremosz gegen Jalowiczora. Links von der 200. ID. begannen die Russen am 9. August abends die Sicherungen der k.u.k. 68. IBrig. auf dem Kretarücken anzugreifen. GLt. Conta verstärkte diese Brigade durch Truppen der 200. ID. und ließ sie am 12. August den Angriff gegen Żabie weiterführen. In zähen Waldkämpfen eroberten Teile der k.u.k. 68. IBrig. und deutsche Jäger am 12. abends eine russische Stellung südöstlich von Bystrzec. Nach diesem örtlichen Erfolge mußte sich aber der linke Flügel Contas, vor dem sich der russische Widerstand verstärkte, auf die Abwehr beschränken.
Auch die Gruppe FML. Rudolf Krauss (67. IBrig., 202. HIBrig.), die am 11. August gleichzeitig mit dem Karpathenkorps angreifen sollte, konnte nicht mehr in der Richtung auf Kosmacz und auf Tatarów vorstoßen. Die zum Angriff auf die Magurahöhe angesetzte 67. IBrig. hatte schon seit dem 9. August unter andauerndem russischen Gegendruck gestanden. Am 11. mußte sich die bis auf die Höhen östlich von Wo-rochta vorgedrungene 202. HIBrig. — ihr war mittlerweile das abgekämpfte k. k. Landsturminfanteriebataillon 150 zugeschoben worden — eines scharfen russischen Gegenstoßes erwehren. Unter diesen Umständen hatte GO. Pflanzer-Baltin schon am 10. August dem FML. Krauss befohlen, sich auf die Abwehr zu beschränken.
Der rechte Flügel der Armee Kövess entfernte sich durch den Rückzug immer mehr vom linken der 7. Armee. GO. Pflanzer-Baltin rechnete damit, daß die Russen das Schwergewicht ihres Angriffes wieder in die Karpathen gegen seinen linken Armeeflügel verlegen würden. Er verfügte aber hinter der schwachen Gruppe FML. Krauss über keine Reserven. Daher mußte am 13. August die nach Borgo Prund verlegte
3. KD. mit der Bahn nach Körösmezö abtransportiert werden.
Groß war auch Pflanzer-Baltins Besorgnis, daß die Rumänen dem k.u.k. XI. Korps in den Rücken fallen könnten. Er drängte den GLt. Conta zu möglichst raschem Abschluß des nur langsam fortschreitenden Angriffsunternehmens auf Schipot. Am 13. August beantragte er beim Heeresgruppenkmdo. Erzherzog Karl, man möge die russischen Stellungen auf der Mägura und Stara Obczyna noch nehmen lassen, dann aber auf die Fortführung des Angriffes verzichten. Die 40. HID., die schon schwer geblutet hatte, sollte möglichst bald aus der Front herausgezogen und zum Rückenscbutze für das XI. Korps bei Dorna Watra bereitgestellt werden. Die öst.-ung. Heeresleitung glaubte zur Stunde aber trotz der bedrohlichen Nachrichten aus Bukarest nicht, daß die Rumänen schon in den allernächsten Tagen losschlagen würden. Auch war das Heeresgruppenkmdo. Erzherzog Karl nicht damit einverstanden, daß sich die Armee Pflanzer-Baltin schon jetzt in der Bukowina auf Abwehrmaßnahmen beschränke. Die Kämpfe in dem unwirtlichen Gebirgslande nördlich von Kirlibaba hatten wohl deutlich genug den schleppenden Verlauf des Angriffsunternehmens beim Karpathenkorps dargetan. Wenn man jedoch die Russen in Ruhe ließ und nicht ihre Verbindungen bedrohte, so konnten sie sich verstärken und selbst in den Karpathen zum Angriff übergehen, was im Hinblick auf Rumänien verhindert werden mußte. Aus diesen Gründen beschloß man, das Karpathenkorps weiter angreifen zu lassen.
Der beharrliche Druck der Stoßgruppe Contas hatte mittlerweile Letschitzkis Sorge erhöht, daß die in der Nähe der Bukowina vermutete k.u.k. 12. Armee die Offensive ergreifen und auf Czernowitz vorstoßen werde. Auf seinem linken Armeeflügel verfügte Letschitzki nur über die 103. RD. und das III. Kavalleriekorps. Als die deutsche l.ID. in den Bergen nördlich von Kirlibaba zum Angriff schritt, da verstärkte Letschitzki die Front südlich von Schipot a. S. durch die 43. ID., die ihm mittlerweile zugeführt worden war. Ferner stellte er als Reserve die neuangekommene 64. ID. bei Kuty bereit; auch zog er allmählich alle Kräfte des russischen XI. Korps gegen den linken Flügel der Armee Pflanzer-Baltin heran. Sein Plan war, mit der neuzubildenden Gruppe Gen. Rerberg (43. ID., 103. RD., 10. KD., 3.DonKosD., 1. TerekKosD.) und mit dem verstärkten XI. Korps (11., 32., 79., 82. ID., UssuriKosD.), sobald deren Kräfte versammelt waren, in den Karpathen zum allgemeinen Angriff überzugehen, um sich zunächst der Gebirgsübergänge nach Borgo Prund, Borsa und Máramaros-Sziget zu bemächtigen1).
*) K 1 e m b o w s k i, 77 f.
Vorbereitungen zu einer neuerlichen Offensive des Zarenheeres im Raume südlich vom Pripiatj
Regelung der Angriffsziele durch die Stawka
Schon am 9. August war dem Befehlshaber der russischen Südwestfront klar geworden, daß sein Plan, durch zwei zusammenlaufend gegen Kowel angesetzte Durchbruchskeile den Abwehrwall der Gegner zu zertrümmern, zum Scheitern verurteilt war. Brussilow brach daher noch am gleichen Tage, bevor der Fehlschlag ärgeren Umfang annehmen und größere Opfer verschlingen konnte, die Angriffe ab und wies die drei Armeen des rechten Heeresflügels an, zur „tätigen Verteidigung“ überzugehen8). Vom Einsatz der lange aufgesparten Garde, des Stolzes der russischen Kriegsmacht, hatte sich Alexejew im Kampfe um das strategische Ziel Kowel ein entscheidendes Schlachtergebnis erhofft. Es war gänzlich ausgeblieben. Gen. Bezobrazow suchte die Ursachen des Mißerfolges aus der Stärke des gut verschanzten Gegners zu erklären, der zumal an schwerer Artillerie und an Fliegern überlegen gewesen sei. Das Kräfteverhältnis der Angreifer an Kampfmitteln sei demnach von Haus aus, in der zweiten Phase der Schlacht auch nach der Streiterzahl ungünstig gewesen, denn die seit dem 28. Juli eingebüßten 40.000 Mann seien der „Besonderen Armee“ bis zum 8. August nicht ersetzt worden 9). Brussilow läßt in seinen Erinnerungen die Überlegenheit der Deutschen gelten, weist aber noch auf andere, tiefer liegende Gründe hin. Die Gardetruppen, Offiziere wie Mannschaften, seien prächtige Soldaten, von Selbstvertrauen und bestem Kampfgeist erfüllt gewesen, die höheren Befehlshaber hätten jedoch der wünschenswerten Führereigenschaften, Kenntnisse, ja selbst einer ausreichenden Kriegserfahrung entbehrt. Die Garde sei zu lange jedem Gefecht entrückt gewesen. So habe namentlich für die neuartigen, besonderen Verhältnisse des Stellungskampfes, der die Artillerie und die technischen Dienstzweige in den Vordergrund stelle, das notwendige Verständnis gefehlt10).
Brussilow war eben daran, einen neuen Angriffsentwurf vorzulegen, da fiel ihm die Stawka am 11. August mit einschneidenden Verfügungen in den Arm. Während zwei Armeen — so führte Alexejew ausx) — sich vergeblich bemüht hatten, den Gegner vor Kowel zu schlagen, weise der erfolgreiche Angriff der 9., der 7. und des linken Flügels der 11. Armee der Südwestfront den nächsten Weg. Brussilow habe daher den errungenen Erfolg zu erweitern und die Streitkräfte der Mittelmächte, die an der Front Brody—Kimpolung ständen, von der Hauptmasse, die um Kowel und Wladimir-Wolyński vereinigt sei, zu trennen. Damit Brussilow seine ganze Aufmerksamkeit dieser neuien Aufgabe, die der Südhälfte seiner Heeresmacht zufiel, widmen konnte, wurden die Armeen Bezobrazow und Lesch vom 12. August an der Westfront zugeteilt. Das Verfügungsrecht über das IV. sib. Korps (S. 160) ging an Brussilow über.
Der nächste Angriff auf den Raum Kowel war durch den Oberkommandierenden der Westfront, GdI. Ewert, vorzubereiten. Hiezu hatte er die beiden, eben zugewiesenen Armeen durch den Kräfteüberschuß, der nördlich vom Polesie vorhanden war, ausgiebig zu vermehren und tatkräftig angreifen zu lassen. Der Hauptstoß sollte „womöglich in der Richtung auf Kamien Kaszyrskij'c erfolgen. Nördlich vom Pripiatj waren nur soviel Truppen zu belassen, um die Front behaupten und den Gegner durch ablenkende Unternehmen beschäftigen zu können.
Die Nordfront betrieb um diese Zeit noch die Vorbereitungen für eine Landung bei Rojen (IV. Bd., S. 624), die den deutschen Nordflügel umfassen und am 27. August beginnen sollte. Das Flottenunternehmen war durch einen Angriff der 12. Armee bei Riga und der 5. Armee bei Dünaburg zu begleiten.
Die Stawka nahm demnach für die Monatswende wieder einen Generalangriff auf die zwei Kaisermächte in Aussicht. Den im Juli gefaßten Entschluß, an der langen Front der Verbündeten das deutsche Ostheer von der öst.-ung. Hauptmacht abzuspalten (IV. Bd., S. 609), hielt man in Mohilew aufrecht, änderte aber jetzt die Art der Durchführung. Die bisher dem Gen. Brussilow allein zugewiesene Aufgabe wurde geteilt, und seinem Tatendrange ein enger begrenztes Ziel, der Einbruch nach Galizien, vorgezeichnet, während Ewert den Schlag gegen Kowel zu übernehmen hatte. Dabei dürfte, wie der russ. Gen. Zajontschkowskij in seinen „Strategischen Studien“ andeutet, auch der Gedanke mitgespielt haben, den Führer der Westfront, indem man ihm die Verantwortung für ein wichtiges Unternehmen auflud, aus seiner Untätigkeit aufzurütteln. Hatte sich doch Brussilow während der Sommeroffensive oft beklagt, daß seinen Armeen die Hauptlast der Kämpfe aufgebürdet, ihnen von der Nachbarfront aber keine Unterstützung zuteil werde.
Der Befehl der Stawka verlegte somit das Schwergewicht des Zarenheeres noch mehr in den Raum südlich vom Pripiatj und hieß hier zu einer gewaltigen Kriegshandlung rüsten, als deren Träger zwei Heeresfronten ausersehen waren.
Brussilow gab die erhaltenen Weisungen am 12. an seine Armeeführer weiter und traf Anordnungen, „um die Niederlage der öst.-ung. Truppen zu vollenden“. Darnach hatte die 9. Armee mit dem rechten Flügel auf Halicz—Stryj anzugreifen und die 7. Armee ihre Vorrückung fortzusetzen. Die 11. Armee behielt die Stoßrichtung gegen Lemberg und hatte darauf Bedacht zu nehmen, künftig mit dem rechten Flügel zum Angriff übergehen zu können. Auch der Anschlußflügel der
8. Armee, die vorläufig in der Verteidigung zu verharren hatte, sollte ein Zusammenarbeiten mit dem linken Nachbar vorbereiten 1).
Nachdrängen der Russen in Ostgalizien und wechselvolle Kämpfe in den Karpathen
(13. bis 17. August)
Hiezu Beilagen 4 und 5
Aus den Befehlen Brussilows sprach die Hoffnung, daß es den russischen Armeen in Galizien gelingen werde, den zurückweichenden Gegner durch eine rücksichtslose Verfolgung und durch neue Schläge völlig niederzuringen. Allein schon am 13. August ergab sich, daß der Gegner den nach Osten bis an die Strypa vorspringenden Bogen seiner Front planmäßig geräumt hatte, während er im Raume südlich vom !) Klembowski, 91 und Beilage 13.
Dniester hinter der Bystrzyca in einer neuen Stellung hielt. Auch im Quellgebiet des Sereth waren die russischen Erfolge keineswegs so entscheidend gewesen, wie es offenbar bei Brussilow den Eindruck erweckt hatte. Vergeblich hatte Sacharow versucht, durch gleichzeitigen Druck von Norden und von Osten her den bei Pleszkowce vorspringenden Frontbogen abzuschnüren. Dem Gegner war es, wenn auch hart bedrängt, gelungen, die hier stehenden Truppen zurückzunehmen (S. 192) und sie derart der ihnen drohenden Gefahr zu entziehen.
Am 13. August konnten das XVII. und das VII. Korps der Russen nach harten Kämpfen nicht über den Raum um Olejów hinauskommen (S. 192 f.). Als Gen. Sacharow endlich am 14. früh mit seinem linken Armeeflügel wieder vordrängte, da hatte sich die Gruppe GdI. Eben (deutsche 197. ID., Teile der deutschen 115. ID., Masse der deutschen 195. ID., k.u.k. IV. Korps, bestehend aus der 14. ID. und aus Teilen der 33. und der 31. ID.) schon zwischen Zborów und Zwyżyn in einer fast geradlinig verlaufenden Front zu neuer Abwehr eingerichtet. Gen. Sacharow brachte seinen linken Armeeflügel im Verlaufe des 14. August an die neuen Stellungen des Gegners heran und beschloß, sie anzugreifen. Dieser Angriff, vom russischen XVII. Korps erst am 16. nachmittags unternommen, mißlang; das k.u.k. IR. 72 der 14. ID. erwehrte sich bei Manajów aller Vorstöße. Das IR. 12 der 33. ID. warf einen weiter nördlich einbrechenden Feind aus den Gräben. Das V. sib. Korps begnügte sich an der Graberka mit Geschützfeuer gegen die Stellungen der k.u.k. 31. Division. Das russische VII. Korps, das seinen linken Flügel nach Süden bis gegen Zborów ausdehnte, wagte es nicht, die von deutschen Truppen besetzte Front bei Jaroslawice anzugreifen.
Am Nordflügel der russischen 7. Armee war das aus dem Tar-nopoler Brückenkopf vorrückende russische VI. Korps unterdessen bis über die obere Strypa vorgedrungen und begann am 14. August das k.u.k. IX. Korps in der Front zwischen Zborów und Koniuchy anzugreifen. Die russische 23. ID. stieß die Straße von Kozowa aus Brze-żany entlang vor und drang bei Szybalin in die Vorpostenlinie der k.u.k. 55. ID. ein. Dieser Division und auch dem IX. Korps gelang es, das Vordringen des Feindes durch Abwehrfeuer zum Stehen zu bringen. Gegenüber der k.u.k. 54. ID. und der deutschen l.RD. erreichte das russische XVI. Korps am 14. August zwischen Potutory und Zawałów die Złota Lipa. Im Raume südlich von Zawałów drang das finn. XXII. Korps über den Fluß und schob sich bei Toustobaby bis auf nahe Entfernungen an das k.u.k. VI. Korps heran. Das k.u.k. XIII. Korps geriet am 14. auf den Höhen nördlich von Mariampol und am Dniester mit dem heranrückenden russischen II. Kavalleriekorps ins Gefecht.
Am 15. August versuchte Schtscherbatschew mit seinem linken Armeeflügel das XIII. und das VI. Korps an mehreren Stellen aufs peue anzugreifen. Die schwächlichen russischen Angriffe wurden leicht abgewiesen. Nur bei Toustobaby vermochte der Feind in einen Stellungsteil des VI. Korps einzudringen, doch wurde er auch hier hinausgeworfen. Am 17. fanden bei den Armeen Bothmer und Böhm-Ermolli keine wesentlichen Kämpfe statt. Sacharow und Schtscherbatschew unterbrachen die Kampfhandlungen, da der Gegner feste Stellungen bezogen hatte, die jede Verfolgung unmöglich machten. Auch Gen. Letschitzki hatte unterdessen den Angriff aufgegeben. Er folgte mit seiner Armeemitte im Laufe des 14. und 15. August dem k.u.k. VIII. Korps bis an die Bystrzyca Sołotwińska, führte aber den anbefohlenen Stoß auf Halicz nicht durch, weil er sich in der Bukowina durch den starken Druck des Gegners in Flanke und Rücken bedroht fühlte.
Das Heeresgruppenkmdo. Erzherzog Karl erwartete nach dem Durchbruche bei Stanislau, daß die abgekämpfte k.u.k. 3. Armee das Ziel neuer Russenstürme sein werde. Die Reserven (103. RIBrig., 2. Radfahrerbrigade, 10. bayr. ID.), die über Lemberg heranrollten, wurden in den Raum südlich vom Dniester verschoben, wo sie vom 14. August an einlangten. Gleich mit dem Eintreffen dieser Verstärkungen mußte GO. Kövess auf Befehl der k.u.k. Heeresleitung zwei Divisionen, die 51. HID. und die 44. SchD., abgeben. Die 51. HID., die während der Schlacht bei Stanislau hinter der Front des I. Korps notdürftig aufgefüllt worden war, wurde vom 14. August an nach Siebenbürgen befördert, wo sie ihre Auffrischung vollenden und in die gerade in Aufstellung begriffene 1. Armee eingereiht werden sollte. Zum Kommandanten dieser Armee war am 7. August GdI. Arz ernannt und an dessen Stelle FML. v. Fabini mit der Führung des VI. Korps betraut worden. Die 44. SchD. rollte am 16. August als Verstärkung für die Isonzo-front ab. Gleichzeitig mit diesen Truppenverschiebungen versammelte das Heeresgruppenkmdo. Erzherzog Karl die aus der 103. RIBrig. und aus der 2. Radfahrerbrigade gebildete 199. ID., GLt. v. Puttkamer, und die 10. bayr. ID., GM. Burkhardt, im Raume um Kałusz. Dahin entsandte GdI. Falkenhayn, um die Front südlich vom Dniester sehr besorgt, auch das Generalkommando des XXIV. Reservekorps unter dem württembergischen GdI. v. Gerok. Am 17. August war dieser General zur Stelle und übernahm den Befehl über die bisherige Gruppe Kraewel.
Auch beim 3. Armeekmdo. vollzog sich nach dem schweren Rückschlag bei Stanislau ein Personenwechsel. GM. Konopicky, der Generalstabschef der 3. Armee, war erkrankt. Obst. Alfred Freih. v. Waldstätten trat an seine Stelle.
Zu gleicher Zeit nahmen die Kämpfe auch in den Karpathen ihren Fortgang. Am 13. August hatte eine Abteilung der 40. HID., die mit dem deutschen IR. 43 zur Umgehung der Mägurastellung ausgeschickt worden war, die Gegend südlich von Sarata erreicht (S. 194). Zwei Tage später erstürmte diese Gruppe den Westhang der Stara Wipczyna. Gleichzeitig griffen Teile der 40. HID. die Stara Obczyna an, vermochten aber in erbitterten Bajonettkämpfen den zähen Widerstand der russischen 43. ID. nicht zu brechen. GLt. Conta verschob unterdessen von seinem äußersten rechten Flügel, wo alle Vorstöße gegen den Raum um das Gestüt von Luczina erfolglos geblieben waren, Teile der deutschen 1. ID. in das Cibotal, um die Rückenlinie Stara Wipczyna—Mägura aufs neue anzugreifen. Am 17. August war die Stoßgruppe Contas schlagbereit. Ostpreußen und Honvéd (Teile des HIR. 19} griffen zunächst die Stara Obczyna an und erstürmten diese Höhe. Am 18. August um Mittag entriß die deutsche 1. ID. nach heftigem Geschützfeuer den Russen auch die Mägura. Verzweifelt klammerte sich die schwer geschädigte russische 43. ID. auf den Osthängen der Stara Wipczyna noch fest. Gen. Letschitzki zog als Verstärkung die in Kuty bereitgestellte 64. ID. heran. Die Furcht vor einer Umgehung in der Bukowina zwang den russischen Armeeführer, die 37. ID. samt dem Stabe des XVIII. Korps von dem Frontabschnitt bei Stanislau in den Raum um Seletin zu entsenden1).
Das russische XI. Korps hatte inzwischen am Oberlauf des Pruth angegriffen und den linken Flügel der Armee Pflanzer-Baltin in eine ernste Lage versetzt. Am 14. August nachmittags wurde die 202. IIIBrig. bei Ardżeluża und bei Worochta durchbrochen und die 67. IBrig. aus dem Raume von Jablonica verdrängt. Die 202. HIBrig. mußte dem nachstoßenden Feinde das Quelltal des Pruth überlassen und auf den Kukul zurückweichen. Nun nahm FML. Rudolf Krauss die 67. IBrig. auf den Tartarenpaß zurück. Das Detachement Obst. Fráter sah sich bei Zielona vom Feinde rechts umgangen und wich im Bystrzycatal über Rafailowa gegen den Pantyrpaß zurück. Am 15. August bezogen die völlig entkräfteten Truppen der Gruppe Krauss den befestigten Grenzkamm Kukul—Sumaren.
Zajontschkowskij, 78.
Dringend war es jetzt, den linken Flügel der k.u.k. 7. Armee zu verstärken. GO. Pflanzer-Baltin entsandte eine Brigade der bereits in Körösmezö eintreffenden 3. KD. (S. 194) nach Rafailowa. Überdies holte er die am linken Flügel des Karpathenkorps in der Richtung auf Żabie eingesetzte 68. IBrig. über Ruszpolyána auf den Tartarenpaß heran. GLt. Conta nahm die deutsche 200. ID. aus ihren vorgeschobenen Stellungen bei Jablonica auf die Kaptarka und die Skupowa zurück, um Kräfte dieser Division an Stelle der k.u.k. 68. IBrig. gegen Żabie vorschieben zu können. Die Russen breiteten sich im Quellgebiet des Pruth aus und suchten den Grenzkamm zwischen dem Kukul und dem Tartarenpaß zu gewinnen. Nun entschloß sich das Heeresgruppenkmdo. Erzherzog Karl am 17. August, von seinen Reserven die deutsche 2. Radfahrerbrigade hinter den linken Flügel der Armee Pflanzer-Baltin zu verschieben.
Stillstand in Wolbynien
Das von der Stawka gegen Kowel geplante Offensivunternehmen (S. 197) konnte naturgemäß nicht so rasch in die Tat umgesetzt werden; die Vorbereitungen hiezu beanspruchten einige Zeit. Während Brussilows Mitte und Südflügel zunächst der Heeresgruppe Erzherzog Karl nachdrängten, hielt der Nordabschnitt der jetzt verkürzten Südwestfront, der Großteil der 11. und die 8. Armee, verteidigend seine Linien. Auch die Westfront, nunmehr um zwei Armeen nach Süden verlängert, mußte sich vor dem künftigen Angriffe gegen den Raum Kowel zunächst auf die Abwehr beschränken, bis die Armeen Bezobrazow und Lesch neu gegliedert sowie die noch im früheren Angriffsgebiete vor Baranowicze und Wilna liegenden Truppenmassen an den Stochod verschoben waren.
GO. Linsingen benützte den im Bereich seiner Heeresgruppe eingetretenen Stillstand, der nur durch Patrouillen- und Artilleriegeplänkel belebt wurde, um die Widerstandsfähigkeit der Front zu verbessern. Die k.u.k. 4. Armee erhielt eine Verstärkung durch deutsche schwere Batterien. Bis zum 14. August waren die beim k.u.k. X. Korps angeordneten Ablösungen (S. 172) vollzogen. Das IR. 82 fuhr nach Siebenbürgen ab; die drei aus der ersten Linie gezogenen Regimenter der
13. SchD. wurden durch Ersätze aufgefrischt und gefestigt. Das in der Front belassene SchR. 24 trat unter den Befehl der deutschen 10. Landwehrdivision. Das zuletzt eintreffende Regiment dieser Division, das
ÍR. 377, das GdK. Bernhardi im k.u.k. II. Korps erst durch das RIR. 249 der 75. RD. hatte auswechseln müssen, blieb Armeereserve.
Das Heeresgruppenkmdo. übertrug dem GdI. Litzmann das Befehlsrecht auch über das k.u.k. X. Korps, so daß seine Armeegruppe nunmehr die ganze 4. Armee umfaßte. Um dem GO. Tersztyánszky als Führer dieser Armee einen größeren Wirkungskreis zu geben, wurde ihm noch die Gruppe Lüttwitz unterstellt.
Die Heeresleitung brauchte, um die Verteidigung Siebenbürgens einrichten zu können, Befehlsstellen, deren Offiziere des Landes kundig waren. GO. Tersztyánszky erhielt deshalb am 16. August den Auftrag, die Stäbe der 70. HID., GM. Goldbach, ferner der 3. IBrig. und der 208. HIBrig. abzusenden. Die Führung der 70. HID. hatte FML. v. Sor-sich mit dem Personal des 63.IDKmdos. zu übernehmen1).
Bei der Armeegruppe Bernhardi wurde am 13. August versucht, im Abschnitte der 53. ID. die Lage auf der Sandwelle zu bereinigen. Abends brachten vier deutsche Kompagnien der Gruppe Bürkner die Kuppe durch einen gelungenen Überfall in ihre Gewalt. Die Eroberer behaupteten sich zwar über Nacht trotz aller Gegenstöße der Sibiriaken; tagsdarauf mußte jedoch die Stellung unter dem Drucke eines heftigen Gegenangriffes wieder geräumt werden. Die Verbündeten begnügten sich in den folgenden Tagen damit, die Besatzung des Russennestes durch kräftiges Geschützfeuer zu zermürben2).
Hatte die Gefechtstätigkeit an der Front der Heeresgruppe Linsingen erheblich nachgelassen, so wich damit noch nicht die Spannung von den Führern. Es galt, aus dem Verhalten des Feindes Schlüsse auf seine nächsten Absichten zu ziehen. Die Russen begannen, das VIII., das XXXX. und das XXIII. Korps vor der Armeegruppe Litzmann nach links zusammenzudrängen und gleichzeitig das XXXIX. Korps vor der Südhälfte der Gruppe Lüttwitz zu dehnen. Die 12. KD. rückte an den Nordflügel der 8. Armee. Bei den anschließenden Gardetruppen (II. Gardekorps und die Reiterdivisionen) schien eine Ablösung und Verschiebung im Gange zu sein. Der Vormarsch des IV. sib. Korps (S. 172) konnte über Łuck in den Raum südlich der Polanka verfolgt werden. Es war unschwer vorauszusehen, daß sich der Feind mit dem Vorhaben trug, einerseits die Armeegruppen Litzmann oder Marwitz, anderseits die Armeegruppe Bernhardi, etwa vor Mielnica, anzufallen.
J) FML. Sorsich, der aus Albanien kam, wurde bis zu seinem Eintreffen durch den Kommandanten der 8. KBrig., GM. v. Mouillard, vertreten.
2) M e i e n b o r n und G o e b e 1, 124 f.
Führermaßnahmen bei Freund und Feind
Es entsprach nicht der Wesensart des öst.-ung. Generalstabschefs und wurde von ihm sehr drückend empfunden, daß er sich an der Ostfront schon seit dem Juni die Gesetze des Handelns vom Feinde vorschreiben lassen und die namhaften Verstärkungen, die im Laufe des Sommers herangebracht worden waren, lediglich zum Auffangen von Hieben und zum Lückenausfüllen verwenden mußte. Dabei kamen die Verbündeten aus der undankbaren Rolle des Verteidigers nicht heraus. So drängte sich dem GO. Conrad um die Mitte des Monats August, als die Heeresgruppe Erzherzog Karl eben eine schwere Krise überwunden hatte, die Frage auf, ob es nicht in letzter Stunde möglich wäre, einem neuerlichen Ansturm der Russen durch einen Offensivschlag zuvorzukommen und durch einen Waffenerfolg ein gewisses Maß von Handlungsfreiheit zurückzugewinnen. Wohl war Conrad überzeugt, daß Rumänien schon in kurzer Frist in den Krieg eintreten werde. Die Hauptkräfte des rumänischen Heeres standen bereits an der Ost- und Südgrenze Siebenbürgens. Aber es war nicht sicher, ob sich dieser neue Feind für das Losschlagen schon an einen ganz bestimmten Tag gebunden hatte. GdI. Falkenhayn glaubte sogar, daß Rumänien erst im Oktober, nach dem Einbringen der Ernte, das Schwert gegen den Habsburgerstaat ziehen werde1). Wahrscheinlicher jedoch war, daß die Rumänen nur zuwarteten, bis die russischen Armeen wieder zum Angriff schritten und auf den Karpathenpässen erschienen.
Am 17. August besprachen Conrad und Falkenhayn bei einer Zusammenkunft in Teschen verschiedene Angriffspläne. GO. Conrad hielt es — aus Sorge um Lemberg — vor allem geboten, daß die Armeegruppe Marwitz vorstoße. Auch ein Angriff aus dem Raume von Złoczów auf Dubno wurde erwogen. Der öst.-ung. Generalstabschef versprach sich von dieser Richtung nichts Geringeres, als daß die Russen in Wolhynien von Süden her aufgerollt würden. Ernsthaft konnte jedoch an die Verwirklichung einer solchen weitausgreifenden Kriegshandlung nicht gedacht werden, da es ausgeschlossen war, die hiezu nötigen Kräfte — etwa zwanzig Divisionen — aufzubringen. So erschien nur ein rascher, einfacher Stoß, sei es aus der Mitte der Armee Bothmer, sei es aus dem Raume südlich vom Dniester, durchführbar zu sein.
C r a m o n, Bundesgenosse, 76.
Das Heeresgruppenkmdo. Erzherzog Karl verfügte über zwei frische Divisionen (deutsche 199. und bayr. 10. ID.) im Raume um Kałusz. Hinter dem XXIV. Reservekorps stand die 48. RD. bei Halicz bereit (S. 193). Bei der Armee Bothmer war das Osmanenkorps x) eingelangt. Davon hatte die türkische 19. ID. bereits den Verteidigungsabschnitt beiderseits der Bahnlinie Kozowa—Rohatyn übernommen, während sich die türkische 20. ID. noch hinter dem Korps Hofmann in Reserve befand. Vom westlichen Kriegsschauplatz war die deutsche 117. ID. im Antransport nach Galizien begriffen. GFM. Hindenburg wünschte, daß diese Division der Armee Woyrsch zugeführt werde, um die von Teschen für die Isonzofront angeforderte k.u.k. 16. ID. freimachen zu können. GdI. Falkenhayn entschloß sich jedoch in Übereinstimmung mit Conrad, die noch zurollende 117. ID. einstweilen zur 3. Armee zu entsenden. Der am 1. August zum GdK. beförderte Erzherzog Karl Franz Joseph war gesonnen, nach dem Eintreffen dieser Division den Stoß auf Kolomea durchzuführen. Der öst.-ung. Heeresleitung lag überdies sehr daran, daß die Armee Pflanzer-Baltin den beharrlichen, wenn auch langsam fortschreitenden Angriff in der Bukowina weiterbetreibe.
In diesen Tagen gaben auch die Oberbefehlshaber der russischen West- und Südwestfront ihren Armeeführern die Richtlinien für die künftige Offensive bekannt2). Ewert beauftragte am 16. August die Generale Lesch und Bezobrazow, den Gegner durch einen kraftvollen Angriff hinter die Turya zurückzu werfen. Die 3. Armee, der aus den nördlich des Polesie aufgestapelten Kräften der Westfront drei Korps,
XXV., XXVI., XXXIV., zugewiesen wurden, hatte den Hauptangriff auf Kamień Kaszyrskij und Zaprudie zu führen sowie durch einen Begleitstoß den Deutschen bei Pinsk in den Rücken zu fallen. Die „Besondere Armee“, der das I. turk. Korps angegliedert wurde, hatte aus ihrer starken Mitte — hier waren beide Gardeinfanteriekorps zu vereinen — gegen Kowel vorzubrechen. Die 2. Armee, GdI. Smirnow, die seit Anfang August zwischen der 3. und der 4. Armee neu gebildet worden war, sollte, falls ihrem Nachbar Lesch Erfolge zuteil wurden, unterstützend eingreifen. An der weiter nach Norden verlaufenden Front war der Gegner zu binden.
J) Kriegsgliederung des türkischen XV. Korps: Kmdt.: Obst. Schevki Bey, Gstbschef: Obstlt. Hari Bey; 19. ID.: Kmdt. Obstlt. Schefik Bey, 20. ID.: Kmdt. Obstlt. Jasyn Hilmi Bey; 24 Baone., 2 Schwd., 8 Bt., 2 techn. Komp. Durch Zuteilung von öst.-ung. Maschingewehrabteilungen und Batterien wurde die Schlagkraft des Korps gehoben.
2) Z a j o n t s c h k o w s k i j, 61 ff.
Brussilow zeichnete seinen Armeen am 17. die Angriffsziele vor. Der von Kaledin schon am 9. erstattete Vorschlag, das nächstemal nicht mehr bei Kisielin, sondern weiter südlich über Swiniuchy gegen Poryck angehen zu dürfen, wurde berücksichtigt1). Die 8. Armee hatte daher mit starkem Südflügel, dessen Schlagkraft durch das IV. sib. Korps zu erhöhen war, auf Poryck und Milatyn vorzustoßen. Sacharow sollte mit dem linken Flügel oder mit der Mitte der 11. Armee angreifen und seinen rechten Flügel auf gleiche Höhe mit der 8. Armee vorwärtsbringen. Brussilow stand noch immer unter dem Eindruck der siegreichen Schlacht bei Stanislau. Daher wurde Letschitzki neuerdings angewiesen, mit dem rechten Flügel auf Halicz vorzudringen, während der Unke auf Máramaros-Sziget und Kirlibaba zustreben sollte. Schtscherbatschew hatte durch Vorschieben seines linken Flügels den Angriff der 9. Armee zu unterstützen. Den Tag, an welchem die Offensive einsetzen solle, ließen sowohl Brussilow wie Ewert noch offen.
Am 19. August, nach dem Eintreffen der betrüblichen Nachrichten über den Verlust der Mägurastellung (S. 201), sah sich Brussilow genötigt, seine Weisungen, soweit sie den Südflügel der Heeresfront berührten, abzuändern. Der Führer der 9. Armee, Gen. Letschitzki, hielt die ihm zugefallene Doppelaufgabe, zugleich in der Richtung auf Halicz und in den Karpathen anzugreifen, mit seinen Kräften nicht für lösbar. Brussilow beschränkte deshalb die Aufgabe dieser Armee auf den Einbruch nach Ungarn und übertrug den Stoß gegen Halicz der Armee Schtscherbatschew. Letschitzki hatte die Bewegungen der Nachbararmee mit seinem rechten Flügel zu sichern und ihr das XLI. und das XXXIII. Korps sowie die Kauk. Einheimische KosD. zu überstellen. Von der 7. Armee war das VI. Korps mit der 4. und der 16. ID. an die
11. Armee und von dieser das V. Korps an die 8. Armee abzugeben.
Die Ostfront bis zur Kriegserklärung Rumäniens
(18. bis 27. August)
Ereignisse bei der Heeresgruppe Linsingen Hiezu Beilage 4
Da die Russen den Tag, an dem der greise Herrscher der Donaumonarchie sein sechsundachtzigstes Lebensjahr vollendete, zu Überrumpelungsversuchen ausnützen mochten, ordnete GO. Linsingen für
1 K 1 e m b o w s k i, 91 ff. und Beilage 14.
den 18. August schärfste Gefechtsbereitschaft an. Es war auch nicht unwahrscheinlich, daß gegen den Südflügel der Armeegruppe Litzmann, vor dem der Feind starke Kräfte anhäufte, in Kürze ein ernster Angriff losbrechen werde. Das Heeresgruppenkmdo. ließ daher von der deutschen 1. LD., die als Reserve hinter den inneren Flügeln der Korps Hauer und Fath im Raume Werchy—Holoby stand, das LIR. 84 nach Gry wiatki marschieren und auf der Bahn über Kowel nach Iwaniczy fahren.
Aber während GO. Linsingen den Südteil seiner Heeresfront am ehesten gefährdet erachtete, fiel der Feind am 18. plötzlich den Nordflügel, das Kavalleriekorps Hauer, an. Nachdem die russischen Batterien mit anschwellender Wucht vorgearbeitet hatten, griffen die 4. finn. SchD. und Teile der 27. ID. nachmittags die k.u.k. 9. KD., GM. Ritt. v. Le Gay, und den nördlich anschließenden Abschnitt der bayr. KD., GLt. v. Hellingrath, an. Die k. u.k. l.KD. bekam nur mäßiges Artilleriefeuer ab. Hauers öst.-ung. Kavallerieregimenter waren in je eine Reiter- und eine infanteristisch ausgerüstete Schützendivision von Bataillonsstärke geteilt. Die Fußabteilungen hielten die Wehranlagen besetzt, die berittenen Schwadronen waren als Reserven ausgeschieden. Zum Feuergefecht abgesessen stellten diese zwar zahlreichen Truppenkörper aber nur eine geringe Kampfkraft dar. GdK. Hauer hatte, sobald aus der Kanonade an der Front der vom Feinde gewählte Angriffsraum erkennbar war, den beiden bedrohten Divisionen seine Verfügungstruppen zugeschoben. Die nächste Infanterie, das deutsche LIR. 31 der l.LD., war am Morgen auf Geheiß der Heeresgruppe als Ersatz für das abgezogene LIR. 84 von Holoby nach Werchy abmarschiert, mittags jedoch südlich von Jajnozur Umkehr verhalten worden.
Der Anprall der Russen drückte die 9. KD. zwischen Rudka Czer-wiszcze und Tobol zurück; beide Orte mußten preisgegeben werden, desgleichen einige nordöstlich von Tobol liegende Stützpunkte, die von der bayr. KD. besetzt waren. Die Verbündeten klammerten sich nach verlustreichem Kampfe an die nächsten Riegelstellungen und schlossen die Einbruchsstelle ab. GLt. Hellingrath setzte hiezu auch ein deutsches Landsturmetappenbataillon ein. Abends befahl GdK. Hauer den beiden Divisionsführern, gemeinsam mit den eingetroffenen Korpsreserven zum Gegenstoß auf Tobol anzutreten. GO. Linsingen, der schon nachmittags das deutsche Kampffluggeschwader in das Gefecht hatte eingreifen lassen, stellte das LIR. 31 nebst deutschen Batterien zur Verfügung; von der Armeegruppe Bernhardi war ein halbes Bataillon des sächsischen LIR. 350 aus Bol. Obzyr zur l.KD. und ein Bataillon des RIR. 251 nach
Werchv abzusenden. Der Einsatz all dieser zugewiesenen Verstärkungen war aber erst am nächsten Tag möglich. Das deutsche Landwehrregiment, das einen beschwerlichen Marsch auf tiefen Sandwegen in hochsommerlicher Hitze hinter sich hatte, traf in der Dunkelheit, wenig schlagkräftig, hinter dem Nordflügel der 1. KD. ein. So nahmen die 9. und die bayr. KD., letztgenannte durch das k. u.k. DR. 1 verstärkt, den Gegenangriff um 10h abends mit allen verfügbaren Kavallerietruppen und dem deutschen Landsturm allein auf.
Am 19. August, in den ersten Morgenstunden, war im allgemeinen der ursprüngliche Stellungsverlauf mit den beiden verlorenen Orten zurückerobert; da machte der Feind den kaum erstrittenen Erfolg zunichte. Starke Kräfte griffen um 5hfrüh bei Rudka Czerwiszcze neuerlich an und warfen vorerst den Südflügel der 9. KD., die 1. KBrig., zurück, so daß auch die l.KD., GM. Ruiz, ihren Anschlußflügel nördlich von Helenin abbiegen mußte. Zur Stützung der 1. KD. wurde das Halbbataillon des sächsischen LIR. 350 eingesetzt. Das LIR.31, das nach Mitternacht zur 9. KD. vorgezogen worden war, nahm hier die wankende Front auf1). Ein von den Verbündeten versuchter Gegenstoß blieb ohne Wirkung; denn der Feind verstärkte sich andauernd und trachtete hartnäckig, seinen Einbruchsraum zu vergrößern. Mehrfach ritt auch Kavallerie an, konnte aber abgewiesen werden. Die Verbündeten mußten sich darauf beschränken, den Russen das Ausbreiten zu verwehren. Mittags bat GdK. Hauer das Heeresgruppenkommando eindringlich um frische Kräfte. GO. Linsingen veranlaßte, daß die nördliche Nachbargruppe Gronau ein Bataillon des IR. 343 an die bayr. KD. abgebe, und befahl aus dem Bereiche Bernhardis das ganze RIR. 251 und weitere Batterien heran. Die Führung aller auf dem Gefechtsfelde der beiden öst.-ung. Kavalleriedivisionen tätigen deutschen Truppen hatte GLt. Clausius zu übernehmen und den Feind durch einen Gegenangriff zurückzuschlagen.
Gegen Abend stürmten die Russen bei Helenin und Tobol wieder an. Die inneren Flügel der 1. und der 9. KD., denen das Spitzenbataillon des RIR. 251 als Rückhalt diente2), behaupteten sich. Hingegen ging der tagsüber heißumkämpfte Ort Tobol und damit die mühsam aufrecht erhaltene Verbindung zwischen der 9. KD. und den Bayern verloren. Mit Hilfe des Bataillons IR. 343 vermochte GLt. Ilellingrath über Nacht
x) Suhrmann, Geschichte des Landwehr-Infanterie-Regiments Nr. 31 im Weltkriege (Oldenburg-Berlin 1928), 249 ff.
2) Meienborn und G o e b e 1, 125 ff.
die Lage halbwegs zu bessern. Den Gefangenenaussagen war zu entnehmen, daß nun auch Teile der 1. sib. SchD. und der 73. ID. (vom
III. Russenkorps, das gegen die Gruppe Gronau focht) gegenüberstanden. Um der gegen Hauers Front bereits zwei Tage lang ungestüm anrennenden Russen Herr zu werden *), hatte GO. Linsingen unterdessen das LIR. 84 schleunig nach Grywiatki zurückbefördern lassen und überdies bei Hindenburg um Reserven gebeten. Das Landwehrregiment eilte im Nachtmarsch heran; die am 20. in Kowel eintreffende deutsche 25. KBrig. hatte unverzüglich in den Raum Karasin abzurücken.
GdI. Lesch, der Führer der 3. Russenarmee, wollte sich für den bevorstehenden Großangriff neben dem Brückenkopf Zarecze eine zweite Ausfallspforte schaffen 2) und ließ vor der wunden Front Hauers nicht locker. Um die Abwehrschranken der Verbündeten zu zertrümmern, erneuerte der Feind am 20. und 21. August seine gewaltigen Anstrengungen und wandte sich nunmehr besonders gegen die Strecke Tobol—Stare Czerwiszcze des Abschnittes Hellingrath. Allein die bayrischen Reiter, die ihre Stützpunkte vielfach im Handgemenge verteidigten, und die öst.-ung. Kaiserdragoner waren unbeugsame Gegner, vor denen die dichten Sturmreihen zerschellten3). Die durch deutsche Infanterie und Artillerie versteiften Divisionen Le Gay und Ruiz schlugen gleichfalls alle Vorstöße ab. Hinter den Angreifern, auf dem Ostufer des Stochod, wurden, wie Funksprüche verrieten, vier Reiterdivisionen (IV. Kavalleriekorps und Korps Wolodtschenko) um Griwa versammelt. Vermutlich sollte diese Reitermasse einen von der Infanterie errungenen Erfolg durch Nachstoßen ausweiten. GO. Linsingen raffte daher für seinen bedrohten Nordflügel alle erlangbaren Verstärkungen zusammen. Die preuß. Leibhusarenbrigade, von GFM. Hindenburg aus dem Bereiche der k.u.k. 2. Armee (S. 193) herangezogen, erreichte am 22. August Holoby, die 25. KBrig. Jajno. GdK. Bernhardi hatte aus dem Korps Fath nebst dem allerdings nur zwei Kompagnien starken SchR. 18 das deutsche LIR. 33 und schwere Batterien zu Hauer geschoben.
Mittlerweile war aber die Unternehmungslust des Feindes, der sehr große Verluste erlitten hatte, merklich gesunken. GLt. Clausius verlegte
!) Die k.u.k. 9. KD. wies bereits einen Abgang von 2000 Mann aus, die 1. KD. hatte 600 Mann eingebüßt.
2) Zajontschkowskij, 64.
3) Frauenholz, Das K. B. 2. Kürassier- und Schwere Reiter-Regiment ^München 1921), 260 ff. - Hutschenreuther, Das K. B. 1. Chevauxlegers-Regiment im Weltkriege 1914 —19 (München 1922), 76 ff. - G e b s a 11 e 1, Das K. B. 1. Ula-nen-Regiment Kaiser Wilhelm II., König von Preußen (Augsburg 1924), 166 ff.
den für den 22. August geplanten Gegenangriff, der aus dem Gefechtsraum der 9. KD. im Verein mit der bayr. KD. gegen Tobol zu richten war, auf den nächsten Tag.
Am 23. wurde an den Anschlußflügeln der beiden Divisionen je eine aus deutschen Bataillonen geformte Stoßgruppe zum Angriff angesetzt. Der Erfolg war aber gering1). Tobol konnte dem Feinde nicht entrissen, sondern nur der die Ansiedlung umspannende Frontbogen etwas verkürzt werden. GLt. Clausius kam zu dem Entschlüsse, den Angriff erst mit vermehrtem schwerem Geschütz zu wiederholen. GdK. Hauer erhielt vom Heeresgruppenkmdo. außer der schon unterstellten Leibhusarenbrigade das eben eingetroffene deutsche LIR. 37 zugewiesen; der bayr. KD. half die Gruppe Gronau mit zwei Reiterregimentern aus, denen tags darauf noch eine Kavalleriebrigade folgte. Als Heeresgruppenreserve behielt GO. Linsingen die 25. KBrig. zurück, zog aber außerdem von der 86. ID. das IR. 344 und eine Artillerieabteilung nach Werchy.
Bis zum 27. August wurden die Angriffsvorbereitungen weiter betrieben. Der Feind störte sie nicht. GLt. Clausius übertrug den Befehl in der Frontstrecke von Helenin bis zur Straße Tobol—Pniowno, wo die bayrische KD. anschloß, an zwei deutsche Brigadiere. Die in dem bisherigen Abschnitte der 9. KD. noch eingesetzten öst.-ung. Reitertruppen, die stark zusammengeschmolzen waren, wurden größtenteils herausgelöst und als Reserven gesammelt. Die erste Linie nahm deutsche Infanterie ein. Am 28. hatte der Führer des nördlichen Brigadeabschnittes, Obst. Feldtkeller, mit drei deutschen Regimentern den Angriff auf Tobol wieder aufzunehmen. Überdies konnte GLt. Clausius über die Truppenteile der 86. ID. verfügen. Die deutsche 25. KBrig., die noch nicht ins Gefecht gekommen war, ließ Linsingen jedoch zur Bahn nach Grywiatki abgehen; sie wurde sodann zur 2. Armee abbefördert. Der Feind zog inzwischen die hinter der Einbruchsstelle vereinigte Reitermasse in die Breite auseinander, schien also seine Hoffnung, die Geschwader durch eine Frontlücke vorjagen zu können, bereits aufgegeben zu haben. Allerdings konnten die Verbündeten von einem am 27. August eingebrachten Gefangenen, der der 65. Russendivision angehörte, erfahren, daß vor Tobol frische Angreifer vom XXVI. Korps auftraten.
Bei der Armeegruppe Bernhardi entfaltete das Korps Fath, um den Feind zu binden, im Vorfelde eine rege Tätigkeit. Kleine Abteilungen,
!) Bernhardi, Eine Weltreise 1911/12, III, 209.
die bis zu den nächsten Stochodarmen streiften, taten den Russen durch Aufheben von Feldwachen, Einschütten von Grabenstücken und Zerstören von Stegen vielfach Abbruch. Im Abschnitt der 53. ID. säuberte die Gruppe Bürkner durch einen Handstreich, den Teile des preußischen IR. 150 und des bayrischen IR. 3 in der Nacht vom 20. auf den 21. August ausführten, die Sanddüne von den letzten Russennestern. Die wochenlang umstrittene Bodenwelle konnte nur durch Postierungen gesichert werden; denn einer zahlreicheren Besatzung in zusammenhängender Linie war der Aufenthalt unmöglich. Haufen von Gefallenen, der Sonnenglut ausgesetzt, verpesteten' die Luft; beim Anlegen neuer Gräben stieß man überall auf nur notdürftig verscharrte Leichen
Die umfangreichen Truppenzuschübe zur 3. Russenarmee (XXV.,
XXVI. und XXXIV. Korps) wurden bereits den verbündeten Führern bekannt; unklar blieb nur, welche Gruppierung der Feind anzunehmen beabsichtige. Im Vorgelände des k.u.k. II. Korps und der deutschen 107. ID., vor der alle vier Infanteriedivisionen der Zarengarde festgestellt wurden, arbeiteten die Russen an ihrer beliebten Angriffsvorbereitung, einem Netz von Wabengräben. Die Verbündeten antworteten mit nächtlichen Ausfällen und überraschenden Kanonaden. Damit der rechte Flügel der Armeegruppe Bernhardi nach dem Abgange der deutschen 10. LD. nicht jeglicher Reserve entbehre, schob GO. Linsingen aus dem Bereiche der Gruppe Lüttwitz, vor der auch der Feind namhafte Kräfte abgezogen hatte, die noch vorhandenen Teile der 86. ID. bis zum 25. August in den Raum um Holoby.
An der Front der 4. Armee und der Armeegruppe Marwitz wurde der starre Stellungskrieg bis zum 27. August nur durch kleine Kampfhandlungen unterbrochen, die man um örtlicher Vorteile oder der Aufklärung willen führte. Am 18. August abends gelang es den Russen, am linken Flügel der deutschen 10. LD., im Walde nördlich von Szelwow, in den Graben des SchR. 24 einzudringen; doch war der Zwischenfall bald wieder behoben. Zahlreiche, während der nächsten Tage im Bereiche der 4. Armee unternommene Vorstöße, die Gefangene und sonstige Beute einbrachten, klärten das Bild über die Kräfteverteilung des Feindes. Er schwächte den Nordflügel der 8. Armee vor der Gruppe Lüttwitz und drängte seine Divisionen vor der Armeegruppe Litzmann zusammen. Seit dem 20. August wußten die Verbündeten, daß eine Division des IV. sib. Korps zwischen Bubnow und Pustomvty die Front verdichtete. Das Feuer, das die russischen Batterien in der Folgezeit Geschichte des * Infanterie-Regiments Nr. 150, I, 296 ff. Stengel, 75.
auf das Korps Szurmay und auf die Gruppe Beckmann abgaben, erweckte den Eindruck des Einschießens. Die Annäherungsgräben, die ebenfalls gegen diesen Frontteil Litzmanns vorgetrieben wurden, sprachen deutlich für einen bevorstehenden Angriff, den auch Gefangene für den 28. August ankündigten.
Zur Abwehr mußten Reserven bereitgestellt werden. Die 4. Armee erhielt von der Heeresgruppe das deutsche IR. 42, das am 27. nach Lokaczy gelangte, und überließ das IR. 377 dem GdI. Litzmann. GFM. Hindenburg zog die seinerzeit der Heeresgruppe Erzherzog Karl überlassenen Reserven (S. 184) wieder an sich und schob, vorläufig noch zu seiner Verfügung, das deutsche Jägerregiment 6 über Poryck nach Koniuchy vor; weitere deutsche Kräfte (Detachement Mohs und IR. 373) versammelte er um den Bahnknoten Kowel.
Der Führer des deutschen X. Korps, GLt. Walter Lüttwitz, wurde am 21. August abberufen und hatte seinen Posten mit dem GLt. Schmidt v. Knobelsdorf, dem bisherigen Generalstabschef des Kronprinzen Wilhelm, zu tauschen. Die öst.-ung. Heeresleitung forderte am 19. August von der 29. ID. den Stab der 57. IBrig. für Siebenbürgen an; den Befehl über den Frontabschnitt dieser Brigade übernahm das bisher ausgeschaltete 58. IBrigkommando. Von der 13. SchD., die mit drei Regimentern aus der Front gelöst worden war (S. 202), rollte die 26. SchBrig. am
24. August zur Armee Woyrsch ab, um deutsche Kräfte, die dort herausgezogen wurden, zu ersetzen.
Kämpfe in Ostgalizien und um den Karpathenkamm (18. bis 27. August)
Hiezu Beilage 5
Die Lage der Verbündeten in Ostgalizien hatte sich nach der Monatsmitte insofern gebessert, als die Armeen Böhm-Ermolli, Bothmer und Kövess in festen Stellungen den nachdrängenden Russen Einhalt geboten (S. 198 ff.). Hingegen rechnete die Heeresgruppe Linsingen mit einem neuerlichen Angriff des Feindes auf den Raum um Kowel und Władimir-Wolynski. Das Kavalleriekorps Hauer war am 18. August bereits angefallen und eingedrückt worden (S. 207). Unter diesen Umständen hatte sich GFM. Hindenburg, wie eben geschildert wurde, veranlaßt gesehen, seine Heeresreserven, die er dem Erzherzog Karl Franz Joseph zur Verfügung gestellt hatte, nach Wolhvnieii abzuziehen. Außerdem wurde von der deutschen 2. KD., die GM. v. Etzel zum Schutze Lembergs bei Ożydów versammelte (S. 193), die Leibhusarenbrigade mit der Bahn nach Kowel gefahren (S. 209).
Während dieser Truppen Verschiebungen unterbrachen die Russen die Ruhe an der ostgalizischen Front durch einen kurzen Vorstoß gegen den rechten Flügel der Armee Böhm-Ermolli. GdK. Sacharow suchte am 21. August durch umfassenden Angriff mit dem XVII. und dem
V. sib. Korps den Frontbogen Manajów—Czepiele einzudrücken. Das gelang ihm aber nicht. Bei Manajów und bei Batków brach der russische Angriff vor den Gräben der 14. ID. zusammen. Bei Zwyżyn drangen die Russen in die Stellung der k.u.k. 31. ID. ein, wurden aber durch Einsetzen von Reserven (Teilen der 14. ID. und der deutschen 195. ID.) zum Stehen gebracht. Der Kampf dehnte sich bis Zarków, in den Verteidigungsabschnitt der 27. ID., aus; aber auch hier war den Russen kein Erfolg beschieden.
Gen. Sacharow wollte schon am 22. August den Angriff wieder aufnehmen. Er ließ diese Absicht rasch fallen, als ihm das Kommando der Südwestfront riet, die Kräfte für die beabsichtigte neue Offensive zu sparen1). Nur bei Zwyżyn wurde am 22. August noch weiter gekämpft. Drei Tage mußten hier Truppen des k.u.k. IV. Korps und der deutschen 195. ID. ringen, bis es ihnen gelang, ein Grabenstück von etwa 300 m Länge zurückzuerobern, in das die Russen eingedrungen waren.
Die Atempause, die Gen. Sacharow seinen Divisionen zur Vorbereitung eines neuen Schlages gewährte, ermöglichte auch dem Gegner, verschiedene Truppenverschiebungen und Ablösungen durchzuführen. Am
25. August übernahm GM. Etzel den Befehl über den aus Truppen der 33. ID. und der 106. LstlD. zusammengesetzten Südflügel des
XVIII. Korps. Als Verstärkung für diesen Korpsflügel und für den linken Flügel des V. Korps wurden Teile der deutschen 2. KD. in die wichtigen Verteidigungsabschnitte beiderseits der Lemberger Bahn eingeschoben. Als Reserven standen am 27. August weitere Teile der deutschen 2. KD., zwei Bataillone des k.u.k. IR. 76, das k.u.k. IR. 83 und Teile der deutschen 115. ID. (Brigade Melior) hinter der Mitte und dem rechten Flügel der Armee Böhm-Ermolli bereit. Hier und am linken Flügel der deutschen Südarmee erwartete die k.u.k. Heeresleitung einen Vorstoß der Russen über Złoczów auf Lemberg.
Bei der Armee Bothmer übernahm unterdessen das ganze türkische XV. Korps (S. 205) den Frontabschnitt zwischen der 1. RD. und der
') Klembowski, 95.
54. ID. von Lvsa bis Potutory an der Zlota Lipa. Die freigewordenen Kräfte der 55. ID. rückten als Reserve hinter den Nordflügel und die Mitte der Südarmee. Nur ein Regiment der 55. ID. verblieb rechts neben der 54. Division. Auf dem Südflügel des IX. Korps wurden alle Truppen der 38. HID. vereinigt.
Bei der Armee Kövess wurde am 21. August die abgekämpfte deutsche 105. ID. aus der Front herausgezogen und als Heeresgrnppen-reserve nach Halicz verlegt. Dafür verstärkten die 48. RD. und deutscher Landsturm den Verteidigungsabschnitt des XXIV. RKorps. Teile der freigemachten 5. HKD. und der 6. KD. wurden in die Mitte des
VIII. Korps, zwischen der 59. ID. und der 42. HID., eingeschoben. Die Russen entfalteten an der Bystrzyca und an der Zlota Lipa eine rege Erkundungstätigkeit. Annäherungsversuche des Feindes gegen den Südflügel der Südarmee und Gegenunternehmungen des XIII. und des
VI. Korps führten am 24. und in der Nacht auf den 27. August zu lebhaften Kämpfen. Es schien, als ob die Russen das XIII. Korps angreifen wollten. Sie verschoben ihr XXXIII. Korps über den Dniester nach Norden.
Mehr als im ostgalizischen Flachland lebte während der zweiten Augusthälfte die Kampftätigkeit in den Karpathen auf. Während die Stoßgruppe Contas (Teile der deutschen 1. ID., 40. HID.) am 18. August die Mä-gurastellung erstürmte, mußten sich die am Westhang der Stara Wipczyna stehenden Abteilungen der deutschen 1. ID. russischer Gegenstöße erwehren. Auch an den beiden folgenden Tagen (19. und 20. August) setzten die Russen hier und gegen die Mägura ihre Vorstöße fort, wurden aber abgewiesen. Am 22. August entrissen die Deutschen den Ostteil der Stara Wipczyna dem Feinde. Fast 4000 Gefangene, 25 Maschinengewehre, ein Minenwerfer und zwei Geschütze zählte das Karpathenkorps in den letzten Kämpfen als Beute. Aber schon am 23. abends und in der Nacht auf den 26. wiederholten die Russen — es waren dies offenbar Truppen der von Kuty herangeholten russischen 64. ID. — ihre Vorstöße gegen die Stara Wipczyna. Abermals wurde der Feind von den Ostpreußen und der Honvéd abgeschlagen. Die 11. HKD., die mittlerweile in Siebenbürgen aufgefüllt worden war, rollte jetzt als Schutz für Flanke und Rücken des XI. Korps nach Dorna Watra heran, wo sie bis zum 30. August versammelt sein sollte.
Auf dem linken Flügel des Karpathenkorps waren am 18. August Truppen der deutschen 200. ID. zum Angriff in der Richtung auf Żabie angetreten, um die auf den Tartarenpaß zurückgedrängte Gruppe FML. Rudolf Krauss zu entlasten. Unter Kämpfen mit Teilen des russischen
XI. Korps erreichten die Deutschen am 19. August die Höhen Kreta und Stepanski und wiesen in den folgenden Tagen feindliche Vorstöße aus dem Raume von Żabie ab.
Die Hauptkraft des russischen XI. Korps war aber inzwischen vom obersten Pruth der Gruppe FML. Krauss nachgerückt und suchte den Tartarenpaß von Osten her zu umgehen, indem es mit der 11. ID. am 18. August die 202. HIBrig. in ihren Befestigungen am Grenzkamm nächst dem Kukul angriff. Die Honvéd vermochte sich zunächst zu behaupten, wurde aber am 19. aufs neue heftig angegriffen. Sie verlor den Kukul und wurde in das Laszczynatal auf Klauzura Kożmieska hinabgedrängt. Die Russen standen nun in der Flanke des Tartarenpasses. Eiligst wurden die mittlerweile in Körösmezö eintreffenden Reserven, zwei Bataillone der 68. IBrig., dem Obst. v. Sávoly zur Zurückeroberung des Kukul nach Klauzura zugeschoben. Dahin sollte auch die von Kałusz noch zurollende, nur drei Bataillone starke deutsche 2. Radfahrerbrigade folgen.
Am 21. August verschlimmerte sich die Lage. Die deutsche 200. ID. wurde auf den Höhen Kreta und Stepanski in neue Kämpfe verwickelt. Sie wies die russischen Stürme blutig ab. Aber links von ihr rückten, die Russen verwegen bis auf den Turkul vor, umgingen die auf der Höhe Spyci stehenden Landsturmsicherungen und setzten sich auf dem Tom-natikrücken fest. GLt. Conta hatte keine andere Wahl, als den gefährdeten linken Flügel der 200. ID. auf den Grenzkamm zurückzuschwenken. Die bereits der Gruppe Krauss überwiesene deutsche 2. Radfahrerbrigade mußte mit der Bahn nach Rahó gefahren und an den linken Flügel des Karpathenkorps herangeholt werden, wo sie am 25. August eintraf.
Im Angriff auf den Kukul hatten die 68. IBrig. und die 202. HIBrig. inzwischen langsam Boden gewonnen. Am 23. eroberte die Honvéd eine Stellung östlich von Klauzura zurück, kam dann aber zum Stehen. Fünf Gegenstöße der Russen mußten am 24. nachmittags von der 202. HIBrig. in erbittertem Ringen abgeschlagen werden.
Am Tartarenpaß hatte der linke Flügel der 67. IBrig. am 20. August eine Vorstellung verloren. Ein Gegenangriff, am 21. unternommen, drang nicht durch. GO. Pflanzer-Baltin verstärkte die Besatzungen auf dem Tartarenpaß durch die gesamten Fußschwadronen und durch die Reiter der 10. KBrig. der 3. Kavalleriedivision. Die andere Brigade der Division, die 17., die in das Tal der Bystrzyca Sołotwińska entsandt worden war (S. 202), warf die gegen den Pantyrpaß vorgedrungenen russischen Abteilungen von Stellung zu Stellung und erreichte am 22. August die Gegend halben Wegs zwischen Rafailowa und Zielona. Dort wurde die 17. KBrig. am 23. nachmittags durch einen Vorstoß der Russen vom Gavorrücken her umfaßt. Sie mußte wieder gegen Rafailowa zurückgenommen werden, wo sie am 24. Stellung nahm, um den Zugang auf den Pantyrpaß zu sperren. Zur Verstärkung schob GO. Pflanzer-Baltin auch die auf dem Tartarenpaß stehenden Truppenteile der 3. KD. über das Gebirge nach Rafailowa.
Das Heeresgruppenkmdo. Erzherzog Karl hatte sich am 19. August entschlossen, die über Lemberg anrollende deutsche 117. ID. nach Mdra-maros-Sziget weiterzuleiten. Tags darauf berief der Erzherzog-Thronfolger das I. Korpskmdo. unter GdK. Freih. v. Kirchbach in die Karpathen. Die 42. HID. wurde dem VIII. Korps unterstellt. Die Bedrohung von Máramaros-Sziget mußte beseitigt und der auf dem Grenzkamm östlich des Tartarenpasses vorgedrungene Feind wieder zurückgeworfen werden. Am 23. August übernahm GdK. Kirchbach den Befehl über den linken Flügel der 7. Armee (202. HIBrig., 34. ID., 3. KD.). Ihm wurde auch die vom 22. August an in Körösmezö einlangende deutsche 117. ID. unterstellt. Diese Division war auf Befehl Pflanzer-Baltins bei Klauzura zu versammeln; sie sollte am 30. den Kukul zurückerobern. In diesem Gebiet gingen die Kämpfe inzwischen weiter. Am 25. abends wurde die 202. HIBrig. bei Klauzura aufs neue von den Russen angefallen. Sie mußte einen Teil ihrer Stellungen aufgeben. Zwei Tage später, am 27. August, stießen die Russen auch gegen den Grenzkamm nordwestlich vom Kukul vor; doch wurden sie von der k.u.k. 68. IBrig. zurückgeschlagen.
Rückblick auf die Augustkämpfe im Osten
Wieder war in Ostgalizien und in Wolhynien für die Streiter der Mittelmächte ein Monat schwerster Kämpfe dahingegangen. Die Erfolge, die die Russen im Juni und im Juli erkämpft hatten, waren die Frucht von Kriegshandlungen gewesen, die von einem Nebenunternehmen ihren Ausgang genommen hatten; der für Mitte Juni geplante Hauptangriff des Zarenheeres hätte im Raume nördlich vom Pripiatj losbrechen sollen. Jetzt im Hochsommer, seit dem 28. Juli, warf sich etwa die Hälfte der russischen Wehrmacht in voller Planmäßigkeit auf die weniger widerstandskräftige Front südlich von Pinsk. Ansturm auf Ansturm brandete gegen die vielfach schon unterhöhlten Wälle heran. Die Verbündeten blieben gänzlich in die Rolle des Verteidigers gedrängt. Ansätze zu einem offensiven Vorgehen wurden durch den Feind erstickt, sie vermochten sich nur in den Waldkarpathen in bescheidenem Grade auszuwirken. Sonst diktierte der russische Koloß nach wie vor allerorts das Gesetz des Handelns, und der Verteidiger mußte mancherlei blutig erkämpften Boden preisgeben, um nur überhaupt die Geschlossenheit der so schwer bedrängten Abwehrfront aufrecht erhalten zu können.
Bei der Heeresgruppe Linsingen, in Wolhynien, hatte sich im August die Einbuße an Gelände noch in erträglichen Grenzen gehalten. Die Armeegruppe Bernhardi war aus dem Stochodknie östlich von Mielnica auf eine verkürzte, gerade verlaufende Sehnenstellung zurückgewichen, wobei die Tiefe des Raumverlustes zehn Kilometer betrug. Die Gruppe Lüttwitz hatte ihren östlich vom Stochod verbliebenen Frontteil um eine Strecke von zwei Wegstunden gänzlich auf das Westufer verlegt und damit einen durch ein natürliches Hindernis geschützten Verteidungsab-schnitt gewonnen. Die k.u.k. 4. Armee hatte dem Feinde eine bis zu fünf Kilometer tiefe Zone überlassen. Von einer weiteren, tiefgreifenden Verschlechterung der Lage konnte man bei all diesen Gelegenheiten nicht sprechen. Im Gegensatz hiezu war der Raumverlust bei der Heeresfront Erzherzog Karl in Ostgalizien wohl als empfindlich zu bezeichnen. Die Truppen der Verbündeten wurden hier beiderseits vom Dniester fast um 50 km zurückgedrängt. Der Rückzug der 3. Armee hinter die Bystrzyca Sołotwińska und der des rechten Flügels der 2. Armee in das Quellgebiet der Strypa zwang auch die Südarmee des GdI. Bothmer, die bisher, einem Wellenbrecher gleich, jedem Anprall der Russen getrotzt hatte, den Nachbarn zu folgen und ihren der Umklammerung ausgesetzten Frontbogen zu räumen. Der neuerliche Rückschlag südlich vom Dniester war auch wegen der Bedrohung der Erdölgebiete von Drohobycz und Borysław und wegen der Nähe Rumäniens besonders bedenklich.
Ende August standen die Verbündeten, im Großen gesehen, am Stochod und von da in einer fast gerade gegen Süden verlaufenden Linie, die bei Strzemilcze den Styr erreichte. Der Boldurka folgend, gewann die Front über Zborów, östlich an Brzeżany und Halicz vorbei, am Ursprung der Bystrzyca Sołotwińska die Karpathen. Der rechte Heeresflügel endete an der Dreiländerecke bei Dorna Watra.
Seit den Tagen von Łuck und Okna war die Front der Mittelmächte Schritt für Schritt zurückgewichen. Hartnäckigster Gegendruck hatte die Fortschritte des Feindes wohl zeitweilig zu hemmen, nirgends aber hintanzuhalten vermocht. Durch die Rücknahme der Südarmee war der letzte Rest der Dauerstellung verloren gegangen, die die verbündeten Heere im Herbst 1915 erkämpft hatten.
Die Verluste des öst.-ung. Nordheeres hatten sich im Monat August neuerlich empfindlich erhöht. In der Zeit vom 1. Juni bis zum 31. August gingen nach den amtlichen Aufzeichnungen insgesamt verlorenx):
tot verwundet |
krank |
gefangen und vermißt |
Summe | ||
Offiziere |
959 |
3.669 |
4.177 |
5.348 |
14.153 |
Mannschaft |
29.2S6 |
149.944 |
98.164 |
322.040 |
599.434 |
Zusammen |
30.245 |
153.613 102.341 |
327.38S |
613.587 |
Zu diesen gewaltigen Menschenverlusten trat noch die große Einbuße an Geschütz, Maschinengewehren, Minenwerfern, Kriegsgerät aller Art und auch an den sehr kostspieligen und mannigfaltigen Etappeneinrichtungen, die hinter der Dauerstellung eingebaut waren und nicht mehr geborgen werden konnten. War schon die Ersatzlage in ÖsterreichUngarn neuerdings wieder recht kritisch geworden, so drückte der Ausfall an Kampfmitteln und Kriegsgerät bei dem zunehmenden Mangel an Rohstoffen nicht weniger schwer. Der Nachschub an Mann und Material vermochte in keiner Weise mehr mit den Verlusten Schritt zu halten. Auch das Heranführen von Verbänden anderer Fronten war bei der Hochspannung auf dem italienischen Kriegsschauplatz im August völlig unmöglich geworden. Die k.u.k. Heeresleitung war im Gegenteil genötigt, eine der wenigen deutschösterreichischen Divisionen, die an der russischen Front fochten, die 44., wieder an den Isonzo abzuziehen.
Zu all diesem Übel mußten aber die Führer aller Grade noch eins wahrnehmen. Unter den schweren Keulenschlägen des Russen hatten in einer Zeit, da sich auf der italienischen Walstatt die habsburgischen Regimenter unbekümmert um unvermeidbare Rückschläge in ungebrochener Kraft des nach Zahl und Ausrüstung übermächtigen Feindes erwehrten, die Widerstandsfähigkeit und das moralische Gefüge des
1 / Vgl. die entsprechende Übersicht für die Monate Juni und Juli im Bd. IV, S. 663. — Nach den Angaben Brussilows wurden unter seinem Kommando vom 4. Juni bis zum 12. August 8255 Offiziere und 370.173 Soldaten als Gefangene eingebracht; da hier auch deutsche Kämpfer mitinbegriffen sind, scheinen diese Zahlen nicht weit fehlzugehen. Außerdem verzeichnet der russische General eine Beute von 496 Geschützen (Broussilov, 219).
öst.-ung. Nordheeres in seiner Gesamtheit bedenklich gelitten, mochten sich auch zahlreiche Truppenteile noch hervorragend schlagen. Wohl waren Mißerfolge und Stunden der Bedrängnis auch den reichsdeutschen Mitstreitern nicht erspart geblieben. Aber fast nie hatten sie solchen Umfang angenommen wie in den Abschnitten, in denen öst.-ung. Truppen auf sich allein angewiesen waren. Auch die Kosakenfurcht kam als Erbübel aus den ersten, so verlustreichen Schlachten wieder manchenorts zur Geltung. Begreiflich, daß die Führung jeder neuen Widerstandsprobe mit wachsender Sorge entgegensah.
In dieser materiellen und seelischen Not mußte immer wieder der Bundesgenosse einspringen. Er tat es, allem eigenen Ungemach im Westen zum Trotz, das auch ihn einer moralischen Krise keineswegs überhob, nach besten Kräften. An allen Teilen der Front tauchten allmählich deutsche Bataillone auf, „Korsettstangen“, wie sie der preußische Soldatenwitz ohne übermäßige Rücksicht auf die Empfindlichkeiten des „Bruders Schnürschuh“ nannte. Und geschichtliche Wahrhaftigkeit verpflichtet zu der Feststellung, daß in jenen kritischen Wochen die Sicherheit einer Stellung vielfach nur dann gewährleistet war, wenn deutsche Truppen an der Behauptung mit wirkten. Unvergleichlich reichere Ausstattung der deutschen Verbände mit Kampfgerät trug selbstverständlich das Ihrige zu dieser Erscheinung bei. Gewiß ist es richtig, daß es bei alldem auch nicht ohne Reibung abging. Der reichsdeutsche Helfer fand nicht immer die richtige Art, sich dem bedrängten Bundesgenossen an die Seite zu stellen. Es fehlte ihm wohl auch an dem Verständnis für die außerordentlich schwierigen Verhältnisse, unter denen das habsburgische Völkerreich den Krieg führte, und die mit zunehmender Kriegsdauer immer verwickelter wurden. Nicht selten war er mit einem harten Urteil früher bei der Hand, als es seine Kenntnis der Dinge und die Umstände rechtfertigte. Daraus entstanden Verstimmungen und wohl auch schwerere Mißhelligkeiten, allerdings weniger bei den Truppen selbst, wo die Kämpfer und Unterführer der öst.-ung. Wehrmacht das Erscheinen des deutschen Freundes doch fast immer mit einem befreienden Aufatmen begrüßten, als vielmehr bei den k.u.k. Stäben, wo der Einsatz der zahlreichen deutschen Befehlsstellen in zunehmendem Ausmaße als bitter bis zur Unerträglichkeit empfunden wurde*) und man in Augenblicken der Entspannung dann auch nur allzuleicht der Sehnsucht vergaß, mit der man der Hilfe des Bundes-
Vgl. u. a. Werkmann, 60 ff., wo die Verhältnisse beim Ileeresgruppen-kommando Erzherzog Karl ^Generalstabschef Seeckť geschildert werden.
genossen vor seinem Herankommen entgegengesehen hatte. Handelte es sich hier um Reibungen, die noch bei keinem Bündniskrieg gefehlt hatten und im Lager der Feinde nicht weniger vorkamen, so fielen die innen- und außenpolitischen Folgen, die sich aus dem wachsenden militärischen Übergewicht Deutschlands über Österreich-Ungarn für dieses ergaben, bei der schwierigen inneren Verfassung und bei der nicht minder verwickelten internationalen Stellung des Habsburgerreiches stärker ins Gewicht als bei irgendeiner anderen kriegführenden Macht.
Die russische Führung hatte in der abgelaufenen Kampfperiode große Ziele angestrebt und entscheidungbringende Erfolge erwartet. Sie waren ausgeblieben. Die Russen hatten wohl einen neuen Geländegewinn zu verzeichnen, das so heiß ersehnte Operationsziel Kowel wurde jedoch nicht erreicht. Der Stoß auf Lemberg machte nach der Schlacht bei Brody über den Sereth hinaus nur geringe Fortschritte. Im Dniestergebiet glückte zwar ein Durchbruch, allein er wurde keineswegs durch kraftvolles Nachdrängen gänzlich ausgewertet. Um die Mitte August verebbten die Kämpfe in Wolhynien und in Galizien, nur um den Karpathenwall loderten sie, zum Teil durch Gegenangriffe der Verbündeten ausgelöst, bis zum Monatsende ohne Unterbrechung weiter.
Das Zarenreich rüstete in der zweiten Monatshälfte zu einem neuen Waffengange, der schon Schulter an Schulter mit dem eben neu gewonnenen Bundesgenossen, dem Königreich Rumänien, ausgetragen werden sollte. Zu diesem Zwecke und aus Scheu vor der unzerbrech-baren deutschen Front nördlich vom Pripiatj verlegte die Stawka ihr Schwergewicht noch weiter nach Süden. Das russische Hauptquartier schmälerte sogar den ausgedehnten Wirkungskreis seines tatkräftigsten und erfolgreichsten Heerführers im Sommerfeldzug, des GdK. Brussilow, und entzog ihm die Aufgabe, Kowel zu erobern, damit er sich im Verein mit dem frischen Heere Rumäniens mit aller Wucht auf Ungarn und Galizien stürzen könne.
Im allgemeinen betrachtet, hatte sich die Gesamtlage der Verbündeten auf dem östlichen Kriegsschauplätze leidlich gebessert. Jedenfalls stand man gefestigter da als im Juni nach Łuck und Okna, wo die Russen die Gelegenheit versäumt hatten, die öst.-ung. Front durch rücksichtsloses Nachstoßen in entscheidender Richtung zum Einsturz zu bringen.
Jetzt hoffte die Stawka und mit ihr der ganze Feindbund, den Mittelmächten durch das Mitwirken Rumäniens eine entscheidende Niederlage bereiten zu können.
DER FELDZUG IN SIEBENBÜRGEN
Rumäniens Eintritt in den Weltkrieg
Hiezu Beilagen 6, 7, 8 und 9 Rumäniens Politik bis Ende August 1916
Rumänien war seit dem Jahre 1883 durch einen Geheimvertrag mit dem Dreibund verbündetx) und diente im Rahmen dieser Staatengruppe seiner geopolitischen Aufgabe, gemeinsam mit den Magyaren die Nord- und Südslawen zu trennen und einem Vordringen Rußlands auf dem Lande gegen Konstantmopei den Weg zu verlegen. Aus der Anlehnung Rumäniens an den Dreibund zog das junge Königreich auch Nutzen, was der inneren Festigung des unter der klugen Führung des Königs Karl I. stehenden Balkanstaates förderlich war-).
Militärisch hatte Rumänien mit Österreich-Ungarn Vereinbarungen für ein gemeinsames Operieren der beiden Fleere gegen Rußland getroffen. Das letztemal wurden solche Maßnahmen Ende November 1912 zwischen dem GdI. Conrad und dem Chef des rumänischen Generalstabes, DivGen. Averescu, verabredet3).
Zweierlei beeinträchtigte die Dreibundfreundlichkeit Rumäniens: die Magyarisierungspolitik der ungarischen Regierung gegen die Siebenbürger Rumänen und die Furcht vor Rußland4). Eine merkliche Wandlung in den Beziehungen Rumäniens zum Dreibund, namentlich zur Donaumonarchie, trat im Jahre 1913 nach dem Eingreifen Rumäniens in den zweiten Balkankrieg ein, als der k.u.k. Außenminister Graf Berchtold die Bukarester Wünsche auf Erwerbung eines an die Dobrudscha angrenzenden Streifens bulgarischen Gebietes im Gegensätze zu Conrads Ansicht nicht unterstützte, sondern sich zum Anwalt Bulgariens machte. Im Frieden von Bukarest (10. August 1913), der die beiden Balkankriege abschloß, wurde Rumäniens Landhunger wohl gestillt; die bulgarenfreundliche Politik des Ballhausplatzes hatte aber in Bukarest sehr verstimmend gewirkt, was Rußland für sich geschickt
’) Příbram, Die politischen Geheimverträge Österreich-Ungarns 1879—1914 ,Wien 1920', I. 29 ff.
2) K i s z 1 i n g, Die militärischen Schutzmaßnahmen Österreich-Ungarns gegen einen rumänischen Einbruch (Österr. Wehrzeitung, 1926, Folgen 35 und 36).
■'’■) Conrad, Aus meiner Dienstzeit 1906 1918 (Wien 1921 1925,, 11. 363 ff.
4) Gottschalk, Rumänien und der Dreibund bis zur Krise 1914 'Die Kriegsschuldfrage, [Berlin, Jhrg. 1927], 635).
auszunützen verstand. Ein Besuch des Zaren in Constanta im Juni 1914 sollte der Vertiefung der Freundschaft zwischen Rußland und Rumänien dienen, welch letzteres seit dem Sommer 1913 innerlich ohnehin nicht mehi' zum Dreibund stand.
Als nach dem Thronfolgermord Österreich-Ungarn am 28. Juli 1914 an Serbien den Krieg erklärte, eröffnete am selben Tage der rumänische Ministerpräsident Jonel Bratianu aus eigenem Antriebe dem russischen Gesandten in Bukarest, „Rußland habe jedenfalls kein irgendwie feindliches Auftreten von Rumänien zu erwarten“ J). Der Einfluß Bratianus, der auch Chef der mächtigen ententefreundlichen „liberalen“ Partei des Landes war, erwies sich denn auch so stark, daß der dreibundtreue König Karl im Kronrat zu Sinaia am 3. August seine Regierung nicht zur Erfüllung der Bündnispflicht zu bewegen vermochte. Gleich wie Italien, dessen Verhalten fürderhin für Rumänien richtunggebend blieb, erachtete der Kronrat den Bündnisfall für nicht gegeben und erklärte die Neutralität des Landes. Gleichzeitig wurde beschlossen, militärische Vorkehrungen zum Schutze der Grenzen zu treffen2), was die Donaumonarchie zu vergleichsweise bescheidenen Gegenmaßregeln in Siebenbürgen zwang (Bd. I, S. 24).
Unterdessen hatte das Liebeswerben Rußlands um Rumänien bereits begonnen. Schon am 30. Juli 1914 ließ der russische Außenminister Sasonow in Bukarest erklären, daß Rußland — falls Rumänien an seiner Seite am Kriege teilnehme — bereit sei, „den Anschluß Siebenbürgens an Rumänien zu unterstützen“3). Wohl hätte Bratianu Siebenbürgen lieber als Preis für eine lediglich wohlwollende Haltung gegenüber Rußland erhalten wollen. Da ihm solche Zusicherungen aus Petersburg aber nicht gemacht wurden, nahm er schon anfangs September 1914 in Aussicht, „aktiv gegen Österreich hervorzutreten, falls dies die rumänischen Interessen erfordern sollten“4).
Engere Bindungen brachte ein Notenwechsel zwischen Petersburg
und Bukarest anfangs Oktober 1914. In diesem garantierte Rußland
die bisherigen Grenzen Rumäniens und anerkannte dessen Recht auf Angliederung der von Stammesbrüdern bewohnten Gebiete Österreich*) Das Zaristische Rußland im Weltkriege (Berlin 1927), 163.
2) Österr.-ungar. Rotbuch. Diplomatische Aktenstücke, betreffend die Beziehungen Österreich-Ungarns zu Rumänien in der Zeit vom 22. Juli 1914 bis 27. August
1916 (Wien 1916), 3.
3) Das Zaristische Rußland im Weltkriege, 164.
4) Ebenda, 176.
Ungarns, wobei in der Bukowina die Abgrenzung nach dem Mehrheitsprinzip der Nationalität der Bewohner vorgenommen werden sollte. Die Bestimmung des Zeitpunktes für die Besitznahme der zugestandenen Gebietsteile blieb dem Ermessen Rumäniens Vorbehalten. Rußland versprach überdies, sich um die Zustimmung Frankreichs und Englands zu diesen Abmachungen zu bemühen1).
Diese neun Tage vor dem Tode des Königs Karl abgeschlossene russisch-rumänische Vereinbarung blieb fortan die Richtschnur für Bratianus politisches Handeln. Fraglich war nur der Zeitpunkt, zu dem Rumänien die Waffen gegen seine bisherigen Verbündeten erheben würde. Und als Zeichen des Dankes für die Zusicherung aus Petersburg wurde jetzt (anfangs Oktober 1914) das aus der Moldau sich ergänzende rumänische IV. Korps (Jassy), das bei Ausbruch des Weltkrieges zum Schutz gegen allfällige russische Grenzüberschreitungen mobilisiert worden war, auf Friedensstand versetzt.
Nun begann eine scheinbar schwankende Politik Rumäniens, die Bratianu, der ein überzeugter Anhänger der Entente war, sehr geschickt zu leiten verstand 2). Er hatte bestimmenden Einfluß auf den willensschwachen König Ferdinand und durfte sich der Unterstützung der ehrgeizigen, englandfreundlichen Königin Maria erfreuen. Das Verhalten Rumäniens wurde von jetzt an vornehmlich von der allgemeinen Kriegslage, und im besonderen von den jeweiligen Machtverhältnissen auf dem russischen Kriegsschauplatz beeinflußt. Die k.u.k. Heeresleitung bekam dies zwei Jahre lang zu spüren. Wiederholt mußte sie in ihren operativen Maßnahmen auf Rumänien Rücksicht nehmen und immer darauf bedacht sein, einen Mißerfolg in Ostgalizien und in der Bukowina zu vermeiden.
Es fehlte natürlich auch nicht an Versuchen, Rumänien in das Lager der Mittelmächte herüber zu ziehen. Mehr als einmal wurde über freiwillige Abtretungen öst.-ung. Gebietes, denen Deutschland sehr das Wort redete, zwischen Wien und Bukarest verhandelt. Bratianu zeigte sich aber stets nur geneigt, für die ihm angebotenen Teile der Bukowina — die Abtretung siebenbürgischen Bodens kam bei dem Widerstande des ungarischen Ministerpräsidenten Gf. Tisza nicht in Frage — lediglich die Neutralität als Gegenleistung zuzugestehen. Gebietsabtretungen als Entgelt für die von Rumänien übrigens niemals
a) ü a b i j a, Armata romanä in räsboiul mondial (1916—1918 Bukarest)
I, 19 ff. — Das Zaristische Rußland im Weltkriege, 185.
2) Radosław off, Bulgarien und die Weltkrise (Berlin 1923), 204.
gestattete Durchfuhr von Munition nach der Türkei, als dies vor der Niederwerfung Serbiens in Frage kam, hatte der Minister des Äußern Burián entschieden abgelehnt11). Ein Anschluß Rumäniens an die Mittelmächte wäre für Bratianu höchstens bei einem völligen Niederwerfen Rußlands in Betracht gekommen. Auf einen solchen Erfolg vermochten die beiden Kaisermächte aber auch nach dem Siegeszuge von Gorlice bis über Brest-Litowsk im Sommer 1915 nicht hinzuweisen. Aus diesem Grunde konnten Wiener Versprechungen auf Angliederung Bes-sarabiens an Rumänien in Bukarest insolange keine Wirkung erzielen, als keine Aussicht auf Eroberung dieses Landes durch die Mittelmächte bestand. So setzte Bratianu, der den Glauben an den Sieg der Entente nie verlor12), seine Schaukelpolitik bis zu einem ihm für den Anschluß an die Entente günstig scheinenden Zeitpunkt fort.
In Übereinstimmung mit dieser Politik Bratianus sah sich die rumänische Heeresleitung auch zu militärischen Maßnahmen veranlaßt. Diese fanden in der Armee, namentlich im Offizierskorps, freudigen Widerhall. Außer dem später noch näher auszuführenden Ausbau des Heeres verfügte die Heeresleitung im August 1915 die Sicherung der Grenzen gegen Österreich-Ungarn und später, im Februar und März 1916, jene der Grenze gegen Bulgarien durch stets auf Kriegsstand gehaltene Deckungstruppen. Die Sicherung gegen die Donaumonarchie mag damals der Besorgnis entsprungen sein, daß die erfolgreich vordringenden Heere Österreich-Ungarns und Deutschlands, die sich eben der russischen Zentralfestung Brest-Litowsk näherten, nach einem vernichtenden Siege über das Zarenheer Rumänien mit Waffengewalt zum Anschluß an die Mittelmächte zwingen könnten. In der Tat hatte GdI. Falkenhayn diesen Gedanken — allerdings erst nach der Niederwerfung Serbiens — ernsthaft in Erwägung gezogen13). Doch auch als solche Sorgen von Rumänien gewichen waren, blieben die Deckungstruppen in den Grenzräumen und waren jederzeit für das Einbrechen in gegnerisches Gebiet bereit.
Bratianus ganzes Streben ging dahin, die von Rumänen bewohnten Gebiete Ungarns unter möglichst geringen Opfern zu gewinnen. Hiefür weitgehende Sicherheiten zu erlangen, galt all sein politisches Handeln.
Obwohl schon seit Jänner 1916 militärische Besprechungen mit der Entente gepflogen und auf Wunsch Frankreichs besonders durch Rußland geführt wurden x), hielt Bratianu im Hinblick auf die allgemeine Kriegslage den Zeitpunkt für das Eingreifen Rumäniens noch nicht für gekommen. Erst der für das Frühjahr 1916 von der Entente geplante Generalangriff sollte für das Königreich das Signal zum Losschlagen sein. Bis dahin gab es weiter Zeit zum Unterhandeln2). Um Deutschland über diese Zeitspanne hinweg „einzuschläfern“3), verstand sich Rumänien zu einem Handelsübereinkommen und erfüllte pünktlich die übernommenen Verpflichtungen zur Lieferung von Getreide und Rohölprodukten 4). Dies hinderte Bratianu allerdings nicht, den noch im Lande befindlichen Getreideüberschuß um zwölf Millionen Pfund Sterling an England zu verkaufen, das — wenngleich es diese Vorräte nicht ausführen konnte — damit verhindern wollte, daß diese Brotfrüchte den Mittelmächten zugute kämen5).
Seit den Tagen von Verdun setzte Frankreich in Bukarest und in Petersburg ganz besonders alle Hebel in Bewegung, um Rumäniens ehesten Eintritt in den Krieg zu erzielen. „Es ist kein Preis zu groß, um den wir das Bündnis mit Rumänien erkaufen müssen“, ließ General Joffre anfangs März den Generalstabschef der Stawka wissen ,;).
GdI. Alexejew war jedoch nicht der gleichen Meinung. Er besorgte, daß Rußland die Kosten des rumänischen Anschlusses werde tragen müssen, und glaubte die Interessen seines Vaterlandes in einer „gesicherten Neutralität“ Rumäniens am besten bewahrt. Daher gingen — so sehr Frankreich auch drängen mochte — die Verhandlungen zwischen Petersburg und Bukarest über ein militärisches Zusammenwirken nur schleppend vor sich, dies um so mehr, als sich die Kriegslage im großen nicht verändert hatte und daher für Rumänien noch immer kein Zwang zur Entscheidung vorlag. Erst die überraschend großen Erfolge der Armeen Brussilows brachten in Bukarest das Eis zum Schmelzen. Der Augenblick des Eintrittes Rumäniens in den Krieg war gekommen. Darüber herrschte volle Einhelligkeit der Anschauungen im Lager der Entente. Sogar Gen. Alexejew ließ sich bekehren
*) L a r c h e r, La grande guerre dans les Balkans (Paris 1929), 135.
2) W a s s i 1 j e vv, Die rumänische Front (in russ. Sprache, Moskau 1922), 52.
3) Das Zaristische Rußland im Weltkriege, 232.
4) Falkenhayn, Heeresleitung, 173.
5) Erzberger, Erlebnisse im Weltkrieg (Stuttgart 1920), 110.
6) D i a k o w, Rumäniens Eintritt in den Weltkrieg und der Chef des russischen Generalstabes General Alexejew (Mil. wiss. Mitt., Wien, Jhrg. 1933, 584 ff.).
IS*
und beauftragte den Obst. Tatarinow, den russischen Militärbevollmächtigten in Bukarest, Bratianu wissen zu lassen, ,,der russische Höchstkommandierende sei der Ansicht, daß die jetzige Lage Rumänien vor die Wahl stelle, sich uns [der Entente] anzuschließen oder nie mehr”*). Noch schärfer vertrat Alexejew diese seine Auffassung in einer für Bratianu bestimmten Mitteilung vom 5. Juli, die mit den Worten schloß: „Wenn die Rumänen noch auf eine weitere Schwächung der Österreicher warten wollten, sei eine rumänische Mitwirkung gar nicht mehr nötig, wie denn dann auch keine Ursache vorliegen werde, die Rumänen an dem siegreichen Einmärsche in das öst.-ung. Gebiet teilnehmen zu lassen“2).
Nun wurden die Unterhandlungen über den Abschluß einer Militärkonvention zwischen der Entente und Rumänien mit Beschleunigung geführt. Neuerliche Verzögerungen ergaben sich jedoch, als General Alexejew einem Angriffe Rumäniens auf Bulgarien das Worte redete, Rumänien aber seine ganze Kraft zur Eroberung der von Rumänen bewohnten Gebiete der Donaumonarchie einsetzen wollte. Schließlich gelang es Bratianu, im wesentlichen seinen Willen durchzusetzen; doch darüber war es Mitte August geworden, bis die Unterhandlungen zum Abschluß gebracht waren.
Bündnisvertrag und Militärkonvention zwischen Rumänien und der Entente
Am 17. August 1916 wurde zu Bukarest durch die Vertreter Großbritanniens, Frankreichs, Italiens und Rußlands einerseits und durch Bratianu anderseits ein politischer Bündnisvertrag abgeschlossen, dem auch eine Militärkonvention beigefügt wurde3).
Diesen Abmachungen zufolge verpflichtete sich Rumänien, bis spätestens 28. August an Österreich-Ungarn den Krieg zu erklären und es anzugreifen, des weiteren mit allen Gegnern der Alliierten die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen abzubrechen. Dafür wurde Rumänien das Recht zugesprochen, die südlich vom Pruth und vom Czeremosz gelegenen Gebiete der Bukowina und jenen Teil Ungarns anzugliedern, der östlich der Linie Höhe Slog A 1655 an der
!) W a s s i 1 j e \v, 68. B u j a c, Campagnes de 1’armée roumaine Paris 1933, 3.
2) W a s s i 1 j e w, 69.
3N Das Zaristische Rußland im Weltkriege, 249 ff. — D a b i j a, I, 20 ff.
galizisch-ungarischen Grenze, Mündung des Vissó in die Theiß, Debre-cin, Mündung der Körös in die Theiß, dann Theiß und Donau abwärts bis Orsova liegt. Dafür mußte Rumänien die Errichtung einer entmilitarisierten Zone nordöstlich von Belgrad versprechen. Schließlich vereinbarten alle Vertragspartner, keinen Separatfrieden zu schließen, ehe nicht die den Rumänen zugestandenen Gebiete mit dem Königreiche vereinigt waren.
In militärischer Hinsicht verpflichtete sich Rußland, an der gesamten öst.-ung. Front ,,aufs allerenergischeste“ vorzugehen, um die Mobilmachung und den Aufmarsch des rumänischen Heeres zu sichern. „Ganz besonders offensiv und stark“ hatten diese Angriffe in der Bukowina zu sein, „wo die russischen Truppen zum mindesten ihre Stellungen sowie ihre jetzige zahlenmäßige Höhe bewahren werden“x). Vom
25. August an hatte die russische Flotte im Schwarzen Meer den Schutz der rumänischen Küste zu übernehmen; auch war die Verwendung russischer Kriegsfahrzeuge auf der unteren Donau vorgesehen. Weiters verpflichtete sich Rußland, „während der Mobilmachung der rumänischen Armee zwei Infanteriedivisionen und eine Kavalleriedivision in die Dobrudscha zu gemeinsamem Vorgehen mit der rumänischen Armee gegen die bulgarische Armee zu entsenden.“ Schließlich sagten die Alliierten „eine entschiedene Offensive der Salonikiarmee“ zu, die am 20. August zu beginnen hatte. Über die Durchführung dieser Angriffshandlungen hatten sich die Generalstäbe der russisch-rumänischen Armeen und das Kommando der verbündeten Orientarmeen vorher zu verständigen.
Beim Angriff auf Österreich-Ungarn wurde als Grenzlinie zwischen dem russischen und dem rumänischen Heere, von denen jedes selbständig vorzugehen hatte, die Linie Dorna Watra—Bistritzbach—Sajó Szamos—Debrecin festgesetzt. Als Hauptziel der Offensive des rumänischen Heeres galt Budapest.
Das nach der Dobrudscha gesandte russische Expeditionskorps hatte aber unter rumänischen Oberbefehl zu treten. Nur für den Fall einer Verstärkung der südlich der Donau befindlichen russischen Einheiten bis zur Zahl der rumänischen Truppen konnte das russische Kontingent nach dem Überschreiten der rumänisch-bulgarischen Grenze eine der Stawka unmittelbar unterstehende Armee bilden.
Die Entente verpflichtete sich noch, Rumänien ausreichend mit Kriegsgerät — mindestens 300 Tonnen im Tag zu versehen. Als
!) Das Zaristische Rußland im Weltkriege, 253.
Zufuhrlinie von den Westmächten her stand aber nur der sehr weite und unsichere Weg über Archangelsk zur Verfügung. Die weitere Bahnzufuhr durch Rußland mußte naturgemäß unter der damals schon sehr fortgeschrittenen Zerrüttung des russischen Transportwesens leiden. Sonstige Bestimmungen regelten noch die Benützung der Eisenbahnen, die Teilung der Beute, den Verbindungsdienst, die Nachrichtenübermittlung und dergleichen mehr.
Das rumänische Heer
Die Wehrmacht Rumäniens war eine Schöpfung des Königs Karl, der mit der Armee im russisch-türkischen Kriege 1877/78 bei Plevna an der Seite der Russen die ersten Lorbeeren gepflückt hatte. Karl ließ sich auch weiterhin den Ausbau des Heeres wärmstens angelegen sein. In Übereinstimmung mit dem allgemeinen Wettrüsten in Europa setzte von 1908 an auch in Rumänien eine großzügige Reform des Wehrwesens ein. Im Sommer 1913 wurde die rumänische Armee zu einem kurzen unblutigen Feldzug gegen Bulgarien aufgerufen; sie hatte hiebei Gelegenheit, alle Mobilisierungsmaßnahmen praktisch zu erproben. Der fortschreitende Ausbau des Heeres hatte hiedurch keine Unterbrechung erlitten, vielmehr einen neuen Anstoß erhalten.
Bei Ausbruch des Weltkrieges bestand die rumänische Wehrmacht aus fünf Korps zu je zwei Infanteriedivisionen, einer Cälärasi-(Kaval-lerie-)brigade und einem Territorialkommando für die Reserveformationen. An solchen sollten damals im Kriegsfälle in jedem der fünf Korpsbereiche je eine Reservedivision und eine Reservebrigade aufgestellt werden. Überdies bestanden zwei Kavalleriedivisionen und ein Grenzwachregiment. Auf der Donau verfügte Rumänien über eine starke Flottille; die Seestreitkräfte im Schwarzen Meere waren dagegen ganz unbedeutend.
Vom Herbst 1914 an bis zum Kriegseintritt Rumäniens wurde der Ausbau der Wehrmacht in Übereinstimmung mit der äußeren Politik in gesteigertem Maße fortgesetzt. Im besonderen ließ sich die Heeresleitung, um von der Belieferung aus dem Auslande möglichst unabhängig zu sein, die Ausgestaltung und Festigung der Reservetruppen, die Vermehrung der Artillerie, Beschaffung von Waffen, schweren Geschützen und Flugzeugen sowie die Ansammlung von Rohstoffen für Munitionserzeugung in eigenen Fabriken besonders angelegen sein. Die Ausbildung der Rekruten und der turnusweise eingezogenen Ergänzungsmannschaften wurde beschleunigt. Auf Grund von Einzeleinberufungen erhöhten sich die Truppenstärken stetig; sie betrugen im April 1915 zusammen 200.000, im Jänner 1916 300.000 und im April dieses Jahres schon
420.000 Mann.
Die Infanterie wurde durch Umgliederung der Reserveinfanterieregimenter (Nr. 41 bis 80) auf achtzig gleichwertige Regimenter zu je drei Bataillonen vermehrt. Die noch vorhandene überzählige Mannschaft wurde dann in vierte und mitunter sogar in fünfte Bataillone zusammengefaßt, aus denen noch einige Regimenter entstehen sollten. Einzelne dieser Bataillone wurden für die Grenz- und Donausicherung, dann für Etappendienste verwendet. Die Jägertruppe bestand aus zehn Regimentern zu zwei Bataillonen, die Grenzwachbrigade hatte zwei Regimenter.
Die Reiterei zählte 22 Regimenter zu je vier Schwadronen; 12 Regimenter (das Eskorte- und 11 Rosioriregimenter) bildeten 2 Kavalleriedivisionen, 10 Cälärasiregimenter waren in 5 als Korpsreiterei gedachte Cälärasibrigaden zusammengefaßt. Überzählige Schwadronen wurden als Divisionskavallerie verwendet.
Die Artillerieorganisation stand bei den Schwierigkeiten der Einfuhr moderner Geschütze im Zeichen weitgehender Ausnützung des zahlreich vorhandenen altartigen Gerätes. Neuzeitlich ausgerüstet waren nur 25 Feldkanonen- und 5 Feldhaubitzregimenter, 2 Abteilungen reitender Artillerie und 1 Gebirgsartillerieregiment. Mit älterem Gerät waren 4Feld-kanonenregimenter, 9 Haubitzbatterien und 1 Gebirgsartillerieregiment ausgestattet. Nur elf Infanteriedivisionen hatten ein Artilleriebrigadekommando. Bei den übrigen Divisionen waren die Abteilungen (auch einzelne Batterien) unmittelbar dem Divisionskommando unterstellt. Von den vier schweren Artillerieregimentern (zwei Brigaden) war die Hälfte der Batterien, ihrer 17, den Divisionen zugewiesen; 18 standen bei der schweren Artilleriereserve. Ihre Geschütze waren zum Teil den Festungen entnommen. Dies schien zulässig, weil Rumänien einen Kampf um die befestigte Hauptstadt nicht in Rechnung stellte, und die gegen Rußland gerichtete Serethbefestigung (Galaz, Nämolosa, Focsani) bei der geänderten politischen Lage ihre Rolle ausgespielt hatte. Deshalb wurden auch die in der befestigten Serethlinie sehr zahlreich vorhandenen kleinkalibrigen Schnelladekanonen mit Lafetten versehen, in Batterien formiert und den Infanteriebrigaden als Infanteriebegleitgeschütze beigegeben.
Der Gesamtstand des Heeres betrug beim Eintritt Rumäniens in den Krieg 366 Bataillone, 106 Schwadronen und 325 Batterien mit rund 1300 Geschützen (hievon etwa 760 moderner Konstruktion). Die daraus gebildeten zwanzig Infanteriedivisionen (Nr. 1 bis 20) waren aber keineswegs einheitlich zusammengesetzt und gleichwertig. Mehrfach waren sie, so wie sie im Grenzschutzdienst standen, nach taktischen Gesichtspunkten zusammengefaßt. Ihre Stärke schwankte zwischen 11 bis 24 Bataillonen mit 6 bis 30 Batterien. Acht Divisionen bestanden aus drei Infanteriebrigaden. Anfangs September wurden bei der 2. Armee aus vier Divisionen zu je drei Brigaden sechs Divisionen mit je zwei Brigaden gebildet. Hiebei entstanden die Divisionen Nr. 21 und 22. Das im Roten Turm Passe stehende „Alt-Lotrudetachement“ nahm zur selben Zeit die Bezeichnung 23. ID. an. Außerdem gab es noch eine selbstständige gemischte Brigade. An größeren Reiterverbänden bestanden die beiden Kavalleriedivisionen und fünf Cälärasibrigaden. Das ganze Heer war in vier Armeen und in eine der Heeresleitung unmittelbar unterstehende strategische Reserve gegliedert, deren Zusammensetzung die Beilage 7 zeigt. Die Kopfstärke der Feldarmee betrug ohne Etappe, Wach- und Ersatzkörper etwa 564.000 Mann. Rechnet man noch
59.000 Mann der Etappe hinzu, so ergibt sich ein Gesamtverpflegsstand von ungefähr 623.000 Mann1). Die Zahl der überdies noch im Lande vorhandenen Wehrfähigen soll 416.000 Männer (hievon 250.000 Un-ausgebildete) betragen haben2).
Der rumänische Operationsplan
In den Gedankenrahmen zur Führung des Krieges in Südosteuropa, wie ihn die am 17. August abgeschlossene Militärkonvention vorsah, hatte sich der rumänische Operationsplan folgerichtig einzufügen3).
Der Kriegszweck Rumäniens war die Verwirklichung des nationalen Ideals, die Vereinigung aller Rumänen in einem Staate. Hiezu war die Eroberung des im politischen Vertrag zugesicherten Gebietes Ungarns nötig. Der Chef des rumänischen Generalstabes, DivGen. Zottu, plante hiefür, mit der Masse des Heeres, mit der 1., der 2. und der Nord- (4.J Armee, konzentrisch nach Siebenbürgen einzubrechen und
vj D a b i j a, I, 151.
2; B u j a c, 198.
D a b i j a, I, 54 ff.
sodann von hier in das Banat und gegen Budapest weiter vorzurücken. Hiezu hatte die Nordarmee an der Ostgrenze von Siebenbürgen aufzumarschieren, die 2. den Raum von Kronstadt zu umfassen und die
1. sich an den Pässen der siebenbürgischen Südfront und bei Turnu Severin bereitzustellen. Überdies war beabsichtigt, die bei Bukarest zu versammelnde strategische Reserve gleichfalls gegen Österreich-Ungarn zu verwenden. Die 3. Armee hatte indessen an der Donau und in der Dobrudscha die Heimat und den Rücken der Hauptkraft gegen allfällige bulgarische Angriffe zu schützen.
Im rumänischen Operationsplan, dessen Entstehungsdatum aus der Literatur nicht zu ermitteln ist, der aber offenbar aus dem Sommer 1916 stammt, wird die Stärke der zwischen der Maros und der Grenze stehenden öst.-ung. Truppen mit 70.000 Mann verschiedener, in höhere Einheiten nicht zusammengefaßter Ersatzkörper angenommen. Hiemit überschätzte einerseits der rumänische Generalstab den Gegner ganz bedeutend, andererseits scheint seinem Nachrichtendienst die Anwesenheit der schon nach Siebenbürgen verlegten öst.-ung. Divisionen sowie der später noch zu erwähnenden neugebildeten Einheiten entgangen zu sein. Starke Kräfte, etwa 100.000 Mann, und hiemit ernsten Widerstand erwartete man erst bei Bistritz, Des und Klausenburg. Die im Banat angenommenen 30.000 Mann waren gleichfalls um ein Vielfaches zu hoch beziffert.
An der Südgrenze schätzte man die Bulgaren zwischen Prahovo und der Altmündung auf 10.000 bis 15.000 Mann, weiter bis Ruščuk auf
25.000 bis 30.000 und im Raume Ruščuk—Razgrad—Šuměn—Varna auf
70.000 bis 75.000 Mann. Gen. Zottu erwartete wohl die Beschießung der rumänischen Donaustädte und allenfalls Übergangsversuche schwächerer bulgarischer Kräfte zwischen Alt- und Argesumündung, glaubte aber einen Vorstoß gegen Bukarest nicht besorgen zu müssen. Dagegen rechnete er mit einem Einbruch in die Dobrudscha, wobei es Aufgabe der bulgarischen Reiterei sein konnte, die Bahn Cernavoda — Constanta zu unterbrechen.
In den Erwägungen für die Offensive nach Siebenbürgen spielte die Überwindung des Grenzgebirges eine große Rolle, da der beim Überschreiten eintretende Zeitverlust dem Gegner zustatten kommen mußte. Deshalb erachtete der rumänische Generalstab die Überraschung als eine Hauptbedingung des Erfolges. Der Kriegserklärung sollte daher ein schneller Einbruch nach Siebenbürgen auf dem Fuße folgen. Diesen Überfall hatten die schon schlagbereit an der Grenze stehenden Deckungstruppen und die Heeresreiterei auszuführen. Bei der Nordarmee hatte eine starke strategische Vorhut (Masse der 14. ID. mit 12 Bataillonen und 6 Batterien) aus dem Tale der Bistriciora den Raum Bélbor— Borszék, eine zweite Vorhut (24 Bataillone, 13 Batterien und 24 Schwadronen des IV. Korps und die 2. KD.), durch den Gyimes-, Uz- und Ojtozpaß vorrückend, den Raum Csik Szereda—Kézdivásárhely zu besetzen. Die Deckungstruppen der 2. Armee sollten mit starken Teilen des III. Korps (24 Bataillone und 13 Batterien) die Beckenlandschaften der Háromszék zwischen Kovászna und Tartlau besetzen, mit zwei über den Predeal- und den Törzburgerpaß vorrückenden Kolonnen des
II. Korps und der l.KD. (19 Bataillone, 18 Batterien und 24 Schwadronen) die Hand auf Kronstadt und Fogaras legen. Bei der 1. Armee war den Vortruppen (37 Bataillone und 29 Batterien) die Besetzung der die Stadt Hermannstadt umgebenden Höhen, der Wasserscheide zwischen Petrosény und Merisor sowie des Cernatales bei Orsova und nördlich davon zugedacht. Unter dem Schutze dieser etwa 135.000 Mann starken, nach Siebenbürgen einbrechenden Vorhuten sollte sich der Aufmarsch der übrigen, noch 234.000 Mann starken Hauptkraft der drei Offensivarmeen zunächst im Grenzraum östlich und südlich des Ge-birgswalles bis zum 12. Mobilisierungstag vollziehen.
Sodann sollten die hier einlangenden Einheiten auf den zwölf Einbruchswegen in den von den strategischen Vorhuten in Besitz genommenen zweiten Aufmarschraum rücken, was bis zum Abend des 17. Mobilisierungstages vollzogen sein konnte, und zwar: die Nordarmee mit der Nordgruppe (4. gemischte Brigade, 14. ID. und 4. Cälärasibrig.) in die Gyergyó, mit der Südgruppe (IV. Korps und 2. KD.) in die Csik und in die Háromszék, die 2. Armee in das Burzenland. Von der
1. Armee hatten die Alt-Lotrugruppe und die 13. ID. das breite Cibin-tal zwischen Talmesch und Hermannstadt, das I. Korps (2. und 11. ID.,
1. Cälärasibrig.) sowie die 12. ID. das Becken zwischen Merisor und Hátszeg zu besetzen.
Aus diesem zweiten Aufmarschraume hatte sodann die zweite Phase des Angriffsfeldzuges, der „allgemeine Vormarsch in das Innere Siebenbürgens“ zu erfolgen; er sollte den „allerletzten Widerstand“ des Gegners endgültig brechen1). Sehr stark scheint Gen. Zottu diese Gegenwehr allerdings nicht in Rechnung gestellt zu haben, denn sein Blick war schon auf den Raum um Klausenburg gerichtet, aus dem dann die ungarische Tiefebene, die als Verpflegsbasis des k.u.k. Heeres ange-
!) D ab i j a, I, 63 ff.
sehen wurde, raschestens besetzt werden sollte. Hiezu sollte zunächst die — wie man wußte — feldmäßig befestigte Maroslinie genommen werden. Bei dieser schwenkenden Vorbewegung hatte die 1. Armee bei Hátszeg und bei Hermannstadt den Drehpunkt zu bilden, indes die
2. Armee gegen Nordwesten und die Nordarmee gegen Westen vorzurücken hatten. Hiedurch sollte auch der rechte Flügel der öst.-ung. Ostfront zum Zurückweichen hinter die Karpathen gezwungen und den Russen der Einbruch in das Becken der Máramaros und dann in die ungarische Tiefebene ermöglicht werden.
Nach Eroberung der Marosstellung, in der Zottu doch stärkeren Widerstand des Gegners erwartete, wollte der rumänische Generalstabschef diese Linie als feste Operationsbasis ausgestalten, ehe der Feldzug nach Ungarn, im besonderen gegen Budapest, fortgesetzt wurde. Am
29. Mobilisierungstag sollten die 2. und die Nordarmee Klausenburg, am 39. Großwardein und Debrecin erreichen. Der strategischen Hauptreserve (V. Korps), verstärkt durch Teile der 1. Armee, war jetzt das Vordringen durch das Köröstal auf Békéscsaba, der Masse der 1. Armee der Einmarsch in das Banat und ein Zusammenwirken mit der Salonikiarmee zugedacht.
Gen. Zottu hielt es in seinem unverwüstlichen Optimismus also wirklich für möglich, daß sich das rumänische Hauptheer schon sechs Wochen nach Beginn der Feindseligkeiten der Hauptstadt Ungarns nähern könne.
Für die an der Südfront auftretende 3. Armee war bis zum Einrücken des russischen Expeditionskorps in die Front die reine Verteidigung vorgezeichnet. Hiezu hatten an der Donau in der westlichen Walachei die 20. ID. und zwischen Alt und Argesu das VI. Korps (18. und 16. ID.) zu sichern. In der Dobrudscha waren als Besatzungen der festen Plätze Turtukai und Silistria die 17. und die 9. ID. bestimmt. Die 19. ID. und die 5. Cälärasibrig. hatten weiter nach Osten hin bis zum Meere die Grenze sowie das Ausladen russischer Truppen und ihre Versammlung südlich der Bahnstrecke Cernavoda—Medžidie zu schützen.
Nach dem am 10. Mobilisierungstag erwarteten Eintreffen der Russen im Grenzraume sollte der ganze Ostflügel der 3. Armee zur Eroberung des Raumes Ruščuk—Šuměn—Varna die Offensive beginnen, an der das Russenkorps, das VII. Korps (9. und 19. ID., 5. Cälärasibrig.) und das VI. (16. und 17. ID.) der Rumänen teilzunehmen hatten. Die 18. ID. und die von der 1. Armee heranzuziehende 1. KD. hatten — unterstützt von der russisch-rumänischen Donauflotille — vom Nordufer der
Donau aus dieses Vorgehen zu fördern. Die russische Flotte im Schwarzen Meer sollte die bulgarischen Häfen Varna und Burgas berennen.
Das rumänische Heer hatte demnach einen Zweifrontenkrieg zu führen: mit der Hauptkraft im festen Anschluß an die gewaltige Heeresmacht Rußlands eine Offensive gegen Nordwesten, im Süden bis zum Eintreffen des russischen Hilfskorps vorerst einen Abwehrkampf. Der geringe Abstand der beiden Fronten hatte den Vorteil, daß Kräfte von dem einen zum anderen Kampfraum leicht verschoben werden konnten. Den Nachteil dieser Nähe, daß ein Mißerfolg rasch auch auf der ändern Front fühlbar werden konnte, schwächte im Süden das gewaltige Hindernis der Donau ab. Trat in der Dobrudscha ein Rückschlag ein, so mußte die Heeresleitung die Nerven haben, einen südlich des Stromes erlittenen Mißerfolg hinzunehmen, bis in Siebenbürgen der Sieg erkämpft war. Ein Vorstoß der Bulgaren auf das Nordufer war, so meinte Zottu, im Hinblick auf deren schwache Kräfte wenig wahrscheinlich. Die Mitwirkung deutscher Truppen sowie der öst.-ung. Donauflottille und sonstiger Hilfskräfte stellte der rumänische Operationsplan seltsamerweise nicht in Rechnung. Glückte aber nach Eintreffen der Russen der Stoß nach Ostbulgarien, so gewann damit auch das Hauptheer in bedeutendem Maße an Freiheit des Handelns gegen Siebenbürgen.
Die Eroberung des den Rumänen zugesprochenen Teiles von Ungarn hatte nach den Erwägungen und Plänen Zottus eine etwa vierzig Tage währende, nahezu völlige Tatenlosigkeit Österreich-Ungams und seiner deutschen Verbündeten zur Voraussetzung. Der Operationsplan, der anfänglich eine umständliche und schematische Einleitung des Krieges und einen zweiten Aufmarsch in Siebenbürgen vorsah, war in weiterer Folge eigentlich eine Marschanweisung, für die man — ähnlich wie im Jahre 1913 gegen Bulgarien — einen möglichst kampf- und verlustlosen Verlauf erhoffte.
Verschiedentlich waren die Erwartungen und Hoffnungen, die man im Lager der Entente an das Eingreifen Rumäniens knüpfte. Der Angriff der Masse des rumänischen Heeres führte in ein politisch und strategisch äußerst wichtiges Gebiet, in die offene Südflanke der Mittelmächte. Diese hatten bis nun unter größter Kraftanstrengung einen Durchbruch der Russen am Dniester und in Wolhynien zu vereiteln vermocht. Jetzt winkte aber die Möglichkeit, die Front von Süden her aufzurollen, denn es war kaum anzunehmen, daß die durch die Brus-silow-Offensive zu tiefst getroffene Donaumonarchie noch soviel Kräfte aufbringen werde, um die 700 km lange Grenze Siebenbürgens — bis zur Donau bei Orsova gemessen — zu besetzen und den bedrohlichen Schlag des Rumänenheeres aufzufangen. Frankreich hoffte im besonderen, daß das rumänische Heer, das mit „hinreißender Tapferkeit“ *) kämpfen würde, bei der allgemeinen günstigen Kriegslage und bei der zahlenmäßigen Überlegenheit der Alliierten über den Vierbund die Entscheidung ähnlich wie „Desaix bei Marengo“ herbeiführen und so die völlige Niederwerfung der Mittelmächte einleiten werde2).
Gen. Alexejew war jetzt gleichfalls der Ansicht, daß der Eintritt Rumäniens in den Krieg die Lage völlig ändern könne und für den Raum südlich der Polesie von entscheidender Bedeutung sei: denn der Gegner werde gezwungen sein, seine Front bis zur Donau zu strecken, und hiezu seine in Galizien angesammelten Reserven ganz oder wenigstens zum Teile nach Siebenbürgen werfen, indes Rußland nur ein Hilfskorps in die Dobrudscha zu senden brauche.
Anders freilich mochte sich die Lage gestalten, wenn ein Erfolg auf dem rumänischen Kriegsschauplätze ausblieb. Dann würde sich nicht nur die Lage südlich der Polesie verschlimmern, sondern Rußland wäre auch gezwungen, Rumänien auszuhelfen3).
Gehobene Stimmung herrschte im Hauptquartier Brussilows. Dort erhoffte man sich von einem entscheidenden Vorstoß der Rumänen in den Rücken der öst.-ung. Truppen, die am Südflügel der 9. Armee gegenüberstanden, einen vollen Erfolg, und besorgte nur, daß der Gegner seine Stellungen widerstandslos räumen könnte. Um ihn nicht „ungestraft entkommen zu lassen“1), ermahnte Brussilow noch am 29. August den Führer der 9. Armee, den bevorstehenden Angriff mit besonderer Entschiedenheit zu führen.
Die Gegenmaßnahmen der verbündeten Mittelmächte
Der Operationsplan und seine Wandlungen
Nach den unerwartet großen Erfolgen Brussilows gewann ein Eingreifen Rumäniens auf Seite der Entente bei den Mittelmächten immer
x) Paléologue, Am Zarenhofe während des Weltkrieges (München 1926', II, 54.
2) Lar eher, 139, 156.
3) K 1 e m b o w s k i, 121 f.
4) Z a j o n t s c h k o w s k i j, 80.
mehi' an Wahrscheinlichkeit. Über die Verhandlungen, die Rumänien mit Rußland und den Westmächten wegen dieses Eingreifens führte, hatte man in Teschen durch Mitlesen von Funksprüchen fortlaufend Kenntnis erlangt. Da sich der bevorstehende rumänische Angriff in erster Linie gegen die Donaumonarchie richten mußte, war es selbstverständlich, daß der k.u.k. Chef des Generalstabes frühzeitig darauf bedacht war, Gegenmaßnahmen zu treffen.
Schon bei einer Besprechung in Berlin am 18. Juli erörterte Conrad mit GdI. Falkenhayn diese Kriegsgefahr. Er äußerte den Wunsch, daß eintretenden Falles eine aus bulgarischen, deutschen und türkischen Truppen zu bildende Armee möglichst bald nach Kriegsausbruch die Donau überschreite, um in Rumänien einzufallen und dessen Hauptstadt zu bedrohen. Drei Tage später beriet sich in Sofia über die gleiche Angelegenheit König Ferdinand von Bulgarien mit seinem Generalstabschef, Gen. Zekoff, welcher Beratung auch der deutsche Militärattache, Obstlt. v. Massow, zugezogen wurde. Und am 28. Juli, just an dem Tage, an dem die Front südlich vom Pripiatj durch einen Generalansturm Brussilows neuerlich erschüttert wurde (S. 122 ff.), fand auf Anregung Conrads in Pleß eine Besprechung mit Falkenhayn statt, an der auch der bulgarische Chef des Generalstabes teilnahm. Man einigte sich dahin, Rumänien bei Vermeidung jeder unnötigen Reizung wissen zu lassen, daß es im Falle des Anschlusses an die Entente „gemeinsames energisches Handeln Deutschlands, Österreich-Ungarns, Bulgariens und der Türkei zu erwarten“ habe. Warf sich Rumänien tatsächlich in die Arme der Feinde der Mittelmächte, so wurde für diesen Fall ein Abkommen vereinbart, dem auch der türkische Vizegeneralissimus Enver Pascha gelegentlich einer Besprechung beitrat, die er am 3. August mit Conrad und Falkenhayn in Budapest hatte.
Der in großen Zügen umrissene Kriegsplan besagte: „Schnellstes und kräftigstes Vorgehen, um den Krieg vom bulgarischen Boden sicher, vom österreichisch-ungarischen soweit irgend möglich, fernzuhalten. Hiezu: a) Demonstrative Operation deutscher und öst.-ung. Truppen von Norden her zwecks Fesselung starker rumänischer Kräfte; b) Vorstoß bulgarischer Kräfte von der Dobrudschagrenze gegen die Donauübergänge von Silistria und Turtukai zum Schutze der rechten Flanke der Hauptkräfte; c) Bereitstellung der Hauptkräfte zum Übergang über die Donau bei Nikopolix) zwecks Offensive gegen Bukarest.“
x) GO. Conrad vereinbarte mit dem General Zekoff, den Übergang bei Sistow durchführen zu lassen.
Für die in Nordbulgarien zu versammelnde 3. Armee wollten die Bulgaren vier Infanteriedivisionen und eine Kavalleriedivision, die Deutschen eine, die Türken zwei Infanteriedivisionen, Österreich-Ungarn die Donauflottille und das schwere Brückenmaterial beistellen. Für Siebenbürgen wurden von Falkenhayn vier bis fünf Infanterie- und eine bis zwei Kavalleriedivisionen zugesagt, die er in Erwartung der kommenden Ereignisse jedoch nicht sogleich dort in Reserve stellen wollte, denn sie hätten dann sicherlich an den Brennpunkten der anderen Fronten gefehlt. Die DOHL. beschränkte sich vorläufig darauf, die zum raschen Aufmarsch von Truppen notwendige Verbesserung der Ausladeverhältnisse an den Bahnen Siebenbürgens, des Banats und Nordbulgariens durch Einsatz deutscher Baukräfte zu fördern.
Trotz der in Pleß getroffenen Vereinbarung, bei der zunächst vornehmlich Conrads Ansicht Berücksichtigung gefunden hatte, ergaben sich später über die beabsichtigte Führung des Feldzuges zwischen dem deutschen Generalstabschef und GO. Conrad weitgehende Meinungsverschiedenheiten. Jener vertrat die Ansicht, daß die bulgarische 3. Armee zuerst weit in die Dobrudscha vorstoßen müsse, um sich für den späteren Donauübergang die nötige Ellbogenfreiheit zu schaffen und um die etwa 150 km lange Grenzfront durch Vorschieben bis an die schmälste Stelle zwischen der Donau und dem Schwarzen Meere zu
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verkürzen. Dies entsprach auch der Ansicht des Gen. Zekoff; dies umso mehr, als die Bulgaren nur in jenen Gebieten angreifen wollten, die sie als dauernden Besitz beanspruchten.
Conrad jedoch, der untätiges Verhalten der Rumänen gegen die Bulgaren annahm, redete einem sofortigen Vorstoße der in Nordbulgarien unter dem Oberbefehle des GFM. v. Mackensen sich sammelnden Streitkräfte über die Donau auf Bukarest das Wort und wollte diesen Angriff durch eine Offensive deutscher und öst.-ung. Divisionen über die Südgrenze Siebenbürgens unterstützen. Er ging so weit, daß er Falkenhayn am 10. August vorschlug, man solle, sobald der Vertragsabschluß Rumäniens mit der Entente auf dem Radiowege bekannt werde, ohne Verhandlungen und ohne Kriegserklärung rasch in Rumänien einbrechen. Im Zusammenhang damit entwickelte er vom selben Tage seinem deutschen Kollegen seinen Plan unter der Voraussetzung, daß dieser außer drei in Aussicht gestellten Radfahrerbataillonen noch bald weitere deutsche Kräfte beistellen könne, und daß er auch noch an dem verabredeten sofortigen Vorstoß aus Nordbulgarien gegen Bukarest festhalte.
Dieser Plan ging dahin, eine Gruppe unter einem öst.-ung. General in der Gyergyó und in der Csik zum Schutz der rechten Flanke der 7. Armee und zur Sperrung der Einbruchswege in diese Becken bereitzustellen. Eine zweite, von einem deutschen General befehligte Gruppe, hiebei auch die deutschen Radfahrerbataillone, sollte in der Háromszék und im Burzenlande einen rumänischen Vormarsch über die Südostecke Siebenbürgens verzögern. Die sonst verfügbaren deutschen Kräfte sollten aus dem Grenzraum Hermannstadt—Petrosény durch den Roten Turm Paß nach Süden vorstoßen zum Zusammenwirken mit der über die Donau gerichteten bulgarischen Offensive. Den im Bereiche des Militärkommandos Temesvár befindlichen Truppen war unter öst.-ung. Führung die Sperrung des Donautales und aller zwischen der Donau und dem Retiezat über das Gebirge führenden Wege zugedacht.
Dieses rasche Verfahren eines Überfalles auf Rumänien hätte unter Umständen gewiß sehr wirksam sein können; zu jener Zeit fehlte zu seiner Verwirklichung aber eine Hauptbedingung, nämlich je eine schlagbereite Armee in Siebenbürgen und an der Nordgrenze Bulgariens. Denn der Aufmarsch der bulgarischen 3. Armee schritt nur sehr langsam fort und die Regierung in Sofia, die insgeheim bis zum letzten Augenblick mit Rumänien wegen Aufrechterhaltung der Neutralität verhandelte, legte sogar dem Heranführen der bei Adrianopel bereitgestellten Türken Schwierigkeiten in den Weg1). Überdies schenkte Falkenhayn den Mitteilungen aus Teschen über den bevorstehenden Abschluß einer Aiilitärkonvention zwischen Rumänien und der Entente wenig Glauben, insbesondere, als der als Lostag für die rumänische Kriegserklärung angesehene 14. August verstrich, ohne daß diese erfolgte. Tatsächlich erklärte Rumänien doch am 14. August den Krieg, aber alten Stils. Falkenhayn nahm daher Mitte August an, Rumänien werde die Feindseligkeiten erst nach Einbringung der in diesem Jahre besonders ergiebigen Ernte eröffnen, und ließ sich deshalb Zeit, obwohl er wissen konnte, daß das Heranführen der für Siebenbürgen zugesagten deutschen Divisionen auf den wenig leistungsfähigen Bahnen etwa vier Wochen dauern mochte2).
Mithin bestand wohl Einigkeit über die Stärke der gegen Rumänien aufzubietenden Streitkräfte und ihre Versammlungsräume. Der Plan für ihre Verwendung war aber noch in Schwebe, nicht zuletzt wegen der noch immer unklaren Haltung Bulgariens.
*) K i s z 1 i n g, Der Feldzug gegen Rumänien 1916 (Mil.wiss. Mitt., Wien, Jhrg. 1929, öff.).
-) W e t z e 11, Von Falkenhayn zu Hindenburg-Ludendorff (Berlin 1921). 5, 13.
Die militärischen Vorbereitungen Österreich-Ungarns gegen Rumänien
Die deutschen Zweifel an der rumänischen Gefahr konnten die k.u.k. Heeresleitung nicht daran hindern, zielbewußt die zur Abwehr eines rumänisdhen Einbruches erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Denn die immer drohender lautenden Nachrichten über den fortschreitenden rumänischen Aufmarsch und über die Einzelheiten der Verhandlungen wegen der Offensive der Salonikiarmee, die der rumänischen Kriegserklärung vorangehen sollte, sowie über die Beistellung russischer Truppen für die Dobrudschafront und die Lieferung von Kriegsgerät ließen keinen Zweifel darüber, daß mit dem Kriegsausbruch binnen kurzer Zeit gerechnet werden müsse. In Teschen ging man daher daran, soweit es die überaus gespannte Lage auf dem russischen und dem italienischen Kriegsschauplätze zuließ, in Siebenbürgen, das seit dem Abtransport der 70. HID. nach Wolhynien (Bd. IV, S. 232) dem Schutze der Grenzgendarmerie und der Ersatzkörper allein überlassen war, eiligst eine neue, wenn auch nur lose gefügte Front aufzubauen.
Schon am 22. Juli hatte die k.u.k. Heeresleitung die Verlegung von zehn Landsturmetappen- und zwei Landsturminfanteriebataillonen nach Siebenbürgen angeordnet. Jene sollten im Grenzraum die Gendarmerie bei der Sicherung der Räumung der Grenzgarnisonen unterstützen. Von den beiden Landsturminfanteriebataillonen hatte je eines den Gyimes-und den Ojtozpaß zu sperren.
Um die Monatswende Juli—August wurden, wie schon früher erwähnt, auch drei abgekämpfte Divisionen nach Siebenbürgen zur Auffrischung verlegt. Man hoffte, daß sie bis zu dem kaum mehr zu bezweifelnden Eingreifen Rumäniens ihre volle Kampfkraft erlangt haben würden. So kam die ll.HKD. nach Maros Vásárhely und Szász Régen, von wo sie allerdings Mitte August wegen der kritischen Lage bei der 7. Armee in den Raum Dorna Watra abbefördert wurde. Die 61. ID. gelangte in die Gyergyó und die Csik, die 51. HID. nach Karlsburg und Broos. Das Székler IR. 82 der 2. ID. und die 9. LstHusD. wurden nach Kronstadt gefahren. Auch die mit dem siebenbürgischen Grenzraum besonders vertraute 70. HID. sollte folgen; sie stand aber %
westlich von Łuck noch im Brennpunkt der Kämpfe, so daß ihre Auffrischung und Verlegung erst viel später erfolgen konnte.
Schließlich wurden zehn einzelne Bataillone an verschiedenen Frontabschnitten herausgelöst und in der Nähe von Bahnstationen für das
Abrollen an die rumänische Front bereitgestellt, hievon aber nur zwei (I 32 und 1/44 der 2. Armee) tatsächlich abbefördert. Wohl aber stellte das Kriegsministerium aus Marschbataillonen 18 neue Feldbataillone, das Honvédministerium deren 5 auf, die sich zum Teil schon in den Militärkommandobereichen Hermannstadt und Temesvár befanden, zum Teil erst um die Monatswende August-September marschbereit und dorthin gefahren werden sollten. In ähnlicherWeise wurden auch Batterien teils den Kampffronten entnommen, teils neu aufgestellt. Aus diesen Truppen sollten nach einigen Änderungen im Organisationsentwurf die 71. und die 72. ID. sowie die selbständige 145. IBrig. gebildet werden.
Anfangs August nahmen auch die operativen Gedanken für die Verteidigung Siebenbürgens schärfere Gestaltung an. GO. PflanzerBaltin, der anfänglich als Befehlshaber für Siebenbürgen in Aussicht genommen war, bat am 5. August die Heeresleitung um Entscheidung, ob der Grenzraum bis zur Maros kampflos preiszugeben oder ob der Kampf mit den noch nicht kriegserfahrenen und gleich den Italienern anfänglich voraussichtlich wenig stoßkräftigen Rumänen schon auf dem Grenzkamm aufzunehmen sein werde. Pflanzer-Baltin gab der zweiten, moralisch empfehlenswerteren Lösung den Vorzug, da diese der höheren Führung auch die Möglichkeit bot, weitere Kräfte unter günstigen Bedingungen zur offensiven Verteidigung heranzubringen. Seine Ansicht fand, wie nicht anders zu erwarten, die Billigung Conrads.
Doch nicht Pflanzer-Baltin sollte diese Pläne zur Tat werden lassen, weil man ihn nicht aus seinem ihm wohlvertrauten Bukowi-naer Kampfraum herauslösen wollte, dann aber auch, weil man auf Falkenhayns Abneigung gegen Pflanzer-Baltin Rücksicht nehmen mußte, da doch starke deutsche Kräfte für Siebenbürgen zugesagt waren. So wurde GdI. Arz, bisher Kommandant des VI. Korps, ein Sohn Siebenbürgens, zum Befehlshaber der neuaufzustellenden 1. Armee ernannt1). Ihm wurden alle in den Militärkommandobereichen Hermannstadt und Temesvár bereits stehenden und noch einlangenden Feldtruppen unterstellt, und hiemit die beiden Militärkommandos von der Leitung der Landesverteidigung enthoben. Die 1. Armee, die vorläufig in die Heeresgruppe Erzherzog Karl eingegliedert wurde, umfaßte den Raum von der Bukowinaer-ungarischen Grenze bis zur Donau.
Als Aufgabe wurde der 1. Armee mit Befehl der Heeresleitung vom
12. August vorgezeichnet: „Schutz der rechten Flanke der in der Buko-
xj Von der DOHL. war ursprünglich für den Posten des Armeekommandanten der württ. GdI. v. Gerok in Vorschlag gebracht worden.
wina kämpfenden Teile der 7. Armee und Verzögerung, beziehungsweise Verhinderung des Vordringens feindlicher Streitkräfte über die Karpathen von der Bukowina bis zur Donau von der Grenze an.“ Hiebei sollte der Rückzug der Grenzschutztruppen in die Maros—Kokel-linie nur schrittweise erfolgen; alle Bewegungslinien waren zu zerstören. Auch sollten im Falle der Alarmierung oder eines überraschenden Einbruches der Rumänen die jenseits der Maros, der oberen Bega und der Temes gelegenen Garnisonen, Ämter und Staatsgüter zurückgezogen werden.
Am 14. August übernahm GdI. Arz das 1. Armeekommando; er erließ noch am selben Tage einen Befehl für die „Vorbereitung der Grenzverteidigung“. Siebenbürgen zerfiel in fünf Grenzabschnitte, in die sofort alle verfügbaren Truppen, auch die nur zur Sicherung der Evakuierung der Grenzgarnisonen bestimmten Landsturmetappenbataillone, gestellt wurden. Aus den Truppen des Abschnittes „Orsova“, der von der Donau bis zum Retiezat reichte, entstand gegen Ende des Monats August die 145. Infanteriebrigade. Im östlich anschließenden und links vom Sebestal begrenzten Abschnitt „Hdtszeg“ wurde die 144. IBrig., im Abschnitt „Talmesch“, Ostgrenze die Höhe Königstein südwestlich von Zernesti, die 143. IBrig. gebildet. Die Zusammenfassung beider Brigaden zur 72. ID. unter FML. Hefelle war erst für etwas später beabsichtigt. Im Abschnitt „Kronstadt“, zwischen dem Königstein und der Höhe N. Sándor (nordöstlich von Kézdivásárhely), wurde unter GM. Goldbach mit dem Stabe der 70. HID.1) die 71. ID. formiert. Sie gliederte sich in die 141. und die 142. Infanteriebrigade. Im nördlich anschließenden Grenzabschnitte „Gyergyó Szt. Miklós“ stand die 61. ID., GM. Grallert. Armeereserve war die um Karlsburg versammelte 51. HID., die aber zunächst nur in der Stärke von 3V2 Bataillonen, 2 Schwadronen und
1 Batterie angerollt war und erst aufgefüllt werden mußte2). Für die rasche Verschiebung dieser Division, der auch die Sicherung der Bahnstrecke bis Piski und die Aufklärung nach Süden über Sugag und Sinna aufgetragen war, hatte das 1. Armeekmdo. entsprechende Vorsorgen getroffen.
GdI. Arz war nun emsig bemüht, aus den unfertigen Brigaden und Divisionen, deren Teile vielfach erst um die Monatswende August*) Das Kommando über die in Wolhynien stehende 70. IIID. übernahm FML. v. Sorsich mit dem Stabe des aus Durazzo herangeholten 63. IDKommandos.
2) Das HIR. 302 und die Masse der Artillerie waren noch in Galizien zurückgeblieben.
September eintrafen, ehestens kampfkräftige Einheiten zu schaffen. An der Grenze wurden eiligst die feldmäßigen Befestigungen instand gesetzt und die Truppen mit ihren zukünftigen Kampfräumen vertraut gemacht. Außerdem wurde der Armeebereich als Etappengebiet eingerichtet, soweit es die kargen personellen und materiellen Mittel zuließen und beim Widerstreben der ungarischen Regierung, die durch Kriegsvorsorgen eine Beunruhigung der Bevölkerung besorgte, möglich war.
Beistellung von öst.-ung. Streitkräften und von Kriegsgerät für Bulgarien
Schon am 18. Juli zu Berlin (S. 238) hatte sich GO. Conrad erbötig gemacht, für den von ihm gewünschten Vorstoß der bulgarisch-deutschtürkischen Armee gegen Bukarest das erforderliche Brückengerät und die Donauflottille beizustellen.
Diese befand sich bereits seit dem Spätherbst 1915 in der unteren Donau und lag zum Teil im Kanal von Lelek (6 km stromaufwärts von Ruščuk), mit einigen Schiffen in dem einen besseren nautischen und taktischen Schutz bietenden Kanal von Belene (17 km westlich von Sistov). Der Flottille war auch eine „Landgruppe“ beigegeben, die aus einer 12 cm-Kanonenbatterie, zwei 9 cm-Geschützen, einem Infanteriezug, einigen Maschinengewehren und Scheinwerfern zusammengesetzt war. Sie stand zuerst nahe der rumänischen Grenze bei Rahova und wurde am 20. August aus dieser ausgesetzten Stellung nach Lelek verschoben, wo sie eine dem Schutze unserer Flottille gegen rumänische Donaumonitoren dienende Flußminensperre durch flankierendes Feuer zu sichern hatte 1).
Für den Stromübergang wurde eine unter Befehl des GM. Gaugl stehende Gruppe von zwei Brückenkompagnien, zwei Pionierkompagnien und fünfzehn Kriegsbrückenequipagen sowie ausreichendes Brückengerät System Herbert zusammengestellt. Die Gruppe Gaugl mit dem gesamten Material wurde auf den für Herstellung einer schweren Schleppschiffbrücke über die untere Donau unerläßlichen eingerüsteten 650 t-Schlepps verladen, anfangs August in überraschendem geschlossenem Transport in die untere Donau gefahren und in den Stützpunkt der Donauflottille bei Belene gebracht. Mit dieser Maßnahme bekundete GO. Conrad weite Voraussicht, denn nach der Kriegserklärung
*) Kellner, 3 Jahre in der bulgarischen Front (Klagenfurt 1932), 6 ff.
hätte dieser Transport die von den Rumänen beherrschte Stromenge des Eisernen Tores kaum mehr durchfahren können und wäre auch weiter auf dem fast 300 km langen Wasserwege der Vernichtung durch rumänische Kräfte ausgesetzt gewesen. Die Heranführung entsprechend großer schwimmender Unterlagen war nur auf der Donau möglich. Aber auch die Herbeischaffung leichteren Brückengeräts wäre angesichts der schwer belasteten und wenig leistungsfähigen serbischen und bulgarischen Bahnen kaum rechtzeitig möglich gewesen. Mit der Einlagerung des Brückenmaterials bei Belene war aber auch schon die Stelle des Überganges, der jetzt nur mehr bei Sistov erfolgen konnte, bestimmt. Donauflottille und Gruppe Gaugl wurden, nachdem die von GO. Conrad gewünschte Offensive der in Nordbulgarien zu versammelnden verbündeten Truppen gegen Bukarest durch die am 28. Juli abgeschlossene Vereinbarung (S. 238) gesichert worden war, am 13. August dem GFM. Mackensen unterstellt.
Mackensen, der Ende August den Befehl über die mazedonische Front der bulgarischen Heeresleitung übergab, hatte aber zunächst lediglich den Auftrag, das Kommando in Nordbulgarien zu übernehmen, da alles weitere davon abhing, ob Bulgarien tatsächlich gewillt sein werde, den Krieg gegen Rumänien zu führen. Dem Generalfeldmarschall unterstanden die bulgarische 3. Armee, bestehend aus der 1., der 4. und der 12. ID., einer Brigade der 6. ID. und aus der l.KD., die Festungen Vidin, Ruščuk, Šuměn und Varna sowie ein aus Teilen der deutschen 101. ID. und einigen ändern deutschen Truppen bestehendes Detachement unter Führung des Obst. v. Kaufmann. Des weiteren verfügte Mackensen über die schon erwähnte Gruppe Gaugl und die k.u.k. Donauflottille, zu der noch eine deutsche Motorbootflottille trat1).
Der Einbruch der Rumänen in Siebenbürgen
Hiezu Beilage 10 Das Vordringen der Rumänen an der Ostfront (27. August bis 4. September)
Am 27. August vormittags fand in Bukarest ein Kronrat statt, der die von Bratianu mit Wissen des Königs eingegangenen Bündnisverpflichtungen gutheißen sollte. Obwohl die deutschfreundlichen Rats-
J) Mitteilung des deutschen Reichsarchivs vom 27. März 1933.
teilnehmer schwere Bedenken äußerten, kam der Konferenz doch nur mehr formale Bedeutung zu l). Denn an den Grenzen Siebenbürgens stellten sich die rumänischen Truppen schon zum Einmarsch bereit. Zur selben Stunde, um 9h abends, da der rumänische Gesandte in Wien die Kriegserklärung übergab, brachen die rumänischen Vorhuten nach Ungarn ein. Für die Donaumonarchie war aus dem Drei- ein Vierfrontenkrieg entstanden. Fürs erste stand die k.u.k. 1. Armee mit ihren
34.000 Gewehren und 76 Geschützen der mehr als zehnfachen Überlegenheit von 369.000 Mann der drei rumänischen Angriffsarmeen gegenüber.
Die rumänische Kriegsansage beantwortete Deutschland, dem jetzt erst Italien den Krieg erklärte, am 28. August mit der Kriegserklärung an Rumänien, welchem Beispiele zwei Tage später auch die Türkei folgte. In Sofia hielt man aber noch zurück. Es verflossen für die Mittelmächte Tage peinlicher Ungewißheit darüber, ob Bulgarien seine Bündnispflicht auch im Kampfe gegen Rumänien erfüllen werde.
Im Sinne des rumänischen Operationsplanes hatte Gen. Presan, der Führer der rumänischen Nordarmee, seinen drei an der Grenze stehenden Infanteriedivisionen befohlen, am 27. um 9h abends mit den Sicherungstruppen überraschend die Grenze zu überschreiten, den Widerstand des Gegners zu brechen und derart nach der Tiefe gegliederte Stellungen zu beziehen, daß aus ihnen die folgenden Kriegshandlungen unter günstigen Voraussetzungen aufgenommen werden könnten.
Mit den Russen war ursprünglich für den 29. August gemeinsames Vorgehen vereinbart worden. Wegen unzureichender Angriffsvorbereitungen bei der 7. Russenarmee mußte dies aber verschoben werden. Im Rahmen des hierauf für den 31. festgesetzten Großangriffes aller Armeen der Südwestfront hatte die russische 9. Armee gegen die Linie Máramaros-Sziget—Bistritz vorzustoßen. Gen. Alexejew versprach sich durch die Besitznahme dieses Raumes die wirksamste Unterstützung der gegen den Oberlauf der Maros vordringenden rumänischen Nordarmee2). Hiezu sollte die 9. Armee mit ihrem linken Flügel über die Höhe Ludowa A 1466 (XI. Korps), über Kirlibaba (XVIII. Korps) und über Dorna Watra (verstärktes III. KavallerieKorps) angreifen. Im besonderen war gegen letztgenannten Ort ein konzentrischer Angriff
x) Marghiloman, Note Politice 1897—1924 (Bukarest 1927), II, 143 ff. — Adamow, Die europäischen Mächte und die Türkei während des Weltkrieges (in deutscher Sprache, Dresden 1930), II, 292 ff. — K i s z 1 i n g, Rumäniens Eintritt in den Weltkrieg (Österr. Wehrzeitung 1931, Folge 32).
2) W a s s i 1 j e w, 81.
vereinbart worden, wozu die Russen gegen die Front Valeputna—Giu-malaul anstürmen, Teile der rumänischen Nordarmee aber von Südosten her über Dorna Watra flankierend eingreifen sollten1).
Die Vortruppen der rumänischen 14. ID., 12 Bataillone und 5 Batterien stark, brachen in mehreren Kolonnen über die Grenze vor und bemächtigten sich am 28. durch umfassende Angriffe des Tölgyes- und des Békáspasses; Bataillone des Nordflügels rückten gegen Bélbor vor. Die zur Verteidigung dieses Grenzraumes berufene k. u. 16. LstGbBrig., Obst. Bernátsky, der 61. ID. (6 Bataillone, 1 Batterie) wich nach kurzem Kampfe aus und bezog mit einem Regiment bei Borszék und westlich davon eine Stellung, um den von Bélbor gegen die Talenge bei Olah Toplica führenden Umgehungsweg aufzufangen, da diese Talenge wegen des Anschlusses an die 7. Armee nachhaltig behauptet werden sollte. Der rechte Flügel hatte im Putna- und im oberen Békástale den Feind möglichst lange aufzuhalten.
Am 29. August rückte die Hauptkraft der im Bekaspaß eingebrochenen rumänischen Gruppe in nordwestlicher Richtung gegen Putna vor. Der rechte Flügel Bernátskys, der noch durch ein Bataillon der Divisionsreserve verstärkt worden war, vermochte daher auf den Höhen östlich von Gyergyó Ditró und bei dem im Quellgebiet des Békás-baches liegenden Gyilkossee, die in die Gyergyó führenden Wege noch weiter zu sperren. Auf dem linken Flügel stellte im Kelemengebirge ein Gendarmeriebataillon unangefochten die Verbindung zur 7. Armee her, bei der die 11. HKD. zur Besetzung des bisher noch offenen Frontstückes zwischen Dorna Watra und der Höhe Lucaciu eingesetzt wurde.
Dem rumänischen IV. Korps war als erstes Vorrückungsziel das obere Alttal vorgezeichnet. Hiezu sollten die 13 Bataillone und 8 Batterien starken Sicherungstruppen der auf dem rechten Flügel stehenden
7. ID. zunächst den Gyimespaß besetzen, der den Haupteinbruchsweg in die von der zweiten Brigade der 61. ID., der k. u. 19. LstGbBrig., Obst. v. Szabó, (6 Bataillone, 1 Batterie) verteidigte Csik bildet.
Die Nordgruppe der rumänischen 7. ID. brach am 27. abends über die Grenze vor, verirrte sieb aber in dem waldigen Berggelände und gelangte erst am 28. abends nach Gyimes, das mittlerweile von den Teilen der Brigade Szabó, die dort gestanden hatten, aufgegeben worden war. Aus Freiwilligen gebildete rumänische Streifkompagnien, die gegen die Bahnkunstbauten bei Gyimes Közeplak vorgebrochen waren,
!) Zajontschkowskij, 80. — Klembowski, 92 f, 97. — D a b i j a,
II, 263, 268.
wurden von den wachsamen Verteidigern aufgerieben1). Die über Kostelek sowie die im Csobányos- und im Uztale vorgehenden kleinen Kolonnen kamen am 28. ebenfalls nicht weit über die Grenzpfähle hinaus.
Am 29. verstärkten alle Kolonnen der rumänischen 7. ID. ihren Druck, gewannen die Wasserscheide westlich von Gyimes Közeplak und drangen südlich davon in das Kászonbecken ein. Nun nahm Obst. Szabó seine Bataillone, die namentlich auf dem Szöllö hegy in lebhafte Kämpfe verstrickt waren, in eine auf den Höhen östlich von Csik Szereda verlaufende Brückenkopfstellung zurück, um im Sinne eines am 29. vom 1. Armeekmdo. erlassenen Befehles die über Székely-Udvarhely gegen Szász Régen führende Vormarschrichtung zu decken. Aus der Besorgnis, umgangen zu werden, wurde die 19. LstGbBrig. am 30. auf die Höhen westlich von Csik Szereda zurückbefohlen.
So stand die k.u.k. 61. ID. am 30. abends mit einer Brigade auf den östlichen Talhängen der Gyergyó, mit der zweiten am Westrand der Csik. Die schwachen Verfügungstruppen des Divisionskmdos., drei Bataillone und vier Batterien, hatte GM. Grallert an den operativ wichtigen Punkt bei Maroshéviz zusammengezogen, um mit Sicherheit die ihm vorgezeichnete Rückzugsrichtung, oberes Marostal—Bistritz, einhalten zu können.
Die rumänische 8. ID. stellte sich in drei Marschsäulen zum Vormarsch in die Háromszék bereit. Die im Ojtoztal vorrückende mittlere überrumpelte am 27. nachts die in Soosmezö stehende Kompagnie eines zur k.u.k. 71. ID. gehörenden Landsturmbataillons und nahm sie gefangen. Am 28. gewannen die drei Kolonnen den Ojtozpaß, worauf sich die zwei in Bereczk befindlichen Landsturmbataillone über Kézdi-vásárhely gegen Westen zurückgezogen.
Am 30. August abends standen die Sicherungstruppen der rumänischen Nordarmee gruppenweise in der Linie Bélbor—Borszék— Putna (Ort)—Zsédánpatak—Lóvész T. (6 km westlich von Gyimes Felsölak)—Höhe A 1350 (4 km nordöstlich von Csik Szépviz)—Ká-szon—Bereczk. Wenngleich hiemit der im Operationsplan in Aussicht genommene zweite Aufmarschraum (S. 234) noch nicht völlig besetzt war, verfügte Gen. Presan dennoch bereits am 30., daß die Sicherungstruppen sich in den erreichten Linien einzugraben hätten, und daß der Aufmarsch zu vollenden sei. Für die Fortsetzung der Offensive hatte sich die 14. ID. in der Linie Drägoiessa—Bélbor—Borszék—Putnalaka— Gyilkossee bereitzustellen; dahinter hatte die 4. gemischte Brigade
i) D a b i j a, II, 264.
nach Almasmezö einzurücken. Die 7. ID., deren Vorhut am 2. September Csik Szereda besetztex), war hinter der Linie Lóvész T.— Höhe A 1350—Kászon zu versammeln. Die 8. ID. hatte sich auf dem Ojtozpaß zum Vorbrechen gegen Kézdivásárhely zu gruppieren. Hinter ihr stellte sich die 2. KD. zum Vordringen in die Háromszék und zur Aufklärung bis an die Altstrecke Csik—Kozmás—Illyefalva bereit; sie rückte hiezu am 31. bis in den Raum Kézdivásárhely—Nyujtód vor.
Zur Vollendung ihres Aufmarsches blieb die Armee Presan bis zum
5. September, diesen mitinbegriffen, im allgemeinen stehen, weshalb sich die k.u.k. 61. ID. verhältnismäßiger Ruhe erfreuen durfte.
Die ersten Kämpfe an der Südgrenze Siebenbürgens (27. August bis 4. September)
Einbruch der rumänischen 2. Armee
Die rumänische 2. Armee, Gen. Averescu, hatte sich im Sinne des Operationsplanes zunächst in den Besitz der südlichen Háromszék und des Burzenlandes zu setzen. Diese beiden Beckenlandschaften hatte die noch ganz unfertige k.u.k. 71. ID. zu verteidigen. Ihr Führer, GM. Goldbach, hatte erst am 27. mittags in Kronstadt das Kommando übernommen. Er verfügte auch nur über ganz wenige Hilfsorgane, 'denn sein Stab, das bisherige 70. HIDKmdo., befand sich noch bei der 4. Armee. All dies und namentlich das Fehlen von Fernsprechabteilungen machte sich anfänglich bei der Befehlserteilung und im Verbindungsdienst in dem 240 km breiten Grenzabschnitt sehr unangenehm fühlbar.
Das den Kern der Division bildende IR. 82 war an den rechten Flügel in die operativ wichtigen Übergänge des Törzburger und des Predealpasses gestellt worden, wo es möglichst lange Widerstand leisten sollte, damit die Division bei dem zu erwartenden Rückzug von der vorgezeichneten Leitlinie Kronstadt—Reps—Maros Vásárhely nicht nach Norden abgedrängt werde. Die übrigen Einbruchswege bis einschließlich Gelencze waren durch zwei in Feldbataillone umgewandelte Marschbataillone, zwei Landsturmetappenbataillone und eine Anzahl von Grenzgendarmerieposten gesichert.
Beim rumänischen III. Korps hatten die Sicherungstruppen, 12 Bataillone und 8 Batterien der 6. ID., den Einbruch in zwei Gruppen zu
i) Dabija, II, 19.
vollführen. Die aus dem Putnatale vorgehende Nordgruppe vermochte nahezu unaufgehalten bis vor Gelencze und nach Zabola zu gelangen, da sie es nur mit einigen Gendarmerieposten zu tun bekam. Die durch den Bodzapaß vordringende Südgruppe mußte aber erst den Widerstand von anderthalb Bataillonen brechen, ehe sie am 28. das Talbecken bei Szita Bodza erreichte. Die Vortruppen der 5. ID., 12 Bataillone und 7 Batterien, hatten über den Tatarhavaspaß, im Tatrangtale und durch den Schanzpaß vorzurücken. Der rechten Kolonne glückte es bei Bodzavám ein Etappenbataillon zu zersprengen. Der Mittel- und der linken Kolonne kostete es jedoch nicht geringe Mühe, den von anderthalb Bataillonen verteidigten Altschanzpaß zu erobern, worauf sich die Verteidiger am 28. abends nach Hosszufalu zurückzogen.
Am 29. standen die Vortruppen des III. Korps in der Linie Gelencze—Zabola—Kovászna—Zágon—Bodola—Hosszufalu. Vor ihnen hatten auf Befehl des GM. Goldbach die zwei Landsturmbataillone aus Bereczk, mit denen bisher gar keine Verbindung bestanden hatte, nach Mikóújfalu, die Gruppe aus dem Bodzapaß (2\!2 Bataillone) nach Sepsi Szt. György und die aus dem Altschanzpaß zurückweichenden Kräfte nach Marienburg zurückzugehen. Diese drei Gruppen hatten vorläufig die 142. IBrig., GM. Anton Klein*), zu bilden.
Vom rumänischen II. Korps brachen die Sicherungen der 4. ID. (10 Bataillone, 9 Batterien) über Predeal und durch den Tömöserpaß gegen Kronstadt vor. Ihnen stand nur das Bataillon 1/82 gegenüber, das — schrittweise weichend — am 28. abends den nördlichen Ausgang des Tömöserpasses sperrte2). Nördlich vom Törzburgerpaß holten sich die Vortruppen der 3. ID. (12 Bataillone, 6 Batterien) an der Gegenwehr des beim Ort Törzburg stehenden IR. 82 (2. und 3. Bataillon) zunächst blutige Köpfe. Die Ungewandtheit der Rumänen im Angriff gegen kriegserfahrene Truppen trat in diesem ersten Gefecht besonders deutlich zu Tage. Die beim Dorfe Rosenau aus südöstlicher Richtung einmündenden Wege wurden von dem aus der Garnison Kronstadt herangeführten Alarmbataillon des IR. 46 gesperrt. Als den Verteidigern bei Törzburg eine Umgehung im Westen drohte, nahm Obst. Lähne, der Führer der 141. IBrig.3), die 82 er auf die Höhen nördlich von Zer-nesti zurück, wo sie die über das Persaner-Gebirge nach Sárkány führende Straße zu schützen hatten. Den Weisungen des 71.IDKmdos. zu*) Das 142. IBrigKmdo. war das umbenannte 3. IBrigKmdo. der 2. ID.
2) Geschichte des IR. 82, 174.
3) Das 141. IBrigKmdo. war das umbenannte 208. HIBrigKmdo. der 70. HID.
folge hatte das Alarmbataillon des IR. 46 nunmehr am 29. nach Zeiden zurückzugehen, indes die zwei Bataillone 82 er bei Zernesti möglichst lange Widerstand leisten sollten. Wenn zum weiteren Rückzug gezwungen, hatten die 141. IBrig. (IR. 82, Alarmbataillon IR. 46 und zwei Batterien) das westliche Altufer bei Halmágy und nördlich davon die 142. IBrig. samt drei Batterien das Altufer östlich von Reps zu besetzen.
Am 29. rückten die Vorhuten der rumänischen 4. ID. in Kronstadt ein. Die 3. ID. nahm Törzburg und schob sich vorsichtig gegen Zernesti heran. Am 30. ging die 3. ID. den 82ern entschlossen zu Leibe und versuchte, sie im Westen und im Norden zu umgehen. Obst. Lähne nahm hierauf seine Székler nach Sinca Noua zurück. Da hiemit der rechte Flügel der 71. ID. aus den Angeln gehoben war und GM. Goldbach die zum größten Teil noch nicht gefestigten Truppen keiner weiteren Erschütterung aussetzen wollte, befahl er seinen beiden Brigaden, am 31. August in die schon bezeichneten Stellungen auf dem westlichen Altufer abzurücken. Die 142. IBrig., bei der jetzt auch das Alarmbataillon des Kronstädter HIR. 24 eingeteilt war, sollte während des Rückzuges dem Feinde an den Osthängen des Geisterwaldes zeitweiligen Aufenthalt bereiten. Hinter dem Alt angelangt, hatte sich der Nordflügel bis Homoród Oklánd auszudehnen. Als rechter Flügelschutz sollte eine aus Grenzgendarmerieposten gebildete Abteilung bei Fogaras Stellung nehmen. Am 1. September trafen bei der 71. ID. drei kroatische Honvéd-bataillone ein, die in das HIR. 33 zusammengezogen wurden. Dafür hatte die Division die beiden Alarmbataillone in das Innere des Landes abzuschieben.
Die Rumänen breiteten sich jetzt in der Kronstädter Ebene aus und erreichten bis zum 2. September die Linie Zágon—Tartlau—Brenndorf—Marienburg—Vledény, verloren aber bei diesem zaghaften Vorgehen die Fühlung mit dem Gegner. Das verhältnismäßig rasche Gewinnen des ersten Operationszieles ließ es dem Führer der 2. Rumänenarmee, Gen. Averescu, am 3. September zulässig erscheinen, die Versammlung der Armee nicht zuerst südlich der Reichsgrenze, sondern bereits in dem nördlich vom Gebirgskamme gewonnenen Raume vorzunehmen1). Im einzelnen hatten vom II. Korps die 3. ID. an der Linie Vledény—Barczaújfalu, die 4. ID. bei Marienburg aufzuschließen. Beim
III. Korps wurden der 5. ID. Hidvég und Árapatak, der 6. ID. Sepsi Szt. György und die Ebene östlich davon, der 3. Cälärasibrig. Honigberg als Versammlungsorte bezeichnet.
!) Dabija, II, 161.
Die Gefechte südlich von Her77iannstadt
Bei der vom Gen. Culcer befehligten rumänischen 1. Armee hatte die den rechten Flügel bildende Alt-Lotrugruppe (17 Bataillone, 11 Batterien) zunächst den Roten Turm Paß und die Übergänge in das Zoodt-bachtal zu öffnen und sodann auf die Hermannstadt umgebenden Höhen vorzurücken14). Hiezu sollte das Altdetachement zwischen dem Surul A 228S und dem Alttale, das Lotrudetachement aus dem gleichnamigen Tale über die Höhe Voinagu Catanieste vorbrechen.
Auf der Gegenseite hatte den Grenzraum südlich von Hermannstadt die 143. IBrig. (6 Infanterie-, 2 Etappenbataillone und 3 Batterien) zu verteidigen. Ihr Führer, Obst. Edl. v. Barwik 15), hatte hiezu zwei Bataillone des aus den Bataillonen 1/32, I und V/44 neugebildeten IR. 105 zwischen Negoi A2536 und dem Roten Turm Paß, diesen eingeschlossen, zwei weitere Bataillone mit einer Gebirgsbatterie in weitgedehnter Aufstellung westlich des Passes bis zum Vrf.16) lui Petru 2133 verteilt. Zwei Infanterie-, zwei Etappenbataillone und die fahrende Artillerie standen im Raume um Talmesch in vorbereiteten Stellungen.
Als das rumänische Altdetachement am 27. August abends den Vormarsch antrat, kam es seiner rechten, zwischen Surul und Roten Turm Paß über die Höhen vorrückenden Kolonne zugute, daß das k.u.k. IR. 105 gerade zur Einreihung von Ergänzungen nach Freck zurückgegangen war. Die rumänische Kolonne gelangte daher am 28. unangefochten bis Porcsesti, wo ihr aber der eben aus dem Roten Turm Paß zurückkehrende Panzerzug IX durch Feuer empfindliche Verluste beibrachte. Im Kampf gegen eine rumänische Batterie wurde der Zug dann allerdings zerstört und fiel dem Feinde in die Hände. Unterdessen setzten zwei Bataillone der Brigadereserve im Mündungswinkel des Cibin zum Gegenangriff an, der aber nach anfänglichen Erfolgen wegen Verschlechterung der Lage im Czibiner-Gebirge angehalten wurde. Ein Vordringen der Rumänen von Porcsesti über den Alt konnte durch Sprengen von Brücken vereitelt werden.
Der unerwartet rasche Erfolg der rechten Kolonne wurde durch ein Mißgeschick beeinträchtigt, das die rumänische Talkolonne gleich nach Überschreiten der Grenze ereilte. Das Abwehrfeuer der im Paß stehenden öst.-ung. Kompagnie rief bei den Rumänen eine Panik hervor, worauf die ganze Kolonne 7 km weit bis Caineni zurückflutete. Übertriebene Meldungen über einen Vorstoß des Gegners beunruhigten das rumänische 1. Armeekmdo. in Craiova und sogar die Heeresleitung. Als die Kolonne am 29. endlich wieder vorrückte, konnte sie die Paßenge ungehindert durchschreiten, da sich die Besatzung wegen des Erscheinens der Rumänen bei Porcsesti mittlerweile nach Boitia zurückgezogen hatte.
Das Lotrudetachement vermochte die in kordonartiger Aufstellung stehenden Verteidiger am 28. vom Grenzkamm zurückzudrücken. Durch wiederholte Umfassungen, zu denen das Waldgelände besonders einlud, wurden die schwachen öst.-ung. Abteilungen am 29. auch aus Riu Satului verdrängt. Wegen dieser empfindlichen Bedrohung in der Westflanke und einer Verstärkung des feindlichen Druckes aus dem Roten Turm Paß beschloß Obst. Barwik, dem vom 1. Armeekmdo. als etwaige Rückzugslinie die Straße Hermannstadt—Blasendorf—Tövis zugewiesen worden war, seine Truppen auf die Höhen nordöstlich und westlich von Schellenberg, mit einer Gruppe in den Raum westlich von Hermannstadt zurückzunehmen.
Nun griff auch das 1. Armeekmdo. ein, das ein allzu rasches Vordringen der Rumänen besorgte. Es alarmierte die 51. HID., GM. Tanárky, führte sie in beschleunigter Bahnfahrt nach Hermannstadt und befahl ihr, den Feind in den Roten Turm Paß zurückzuwerfen. Die 143. IBrig., die dem GM. Tanárky unterstellt wurde, sollte die Ausladung der Honvéd, deren erste Staffel am 30. vormittags eintraf, in der Linie Poplaka —Heltau—Mündung des Haarbachtales decken.
Die 143. IBrig. wurde aber am 30. in der angegebenen Linie von den weit überlegenen Kräften der vereinigten Alt-Lotrugruppe umfassend angegriffen. Da ein Gegenangriff bei dem Stärkeunterschied — die 51. HID. zählte erst 5V2 Bataillone — keinen Erfolg versprach, entschloß sich GM. Tanárky, die ganze Gruppe in der Nacht auf den 31. auf den Höhen nördlich von Hermannstadt Aufstellung nehmen zu lassen. Das am 1. September aus Galizien in Mühlbach eintreffende HIR. 302 der 51. HID. hatte südöstlich der Stadt Bahn und Straße zu sperren. Die Rumänen folgten nur zögernd und begnügten sich mit der Besetzung der den Roten Turm Paß im Halbkreis umgebenden Linie Racovitia—Girelsau—Westen—Ileltau. In Hermannstadt verblieb Mjr. Reiner des Militärkommandos nur mit einem Etappenbataillon und dem neu eingetroffenen Panzerzug VIII und leitete, unbekümmert um den Feind, den Abschub der militärischen und staatlichen Güter.
Am 1. September fühlten die Rumänen vorsichtig gegen Hermannstadt und Schellenberg vor. Am selben Tage fanden sich beim Führer der jetzt zur 23. ID. zusammengefaßten Alt-Lotrugruppe zwei Bürger Hermannstadts ein und boten ihm, ohne hiezu ermächtigt zu sein, die Übergabe der Stadt an. Der rumänische General bat aber vorerst bei seinem Armeekommando um die Vollmacht zur Besetzung. Durch eine groteske Verkettung von Irrungen, Mißverständnissen und Entschluß-losigkeit kam es nicht zur Besitznahme der nahezu unverteidigten Stadt. Daran änderte sich sogar auch dann nichts, nachdem der Armeeführer um 4. September persönlich zur 23. ID. vorgefahren und hinter dieser noch die 1. CälärasiBrig. und die 13. ID. aufmarschiert waren.
Die Kämpfe bei Petrosény und bei Orsova
Das im Raum bei Tärgu Jiu und nördlich davon aufmarschierende rumänische I. Korps (11. und 2. ID. sowie 1. Cälärasibrig.), das die Beckenlandschaft zwischen Merisor und Hátszeg in Besitz nehmen sollte, hatte den Einbruch über die Grenze mit den am Szurduk- und am Vulkanpaß bereitgestellten Sicherungstruppen der 11. ID. (7 Bataillone und 8 Batterien) durchzuführen.
Auf der Gegenseite hatte den Grenzraum bei Petrosény mit den wichtigen und ergiebigen Kohlenbergwerken und die über Hátszeg nach Fiski führende Straße die 144. IBrig., Obst. Andreas Berger, (1 Feld-,
2 Landsturmetappen-, 3 Bergwerksbataillone und 1 Batterie) zu beschirmen. Als Verteidigungslinie waren die nördlich vom rumänischen Schyl sich hinziehende Rückenlinie und die Höhen westlich und östlich von Livazény vorbereitet. Hier wollte Obst. Berger Widerstand leisten, vor übermächtigem Drucke längs der Bahn und der Straße nur schrittweise Raum geben, die Höhen Tulisa und Oboroca, auf die sich der rechte Flügel stützte, aber möglichst lange behaupten.
Die am 28. August im Morgengrauen in "drei Kolonnen vorbrechenden Rumänen trafen an der Grenze nur auf Beobachtungsposten und vermochten daher noch am selben Tage bis an den Rumänischen Schyl und an den Südrand von Petrosény heranzukommen. Tags darauf drückte der Feind, über Petrosény und Zsilyvajdejvulkan vorgehend,
!) D a b i j a, II. 42 ff.
die Mitte der Brigade Berger bis an den Zusammenfluß der beiden Quellflüsse des Schyl zurück, worauf die Verteidiger ihre Abwehrlinie unter Festhaltung der Höhe Oboroca auf den Sattel bei Merisor verlegten. Am 30. erneuerte die rumänische 11. ID. ihren Angriff und vermochte dem Gegner, bei dem wohl eine schwache Verstärkung von einem Bataillon, einer Schwadron und einer Gebirgsbatterie eingetroffen war, die Höhe Oboroca zu entreißen. Obst. Berger nahm hierauf seine Truppen am 31. August in die Linie Tulisa—Baru mr.—Westufer des Pareu Streiu zurück. Die Rumänen begnügten sich aber mit ihrem Raumgewinn und gruben sich in einer über den Sattel von Merisor verlaufenden Linie ein. Am 4. September fanden öst.-ung. Nachrichtenabteilungen die Höhe Oboroca sogar vom Feind frei und setzten sich auf ihr neuerdings fest.
Am äußersten Unken Flügel der rumänischen 1. Armee hatte die bei Turnu Severin sich sammelnde l.ID. mit ihren zehn Bataillone und neun Batterien zählenden Sicherungstruppen Alt-Orsova und das nördlich anschließende Cernatal in Besitz zu nehmen (S. 234). Südlich davon bis Calafatu schützten drei Bataillone und eine Batterie die Donaustrecke gegen bulgarische Stromsicherungen.
Auf ungarischem Boden stand dem Feinde die 145. IBrig., Obst. Fiebich-Ripke ]), gegenüber, die anfänglich nur drei Feldbataillone, ein Landsturmetappenbataillon, eine Streifkompagnie, drei Batterien und mehrere kleinkalibrige Marinekanonen zählte. Sie hatte den Donauweg und die von Orsova nach Norden führende Bahn zu sperren, wozu sie sich auf dem Grenzkamm zwischen der Donau und einer Höhe südöstlich von Herkulesbad aufgestellt hatte.
Den 28. August leitete eine erfolgreiche Beschießung von Turnu Severin durch den bestückten Dampfer „Almos“ ein. Gegen die vorrückenden rumänischen Abteilungen wurden die Grenzstellungen im allgemeinen behauptet. Nachts brach, durch österreichische Patrouillen und Scheinwerfer hervorgerufen, bei den Rumänen eine Panik aus, worauf Truppen und Troß kilometerweit nach Osten zurückfluteten2). Das rumänische Heer mußte eben nun auch jene trüben Erfahrungen machen, die bei Kriegsbeginn noch keiner Armee erspart geblieben waren. Die folgenden Tage bis zum Monatsende waren mit bedeutungslosen Grenzgefechten ausgefüllt.
Am 1. September jedoch setzten die Rumänen mit gewaltiger Über-
Das 145. IBrigKmdo. war das umbenannte 210. LstlBrigKmdo.
2) D a b i j a, II, 22.
macht zum Angriff an und durchstießen zwischen Csernahéviz und der Donau die schwache Grenzstellung des Verteidigers. Dessen Südflügel, der ganz erhebliche Verluste, namentlich an Gefangenen, erlitten hatte, wich bis Ogradina zurück. Der Nordflügel der 145. IBrig. bezog an der Talgabel südlich von Mehadia eine nach Süden gerichtete Sperrsteilung. Dieser Gruppe sandte das 1. Armeekmdo. vier der eben anrollenden Bataillone als Verstärkung zu. Das Militärgeneralgouvemement Belgrad, das an der verläßlichen Sperrung des Donauweges Interesse hatte, führte mit Schiff anderthalb Landsturmetappenbataillone nach Ogradina.
Die Rumänen begnügten sich mit dem erkämpften Raumgewinn und gruben sich ein. Da auch die Verteidiger zunächst keine Angriffsabsichten verfolgten, kam es in den nächsten Tagen bei Orsova zu keinen größeren Kampfhandlungen.
Mithin standen in den ersten Septembertagen die Vortruppen der drei rumänischen Angriffsarmeen zwischen der Dreiländerecke und der Donau überall auf ungarischem Boden. Hier erfolgten jetzt der zweite Aufmarsch und die Vorbereitungen zur Offensive.
Durch den Einbruch der Rumänen wurde auch die Grenzbevölkerung empfindlich in Mitleidenschaft gezogen. Die Militärbehörden hatten wrohl rechtzeitig Maßnahmen zum Abschub der ärarischen Güter und der noch im Lande weilenden wehrfähigen Männer, weiters zum Zwrangsankauf der kriegsdiensttauglichen Pferde und des Getreides getroffen. Die Vorbereitungen für das Wegführen der deutschen und der magyarischen Grenzbewohner waren aber dem beim 1. Armeekmdo. eingeteilten ungarischen Regierungskommissär überlassen worden.
Als die rumänischen Truppen am 27. August nachts die Grenze überschritten, w^aren gemäß den Wünschen der ungarischen Regierung, die — wie schon erwähnt (S. 244) — eine vorzeitige Beunruhigung der Bevölkerung vermieden wissen wollte, noch keine Verfügungen getroffen. Es kam daher, namentlich in den bedrohten Städten, zu stellenweise überstürzter und regelloser Flucht1). Erst am 29. August erhielten die sächsischen und magyarischen Grenzgemeinden die Weisung, unter Mitnahme ihres Viehs in die nordwestlich der Maros gelegenen Komitate abzuziehen. Dieser Abmarsch erfolgte in bemerkenswerter Ordnung und wurde von den Rumänen kaum gestört. Als die Rumänen — wie vorhin erörtert wurde — ihre Vorrückung vorübergehend einstellten, hielten auch viele Flüchtlingskolonnen ihren Marsch an und lagerten stellenweise zwischen den oft weit voneinander entfernten Fronten. Bei
J) Arz, Zur Geschichte des großen Krieges 1914—1918 (Wien 1924), 109.
Einleitung von Kampfhandlungen mußte dann von unseren Truppen auf die Rückwanderer besondere Rücksicht genommen werden.
Die Gegenmaßnahmen der Mittelmächte Führerentschlüsse und Befehle bis zum 5. September
Die Kriegserklärung Rumäniens, die wohl nicht die leitenden Kreise in Wien und Teschen, dafür aber jene Deutschlands überraschte, und der Einbruch rumänischer Truppen in Siebenbürgen lösten bei den Generalstabschefs der beiden Mittelmächte das begreifliche Verlangen aus, raschestens die nötigen Gegenmaßnahmen einzuleiten. Diesem Streben diente eine Besprechung Conrads mit Falkenhayn, die am 28. August vormittags in Pleß stattfand. Man war einhellig der Ansicht, daß der Krieg, so wie es am 28. Juli schriftlich vereinbart worden war (S. 238), offensiv geführt werden müsse; denn zur reinen Abwehr an der in Siebenbürgen allein 700 km langen Grenzfront hätten niemals die nötigen Streitkräfte aufgebracht werden können. Wegen der äußerst gespannten Lage in Ostgalizien und an der Somme war im Augenblick aber noch nicht zu übersehen, welche Kräfte gegen den neuen Feind aufgeboten werden konnten. Für den in Siebenbürgen zu führenden Kampf galt als Leitgedanke, den einbrechenden Rumänen durch die an der Grenze stehenden Deckungstruppen zunächst soviel Aufenthalt zu bereiten, daß der Aufmarsch der für den Gegenschlag bestimmten und he ranzu führen den Divisionen durchgeführt werden könne.
Nun war aber die Organisation der Deckungstruppen noch keineswegs beendet. Auch konnte ihre Kampfkraft nicht allzuhoch veranschlagt werden. Die 61. ID. bestand nur aus ungarischen Landsturmbataillonen; der 71. ID., der 143., der 144. und der 145. IBrig. fehlte zur Stunde die Hälfte der Infanteriebataillone. Als Ersatz hiefür waren vorübergehend nicht feldverwendungsfähige Etappenbataillone, mit verschiedenen Gewehrmodellen und mit unzulänglicher Munition ausgerüstet, Alarmbataillone der Grenzgarnisonen Kronstadt und Hermannstadt und die in Bataillone zusammengefaßten Grenzgendarmerieposten eingeteilt. Die Artillerie war ganz unzureichend. Falkenhayn sagte wohl deutsche Artillerieregimenter zu; diese konnten jedoch nicht vor Mitte September erwartet werden1).
Es kam später nicht zu der beabsichtigt gewesenen Einteilung deutscher Artillerieregimenter in die öst.-ung. Divisionen, wetil das Honvédministerium für die 71. und die 72. ID. je eine Reservefeldartilleriebrigade aufstellte.
Die Besprechung endete mit der mündlichen Vereinbarung, die in Siebenbürgen stehenden Truppen baldigst zu verstärken und raschestens die Offensive des GFM. Mackensen mit der bulgarischen 3. Armee in Gang zu bringen, wobei die Frage aber noch immer offen blieb, ob diese Armee zuerst in die Dobrudscha oder über die Donau gegen Bukarest vorzustoßen habe. Im übiigen war das zukünftige Verhalten der Bulgaren noch ungeklärt.
Doch nicht mehr Falkenhayn sollte es sein, der weiterhin die Geschicke Deutschlands in militärischer Hinsicht zu lenken und hiemit die ersten Maßnahmen gegen Rumänien zu treffen hatte, sondern schon die durch Hindenburg und Ludendorff verkörperte „dritte Heeresleitung“, die vom Deutschen Kaiser am 29. August an Stelle Falkenhayns an das Steuer gestellt wurde1). Ludendorff traf denn auch schon am 29. zur Besprechung der Kriegslage in Teschen ein; am 31. August folgte eine zweite Beratung.
Bis zum 30. August gewannen die beiden Heeresleitungen auch einen Überblick über jene Kräfte, die sie in nächster Zeit an anderen Fronten auslösen und an die rumänische Front absenden konnten. Es hatten abzurollen: die 5. HKD. als Reserve hinter den rechten Flügel der 7. Armee (sie war schon im Abgehen); dann zu der seit 29. August dem k.u.k. AOK. unmittelbar unterstellten 1. Armee in Nordsiebenbürgen die 10. bayr. ID. nach Bistritz und Borgó vom 1. September an mit täglich 8 Zügen, die 39. HID. hinter der schon einlaufenden 1. Lst-HusBrig. vom 2. an mit täglich 10 Zügen über Klausenburg nach Maros Vásárhely und Szász Régen, die 3. GID. vom 5. an mit täglich 14 Zügen. Nach Südwestsiebenbürgen hatten über Arad abzugehen: Vier Bataillone der ehemaligen k. u. 210. LstlBrig.-) zur Sicherung des Eisernen Tor Passes (westlich von Hátszeg) und zur Auslösung der dort bereitgestellten Marschbataillone (S. 242), die l.KD. vom 4. an, der Stab der deutschen 3. KD., GLt. Graf v. Schmettow, mit drei deutschen Kavallerieregimentern und einer reitenden Artillerieabteilung sowie die deutsche 187. ID., beide vom 5. an. Schließlich wurde noch die Abgabe von drei Landsturm- und zwei Heeresbataillonen vom Balkan in Aussicht genommen. Im Sinne des Vorschlages Conrads vom .10. August (S. 239) wurden zur Befehlsführung am Nordflügel der 1. Armee das
Hindenburg, 147 f. Ludendorff, Meine Kriegserinnerungen 1914 1918 ''Berlin 1919 und 1920), 187.
2' Es waren dies die k. u. LstIBaone. IV/3, II 5, I 28 und das FJB. 19, die bisher in Nordalbanien gestanden hatten.
Generalkmdo. des deutschen I. RKorps, GLt. v. Morgen, für die Südwestgruppe jenes des XXXIX. RKorps, GLt. v. Staabs, herangeführt.
Über die Art, wie Conrad diese neuen Kräfte verwendet wissen wollte, gibt eine am 30. August verfaßte und an den beiden folgenden Tagen ergänzte Denkschrift Aufschluß. Sie geht von der Voraussetzung aus, daß ein entscheidender Schlag gegen Rumänien überhaupt beabsichtigt ist, daß die hiefür erforderlichen Kräfte aufbringbar sind, und daß die Karpathenfront gegen die Russen behauptet werde.
Die Hauptvorrückung der Rumänen erwartete Conrad auf der Linie von Kronstadt gegen Des. Daher sollten die Gegenschlagstruppen noch vor dem Eintreffen der Rumänen im Raume Klausenburg—Bistritz versammelt werden. Nahmen die Rumänen Richtung auf Klausenburg oder gar gegen Westen, so konnte ein von Norden her geführter Schlag um so wirksamer die feindliche rechte Flanke treffen. Die über Arad und Temesvár herangeführten Kräfte hatten den über den Szurdukpaß und über Hermannstadt eingebrochenen Feind „möglichst aktiv zu bekämpfen und gegen die Westflanke der im Vorgehen Richtung Des gedachten rumänischen Hauptkräfte vorzudringen“. Allenfalls konnte für die Südwestgruppe auch eine Ausladung bei Brád und ein Vordringen über Abrudbánya und Torda in Betracht gezogen werden.
Nach diesen Gedankengängen war der 1. Armee vorerst im besonderen der Schutz des rechten Flügels der 7. Armee und der über Arad—Piski—Alvinc sowie der über Lugos—Karánsebes heranführenden Aufmarschbahnen zugedacht. Die wichtige, über Klausenburg—Kocsárd einmündende Bahn war durch die große Entfernung vom Feinde und durch die Lage hinter der befestigten Marosfront ausreichend gesichert. Der 1. Armee fiel daher zunächst ein Ausharren an beiden Flügeln, bei Maroshéviz—Bistritz und bei Petrosény—Hátszeg zu. Hinter diesen Flügeln war die Versammlung der für den Gegenschlag bestimmten und erst heranzuführenden Divisionen geplant. Keinesfalls waren diese gleich nach dem Eintreffen zum Stützen der Deckungstruppen zu verwenden. Die an dem weit nach Südosten vorspringenden Bogen stehenden Sicherungen hatten vielmehr nur hinhaltend zu fechten und durften sich durch die feindliche Übermacht unbedingt nicht zertrümmern lassen, sondern mußten sich für die Entscheidungskämpfe erhalten. Als Grenzlinie für das Ausweichen wurde die Maros—Kokelstellung angesehen. Bis Mitte September hoffte man, die Verstärkungen herangebracht zu haben. Dann sollte je nach der Lage und im Zusammenhange mit den Kriegshandlungen der Heeresgruppe Mackensen, von der Conrad aber vor allem den baldigen Donauübergang als entscheidungbringend ansah, die Gegenoffensive beginnen, die zunächst die Vertreibung der Rumänen aus Siebenbürgen zum Ziele hatte.
Diese Erwägungen wurden offenbar bei den Beratungen mit GdI. Ludendorff zur Sprache gebracht; in kurzen Zügen wurde am 31. August auch das 1. Armeekmdo. unterrichtet. Dieses erhielt den Auftrag, die für die Nord- und die Südwestgruppe in Aussicht genommenen Versammlungsräume zu melden.
GdI. Arz nahm einen täglichen Raumgewinn des Feindes von zehn Kilometern an und hielt es nicht für sicher, daß die Versammlung der bis 10. September eintreffenden Nordgruppe (39. HID. und 3. GID.) bei Maros Vásárhely und Szász Régen beendet sein werde, da die Entfernung von der Gyergyó und der Csik bis dorthin 80 bis 100 km, von Hermannstadt bis an die Bahn bei Maros Ludas 80 km beträgt. Er beantragte daher, die beiden genannten Divisionen in Apahida (östlich von Klausenburg) auszuladen und an den nach Szász Régen und Maros Vásárhely führenden Straßen zu sammeln. Aus gleichen Erwägungen schlug er die Ausladung der 1. LstHusBrig. in Tövis, die der Masse der später einlangenden Südwestgruppe (187. ID. und die beiden Reiterdivisionen) in Maros Illye vor. Die k.u.k. Heeresleitung stimmte zu und befahl noch, die 1. KD. über Temesvár—Lugos heranzuführen und südlich der 187. ID. auszuladen. Die deutsche 3. KD. wurde auf Weisung aus Pleß nach Karánsebes geleitet; auch dies entsprach den Absichten des AOK., das dem 1. Armeekmdo. die Vereinigung der zwei Reiterdivisionen zu einem Kavalleriekorps GLt. Schmettow empfahl.
Der langsame Vormarsch des Feindes veranlaßte das 1. Armeekmdo. schon am 2. September, die Auswaggonierung der 1. LstHusBrig. nach Maros Vásárhely vorzuverlegen; sie sollte gegebenenfalls die 61. ID. verstärken. Aber auch die beiden Heeresleitungen erkannten die Möglichkeit, aus dem zögernden Verhalten der Rumänen Vorteil zu ziehen. Am 4. September wurde zu Pleß vereinbart, die Versammlung der beiden eintreffenden Gruppen weiter feindwärts zu bewirken. Fürs erste konnte damit eine bessere Sicherung der Aufmarschbahnen erzielt werden. In der Vorverlegung der Südwestgruppe sah man aber auch die Möglichkeit, gegen die bei Petrosény und Hermannstadt stehenden Kräfte des Feindes Teilerfolge zu erzielen.
Das 1. Armeekmdo. erhielt hiezu am 4. den Befehl, die 39. HID. mit den schon ausgeladenen Teilen nach Szász Régen in Marsch zu setzen und die später eintreffenden Truppen dorthin nachzuziehen.
Die an Stelle der 3. GID. anrollende 206. ID.1) sollte in Maros Ludas ausgeladen werden. Beide Divisionen waren nebst der 71. ID., der 61. ID. und der 1. LstHusBrig. dem GLt. Morgen zu unterstellen mit der Aufgabe, ein „Vordringen des Feindes mit Deckungstruppen auch weiterhin möglichst zu verzögern und äußerstenfalls zu verhindern, daß er über die Kleine Kokel aufwärts Mikefalva (22 km südwestlich von Maros Vásárhely) sowie in die Becken von Szász Régen und Bistritz eindringe“. Die 10. bayr. ID. hielt die Heeresleitung wegen der Lage bei der 7. Armee noch zu ihrer Verwendung zurück.
Durch diesen Befehl aus Teschen wurde auch ein vom GLt. Morgen am 4. September in Klausenburg gestellter Antrag gegenstandslos, des Inhalts, mit der Nordgruppe selbständig einen Vorstoß dann zu unternehmen, sobald die rumänische 4. Armee nach Überschreiten des Hargitta- und des Görgenyer-Gebirges in die Ebene der Mezöseg vorbrechen sollte2).
Bei der Südwestgruppe, die aus dem Kavalleriekorps Schmettow, der 51. HID., der aus der 143. und der 144. IBrig. zu bildenden 72. ID. und aus der deutschen 187. ID. bestehen sollte und unter Befehl des GLt. Staabs zu treten hatte, war die Ausladung der beiden Kavalleriedivisionen nach Mediasch und Elisabethstadt vorzuverlegen. Hiebei war gedacht, das Kavalleriekorps die Verbindung zwischen den Gruppen Morgen und Staabs besorgen zu lassen. Die 187. ID. war nach Mühlbach und Karlsburg vorzuziehen, damit GLt. Staabs der Aufgabe entsprechen könne, mit der Hauptkraft den über Hermannstadt und östlich davon eingebrochenen Feind zu bekämpfen. In den Richtungen über Mehadia und insbesondere über Hátszeg war lediglich zu sichern, wozu der 144. IBrig. das k. u. LstlR. 1 zugeführt wurde.
Noch in der Nacht auf den 5. September erließ GdI. Arz die für die Gruppenbildung und die Vorverlegungen nötigen Befehle. Das zaghafte Verhalten der Rumänen vor Hermannstadt bewog ihn überdies, zur selben Zeit aus der Front der 51. HID. die 143. IBrig. herauszunehmen. Sie sollte nebst vier anrollenden neugebildeten Bataillonen bei Tövis versammelt und unter FML. Hefelle als 72. ID. zum besseren Schutz des rechten Flügels der 7. Armee der Nordgruppe der 1. Armee zugeführt werden. Die 144. IBrig. hatte gleich der 145. selbständig zu bleiben.
Durch die ausdrückliche Weisung an GLt. Morgen, in der Abwehr
*) Die 3. GID. wurde während der Fahrt nach Ilalicz zur Südarmee abgedreht.
2) Morgen, Meiner Truppen Heldenkämpfe (Berlin 1920', 103.
zu verharren, war im Gegensatz zu Conrads Operationsentwurf vom
30. August (S. 259) das Hauptgewicht auf die Südwestgruppe übergegangen, deren Bedeutung von Tag zu Tag wuchs.
Falkenbayns Rücktritt und die Schaffung der Obersten Kriegsleitung
Hatte Gd'I. Falkenhayn an der Schaffung der Hindenburg-Front nur mit sehr geteilten Empfindungen mitgewirkt (S. 121), so lag ihm um so stärker die Lösung einer zweiten Frage am Herzen: die Einrichtung einer allen Vierbundsheeren übergeordneten Obersten Kriegsleitung. Diese Frage war seit Kriegsausbruch immer wieder aufgetaucht. Lag ihre zustimmende Erledigung vor allem in der Linie der deutschen Kriegspolitik, so hatte es doch auch im bulgarischen und im türkischen Lager und selbst in Wien an Anregungen, sich an die Lösung des schwieligen Problems zu wagen, nicht gefehlt. Sogar der alte Kaiser soll schon sehr früh an die Möglichkeit eines deutschen Oberbefehls über alle Kriegsschauplätze gedacht haben1). Wenn dennoch bis ins dritte Kriegs jahr diese Frage von keiner Seite her ernsthaft aufgeworfen worden war, so war dies vornehmlich wohl aus Rücksicht auf GO. Conrad geschehen, mit dessen schärfster Gegnerschaft bei Behandlung der Angelegenheit zu rechnen gewesen war.
Nunmehr schien aber, gegen Ende August 1916, dem deutschen Generalstabschef der Augenblick doch gekommen zu sein, unter dem Druck der Kriegslage und der heraufziehenden rumänischen Gefahr auch den vorauszusehenden Widerstand Conrads zu überwinden.
Am 22. August abends überraschte der deutsche Bevollmächtigte im k.u.k. Hauptquartier, GM. v. Cramon, den Armeeoberkommandanten Erzherzog Friedrich und seinen Generalstabschef mit einer Notiz des GdI. Falkenhayn, die mit den Sätzen begann: „Seine Majestät der Deutsche Kaiser übernimmt vom 25. August 1916, 12 Uhr mittags an die einheitliche Leitung der gemeinsamen Angelegenheiten der bulgarisch-deutsch-österreich-ungarisch-türkischen Kriegführung; Allerhöchstsein ausführendes Organ hierfür ist der Chef des Deutschen Generalstabes des Feldheeres.“ In einem zweiten Absatz hieß es, die Selbständigkeit der anderen Heeresleitungen solle „durch diese Regelung nur insofern berührt werden, als es die große gemeinsame Sache“ durchaus erfordere. In der Regel werde sich die Gesamtkriegsleitung vor dem Erlaß von Befehlen um ein Einverständnis mit den von diesen
!) Margutti, Vom alten Kaiser (Wien 1921), 422.
betroffenen Heeresleitungen bemühen. Sind die Anordnungen einmal erflossen, dann seien sie unbedingt zu befolgen. Als Gründe für den unerwarteten Vorschlag Falkenhayns führte Cramon die „wiederholte Anregung Enver Paschas“ an und „die Notwendigkeit, Bulgarien angesichts der drohenden rumänischen Gefahr fest und sicher an unserer Seite zu erhalten“.
Der Armeeoberkommandant war zweifellos geneigt, dem deutschen Antrage im wesentlichen zuzustimmen1). Er überließ jedoch für die Meldung an die Militärkanzlei des Kaisers seinem Generalstabschef den Vortritt. Dieser gegenüber erklärte Conrad in seiner Depesche vom 23., daß er sich dann für die Vorschläge Falkenhayns aussprechen müsse, wenn von ihrer Annahme „eine Förderung des Gesamterfolges im Weltkriege und die Wahrung der militärischen Interessen der Monarchie zu erhoffen wäre“. Keines von beiden treffe jedoch zu. In militärischer Beziehung sei eher zu besorgen, daß eine für all die verschiedenen, oft auch weit entlegenen Kriegsschauplätze maßgebende Kriegsleitung in Unkenntnis der Einzelheiten dieses oder jenes Kampfraumes bedenkliche Fehlverfügungen treffen könnte; außerdem wäre schwerer Zwiespalt zwischen den Heeresleitungen zu befürchten. Was im besonderen die öst.-ung. Heeresleitung anbelangt, so könnte sich aus der doppelten Unterstellung unter den österreichischen und den Deutschen Kaiser unter Umständen ein schwerer Pflichtengegensatz ergeben. Zudem sei zu bedenken, daß sich Deutschland gegenüber Italien nicht im Kriegszustand befinde, daß es nach dem Entwürfe Falkenhayns aber dennoch frei über die an der italienischen Front eingesetzten k.u.k. Streitkräfte würde verfügen können — jenes Deutschland, das im Frühjahr 1915 für die südwestlichen Grenzgebiete Österreich-Ungarns so wenig Herz gezeigt habe. Schließlich sei nicht zu übersehen, daß das Verlangen Deutschlands auf das politische Gebiet übergreife und an der künftigen Großmachtstellung und Selbständigkeit Österreich-Ungarns rühre. Aus alldem gehe „für das Armeeoberkommando die volle Unmöglichkeit hervor, bei Annahme des Vorschlages vor Seiner Majestät und vor dem Vaterland die Verantwortung für die Führung im Kriege zu tragen“. Die Depesche war durch Conrad unterzeichnet, der am 24. August Gelegenheit fand, gegenüber Falkenhayn seine gegensätzliche Auffassung auch mündlich zu vertreten.
Erzherzog Friedlich, um eine Deutschland nicht völlig zurückstoßende Lösung bemüht, begab sich am 25. nach Schönbrunn zur Cramon, Bundesgenosse, 70 ff.
Audienz und brachte von dieser die Mitteilung mit, daß „nach eingehender Besprechung“ auch der Kaiser den Entwurf Falkenhayns für unannehmbar bezeichnet habe. Doch sei es der Wille des Herrschers, daß „der Anregung des Deutschen Kaisers bezüglich der einheitlichen obersten Leitung womöglich Rechnung getragen werde“. Die Heeresleitung habe eine Lösung vorzuschlagen, durch die weder die Hoheitsrechte des Monarchen noch die Würde seiner Wehrmacht betroffen würden, und die auch den bisherigen Wirkungskreis des AOK. gegenüber der Wehrmacht möglichst wenig berühre. Die zu treffenden Abmachungen seien vor der Öffentlichkeit geheim zu halten.
In einem vom folgenden Tag datierten Schriftstück an Falkenhayn kam Conrad noch einmal auf die Gründe seiner Ablehnung zurück. Er erinnerte daran, daß sich die Methode, Kriegshandlungen auf dem gegenseitigen Einvernehmen aufzubauen, in den zwei großen Feldzügen, die 1915 gegen Rußland und Serbien geführt wurden, durchaus bewährt habe. Für den Angriff auf Montenegro sei dieses Einvernehmen zwar nicht zu erzielen gewesen, aber die Nützlichkeit des Unternehmens habe sich seither erwiesen. Vor dem Angriff gegen Verdun sei es Falkenhayn gewesen, der auf das Einverständnis des Bundesgenossen und auf dessen Mitwirkung durch k.u.k. Truppen verzichtet habe; ebenso sei es nicht geglückt, das von der öst.-ung. Heeresleitung angestrebte Einverständnis Falkenhayns für die Maioffensive gegen Italien zu gewinnen. Wenn man deutscherseits jedoch glaube, auf Grund eines Abkommens über den gemeinsamen Oberbefehl einen Verbündeten auch dann zum Gehorsam zu zwingen, wenn dieser Verbündete der Überzeugung sei, damit gegen die Interessen des eigenen Staates zu handeln, so gäbe man sich einer Täuschung hin. Im Falle Österreich-Ungarn sei überdies an das Verhältnis zwischen Deutschland und Italien zu erinnern. Gar nicht zu reden von den Folgen, die eine förmliche Übernahme der Gesamtkriegsleitung durch den Deutschen Kaiser bei den gefährlichen nationalen Oppositionen in Bulgarien und in der Türkei auszulösen vermöchte. So habe denn auch Kaiser Franz Joseph den deutschen Entwurf als unannehmbar bezeichnet, aber die öst.-ung. Heeresleitung mit der Einbringung neuer Vorschläge beauftragt.
Diese Vorschläge setzten für die grundlegenden Entschlüsse und die Ziele der zu unternehmenden Kriegshandlungen sowie für die nötigen Kräfte und für die Befehlsregelung das Einvernehmen der betroffenen Heeresleitungen voraus. Alle Heeresleitungen seien ermächtigt, Anträge zu stellen, die Verhandlungen seien von der DOHL. zu leiten. Der für die Leitung einer Kriegshandlung bestimmte Befehlshaber hat die im Einvernehmen der Verbündeten festgelegten Weisungen durch die Leitung jenes Heeres zu erhalten, dem er angehört. Jede Heeresleitung kann ihre Kräfte in dem Ausmaße zwischen den einzelnen Kriegstheatern verschieben, wie es die Sicherung und Verteidigung des eigenen Staatsgebietes fordert. Der letzte Punkt des Vorschlages sieht etwas unklar vor, daß in Fällen von Meinungsverschiedenheiten die deutsche und die öst.-ung. Heeresleitung gemeinsam den Schiedsspruch zu fällen hätten. Von der doch am meisten zur Erörterung gestellten Möglichkeit, daß zwischen den Heeresleitungen der Mittelmächte ein Einvernehmen auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoße, ist in den Anträgen nicht die Rede.
Falkenhayn hatte die Antwort noch nicht entworfen, als, am 27. August abends, die Kriegserklärung Rumäniens an ÖsterreichUngarn eintraf. Der öst.-ung. Heeresleitung kam das Ereignis keineswegs unerwartet. Sie war durch abgehorchte Funksprüche darauf vorbereitet und hatte diese stets auch dem Bundesgenossen ínitgeteilt. Falkenhayn „glaubte jedoch den Telegrammen weniger als seinen Berichten aus Bukarest. Er ging sogar so weit, der Vermutung Ausdruck zu geben, die Telegramme wären zurechtgemacht, um die Bereitstellung deutscher Truppen gegen Rumänien zu erreichen. Diese Vermutung war ebenso unverständlich wie unberechtigt“1).
Auf den Deutschen Kaiser, der sich offenbar Falkenhayns Auffassung zu eigen gemacht hatte, wirkte die Kriegserklärung Rumäniens „wie ein Blitz aus heiterem Himmel“2). Er ließ Hindenburg und Ludendorff durch den Draht herbeirufen. Falkenhayn betrachtete diesen Akt nicht zu Unrecht als ein Zeichen dafür, daß er das Vertrauen seines Obersten Kriegsherrn verloren habe. Der Kaiser hatte sich trotz der Zuneigung, die er durch lange Zeit für seinen Generalstabschef besaß, wohl schon seit etlichen Wochen mit dem Gedanken vertraut gemacht, sich früher oder später von ihm trennen zu müssen. Allzu laut riefen Heer und Volk, durch die Erlebnisse von Verdun und an der Somme in ihrem Vertrauen zu Falkenhayn schwer erschüttert, nach den beiden großen Heerführern, die im Osten noch immer den Erfolg an ihre Fahnen zu knüpfen gewußt hatten, und deren Name mit den größten Siegen des Krieges verknüpft war. Der Kaiser nahm das Rücktritts-
Cramon und Fleck, Deutschlands Schicksalsbund mit Österreich-Ungarn Berlin 1932), 146.
2) Cramon, Bundesgenosse, 76; dazu auch Z w e h 1, 211 ff.
gesuch Falkenhayns an und berief den GFM. Hindenburg auf den Posten eines Chefs des Generalstabes des Feldheeres, Ludendorff auf den eines Ersten Generalquartiermeisters.
Die Bedeutung dieses Aktes in schwerster Stunde war nicht zu unterschätzen. Nicht bloß das deutsche Heer, sondern auch die Streiter der Verbündeten schöpften, soweit sie mit dem Herzen zur großen gemeinsamen Sache standen, neuen Mut.
In Teschen hatte es in der letzten Zeit wohl nicht an Nachrichten gefehlt, daß Falkenhayns Stellung wankend geworden sei. Trotzdem kam die Plötzlichkeit des Geschehnisses überraschend. Conrad sah Falkenhayn ohne tieferes Bedauern scheiden. Seit der Wiederversöhnung nach dem Bruche, der um die Jahreswende eingetreten war, hatten die Beziehungen zwischen den beiden Männern zwar äußerlich wieder freundschaftliche Formen angenommen. Aber die innerliche Abneigung war bestehen geblieben und sofort neu aufgelebt, als die leidvolle Entwicklung im Osten öfter Anlaß zu unerquicklichen Auseinandersetzungen bot. Nicht zu Unrecht schreibt Cramon *): „Die beiden Männer konnten sich nicht verstehen, Preußen und Österreich stießen in ihnen zu unvermittelt aufeinander."
Die Beziehungen zwischen der öst.-ung. Fleeresleitung und dem deutschen „Zweigestirn des Ostens“ waren hingegen, abgesehen von vorübergehenden Meinungsverschiedenheiten im Feldzuge 1914 immer recht gut gewesen. Nicht selten hatte man sich — wie etwa im Sommer 1915 — in gemeinsamer Kampfstellung gegen Falkenhayn gefunden. So sah denn zumal Conrad auch der Zusammenarbeit im Rahmen der obersten Führung mit Zuversicht entgegen, und die ersten Besuche Ludendorffs und Hindenburgs in Teschen, Ende August, schienen diese Hoffnungen vollauf zu bestätigen. Dies klingt auch aus der Meldung heraus, die der k.u.k. Generalstabschef am 1. September durch die Militärkanzlei seinem Kerrscher erstatten ließ. Er berichtete über die Anträge, die er am
26. des Vormonats Falkenhayn in der Frage des gemeinsamen Oberbefehls erstattet hatte, und fügte bei, daß eine Antwort von deutscher Seite noch ausstehe, aber auch nicht mehr „unbedingt notwendig“ zu sein scheine, da, wie Hindenburg bei seinem Antrittsbesuche ausdrücklich bestätigt habe, in der Anlage des rumänischen Feldzuges völlige Übereinstimmung erzielt worden sei.
Bezeichnenderweise war es aber nun der Kaiser Franz Joseph, der schon am darauffolgenden Tage seine Heeresleitung wissen ließ, daß Cramon und Fleck, Schicksalsbund, 142.
er „die Erzielung vollen Einvernehmens im Sinne einer entscheidenden obersten Befehlsgebung ... als nötig“ erachte. Diese Mahnung traf gleichzeitig mit einer Note Ludendorffs ein, die neue Vorschläge zur Schaffung eines gemeinsamen Oberbefehls enthielt. Ludendorff trug in seinem Entwürfe den Anträgen Conrads in ziemlich weitgehendem Maße Rechnung, vor allem den Bedenken, die der öst.-ung. Generalstabschef der tatsächlichen Wirksamkeit einer in gewissen Fällen unbeschränkten Befehlsgewalt des Deutschen Kaisers über die verbündeten Heere entgegensetzte. Nach den Vorschlägen der neuen Heeresleitung, setzte die Tätigkeit der Obersten Kriegsleitung voraus, daß die anderen Heeresleitungen vor jeder wichtigen Entscheidung zu hören seien, und dabei „ein vollständiges Einvernehmen . . . angestrebt werden“ müsse. Neu war der Gedanke, die Oberbefehlshaber der verbündeten Heere zur Berichterstattung über die Lage ihrer Streitkräfte, über „ihre operativen Absichten“ und über die „zur Verfügung stehenden Machtmittel“ sowie deren Verteilung und Verschiebung zu verpflichten. Eine schiedsrichterliche Entscheidung für den Fall unausgleichbarer Meinungsverschiedenheiten war nicht vorgesehen.
Conrad begab sich am 3. September nach Wien, um den deutschen Antrag sowohl dem Kaiser wie dem Außenminister persönlich zu überreichen. Er scheint hiebei nur mehr ein schwereres Bedenken vorgebracht zu haben: dieses, daß die DOHL. auf Grund des Vertrages in die Lage kommen könnte, bei ihren Maßnahmen gegebenenfalls die politischen Interessen der Monarchie gegenüber denen Deutschlands besonders zurückzusetzen. Um solches hintanzuhalten, schlug er die Aufnahme eines gegenüber den anderen Verbündeten geheim zu haltenden Zusatzartikels vor, der die DOHL. verpflichten sollte, „den Schutz und die Integrität der Gebiete der öst.-ung. Monarchie jenen des Deutschen Reiches gleichzuhalten“ und, wenn in einem bestimmten Falle die öst.-ung. Heeresleitung einer Absicht der deutschen nicht zuzustimmen vermöchte, nicht ohne das Einverständnis des Kaisers von Österreich zu entscheiden. Der Kaiser und Burián pflichteten diesem Antrage Conrads bei, ließen ihn aber sonst erkennen, welch großen Wert sie offenbar unter dem Eindruck der Bedrohung durch Rumänien — auf einen möglichst raschen Abschluß der Verhandlungen legten.
In der Tat wurden die „Bestimmungen für den einheitlichen Oberbefehl der Zentralmächte und ihrer Verbündeten“ samt dem durch Conrad vorgeschlagenen Zusatz schon am 6. September im Schlosse Pleß durch die beiden Generalstabschefs unterzeichnet. Sie lauteten w'örtlich:
„1. Zur Sicherung der einheitlichen Führung der künftigen bul-garisch-deutsch-österreich-ungarisch-türkischen Operationen übernimmt Seine Majestät der Deutsche Kaiser die Oberleitung der Operationen der Zentralmächte und ihrer Verbündeten.
2. Die Hoheitsrechte der Obersten Kriegsherrn der verbündeten Wehrmächte hinsichtlich ihrer Streitkräfte werden hiedurch nicht berührt.
3. Die Oberleitung erstreckt sich auf die — der Gesamtsituation entsprechende — einheitliche Anlage und Durchführung der Operationen im großen, vornehmlich auf: a) die grundlegenden Ziele der auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen zu führenden Operationen, b) die hiefür zu verwendenden Kräfte und c) da, wo Truppen mehrerer Verbündeter teilnehmen sollen, auch hinsichtlich der Befehls- und Unterordnungsverhältnisse.
4. Zur Ausübung der Oberleitung stehen dem Deutschen Kaiser die Armeeoberkommandanten (Generalissimus) der verbündeten Wehrmächte und deren Generalstabschefs zur Verfügung — im türkischen Heere nur der stellvertretende Oberbefehlshaber. Sie sind vor jeder wichtigen Entscheidung, die die Gesamtinteressen berühren, zu hören. Dabei wird ein vollständiges Einvernehmen der Heeresleitungen angestrebt werden.
5. Die nach Anhörung der Armeeoberkommandanten (Generalissimus) vom Deutschen Kaiser getroffenen Entscheidungen sind für alle verbündeten Wehrmächte bindend.
6. Die Armeeoberkommandanten (Generalissimus) der verbündeten Wehrmächte sind verpflichtet, dem Deutschen Kaiser a) über die Situation der ihnen unterstellten Streitkräfte, b) über ihre operativen Absichten, c) über die ihnen zur Verfügung stehenden Machtmittel und ihre Verteilung und Verschiebung fortlaufend Bericht zu erstatten.
7. Alle Entscheidungen Seiner Majestät des Deutschen Kaisers sowie sonstige Mitteilungen an die Armeeoberkommandanten (Generalissimus) der verbündeten Wehrmächte werden „Für die Oberste Kriegsleitung“ vom Chef des Generalstabes des deutschen Feldheeres gefertigt.
8. Die Führung der Verhandlungen zwischen den verbündeten Heeresleitungen steht der Deutschen Obersten Heeresleitung zu. Anregungen können von jeder der verbündeten Heeresleitungen ausgehen.
9. Der dienstliche Verkehr zwischen den Armeeoberkommandanten (Generalissimus) und ihren Obersten Kriegsherren sowie den Zentralbehörden ihrer Staaten erleidet keine Änderung. Ein Dienstverkehr der Obersten Kriegsleitung mit diesen Stellen findet nicht statt.
10. Die Zuführung und materielle Versorgung der zur Teilnahme an einer gemeinsamen Operation bestimmten Heereskörper obliegt grundsätzlich den zuständigen Heeresleitungen. Abweichungen hievon sind nur auf Grund besonderer Abmachungen zulässig.
11. Diese Bestimmungen treten nur im Falle der Zustimmung der Obersten Kriegsherren aller verbündeten Wehrmächte in Kraft. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens wird nach Einholung dieser Zustimmung festgesetzt.“
Der nur Deutschland und Österreich-Ungarn betreffende Zusatzartikel, der Conrads politischen Bedenken Rechnung trug, hatte den Wortlaut:,,Mit der Übernahme der Oberleitung der Operationen der Zentralmächte und ihrer Verbündeten übernimmt Seine Majestät der Deutsche Kaiser die Verpflichtung, sich sowohl bei Führung der Operationen wie bei jeder Art in die Kriegführung einschlägiger Verhandlungen von dem Grundsatz leiten zu lassen, den Schutz und die Integrität der Gebiete der öst.-ung. Monarchie jenem des Deutschen Reiches gleichzuhalten. Wenn in Fällen, welche diese Integrität betreffen, das Armeeoberkommando sein Einverständnis nicht zu erklären vermag, verpflichtet sich Seine Majestät der Deutsche Kaiser, nicht ohne die Zustimmung Seiner kaiserlichen und königlichen Apostolischen Majestät zu entscheiden.“
Die Erfüllung des Punktes 11 schien fürs erste allerdings noch auf sich warten zu lassen. Conrad schien recht zu behalten: Der König der Bulgaren und der ottomanische Vizegeneralissimus hatten zwar ihr volles Einverständnis erklärt, wollten sich „jedoch vor endgültiger Zustimmung mit ihren verantwortlichen politischen Ratgebern besprechen“. Da nun aber der Aufmarsch in Siebenbürgen in vollem Gange war, wandte sich am 13. September Kaiser Wilhelm an Kaiser Franz Joseph mit der Bitte, er möge die Oberste Kriegsleitung für die beiden Mittelmächte noch am selben Tage in Kraft treten lassen. Kaiser Franz Joseph zögerte nicht, den Wunsch seines Bundesgenossen zu erfüllen, wobei er erklärte, in der Übernahme der Obersten Kriegsleitung durch den Deutschen Kaiser „eine wertvolle Bürgschaft für die Erfolge unserer gemeinsamen großen Aufgabe“ zu erblicken. Spät nachts konnte Hindenburg der öst.-ung. Heeresleitung mitteilen, daß sich auch Bulgarien in aller Form dem Oberbefehl des Deutschen Kaisers unterstellt habe. Die Zustimmung der Türkei erfolgte aus bisher noch nicht klargelegten Gründen allerdings erst am 11. November.
Damit war zwischen den verbündeten Mittelmächten eine Frage aus der Welt geschafft, die ohne das starke Widerstreben des öst.-ung. Generalstabschefs wohl schon erheblich früher gelöst worden wäre. Man tut der Bedeutung der Persönlichkeit Conrads gewiß keinen Abbruch, wenn man die geschichtliche Wahrheit zu ihrem Rechte kommen läßt, und das Verhalten des Generals zu keinem geringen Teile seinem trotz aller Bescheidenheit stark ausgeprägten Selbstbewußtsein zuschreibt. Dennoch ist auch den sachlichen Gründen, die er vorbrachte, ihr großes Gewicht gewiß nicht abzusprechen, und es ist ebenso wenig zu leugnen, daß sich Falkenhayn in seinem Entwürfe vom 22. August (S. 262) die Lösung der sch mengen Frage allzu leicht gemacht hat. In der Tat hat sich die neue DOHL. in ihren Vorschlägen, die schließlich zum Vertrag werden sollten, weitgehend dem Gegenantrag angeschlossen, den Conrad auf Befehl seines hochsinnigen Herrschers noch Falkenhayn übermittelt hatte, und alle wichtigeren seiner Einwände berücksichtigt. Auch den politischen Bedenken des öst.-ung. Generalstabschefs wurde durch den Zusatzartikel und durch die Verpflichtung, den Vertrag vor der Öffentlichkeit unbedingt geheim zu halten, so weit als möglich Rechnung getragen. Durfte so Conrad seine Unterschrift ohne tieferen Groll unter das Abkommen setzen, so hatte der Bündniskrieg durch die Schaffung der Obersten Kriegsleitung sicherlich eine starke moralische Untermauerung gewonnen, dies um so mehr, als neben dem Deutschen Kaiser zwei Männer vom Glanze Hindenburgs und Ludendorffs die neugeschaffene Einrichtung verkörperten. Andrerseits bedeutete diese für Deutschland in erhöhtem Ausmaße die Verpflichtung, die Kraft der Nation auch für die schwächeren Verbündeten einzusetzen — eine Erkenntnis, die zumal dem Entgegenkommen der Wiener Kreise einen starken Auftrieb verliehen haben mag.
In der Sache hatte vor allem die Pflicht zur Berichterstattung im Sinne des Punktes 6 ansehnliche Bedeutung; war es damit doch wenigstens einer Stelle des Vierbundes möglich, die militärische Lage auf allen Kriegstheatern zu überblicken1). Ob hingegen die dem Deutschen Kaiser übertragene Befehlsgewalt gegenüber dem einem oder dem anderen der Verbündeten auch dann ihre Probe bestanden hätte, wenn dieser, ob mit Recht oder Unrecht, lebenswichtige Interessen bedroht gesehen hätte, das muß füglich im Sinne Conrads bezweifelt werden. Ebenso ist es durch spätere Entwicklungen bewiesen, daß militärische Abmachungen über eine engere Zusammenarbeit Stückwerk bleiben mußten, solange nicht auch der Zusammenklang der politischen und wirtschaftlichen Kräfte des Vierbundes durch irgend eine Organisation vollkommen gewährleistet war.
\ Ludendorff, 203.
Die ersten Ereignisse in der Dobrudscha (1. bis 9. September)
Hiezu Beilage 29 des IV. und Beilagen 9 und 11 des V. Bandes Die Kriegsei'klärung Bulgariens
Mittlerweile waren, von den Mittelmächten mit Spannung erwartet, die Ereignisse auch an der bulgarisch-rumänischen Front endlich in Fluß gekommen.
Auf dem Balkan war den Ententemächten und ihrem neuen rumänischen Verbündeten noch vor der Kriegserklärung Rumäniens das Konzept dadurch verdorben worden, daß die Bulgaren der in der Bukarester Militärkonvention vom 17. August den Rumänen zugesicherten Offensive der Orientarmee zuvorkamen. Denn die Bulgaren waren am J 8. August mit den beiden Flügeln der mazedonischen Front selbst zum Angriff geschritten. Anlaß hiefür war der schon im Frühsommer rege gewordene Wunsch, den rechten Flügel bis über Florina und den linken bis auf die Nordhänge der Strumaebene vorzutragen (Bd. IV, S. 714), um einerseits eine günstigere Verteidigungsfront, andererseits in Kavala einen besseren Hafen als Dedeagać zu gewinnen. Der Offensive war damals von der DOHL. nicht zugestimmt worden, um den Griechen nicht Anlaß zum Abschwenken ins Ententelager zu geben. Als die Westmächte aber am 21. Juni durch Drohung mit einer Landung bei Athen die Demobilisierung des ihnen im Wege stehenden Griechenheeres erzwungen hatten, gab Falkenhayn, da jetzt die Gefahr eines unbeabsichtigten Zusammenstoßes mit den Hellenen vermindert war, den Bulgaren den Angriff frei1).
Die am 18. August begonnene Offensive der Bulgaren hatte Erfolg. Florina wurde schon am ersten Tage erobert. Dann hemmte ein serbischer Gegenschlag das weitere Vordringen. Bis zum Monatsende hatte die bulgarische 1. Armee nach stellenweise heftigen und wechselvollen Kämpfen eine Stellung bezogen, die sich von Korea zum Nordende des Ostrovosees hinzog. Die 2. Bulgarenarmee hatte bei ihrer Vorrückung bis an den Tahinosee nur schwache englische Sicherungen zu vertreiben. Das im Vorrückungsraume stehende griechische IV. Korps leistete keinen Widerstand. Es ließ sich in Drama am 10. September kampflos entwaffnen und wurde nach Görlitz in der Lausitz abgeschoben. Dieses
1) Falkenhayn. Heeresleitung, 217, 239. L a r c h e r, 149.
Verhalten des IV. Griechenkorps läßt einen Schluß zu, wie sich das Hellenenheer allenfalls benommen haben würde, wenn die Mittelmächte zu Ende 1915 im Anschluß an die Eroberung Serbiens gegen Saloniki vorgestoßen hätten (Bd. III, S. 259).
Hatten die Bulgaren durch ihren Vorhieb den Ententemächten die Entschlußfreiheit vorweggenommen und ihnen dadurch eine arge Verlegenheit bereitet, so ließen sie sich an der rumänischen Front mit der Erfüllung ihrer Bündnispflicht zunächst noch Zeit.
Dieses Zögern ließen die Rumänen nicht ungenützt vorübergehen. Von der russischen Diplomatie angespornt, stellten sie in Sofia die Abtretung der Dobrudscha für den Fall in Aussicht, daß Bulgarien neutral bliebe. Die rumänischen Lockungen verfehlten bei der bulgarischen Opposition nicht ihre Wirkung. Dazu kam der unleugbare Eindruck, den das Auftreten der Russen in der Dobrudscha im bulgarischen Volke hervorrief. Die Erinnerung an die Befreiung durch die Russen im Kriege 1877 78 wurzelte doch noch zu tipf in den Herzen der Bulgaren, als daß sie ohne Unbehagen einem Zusammenstoß zwischen ihren Truppen und den Russen, wie er sich in der Dobrudscha ergeben mußte, entgegengesehen hätten. Zwar betont Radoslawoff in seinen Erinnerungen1), Bulgarien habe nur zum Scheine, um Zeit zu gewinnen, die Fäden nach Bukarest nicht sofort zerrissen. Dennoch ist es bezeichnend, daß Sofia dem Heranführen des bei Adrianopel versammelten, für den Kampf gegen Rumänien bestimmten VI. Türkenkorps an die Donau in diesen Tagen noch erhebliche Schwierigkeiten in den Weg legte.
Unterdessen war es jedoch auf der Donau zu Feindseligkeiten gekommen. Die Rumänen unternahmen am 27. August nachts, gleich nach der Kriegserklärung an Österreich-Ungarn, gegen die vor Ruščuk noch ahnungslos liegende k.u.k. Donauflottille einen Torpedoangriff, dem aber nur ein mit 01 und Kohle beladener Schlepp zum Opfer fiel. Die Flottille fuhr hierauf in den geschützten Raum im Belenekanal und bombardierte am 28. Bahn- und Hafenanlagen bei Giurgevo sowie rumänische Donauschiffe2). Hiebei griff auch die bei Lelek auf bulgarischem Boden stehende 12 cm-Kanonenbatterie der k.u.k. Landgruppe ein3).
Schließlich und vielleicht nicht unbeeinflußt durch den Geschützkampf an der Donau, bei dem die Stadt Ruščuk in Mitleidenschaft
x) Radoslawoff, 206.
2) Wulff, Österreich-Ungarns Donauflottille in den Kriegsjahren 1914—1916 ''Wien 1918), 181.
3) Kellner, 18 ff.
gezogen worden war, entschied sich der König Ferdinand für die uneingeschränkte Erfüllung der Bündnispflicht. Am 1. September erklärte Bulgarien an Rumänien den Krieg, und am selben Tage hatten die Kriegshandlungen der bulgarischen 3. Armee an der Dobrudscha-front zu beginnen.
Die Eroberung von Zlnrtnkai und ihre Folgen (1. bis 6. September)
GFM. Mackensen hatte von der DOHL. am 28. August, dem letzten Tage der Amtstätigkeit Falkenhayns, den Befehl erhalten, sobald als möglich anzugreifen, wobei Richtung und Ziel dem Feldmarschall überlassen blieben. Doch schon tags darauf schufen die neuen Männer der DOHL. mehr Klarheit. Sie waren der Ansicht, daß ein sofortiger Vorstoß gegen Bukarest nur zu einer Niederlage der schwachen Streitmacht Mackensens führen würde. Da die Versammlung der zum Gegenschlag bestimmten deutschen und öst.-ung. Divisionen in Siebenbürgen bis in die zweite Septemberhälfte dauern mochte, erhielt Mackensen am 29. August den gemessenen Befehl: . . .es ist vorläufig von der Aus
führung des Donauüberganges Abstand zu nehmen. Es wird vielmehr Aufgabe der Heeresgruppe sein, unter Sicherung der Donaulinie, durch Einbruch in die Dobrudscha feindliche Kräfte auf sich zu ziehen und zu schlagen1).“
Dem Generalfeldmarschall, der am 31. in Tirnovo eintraf, standen hiefür die an der Dobrudschagrenze aufmarschierte bulgarische 3. Armee, GLt. Toscheff, das an der Donau zwischen Ruščuk und Sistov stehende deutsche Detachement Obst. Kaufmann2), die k.u.k. Donauflottille samt der Landgruppe und die aus Landsturm gebildete 12. Bulgarendivision, die zwischen Sistov und Teki ja das südliche Donauufer bewachte, zur Verfügung. Auf Vorschlag des GLt. Toscheff plante Mackensen fürs erste die Wegnahme der Festung Turtukai, von der aus das Vordringen der 3. Bulgarenarmee, die womöglich die schmälste Stelle zwischen Donau und Meer gewinnen sollte, in der Nordflanke bedroht werden konnte.
x) Wetzell, 20. — Hindenburg, 182 f.
2) H i 11 e r, Geschichte des Thüringischen Ulanen-Regiments Nr. 6 ^Berlin, 1930), 214.
v 18
Turtukai hatte mit seinen fünfzehn Gürtelwerken einen Umfang von 25 km und wurde zunächst von der rumänischen 17. ID. verteidigt. Der feste Platz stellte einen Brückenkopf dar, die Brückenverbindung mit dem Nordufer fehlte aber.
Sollte nun der bulgarische Angriff gelingen, so mußte er rasch durchgeführt werden, ehe rumänische Entsatztruppen von Silistria oder das — wie man zutreffend wußte — bei Cernavoda und Medžidie eintreffende russische Hilfskorps heraneilen konnten. GLt. Toscheff bestimmte zum Angriff die bulgarische 4. ID., eine Brigade der 1. ID. und die Masse des schwachen deutschen Detachements Obst. Kaufmann1), dem auch die bulgarische Besatzung von Ruščuk unterstellt wurde. Die zwei übrigen Brigaden der 1. ID. hatten das Unternehmen gegen Silistria zu schirmen und hiezu zunächst nach Akkadynlar zu rücken. Die l.KD. hatte Kurtunar zu besetzen und Vei'bindung zum rechten Armeeflügel,
2. Brigade der 6. ID. und mobile Reserve von Varna, zu halten, dem die Besitznahme von Dobrič aufgetragen war.
Am 1. September überschritten die Bulgaren die Grenze. Die für den Angriff auf Turtukai bestimmten Einheiten umschlossen an clen drei folgenden Tagen die Festung im Halbkreis und drückten rumänische Vortruppen zurück. Der Festungskommandant verlor aber schon jetzt die Ruhe und bat um rasche Verstärkung. Die Russen unter Gen. Zajontschkowskij, die am 5. die Linie Azaplar—Karalij erreichten, leisteten dem Hilferuf des rumänischen Oberkommandos jedoch keine Folge; denn sie sollten gegen Dobrič vorrücken, um dann Varna zu nehmen, das als Stützpunkt für eine über Burgas gegen Konstantinopel gerichtete Operation ausersehen war2). Dafür wurde aber die strategische Reserve des rumänischen Heeres, die eben nach Siebenbürgen abrollen sollte, am 4. September mit der 10. ID. nach Giurgevo und mit der 15. nach Oltenita verschoben. Die Letztgenannte sollte zur unmittelbaren Unterstützung von Turtukai dienen; noch am 4. abends trafen ihre ersten Abteilungen auf dem Südufer ein.
Am 5. September begann der entscheidende Angriff der Bulgaren und der jetzt vom Mjr. Freih. v. Hammerstein befehligten deutschen Truppen. Obwohl die Verteidiger nach Einlangen der 15. ID. den Angreifern zahlenmäßig überlegen waren — es fochten von den Rumänen 34 Bataillone mit (samt der Flottille) 187 Geschützen gegen 28 Batail-
Hammerstein, Kriegsgeschichte des Königl. Preuß. Infanterie-Regimentes von Borcke Nr. 21 (Zeulenroda, 1930), 387 ff.
2) D a b i j a, I, 284.
lone und 128 Geschütze der Bulgaren x)—, gelang es den Verbündeten in zweitägigen Kämpfen, den festen Platz zu erobern. Das Festungskommando hatte vollkommen versagt, und auch die Truppen leisteten — von wenigen Ausnahmen abgesehen — ganz unzulänglichen Widerstand. Zum Schluß versuchte alles in regelloser Flucht auf das Nordufer zu gelangen. Doch nur einem kleinen Teile der völlig vermengten Verbände der beiden Divisionen glückte der Versuch. Hunderte ertranken hiebei in den Wellen. Von den 39.000 Verteidigern fielen 28.500 Mann in Gefangenschaft; 3570 waren tot oder verwundet. Über 100 Geschütze und 62 Maschinengewehre blieben in den Händen der Eroberer, die ihren glänzenden Sieg mit 7950 Mann blutiger Verluste erkauft hatten2).
Den verspätet und nur mit halber Kraft von Silistria her unternommenen Entsatzversuch der 9. ID. hatte die Masse der 1. Bulgarendivision am 6. September bei Arabadžilari und Goljabina in einen Sieg der bulgarischen Waffen zu verwandeln vermocht. In voller Flucht trafen die rumänischen Truppen am Abend wieder in Silistria ein. Der rechte Flügel der Armee Toscheff, dem schon am 4. Dobrič kampflos in die Hände gefallen war, behauptete sich am 6. gegen die Angriffe des mit der rumänischen 19. ID. vereint vorstoßenden russischen XLVII. Korps.
Der überraschend schnelle Fall der Festung Turtukai löste in Rumänien größte Bestürzung aus; denn man hatte es nicht für möglich gehalten, daß der mit Sorgfalt gut ausgebaute Brückenkopf in so kurzer Zeit eine Beute des Gegners werden könnte. Jetzt war der rechte Pfeiler der Dobrudschafront gefallen, und überdies waren zwei Divisionen nahezu ganz aus der Kriegsgliederung des rumänischen Heeres gestrichen. Die Bestürzung wurde aber noch größer, als man aus dem Verlauf des Kampfes um Turtukai die Erkenntnis schöpfte, daß die rumänischen Truppen in taktischer Beziehung ihren Gegnern unterlegen waren, leicht dem Massenschreck verfielen und insbesondere schweres Artilleriefeuer nicht vertrugen. Auf der Gegenseite hatte der glänzende Waffenerfolg das Selbstvertrauen der Bulgaren mächtig gehoben. Die Bande des Bündnisses wurden noch fester geknotet, und die Mittelmächte durften berechtigterweise hoffen, daß die Bulgaren auch gegen die Russen ihren Mann stellen würden.
Da die rumänische Heeresleitung besorgte, der Gegner könnte die
!) O r t 1 e p p. Die Eroberung der rumänischen Donaufestung Tutrakan (Wissen und Wehr, Berlin, Jhrg. 1932, 5. Heft, 225 ff., 6. Heft, 297 ff.).
2) D a b i j a, I, 245 f.
Donau in der Richtung auf Bukarest überschreiten oder gegen den zweiten Pfeiler des Nordflügels der Dobrudschafront, gegen Silistria, vorrücken, unterstellte sie noch am 6. September alle südlich von der Donau befindlichen russischen und rumänischen Heeresteile dem Gen. Zajontsch-kowskij und beauftragte ihn, Turtukai zurückzuerobern. Zur weiteren Verstärkung der nunmehr zu erhöhter Bedeutung gelangten und bereits durch die strategische Reserve verstärkten (S. 274) Südfront hatte jetzt die 1. Armee die 12. ID. abzugeben. Der 2. Armee, bei der durch Umgliederung der vier Divisionen zu je drei Brigaden in sechs zu je zwei Brigaden die 21. und die 22. ID. entstanden (S. 232), wurde für die Südfront die 5. ID. entnommen1). Überdies traf die Heeresleitung wichtige Personalveränderungen. Der Führer der rumänischen 3. Armee, Gen. Aslan, wurde seines Amtes enthoben. An seine Stelle trat Gen. Averescu, der bisherige Kommandant der 2. Armee, der durch Gen. Cräinicianu ersetzt wurde.
Gen. Zajontschkowskij hielt sich jedoch nicht an den ihm erteilten Auftrag, die Rückeroberung von Turtukai zu versuchen. Er wandte sich am 7. neuerlich gegen Dobrič. Die Serbendivision, die aus öst.-ung. Kriegsgefangenen südslawischer Nationalität gebildet war und geringen Gefechtswert besaß, vermochte wohl knapp südlich von Kara Senan gegen die 2. Brigade der 6. Bulgarendivision Erfolge zu erzielen, die ihr aber von eingreifenden Teilen der mobilen Besatzung von Varna und der bulgarischen l.KD. entrissen wurden2).
Jetzt wurde die rumänische Heeresleitung auch von der Sorge befallen, der auf sich allein gestellten 9. ID. in Silistria könnte das gleiche Schicksal wie der 17. in Turtukai widerfahren. Sie befahl daher noch am 7. nachts die Räumung der Festung. Am 8. September nachmittags zog die 9. ID. nach Lipnita ab. Tags darauf ritten deutsche Ulanen, der 1. Bulgarendivision voraneilend, in die verlassene Donaufeste ein3). Am 9. September stand die Gruppe Zajontschkowskij von Westen nach Osten mit der rumänischen 9. ID., der 3. KD., der Serbendivision und der 61. ID. der Russen sowie mit der rumänischen 19. ID. und der 5. Cälärasibrig. ungefähr in der Linie Lac Oltina—JokariMahala—Musu bej—Kara Omer—Mangalia; sie war hiemit nach neuntägigem Feldzug schon auf 50 bis 90 km von der Reichsgrenze zurückgedrückt.
Nach diesem ersten, allerdings katastrophalen Mißerfolg bekamen
1) Dabija, I, 193.
2) Ebenda, 310.
3) Hiller, 233.
die Rumänen auch die Schattenseiten der Koalitionskriegführung zu fühlen. Der Stabschef der russischen Heeresleitung, Gen. Alexejew, wandte sich am 8. September durch den Militärbevollmächtigten Obst. Tatarinow an das rumänische Oberkommando und forderte ausreichende Sicherung gegen die Bulgaren, wozu etwa vier bis fünf Divisionen an Verstärkungen in den Raum um Silistria an den rechten Flügel des russischen Hilfskorps geführt werden sollten, um eine neue Front Silistria—Dobrič aufzubauen. In Siebenbürgen sollte in Abänderung des ursprünglichen Operationsplanes lediglich aus der Front Kronstadt—Dorna Watra gegen Westen vorgerückt werden, und zwar zunächst nur bis in die Linie Hermannstadt—Máramaros Sziget, bei engem Anschluß an den linken Flügel der 9. Russenarmee. Für den Raum westlich vom Alt empfahl Gen. Alexejew verteidigungsweises Verhalten bei besonderer Rücksichtnahme auf die Donaustrecke Orsova—Calafatu. Auf eine Unterstützung durch die Armee Sarrail — so hieß es weiter — dürfe Rumänien im Augenblick nicht hoffen. Die Hauptsache sei, Kräfte für einen entscheidenden Schlag zu sammeln; wo dieser geführt werden solle, darüber ließ Alexejew seinen Bundesgenossen allerdings noch im unklaren.
Fast wirkungslos blieb auch ein vom rumänischen König am 8. September an den Zaren gerichteter Hilferuf, worin Nikolaus II. an seine Bündnispflicht erinnert und um Unterstützungen für die Donaufront gebeten wurde. Der Zar verfügte wohl die Absendung der 115. RD. von der Nordfront in die Dobrudscha, ließ es aber im übrigen auf Vorschlag seines Generalstabschefs in seiner Antwort bei dem Rate bewenden, in der Dobrudscha nur soviele Divisionen als nötig zu vereinigen. Die Entscheidung werde in Galizien fallen, wo die Russen, aber auch die Gegner, starke Kräfte zusammenzögen. Ein dort von den russischen Waffen erfochtener Sieg werde auch dem Rumänenheere in Siebenbürgen die Erfüllung seiner Aufgabe erleichtern1).
Die rumänische Heeresleitung entsprach in weitestgehendem Maße allen ihr übermittelten Wünschen. Sie bildete mit Befehl vom 9. September in der Dobrudscha eine selbständige Armee unter Zajontschkowskij, die sie zunächst auf fünf schlagkräftige Divisionen zu verstärken gedachte. Hiefür zog sie auch noch die 2. ID. von der 1. Armee ab. Die der Dobrudschaarmee neu zugewiesenen Divisionen (5., 12. und 2.), denen auch noch die Reste der 15. angeschlossen wurden, sollten zwischen dem 10. und dem 17. September bei Cernavoda und Medžidie ausgeladen werden. Die nunmehr von Averescu befehligte 3. Armee hatte
J) D a b i j a, I, 313 f. — W a s s i 1 j e \v, 84.
lediglich den Schutz der Walachei auf dem nördlichen Donauufer östlich der Altmündung zu besorgen. Die westlich davon stehende 20. ID. wurde der 1. Armee zugeschlagen. In Siebenbürgen war die allgemeine Offensive einstweilen einzustellen. Hiezu hatten die 1. und die Nordarmee in die Abwehr zu fallen. Die 2. hatte sich derart zu gruppieren, daß sie einerseits zur Verteidigung zweckmäßig bereitstehe, andererseits die Vorrückung in den am Alt und am Homoródbach gelegenen Abschnitt zwischen Fogaras und Homoród Almás antreten könne.
Das Ergebnis der zwei ersten Kriegswochen war für Rumänien außerordentlich betrüblich. Sowohl in Siebenbürgen wie in der Dobrudscha war sein Heer gezwungen, in die strategische Abwehr zu fallen.
Die Ereignisse in Siebenbürgen vom 5. bis zum 13. September Hiezu Beilage 12 Vordringen der rumänischen 11. ID. gegen das Hätszeger Becken
(5. bis 11. September)
Ehe noch die Truppen des GLt. Staabs soweit versammelt waren, um an ihre Aufgabe: „Bekämpfung des über Hermannstadt und östlich davon eingebrochenen Feindes“ schreiten zu können, bedrängten die Rumänen die beiden Flügel der k.u.k. 1. Armee so stark, daß die Ausführbarkeit des der Südwestgruppe erteilten Auftrages ernstlich in Frage gestellt zu werden schien.
Die rumänische 11. ID., der das Vordringen in das Hätszeger Becken vorgezeichnet war, griff am 5. September die 144. IBrig. auf den Höhen nördlich vom Rumänischen Schyl, tags darauf auch noch bei Krivádia an. Wohl vermochten die Truppen des Obst. Berger den Feind abzuweisen, doch mußten ihnen zur Verstärkung zwei im Eisernen Tor Paß stehende Landsturminfanteriebataillone und eine Gebirgsbatterie zugeschoben werden.
Am 7. stießen die Rumänen neuerlich mit einer Gruppe über die Höhen, mit einer anderen längs der Bahn vor. Dieser zweiten gelang es am Abend, bei Krivádia in vier Kilometer Breite einzubrechen. Ein am folgenden Tage von 21/2 öst.-ung. und 11/2 Bataillonen der deutschen 187. ID. unternommener Gegenangriff gewann zwar die Höhen nördlich von Baru mr. zurück, doch glückte dem Feinde auf dem hartumkämpften Höhenrücken nördlich vom Rumänischen Schyl eine Umgehung des
Westflügels der 144. Brigade. Obst. Berger nahm hierauf alle seine Truppen auf den vom Retiezat gegen Hobica streichenden Rücken und in eine von hier nach Ohába-Ponor verlaufende Linie zurück. Brückensprengungen im Strelltale hemmten die rumänischen Verfolger.
Am 8. September vormittags hatte GLt. Staabs in Karlsburg das Gruppenkommando übernommen. Er schob eilig das IR. 187 und vier Batterien der 187. ID. zur 144. IBrig. und übertrug das Kommando über alle im Abschnitt Hátszeg fechtenden Truppen dem Führer der 187. ID., GLt. Sunkel; dieser erhielt den Auftrag, den in das Strelltal eingedrungenen Feind zurückzuwerfen oder doch jedes Vorrücken der Rumänen aus dem Hátszeger Becken gegen den Eisernen Tor Paß und insbesondere in nördlicher Richtung gegen das Marostal zu verhindern. Der Rest der deutschen Division, ein Infanterieregiment und sieben Batterien, sammelte sich unterdessen bei Mühlbach und übernahm vom HIR. 302, das am 9. September zur 51. HID. einrückte, die Sicherung gegen Südosten und Süden.
Der Feind drängte aber ins Hátszeger Becken nicht weiter nach. Er begnügte sich mit der Besitznahme der Petrosényer Kohlenbergwerke. Im Sinne der am 6. September abends vom rumänischen Oberkommando erlassenen Weisung zur Einstellung der Offensive und wegen der durch das Abziehen der 2. ID. eintretenden Schwächung des I. Korps befahl Gen. Culcer der 11. ID., weiterhin in der Abwehr zu verharren, wozu sie sich, wie der Kommandant des I. Korps am 11. September anordnete, in der Linie Baru mr.—Oboroca—Tulisa eine Stellung ausbauen sollte1).
Die Begebenheiten bei Hermannstadt und nordwestlich von Kronstadt zwischen dem 5. and dem 13. September
Im Gegensatz zur rumänischen 11. ID. verhielten sich die vor Hermannstadt stehenden feindlichen Truppen, die am 8. unter dem Befehl des Führers der 13. ID. als ,,Alt-Korps“ zusammengefaßt wurden, sehr untätig. Deshalb konnte sich auch beim Verteidiger am 4. das Auslösen der 143.IBi~ig. reibungslos vollziehen, obwohl das als Ersatz bestimmte HIR. 302 erst fünf Tage später von Mühlbach heranrückte. Unterdessen belästigten schneidig geführte Nachrichtenabteilungen die Rumänen und verleiteten sie mitunter zur Entfaltung sehr starker Kräfte. So unternahmen am 7. als Vergeltung vier rumänische Bataillone und eine Batterie einen Vorstoß von Freck über Cornatielu gegen Schellenberg. Hiebei
i) D a b i j a, II, 29 ff.
nahmen sie durch Überfall etwa 1000 Mann gefangen, gerieten aber dann ins Artilleriefeuer und wurden zersprengt, wobei 900 Gefangene entkamen1). Am 10. wiederholte die durch Infanterie verstärkte 1. Cälärasibrig. den Vorstoß ungefähr im selben Raume und erlitt ein ähnliches Mißgeschick.
Tags darauf gelangte das Kavalleriekorps Schmettow im Anschluß an die 51. HID. in die Front. Die deutschen Reiter besetzten die Höhen nördlich der Straße Hermannstadt—Cornatielu. Östlich davon setzte sich die 7. KBrig. der k.u.k. l.KD. fest und schob Sicherungen bis auf den Höhenrand am nördlichen Altufer vor; die 6. KBrig. rückte in den Raum Agnetheln—Schönberg und stellte Vorposten zwischen Rucoru und Calboru auf.
Das Auftauchen deutscher Helme östlich von Hermannstadt und an der Bahn Mühlbach—Hermannstadt versetzte den Führer des rumänischen Alt-Korps in nicht geringe Unruhe. Um seine Westflanke besser zu schützen, bemächtigte er sich durch einen Vorstoß der Hügel in der Bahnschlinge östlich von Szecsel, die ihm allerdings zwei Tage später von zwei Bataillonen der 187. ID. wieder entrissen wurden.
Weiter im Osten richtete sich die k.u.k. 71. ID. mit der rechtsstehenden 141. IBrig. auf dem nördlichen Altufer zwischen Halmágy und östlich von Reps, mit der nördlich anschließenden 142. IBrig. am kleinen Homoródbach bis Homoród Oklánd ein. Ihre im Geisterwald stehenden Nachrichtenabteilungen wurden von den Vorhuten der sehr langsam vorrückenden rumänischen 2. Armee zurückgedrückt. Gen. Cräinicianu, der am 7. das Armeekommando übernahm, führte bis zum
8. das II. Korps mit der 3. ID. nach Mundra und Sárkány, mit der 4. nach Krebsbach und Rothbach, indes die 21. ID. bei Zeiden verblieb. Beim zurückgehaltenen III. Korps stand die an Stelle der abgegangenen
5. ID. neu zugewiesene 22. ID. bei Marienburg, die 6. ID. noch immer bei Sepsi Szt. György, eine rechte Seitenabteilung stellte beim Orte Mikóújfalu die Verbindung zur Nordarmee her.
Fortsetzung der Offensive der rumänischen Nordarmee (5. bis 11. September)
Am 5. September hatte die rumänische Nordarmee ihren zweiten Aufmarsch vollendet, und ihr Führer, Gen. Presan, stellte es sich zur Aufgabe, die im Westen der Gyergyó und der Csik gelegenen Höhen zu r) D a b i j a, II, 48 f.
besetzen, wozu bis auf die Rückenlinie des Görgenyer-, des Hargitta-und des Baróter-Gebirges vorgerückt werden sollte '). Um den rechten Flügel zu verstärken, wurde die Masse der 8. ID. aus der Háromszék zurückgezogen, mit der Bahn nach Piatra befördert und dann durch den Bekaspaß und über Gyergyó Ditró vorgeführt, um zwischen der
14. und der 7. ID. eingeschoben zu werden. Die 15. IBrig. der 8. ID. blieb zunächst noch auf dem Südflügel der Nordarmee.
Am 6. September gegen Mittag griff die rumänische 14. ID. die knapp westlich von Maroshéviz in befestigter Stellung stehende 16. LstGbBrig. doppelt umfassend an. Da die geringen Reserven zur Abwehr der Überflügelung nicht ausreichten, plante GM. Grallert, die Brigade abends in eine bei Zenkány vorbereitete Stellung zurückzunehmen. Doch der von Ortsbewohnern rumänischer Zunge geführte Feind gelangte am Nordflügel schon vorher in den Rücken dieser Aufstellung, die selbst nach Einsatz aller Reserven um so weniger zu halten war, als auch das westlich von Gyergyó Remete fechtende k. u. Landsturminfanteriebataillon 111/17 auf den Sattel östlich von Laposnya zurückgedrängt wurde. GM. Grallert beabsichtigte daher, am 7. im Marostal bis Palota zurückzugehen. Das Gendarmeriebataillon sollte auf die Bistricioara ausweichen und von dort die Verbindung zur 7. Armee hersteilen.
Das 7. Armeekmdo. erhob jedoch Einspruch gegen diese weitreichende Rückverlegung der 16. LstGbBrig., worauf GdI. Arz anordnete, daß wenigstens bei Mesterháza erneuert Widerstand zu leisten sei. Zur Verstärkung des bedrohten Nordflügels wurde jetzt auch die schon geplant gewesene Verschiebung der 72. ID. eingeleitet. Da die Bahn noch von der zur 7. Armee rollenden 10. bayr. ID. belegt war, konnte die 72. ID. nur bis Szamos Ujvár vorgeführt werden; von hier rückte sie in Fußmärschen nach Lechnitz (17 km südwestlich von Bistritz).
Auch die k.u.k. Heeresleitung griff jetzt nachdrücklich ein. Sie betonte, daß die Vorbedingung erfolgreicher Kriegshandlungen gegen Rumänien in dem festen Willen aller dort Kämpfenden liege, keinen Schritt Bodens aufzugeben, ohne daß zwingende Nötigung hiezu vorläge, und ohne dem Feinde dabei Schaden zugefügt zu haben.
Am 7. September bezog die 16. LstGbBrig., wie befohlen, beiderseits von Mesterháza Stellung. Die rumänische 14. ID. folgte auf Respektsdistanz. Von den zwischen den beiden Brigaden der 61. ID. stehenden Verbindungsgruppen befand sich das Landsturmbataillon
i) Dabija, II, 268.
III 17 bei Laposnya, das k. u. Landsturminfanteriebataillon II 12 stand noch immer bloß eine Wegstunde westlich von Gyergyó Alfalu. Dennoch sali sich GLt. Morgen, der zwar erst am 8. offiziell in Maros Vásárhely das Gruppenkommando übernahm, noch am 7. veranlaßt, die 1. LstHusBrig. zur Sperrung des oberen kleinen Kokeltales und zur Verstärkung des Bataillons II 12 nach Parajd in Marsch zu setzen. Die knapp westlich von Csik Szereda stehende 19. LstGbBrig. wurde am 7. in den späten Nachmittagsstunden von Teilen der rumänischen 7. ID. in breiter Front angegriffen und wich — weil auf beiden Flügeln bedroht — gegen die Sattelhöhe Tolvajos zurück. Zur Sicherung der von Gyergyó Vasláb nach Székely-Udvarhely führenden Straße hatte Obst. Szabó ein halbes Bataillon ausgeschieden.
Am 8. und 9. September beschränkte sich die Kampftätigkeit bei der auf 120 km Ausdehnung gruppenweise und fast durchwegs im Walde fechtenden 61. ID. auf die Abwehr einzelner rumänischer Vorstöße. Vor einem solchen wich das Landsturminfanteriebataillon II 12 am 9. auf die Sattelhöhe südöstlich vom Mezöhavas A 1777 zurück, ging aber in der Nacht des besseren Ausschusses wegen wieder an den Beckenrand vor. Stark bedroht war auch die 19. LstGbBrig., weshalb GLt. Morgen drei eben in Schäßburg ausgeladene bosnische Bataillone, die aber in denVerband der 71. ID. treten sollten, nach Székely-Udvarhely vorsandte, wo sie am 10. eintrafen und unter Ohstlt. Kopfstein in ein Regiment vereinigt wurden.
Bei der Armee Presan stellten sich die Heereskörper am 8. und am 9. zu einem neuen Angriff bereit. Hiezu ging die 14. ID. bis Mester-háza vor, die 8. ID. beendete ihre Versammlung bei Gyergyó Ditró, um über Laposnya vorzudringen, indes die 4. gemischte Brigade von Gyergyó Szt. Miklós über Gyergyó Alfalu gegen Parajd gewiesen wurde. Die 15. IBrig. rückte zur 7. ID. nach Csik Szereda heran. Die 2. KD., die zwischen Kukuk h-A 1560 und Mikóújfalu stand, schickte sich zur Aufklärung bis in das obere Vargyastal und nach Barót an.
Am 10. September setzten die Rumänen ihre Angriffe fort. Die 19. LstGbBrig. wurde von der 7. Rumänendivision zum Ausweichen bis in eine 10 km östlich von Szt. Egyházas-Oláhfalu die Straße sperrende Stellung gezwungen. Auch ihre linke Seitenhut mußte bis auf zwei Wegstunden nördlich von Zetelaka zurück. Die Gruppe Obst. Csécsi-Nagy (Landsturmbataillon II 12 und Masse der 1. LstHusBrig.) wurde von der rumänischen 4. gemischten Brigade zunächst bis auf die Sattelhöhe östlich vom Mezöhavas und nach neuerlichem Angriff bis in eine Auf-
Stellung 10 km östlich von Parajd gedrängt. Das Landsturmbataillon III/17 mußte vor weit überlegenen Kräften der rumänischen 8. ID. unter erheblichen Verlusten bis Al. Fancsal weichen. Es wurde nun durch ein halbes Bataillon, eine Fußschwadron und zwei Geschütze verstärkt und unter Befehl des Obstlt. Hetlinger gestellt. Schließlich bedrängte die 14. ID. durch doppelseitigen Angriff die Brigade Bernátsky bei Mesterháza. Deren Südflügel wurde zersprengt und die Artillerie im Tale überfallen. Nur mit Mühe konnten kleine Reserven und der Panzerzug XI den Verlust der Geschütze verhindern. Abends stand die arg zerzauste Brigade knapp östlich von Palota. Die rumänische 14. ID. zweigte ein Detachement aller Waffen nach Norden ab, um das oberste Negratal von öst.-ung. Abteilungen zu säubern.
Am 11. September blieb die k.u.k. 61. ID. ziemlich unangefochten. Die rumänische Nordarmee schob sich im Görgenygebirge bis in die Linie Palota—Höhe Mezöhavas, in der Hargitta und im Baróter-Gebirge bis über die Wasserscheide vor.
Führerentschlüsse in Siebenbürgen zwischen dem 10. und dem 13. September
Als der Führer der Nordostgruppe, GLt. Morgen, am 10. September früh über den neuerlichen Angriff der von ihm auf vier Divisionen geschätzten rumänischen Nordarmee Meldung erhielt, besorgte er, daß diese Armee gegen Székely-Udvarhely und Parajd durchbrechen könnte. Er kam nochmals auf seinen Plan zurück, diesen Feind beim Heraustreten aus dem Görgenyer- und Hargittagebirge anzufallen. Zur Vorbereitung dieses Unternehmens befahl er am 10. vormittags, daß die Brigaden Obst. Csécsi-Nagy und Obst. Szabó vor überlegenem Feinde gegen die Linie Bögöz (7 km südwestlich von Székely-Udvarhely) — Székely-Keresztur—Erdö Szt. Gvörgy auszuweichen hätten, während die nördlichen Gruppen der 61. ID. nur schrittweise Raum geben sollten. Den Gegenschlag wollte er mit der 39. HID. und der 72. ID. über Szász Régen in südöstlicher Richtung führen. Das Mißgeschick, das die Brigade Csécsi-Nagy am 10. ereilte, ließ GLt. Morgen allerdings besorgen, daß diese Brigade rascher als erwünscht zurückgleiten könnte; deshalb schob er ihr mit Gewaltmarsch das Regiment Obstlt. Kopfstein von Székely-Udvarhely nach Parajd zu.
Das 1. Armeekmdo. hatte mittlerweile am 8. September aus Teschen die Verständigung vom Anrollen des deutschen Alpenkorps und der deutschen 89. ID. erhalten; die letztgenannte war der Ersatz für die 3. GID., beziehungsweise die 208. Division. GdI. Arz beabsichtigte, das Alpenkorps über Arad nach Alvinc—Mühlbach zu leiten, um es in der Gruppe Staabs zum Angriff gegen den bei Hermannstadt stehenden Feind zu verwenden. Die 89. ID. mußte aus transporttechnischen Gründen über Klausenburg anrollen und sollte bei Kocsárd ausladen. Sie war gleichfalls der Südwestgruppe zugedacht, konnte, wenn nötig, aber auch der Gruppe Morgen zugeführt werden.
Beeinflußt durch die Ereignisse an der siebenbürgischen Ostfront, änderte GdI. Arz am 10. seine Ansicht. In einer nach Teschen erstatteten Lagebeurteilung bezeichnete er nunmehr den aus der Csik und der Gyergyó vordringenden Feind als den gefährlichsten und beantragte in Anlehnung an den Vorschlag des GLt. Morgen, mit der 72. ID., der 39. HID. und der deutschen 89. ID., welch letztere allerdings erst am 14. bei Maros Ludas kampfbereit sein konnte, gegen die rumänische Nordarmee einen Schlag zu führen. Das sei um so nötiger, als diese Armee bei Fortsetzung ihrer Vorrückung das Gör-génybachtal, Parajd und Székely-Udvarhely erreichen und hiebei die 71. ID. in der Nordflanke bedrohen konnte. Von dieser Division, deren Ausbau fast beendet war, und die unter einem tatkräftigen Führer stand, erhoffte sich Arz nachhaltigen Widerstand gegen die rumänische 2. Armee, die nur über Sárkány gegen Fogaras kräftiger vorfühlte, sich ansonsten aber untätig verhielt. Man vermutete in Klausenburg, daß diese Armee von ihren vier Divisionen Kräfte aus dem Burzenlande nach Norden verschoben oder für die Dobrudscha abgegeben habe. Als aber GLt. Morgen am 11. der 71. ID. befahl, ihre Hauptkraft bei Deutsch Kreutz zu versammeln, um allenfalls gegen die vorbrechende rumänische Nordarmee von Süden her in der Richtung auf Székely-Udvarhely einen Schlag zu führen, und am Alt zwischen Fogaras und Héviz nur schwache Sicherungen zu belassen, hegte das 1. Armeekmdo. gegen diese Schwächung gegenüber der rumänischen 2. Armee doch Bedenken. Es beabsichtigte daher, das anrollende Alpenkorps bis nach Elisabethstadt weiterzuleiten, von wo es je nach Erfordernis sowohl gegen Süden als auch zur Stärkung der Gruppe Morgen gegen Osten eingesetzt werden konnte.
Die Untätigkeit des vor Hermannstadt stehenden Feindes ließ im Augenblick einen Angriff gegen ihn weniger nötig erscheinen. Selbst wenn er die 51. HID. nach Norden zurückdrängen sollte, konnten Flankenstöße des Kavalleriekorps Schmettow von Osten und der bei
Mühlbach sich sammelnden deutschen Truppen von Westen verzögernd wirken. Wichtiger erschien dagegen dem 1. Armeekmdo. die vollständige Säuberung des Raumes um Petrosény durch Zurückwerfen des Feindes über die Reichsgrenze. Der Angriff sollte nach Eintreffen des aus Nordalbanien anrollenden k. k. LstlR. 9 beginnen.
Um den Abschnitt Orsova hatte das 1. Armeekmdo. keine Sorge. Hier war die 145. IBrig. am 6. September zum Angriff gegen die Grenzhöhen südöstlich von Herkulesbad geschritten. Er hatte wohl nicht den gewünschten vollen Erfolg, immerhin konnte das FJB. 19 an den Vrf. Cocosiului nahe herankommen. Die Kämpfe währten bis in die Nacht auf den 10., und GdI. Arz nahm an, daß durch diesen Angriff den Rumänen die Lust zum weiteren Vordringen im Donautale benommen worden sei. Etwas beunruhigend wirkten Nachrichten über die Anwesenheit russischer Truppen vor Orsova und auch im Schyl -tale; sie sollten sich allerdings bald als völlig haltlos erweisen. Ein von der 187. ID. am 8. nach Mehadia abgezweigtes deutsches Bataillon, das etwa zehn Tage dort verblieb, aber an den Kämpfen nicht teilnahm, sollte den Rumänen die Versammlung stärkerer deutscher Kräfte vortäuschen.
Die k.u.k. Heeresleitung war mit den Absichten des GdI. Arz einverstanden; sie regte nur an, zur einheitlichen Gefechtsführung bei Hermannstadt die 51. HID. dem GLt. Schmettow zu unterstellen, was von Klausenburg aus verfügt wurde. Des weiteren wies das AOK. für Siebenbürgen zu: das k.u.k. VI. Korpskmdo., FML. v. Fabini, zur Führung der 72. und der 61. ID. sowie der 1. LstHusBrig.; ferner die 37. HID. (vorerst ohne Artillerie) und schließlich das HR. 2, dessen Mannschaft aus Széklern bestand und die Verwendung in ihrer Heimat erbeten hatte *).
Die in Klausenburg und in Teschen für die weiteren Kampfhandlungen in Siebenbürgen gefaßten Entschlüsse wurden, wie vereinbart, auch nach Pleß mitgeteilt. Die DOHL. stimmte der beabsichtigten Verwendung der Gruppe Staabs (zunächst Zurückwerfen des Feindes über den Szurdukpaß) sowie der Versammlung der 89. ID. bei Maros Ludas und deren allfälligem Vorziehen nach Maros Vásárhely zu. Dagegen glaubte sie einen Angriff der Nordostgruppe nicht befürworten zu können. GLt. Morgen hatte nämlich der DOHL. über die geringe Angriffsfähigkeit der ihm unterstellten öst.-ung. Truppen unmittelbar berichtet. Aber auch die deutsche 89. ID. bestand zum Teil aus älteren
!) Das HR. 2 war bisnun Divisionskavallerie bei dem nächst Baranowicze stehenden k.u.k. XII. Korps.
Männern, die nach langem Grabendienst im Marschieren noch nicht genügend geübt worden waren. In Pleß hielt man demnach den vom GLt. Morgen geplanten Gegenangriff nicht für aussichtsreich; man war der Ansicht, daß ein im wesentlichen verteidigungsweises Verhalten der Nordostgruppe eher entsprechen würde. Dagegen regte GdI. Ludendorff neuerlich an, die Entscheidung durch die Gruppe Staabs zu suchen, sobald hinreichend Kräfte vorhanden wären. Hiezu empfahl er, das Alpenkorps, wie vom Anbeginn geplant, in Mühlbach auszuladen, welchem Wunsche das k.u.k. AOK. auch entsprach.
Im Sinne dieses Gedankenaustausches mit der DOHL. ließ nun GO. Conrad am 12. der 1. Armee eine Weisung über die Verwendung der Gruppe GLt. Morgen zukommen. Er ging hiebei von der Voraussetzung aus, daß die Rumänen mit ihrer Nordarmee kaum über Székely-Ud-varhely und nördlich davon vorstoßen dürften, ohne gleichzeitig auch mit der 2. Armee aus dem Raume um Kronstadt über die jetzt von der 71. ID. nur ganz schwach gesicherte Altstrecke Fogaras—Héviz vorzugehen. Ein Vordringen der 2. Rumänenarmee aus südlicher Richtung über Fogaras und Reps würde aber jedes Manövrieren der Stoßgruppe des GLt. Morgen gegen Osten unterbinden. Da dem GO. Conrad auch der Schutz des Südflügels der 7. Armee sehr am Herzen lag, empfahl er, ein Vordringen der Rumänen im Raume an und nördlich der über Parajd führenden Straße durch die 72. ID., die Nordgruppe der 61. ID. und die verstärkte 1. LstHusBrig. lediglich aufzuhalten. Er stimmte dem GLt. Morgen aber insoweit zu, als gegen den Feind, der aus dem Waldgebirge auch nur in einzelnen, von einander weit getrennten Gruppen vorbrechen mochte, örtliche Erfolge durch tätige Verwendung der Reserven angestrebt werden könnten. Nur sollten hiebei die am Südflügel zu versammelnden Divisionen (39. HID. und 89. ID.) wegen einer voraussichtlichen Bedrohung durch die rumänische
2. Armee keinesfalls über die Kleine Kokel nach Süden Vordringen.
GLt. Morgen war zunächst wohl nicht zu bewegen, seinen Angriffsplänen zu entsagen. Als er aber erfuhr, daß man auch in Pleß von ihm zunächst nur die Abwehr wünsche, beschied er sich am 13. doch damit, seine Aufgabe bloß in regsamer Verteidigung zu lösen. Die 71. ID. samt der ihr vom 13. an unterstellten 19. LstGbBrig. hatte ein Vorgehen des Feindes zu verzögern, wobei die bei Deutsch Kreutz sich sammelnde Reserve des GM. Goldbach den Rumänen möglichst Abbruch tun sollte. Der Nordflügel der Gruppe Morgen, die östlich von Parajd stehende verstärkte 1. LstHusBrig., die sich der deutsche Korpsführer direkt unterstellt hatte, und die im Görgeny- und im Marostale fechtende halbe 61. ID., hatten zunächst als Deckungstruppen dem Feinde Aufenthalt zu bereiten. Erst wenn sie zurückgedrängt wären, sollte die gesamte Kraft ein Vorgehen des Feindes über das Kelemen-gebirge und über die vorbereitete Maros—Kokelstellung verhindern. Hiezu waren die 39. HID. am 13. beiOl.Telek—Mikháza (südöstlich von Szász Régen) und die 72. ID. bei Monor und N. Sajo (nördlich von Szász Régen) eingetroffen; die 72. ID. hatte das Bataillon VII/73 mit zwei Gebirgsbatterien unter Obstlt. Sander zur Unterstützung des Gendarmeriebataillons Ziegler gegen die Bistricioara A 1994 ausgesendet. Die deutsche 89. ID. wurde nach Maros Vásárhely vorgezogen.
Die Südwestgruppe der 1. Armee hatte mittlerweile — vom Feinde fast gar nicht gestört — Vorbereitungen für die weiteren Kampfhandlungen getroffen. GLt. Staabs plante, den Gegenangriff im Abschnitt Hátszeg am 14. zu beginnen. Nach durchgeführter Säuberung des Petro-sényer Beckens war das Vorführen aller verfügbaren Teile der 187. ID. über Mühlbach zum Angriff bei Hermannstadt in Aussicht genommen. Bis dahin hatte die 51. HID., unterstützt von Teilen des Kavalleriekorps, die Abwehr auf den Höhen nördlich der Stadt fortzusetzen. Die Gruppe bei Orsova sollte auch weiterhin ein Vordringen des Feindes verhindern. Um dem GLt. Staabs die Sorge um diesen Kampfraum abzunehmen, stellte die k.u.k. Heeresleitung am 12. die 145. IBrig. und die Donaugruppe unter den einheitlichen Befehl des 10. KBrigKmdos., Obst. Ritt. v. Szivó.
Die rumänische Heeresleitung hatte am 9. September den Befehl zum einstweiligen Einstellen der Offensive in Siebenbürgen erlassen (S. 278). Gen. Presan, der Führer der rumänischen Nordarmee, entsprach dieser Weisung aber erst am 11., als seine Truppen die Rückenlinie des Görgeny-, des Hargitta- und des Baróter-Gebirges gewonnen hatten (S. 283). Diese Linie war zu befestigen, außerdem sollte am Ostrand der Gyergyó und der Csik, dann noch weiter östlich in der Linie der Paßeingänge je eine hintere Stellung gebaut werden. Als Armeereserve wurde die 15. IBrig. nordwärts in den Raum Gyergyó Szt. Miklós— Gyergyó Vasláb verschoben. Die 2. KD. hatte nunmehr allein die große Lücke auszufüllen, die sich bis zum Nordflügel der 2. Armee auftat1).
Die fortdauernde Verschlechterung der Lage in der Dobrudscha veranlaßte am 12. die rumänische Heeresleitung neuerlich zu dem Befehle, in Siebenbürgen in die Verteidigung zu fallen. Außerdem sollte,
i) Dabija, II, 276.
um Kräfte auslösen zu können, die Front der 2. Armee durch Vorverlegen in die Linie Fogaras—Homoród Almás verkürzt werden. Die Nordarmee hatte hiezu ihren Südflügel, die 2. KD., bis Lövete und Székely-Udvarhely vorzunehmen. Zur Verbindung mit der 1. Armee sollte die Armee Crainicianu eine gemischte Abteilung bis Ucia d. j. (24 km westlich von Fogaras) entsenden.
Der rumänische Kriegsschauplatz vom 14. bis zum
19. September
Hiezu Beilage 12 Übergang der rumänischen 2. Armee über den Alt
Der 12., der 13. und der 14. September verliefen an der Ostfront Siebenbürgens ohne besondere Ereignisse. Dies ermöglichte es dem GM. Goldbach, an der Strecke Alt—G. Homoródbach zwischen Fogaras, Katzendorf und Homoród Szt. Pál bloß ein Infanterie- und ein Landsturmbataillon sowie drei Gendarmeriebataillone mit einer Batterie zu belassen (3500 Gewehre und 6 Geschütze auf 48 km Front). Die Masse seiner Division versammelte er bei Kányád mit der Absicht, am 15. September bei sich bietender Gelegenheit dem Feinde einen kräftigen Schlag zu versetzen1). Diese Möglichkeit sollte sich in der Tat ergeben, da Gen. Crainicianu den Übergang über den Alt für den 15. angesetzt hatte.
Noch vor Tagesanbruch überschritten am 15. die 3. ID. des rumänischen II. Korps zwischen Fogaras und Comana d. j. und die 22. ID. des III. Korps beiderseits von Héviz, meist ohne Brückengerät, den Fluß und drängten die schwachen Uferwachen der k.u.k. 71. ID. bis über die Linie Fogaras—D. Tekes—Reps zurück. Die 2. Cälärasibrig. holte sich dagegen bei Voila von der vom Obst. v. Pongrácz befehligten k.u.k. 6. KBrig. eine kräftige Abfuhr.
Den GM. Goldbach bestärkte der von ihm erwartete Übergang des Feindes in seinem Vorhaben, seine Hauptkraft angriffsweise zu verwenden. Als zu Mittag die Meldung über das Vorrücken einer rumänischen Truppenkolonne über Katzendorf gegen Homoród einlangte, setzte er die zur Hand befindlichen Truppen, das IR. 82 und das Infanteriebataillon V/43, zum Stoß nach Süden an. Diese Gruppe traf die südliche Kolonne der zwischen Al. Rákos und Homoród Oklánd vor-
1) Bajnoczy, Die 50tägige Bewegungsoperation der k.u.k. 71. Division (in ungarischer Sprache, Budapest 1931), 57 ff.
gehenden 6. Rumänendivision in Flanke und Rücken. In einem auf den Waldbergen westlich von Katzendorf sich abspielenden lebhaften Gefechte wurden die rumänischen Abteilungen bis nach Reps zurückgeworfen. Eingreifende Reserven bedrängten dann wohl die Székler, die aber schließlich die Höhe südlich von Königsdorf zu behaupten wußten x).
GM. Goldbach hatte mittlerweile das eben östlich von Schäßburg mit der Bahn eintreffende HR. 2 nach Süden geworfen, um die Verbindung mit dem Kavalleriekorps Schmettow aufrecht zu erhalten. Als er am 15. abends die Meldung erhielt, daß die 19. LstGbBrig. vor der rumänischen 7. ID. nach Fenyéd (5 km nordöstlich von Székely-Udvarhely) ausgewichen war, nahm er am 16. die Schlagtruppen seiner Division in die zur Verteidigung in Aussicht genommene Linie Erkedt— Höhen südlich von Denndorf zurück, um die von Reps und Fogaras nach Schäßburg führenden Straßen zu sperren.
Der Feind störte dieses Vorhaben nicht, da er das den drei Angriffsdivisionen vorgezeichnete Ziel, die Linie Fogaras—Reps—G. Homorodbach, erreicht hatte. Auch mag der kühne Flankenstoß der 82er bei Königsdorf auf ihn nicht ohne Eindruck geblieben sein. Statt der bei der Vorrückung zurückgebliebenen 2. KD. stellte die 3. Cälärasibrig. bei Homoród Szt. Márton die Verbindung zur Nordarmee her. Die 4. ID. des II. Korps verblieb in der Altebene südöstlich von Fogaras; die 21. ID. stand als Armeereserve bei Heldsdorf und Krebsbach.
Einem am 17. September von Fogaras aus gegen die 6. KBrig. geführten rumänischen Angriff glückte es, die Husaren des Obst. Pongrácz doch zurückzudrücken, die — da einem Gegenangriff der Erfolg versagt blieb — auf dem Westufer der von Kl. Schenk sich nordwärts hinziehenden Tiefenlinie Aufstellung nahmen.
Inzwischen machte die rumänische Nordarmee mit ihrer Mitte wieder einen Ruck nach vorne und drängte am 18. die Gruppe Obst. Csécsi-Nagy bis hinter die Linie Korond—Parajd, tags darauf die Gruppe Obstlt. Hettinger von Al. Fancsal bis halben Weges gegen Libánfalva zurück.
Auf dem äußersten Nordflügel der Armee Presan stellte die von der rumänischen 14. ID. nach Norden abgezweigte Abteilung (S. 283)
x) K i s z 1 i n g, Das Gefecht bei Königsdorf (Mil. wiss. Mitt., Wien, Jhrg. 1930, 385 ff.). Dem GM. Anton Goldbach wurde für die kühne Führung der 71. ID. im Gefecht bei Königsdorf sowie für die hervorragende Tätigkeit während der im Oktober 1916 sich abspielenden Kämpfe im Ojtozpaß das Ritterkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens zuerkannt.
die Verbindung mit den Russen her und zwang am 16. September das Gendarmeriebataillon vom Ptr. Pisciu A 2022 auf die Höhe A 2102 zurück. Infolge Hilferufe der um den Anschluß besorgten 7. Armee wurde nun das Detachement Obstl